gletscherderschweiz_west
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worden. An den übersteilten Innenseiten bilden sich häufig Racheln genannte Erosionsformen, die Orgelpfeifen
ähneln und daher auch Orgelpfeifenmoränen genannt werden. Beispiele findet man am Mittel aletschgletscher
W 7.1, Zinalgletscher W 21 oder Findelgletscher W 26.
Moränenblöcke sind in der Regel kantig (Obermoräne) bis kantengerundet (Grundmoräne), im Gegensatz zu den
beim längeren Transport durch das Wasser bereits deutlich abgerundeten Geröllen der Bäche und Flüsse.
Die Zungen vieler Gletscher sind heute stark mit Schutt bedeckt (z. B. Oberaletsch- W 8.1, Unteraar- W 4.1, Zinal-
W 21 und Zmuttgletscher W 24.1). Ist die Obermoräne sehr dicht und flächig, isoliert sie grössere Areale des
Gletschers und schützt längere Zeit vor dem Abschmelzen. Umgekehrt verstärkt eine dünne, eher feinkörnige
Schuttbedeckung den Eisschwund, indem hier die Sonnenstrahlung stärker absorbiert und so die Wärme direkt
auf das Eis übertragen wird. Diese Phänomene sind an den Beispielen Gletschertisch und Kryokonitloch schön
zu zeigen: Bei der Ausbildung eines Gletschertisches schützt ein grosser Gesteinsblock wie ein Schirm das Eis
vor der Sonnenstrahlung, sodass das Eis im Schatten verzögert abschmilzt. Die Gletschertische sind gegen Ende
des Sommers wegen der verzögerten Wärmeleitung bis an den Eissockel häufig in Richtung der stärksten
Sonneneinstrahlung, also gegen Süden bis Südwest geneigt. Häufig stürzen die Moränenblöcke auch herunter,
sodass die Herausbildung dieser charakteristischen Formen im nächsten Frühjahr wieder von Neuem beginnen
kann.
Typischer Gletschertisch auf dem Gornergletscher mit dem Matterhorn (links), Kryokonitlöcher: Die sich
erwärmenden dunklen Partikel schmelzen kleine Löcher in die Eisoberfläche (rechts).
Kleine Gesteinspartikel oder dunkles organisches Material (wie Blütenstaub, Pflanzen- und Tierreste, vom Wind
transportiert), auch Kryokonit genannt, bringen durch ihre Wärmeabsorption das Eis zum Schmelzen. Die kleinen,
oft durch den Tagesgang der Sonne gegen Norden ausgebuchteten, zentimetertiefen sog. Kryokonit- oder
Mittagslöcher sind oft mit Schmelzwasser gefüllt. Das darin enthaltene Kryokonit dient als Nahrung für verschiedene
Tiere auf Gletschern wie z. B. den Gletscherflöhen (S. 216).
Eisige Archive – Gletscher als Klimainformanten
Die Gletscher werden durch Schneefälle genährt, umgekehrt führen warme Temperaturen zum Abschmelzen des
Eises. Die Gletscher stehen also in enger Beziehung zum Klima, indem sie über die Atmosphäre Masse und Energie
austauschen. Im Gegensatz zu den grossen Polvereisungen in der Antarktis und Arktis, die aktiv das Klima
beeinflussen, reagieren die Alpengletscher nur passiv auf sich verändernde Klimabedingungen (v. a. Temperaturund
Niederschlagsänderungen): Einerseits kann eine kühl-feuchte Witterung in den Sommermonaten über mehrere
Jahre hinweg bei den Gletschern mittelfristig einen Vorstoss bewirken. Ein typisches Merkmal vorstossender
Gletscher ist das steile, tatzenförmig aufgewölbte Zungenende. Andererseits führt trocken-warme Witterung
langfristig zu einem Gletscherschwund, was sich in einer flach auslaufenden, meist stark schuttbedeckten Zunge
zeigt. Die Anpassung der Gletscherausdehnung erfolgt aber nicht unmittelbar, denn es braucht Zeit, bis z. B. ein
Massenüberschuss an der Zunge ankommt. Bei kleinen Gletschern beträgt diese Reaktionszeit im Zungenbereich
wenige Jahre, bei grossen Gletschern (wie z. B. dem Grossen Aletschgletscher) hingegen einige Jahrzehnte.
Neben den kleineren reagieren meist schon mittelgrosse Gletscher auf geringfügige Klimaschwankungen, wie in
den 1980er-Jahren z. B. der Obere Grindelwaldgletscher mit einem etwa 25 Jahre andauernden, kräftigen Vorstoss
im Umfang von knapp 600 m. Grosse Gletscher reagieren träger und zeigen durch den beständigen Rück-
24 Faszination Gletscher