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planet toys_Feb_2021

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INTERVIEW DES MONATS<br />

<strong>planet</strong> <strong>toys</strong><br />

G.M.: Unser Ziel ist eine einheitliche europäische<br />

Regelung. Das Thema steht<br />

in allen europäischen Ländern oben auf<br />

der Agenda. Aber in Brüssel mahlen die<br />

Mühlen manchmal langsam. Und selbst<br />

wenn wir eine europäische Regelung<br />

haben, brauchen wir am Ende trotzdem<br />

eine deutsche Durchführungsregelung.<br />

Deswegen führt an einem nationalen Gesetz<br />

kein Weg vorbei. Mit einer nationalen<br />

Initiative haben wir jetzt die Chance, die<br />

EU-Gesetzgebung in unserem Sinne zu<br />

beeinflussen. Denn Brüssel schaut genau<br />

hin, was wir in Deutschland machen. Wir<br />

sollten vorangehen und die Standards<br />

selber definieren, bevor es Brüssel für<br />

uns tut. Das wäre auch im Interesse der<br />

deutschen Wirtschaft.<br />

»Es kann nicht länger sein,<br />

dass sich einige anstrengen<br />

und andere ohne Rücksicht<br />

auf Menschenrechte produzieren.«<br />

DR. GERD MÜLLER<br />

Bundesentwicklungsminister<br />

© BMZ Pool /Janine Schmitz<br />

Angesichts der Komplexität von manchen<br />

Lieferketten dürfte ein solches Gesetz<br />

doch zu einem erheblichen Bürokratieaufwand<br />

und Belastungen führen, weil<br />

jedes Unternehmen versuchen wird,<br />

sich so gut es geht abzusichern.<br />

G.M.: Ob in der Spielwarenbranche oder<br />

im Textilbereich – die vielen Vorreiterunternehmen<br />

zeigen ja, es geht. Gerade in<br />

Zeiten der Digitalisierung ist dies ohne<br />

übermäßigen bürokratischen Aufwand<br />

möglich. Wir alle sehen aber auch, dass<br />

wegen der Coronakrise viele Unternehmen<br />

in einer schwierigen Situation sind.<br />

Deswegen gehen wir mit Augenmaß vor:<br />

Kleine Firmen oder Handwerksbetriebe<br />

sind ausgenommen. Und es wird Übergangsfristen<br />

geben, um sich auf die Regeln<br />

einstellen zu können. Auch bei den zu<br />

erfüllenden Sorgfaltspflichten gehen wir<br />

nicht über das hinaus, was die Vereinten<br />

Nationen und die OECD ohnehin vorgeben:<br />

Ein Unternehmen hat bei etwaigen<br />

Schadensfällen nichts zu befürchten,<br />

wenn es seine Lieferketten analysiert<br />

und Vorsorgemaßnahmen trifft.<br />

Weiterer neuralgischer Punkt ist die<br />

Firmengröße, ab der Unternehmen davon<br />

betroffen sind. Bleibt es bei den 500<br />

Beschäftigten? Und welche Sanktionen<br />

drohen, wenn Unternehmen dagegen<br />

verstoßen?<br />

G.M.: Menschenrechte sind nicht verhandelbar<br />

und gelten grundsätzlich für alle.<br />

Aber jede Regelung muss umsetzbar<br />

sein. Wir achten daher besonders auf<br />

die Belange des Mittelstands. Vom Gesetz<br />

werden nur größere Unternehmen<br />

erfasst. Die kennen die Mechanismen.<br />

Kleine mittelständische Unternehmen<br />

sind nicht betroffen. Wir bieten den Unternehmen<br />

auch Beratungen an – über<br />

800 haben wir schon durchgeführt. Am<br />

Ende ist es auch eine Frage der Reputation,<br />

ob Unternehmen sich zu Menschenrechten<br />

bekennen oder eben nicht.<br />

Deutschland will in der EU vorangehen,<br />

kehrt aber nicht gerne vor der eigenen<br />

Haustür, so unser Eindruck. Denken Sie<br />

an die heftigen Auseinandersetzungen<br />

um die Einführung des Mindestlohns,<br />

der in Ihrer Partei sehr umstritten war.<br />

Angelsächsische Länder waren uns um<br />

Jahre voraus. Oder denken Sie auch an<br />

die seit Langem umstrittenen Werkverträge<br />

oder die Zustände in der fleischverarbeitenden<br />

Industrie, die allen bekannt<br />

