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akzent Magazin April '21 BO

akzent – DAS GRÖSSTE LIFESTYLE- & VERANSTALTUNGSMAGAZIN VOM BODENSEE BIS OBERSCHWABEN www.akzent-magazin.com

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SEELEUTE 13<br />

Die Firma Liebherr in Lindenberg, neben der ich<br />

aufgewachsen bin, war in meiner Kindheit ein<br />

Angstthema. Die Erwachsenen sagten „die stellen<br />

Kriegsflugzeuge her. Wenn es wieder einen Krieg<br />

gibt, fallen uns die Bomben zuerst auf den Kopf.“<br />

Nun sitze ich Lothar Höfler gegenüber.<br />

Der 79-Jährige widmet seinen Lebensabend der<br />

Information der Öffentlichkeit über die Rüstungsindustrie<br />

am Bodensee. 2010 hat er die Initiative<br />

„Keine Waffen vom Bodensee“ mitgegründet.<br />

TEXT & PORTÄTFOTO: SUSI DONNER<br />

<strong>akzent</strong>: Herr Höfler, sehe ich, wie<br />

stark Friedrichshafen im Zweiten Weltkrieg<br />

zerbombt wurde, beschleicht<br />

mich das Gefühl, dass die Ängste meiner<br />

Kindheit berechtigt waren.<br />

Lothar Höfler: Ja, und sie sind es<br />

bis heute. Dass es Friedrichshafen traf –<br />

und wieder treffen würde – ist logisch.<br />

Denn im Vergleich zur Bevölkerung, die<br />

nicht unbedingt weiß, wo welche Rüstungsfirmen<br />

sind und welche Kriegsgüter<br />

sie genau herstellen, wissen es die<br />

möglichen Feinde genau.<br />

<strong>akzent</strong>: Sie haben 15 Jahre als Ingenieur<br />

bei Liebherr in der Rüstungsindustrie<br />

gearbeitet.<br />

Lothar Höfler: Ich suchte nach meinem<br />

Maschinenbaustudium 1967 eine<br />

Stelle, die „irgendwie“ mit Flugzeugen<br />

zu tun hatte, und landete eher zufällig<br />

in Lindenberg bei Liebherr Aerotechnik.<br />

Die Firma und speziell die Entwicklungsabteilung<br />

befanden sich noch<br />

im Aufbau. Es war eine spannende Zeit<br />

für einen jungen, technikbegeisterten<br />

Ingenieur – ich war damals 26 Jahre alt.<br />

Wir waren eine kleine neue Abteilung<br />

und hatten viele Freiheiten.<br />

<strong>akzent</strong>: Wann und warum setzte<br />

Ihr Umdenken ein?<br />

Lothar Höfler: 1972 veröffentlichte<br />

der Club of Rome das Buch „Die Grenzen<br />

des Wachstums“. Ein Bericht zur<br />

Lage der Menschheit. Die Besorgnis<br />

erregenden Entwicklungen waren damals<br />

bereits erkennbar. Das Buch war<br />

für mich eine Offenbarung. Infolge<br />

habe ich Kontakte in die Friedensbewegung<br />

und in die Anti-Atomkraftbewegung<br />

geknüpft. War bei Friedens-<br />

Demonstrationen dabei und 1979<br />

Mitgründer der Grünen im Landkreis<br />

Lindau. Natürlich war die Mitarbeit an<br />

Geräten für die Rüstung zunehmend<br />

nicht mehr vereinbar mit meinen neuen<br />

Interessen. 1980 bin ich bei Liebherr<br />

ausgeschieden und begann mein<br />

neues Leben in der Selbständigkeit mit<br />

alternativen Energien.<br />

<strong>akzent</strong>: 2010 waren Sie Mitbegründer<br />

der Initiative „Keine Waffen vom<br />

Bodensee“, die 2014 zum Verein wurde.<br />

Was tut der Verein?<br />

Lothar Höfler: Unser Verein möchte<br />

der Entwicklung und Wiedererstarkung<br />

der Rüstungsindustrie am Bodensee<br />