waren. Erst musste Corona kommen,<br />

dass auch Berlin gesetzgeberisch tätig<br />

wurde. Messen wir Deutschen nicht zu<br />

oft mit zweierlei Maß?<br />

G.M.: Nein, das sehe ich anders. Beim<br />

Thema Nachhaltigkeit sind wir in vielen<br />

Bereichen Vorreiter. Stichwort Energiewende.<br />

Kein anderes Land steigt gleichzeitig<br />

aus Kohle und Kernkraft aus. Oder<br />

Recycling. Da setzen unsere Kommunen<br />

EU-weit Standards. Aber ich stimme Ihnen<br />

zu. Wir müssen noch viel stärker vom<br />

Reden ins Handeln kommen. Deswegen<br />

kämpfe ich ja für ein ambitioniertes Gesetz<br />

zur Einhaltung menschenrechtlicher<br />

und ökologischer Mindeststandards in<br />

unseren Lieferketten.<br />

Von Amazon & Co. fordern Sie, dass sie<br />

sich durch einen Fonds zur Finanzierung<br />

der Impfkampagnen in den Entwicklungsländern<br />

einbringen. Die Konzerne<br />

stehen aufgrund ihrer Geschäftspraktiken<br />

und ihrer kreativen Steuerpolitik<br />

seit vielen Jahren in der Kritik. EU-<br />

Kommissarin Margrethe Vestager will<br />

sich das auch nicht mehr länger mit<br />

»„Made in Germany“ soll<br />

nicht nur für gute Qualität<br />

stehen, sondern auch für<br />

faire Produktion.«<br />

DR. GERD MÜLLER<br />

Bundesentwicklungsminister<br />

ansehen. Hinkt die Politik immer der<br />

Entwicklung hinterher?<br />

G.M.: In der Coronakrise machen die Digitalkonzerne<br />

und die Finanzwirtschaft<br />

riesige Gewinne, während die Geschäfte<br />

in unseren Innenstädten leiden. Amazon<br />

verdreifachte im letzten Quartal seinen<br />

Gewinn. Allein Amazon-Chef Jeff Bezos<br />

ist in der Coronakrise um über 70 Milliarden<br />

Dollar reicher geworden. Das<br />

Nettovermögen von Mark Zuckerberg<br />

von Facebook stieg teilweise an einem<br />

einzigen Tag um 8 Milliarden Dollar. Ich<br />

fände es angemessen, wenn sich diese<br />

superreichen Krisengewinner auch an der<br />

Krisenbewältigung beteiligen. Das geht<br />

nur freiwillig, aber es wäre ein wichtiger<br />

Beitrag, damit die Welt schneller aus der<br />

Krise kommt. Mein Vorschlag ist, dass<br />

sie in einen Solidaritätsfonds einzahlen<br />

– etwa bei den Vereinten Nationen.<br />

Reicht das?<br />

G.M.: Sicherlich nicht. Auch hier braucht<br />

es verbindliche Grundstandards. Digitalkonzerne<br />

wie Google, Facebook oder<br />

Apple machen in Europa, aber auch in<br />

Entwicklungsländern, prächtige Geschäfte,<br />

zahlen aber bisher kaum Steuern. Wann,<br />

wenn nicht jetzt wollen wir diese steuerliche<br />

Ungerechtigkeit beenden? Deswegen<br />

unterstütze ich Finanzminister<br />

Scholz dabei, eine wirksame Digitalsteuer<br />

einzuführen. Ich hoffe, dass es hier im<br />

OECD-Kreis mit der neuen US-Regierung<br />

vorangeht und endlich ein international<br />

einheitliches Konzept beschlossen wird.<br />

Eine solche Digitalsteuer erbringt auch<br />

Mittel, die wir im weltweiten Kampf gegen<br />

die Covid-19-Krise dringend brauchen.<br />

Zurück zu fairen Lieferketten: Der staatliche<br />

„Grüne Knopf“ zeichnet nachhaltige<br />

Textilien aus. Die von Ihrem Ministerium<br />

unterstützte Multi-Stakeholder-Initiative<br />

Fair Toy Organisation arbeitet aktuell an<br />

einem Siegel für die Spielwarenbranche.<br />

Wird es demnächst für jede Branche einen<br />

„nachhaltigen Knopf“ geben?<br />

G.M.: Wir brauchen beides: Mindeststandards,<br />

die für alle gelten. Diese werden<br />

vom Lieferkettengesetz festgelegt. Und<br />

Vorreiterinitiativen, die darüber hinausgehen<br />

und Best Practice definieren. Viele<br />

Verbraucherinnen und Verbraucher wol-

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