nicht tatenlos zusehen. Wir leisten<br />

Friedens- und Aufklärungsarbeit nach<br />

dem Motto „Den Opfern eine Stimme;<br />

den Tätern Name und Gesicht“, der<br />

bundesweiten Aktion Aufschrei Stoppt<br />

den Waffenhandel. Die Täter, die Lieferanten<br />

der Waffen und des Kriegsmaterials,<br />

sitzen auch direkt vor unserer<br />

eigenen Haustüre. Sie, die Firmen, ihre<br />

Produkte und ihre verantwortlichen<br />

Leitungen, wollen wir mit ihren Namen<br />

und Gesichtern öffentlich machen. Das<br />

ist hart und kann unangenehm sein für<br />

beide Seiten.<br />

<strong>akzent</strong>: Wieso entwickelte sich gerade<br />

in der idyllischen Bodenseeregion<br />

die Rüstungsindustrie so mächtig?<br />

Lothar Höfler: Ferdinand Graf von<br />

Zeppelin ist nicht nur der Vater des Zeppelinbaus.<br />

Er ist auch der Gründer der<br />

heutigen Rüstungsindustrie am Bodensee.<br />

Er baute im 1. Weltkrieg schon an<br />

die hundert Kriegszeppeline. Das Projekt<br />

Zeppelin war von Beginn an kein<br />

Zivilprojekt wie viele Menschen glauben.<br />

Der absolute Höhepunkt der Rüstungsindustrie<br />

am Bodensee war mit<br />

dem 2. Weltkrieg erreicht, was Friedrichshafen<br />

mit seiner nahezu völligen<br />

Zerstörung büßte. Leider haben die Täter<br />

und Profiteure daraus nichts gelernt.<br />

Die verantwortlichen Macher in den<br />

Betrieben und Verwaltungen sind auf<br />

Arbeitsplätze, hohe Steuern, ihr persönliches<br />

Einkommen, Macht, Ruhm,<br />

Einfluss und Prestige aus, das ist der<br />

Antrieb auch der bösen Tat. Wir können<br />

sagen, dass in der Bodenseeregion<br />

wieder eines der größten Rüstungscluster<br />

in Deutschland entstanden ist. Und<br />

so haben wir eine kriegerische Idylle<br />

am schönen Bodensee.<br />

<strong>akzent</strong>: Wie begegnen Sie dem<br />

Spruch: „Wenn wir’s nicht machen,<br />

machen’s die anderen“?<br />

Lothar Höfler: Wir versuchen, den<br />

Menschen klarzumachen, dass mit ihrer<br />

(todsicheren) Arbeit und mit den<br />

von ihnen produzierten Waffen und<br />

Dienstleistungen anderswo in der Welt<br />

Menschen und deren Heimat vernichtet<br />

werden, dass anderswo Menschen mit<br />

Hunger, Elend, Tod und Vertreibung<br />

für unser Einkommen, Wohlstand, Gesundheit<br />

und Sicherheit bezahlen.<br />

<strong>akzent</strong>: Was können wir selbst tun,<br />

damit keine tödlichen Waffen mehr<br />

vom Bodensee ausgehen?<br />

Lothar Höfler: Es gibt nur einen<br />

Weg: sich entziehen. Als moralische<br />

und verantwortungsbewusste Menschen,<br />

Eltern, Vorbilder für andere<br />

können wir uns nicht an der Herstellung<br />

von Mitteln zum Töten anderer<br />

Menschen beteiligen.<br />

www.keinewaffenvombodensee.de<br />

Das vollständige Interview ist unter<br />

www.<strong>akzent</strong>-magazin.com nachzulesen.<br />

INTERNATIONALER <strong>BO</strong>DENSEE FRIEDENSWEG<br />

Am 5. <strong>April</strong> findet der Internationale Bodensee Friedens weg<br />

statt. Start ist um 14.30 Uhr am Bahnhofplatz Überlingen.<br />

www.bodensee-friedensweg.org

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