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Red Bulletin 0521 DE

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Musik<br />

MAKE-UP: CAROLINE TORBAHN/NINA KLEIN ARTISTS<br />

Vom ersten Auftritt ohne Bühnenerfahrung<br />

und Mode als Kunst<br />

„Nie wieder geh’ ich in Zelle wegen Patte<br />

(Slangausdruck für Geld; Anm.), nie wieder<br />

wegen Raub und Erpressung vor dem<br />

Richter stehen, nie wieder. Nie wieder<br />

geh’ ich mit Achter (Handschellen; Anm.)<br />

und Fußfesseln runter in Bunker und<br />

wart’ auf mein Urteil.“<br />

Nimo hat sein früheres Leben und<br />

seine Fehler in seinen Raps verarbeitet:<br />

Er wird in eine Karlsruher Familie mit<br />

iranischen Wurzeln hineingeboren,<br />

wächst in der Nähe von Stuttgart auf.<br />

Der junge Nima Yaghobi, wie Nimo mit<br />

bürgerlichem Namen heißt, baut viel<br />

Mist. Seinen 16. und 17. Geburtstag verbringt<br />

er im Jugendgefängnis, unter anderem<br />

wegen räuberischer Erpressung.<br />

Aber er hat eine Idee und jede Menge<br />

Reime im Kopf. Als er wieder draußen ist,<br />

geht es los: Er nimmt Raps auf, postet sie<br />

in den sozialen Medien. Die Frankfurter<br />

Rapper und Labelchefs Celo & Abdi werden<br />

nach einigen mit einfachsten Mitteln<br />

gedrehten Handyvideos auf ihn aufmerksam,<br />

nehmen den bühnenunerfahrenen<br />

Jungrapper sofort mit auf Tour. 2016 erscheint<br />

sein Mixtape „Habeebeee“. Darauf<br />

rappt er gleich zu Beginn: „Soll nicht<br />

bedeuten, dass ich denk, ich wär was<br />

Besseres wie du. Bin nur ein Hoodie, der<br />

mit Glück und Handyvideos einen Deal<br />

bekam.“ Nimo rappt auch über seine<br />

Eltern und seine „Prioritäten im Leben“.<br />

Zum ersten Mal verrät er etwas über<br />

seinen Wandel und die Wurzeln der Veränderung:<br />

„Man denkt erst nach, wenn<br />

man alleine ist.“<br />

2017 folgt das Debüt-Album „K¡K¡“.<br />

Dort gibt er sich als gereifter und selbstbewusster<br />

Künstler. Wieder hat das<br />

Album einen programmatischen ersten<br />

Song: „Michelangelo“. Darin gesteht er<br />

zuerst bescheiden und sachlich korrekt:<br />

„Ich habe Rap nicht erfunden, hab’ Trap<br />

nicht erfunden, hab’ Hip-Hop nicht erfunden.“<br />

Um dann beiläufig hinterherzuschieben:<br />

„Ich bin Deutschraps Michelangelo.“<br />

Den Größenwahn der Zeile<br />

fängt er selbst wieder auf: „Auf einmal<br />

sagen sie, ‚der Typ ist abgehoben‘, weil<br />

ich mich selber als Künstler bezeichne,<br />

wir sind die Renaissance, ekho, die neue<br />

Generation.“ Ein Künstler zu sein, das<br />

kann durchaus mehr umschließen als<br />

das Rappen. Nimo ist die Musik nicht<br />

mehr genug. Er schlüpft mittels Mode<br />

immer wieder in andere Rollen. Oder<br />

„Es fühlt sich gut an,<br />

den Menschen eine<br />

positive Message<br />

mitzugeben.“<br />

wie er wahrscheinlich sagen würde:<br />

andere Teile seiner Persönlichkeit.<br />

Du hast deinen Horizont über den<br />

Hip-Hop hinaus erweitert. Mode<br />

scheint dir sehr wichtig zu sein.<br />

Ja, das ist eine Ambition neben der<br />

Musik. Im Großen und Ganzen würde<br />

ich sagen, ich bin ein Künstler. Ein<br />

Künstler ist nicht nur jemand, der Musik<br />

macht, der schreibt oder zeichnet.<br />

Künstler ist man durch und durch.<br />

Und Mode ist eine der ältesten Künste,<br />

die der Mensch hat.<br />

Was fasziniert dich so daran?<br />

Mit Klamotten kannst du eine Menge<br />

über dich aussagen. Wie du drauf bist,<br />

wie du dich heute fühlst, wie dein<br />

Mood ist. Es gibt Tage, da liebe ich es,<br />

elegant herumzulaufen. Und Tage,<br />

da schau ich gern wie ein Hoodboy<br />

aus. Ich zieh mich privat sogar noch<br />

verrückter und modebewusster an als<br />

im Internet.<br />

Warum unterscheidest du da?<br />

Heute zeigen die Leute ständig im Internet,<br />

was sie haben. Für mich ist das<br />

eher privat. Es standen schon oft Leute<br />

vor meinem Kleiderschrank und haben<br />

gesagt: Wow, du hast das und das Kleidungsstück,<br />

das denkt man gar nicht.<br />

Dann sag ich: Ja, ist auch besser so. Ich<br />

trag’s für mich, nicht für die anderen.<br />

Vom schonungslosen Blick in den<br />

Spiegel und der Kraft guter Werte<br />

„Ihr wollt den alten Nimo? Hier ist der<br />

neue Nimo“, heißt es auf „Bereit“. 2019<br />

ist das Jahr, in dem Nimo mit mehreren<br />

Nummer-eins-Hits durchstartet, zuerst<br />

auf „Capimo“, mit dem Kollegen Capo,<br />

dann als Solokünstler auf „Nimoriginal“.<br />

Und er spricht offen über Ups and<br />

Downs. Über falsche Freunde und Drogen,<br />

darüber, wie es ist, an einen Punkt<br />

zu kommen, wo man sich für sich selbst<br />

schämt. In den Spiegel zu schauen und<br />

zu denken: Das bin nicht ich.<br />

Auf „Kein Schlaf“ zeigt er sich von<br />

einer emotionalen, verletzlichen Seite.<br />

Anstatt harter Raps dominiert eher<br />

Gesang. Auf der Single tritt die Rapperin<br />

Hava als Gast auf. Eigentlich hat der<br />

Song sogar zwei Perspektiven: eine<br />

männliche und eine weibliche. In Interviews<br />

spricht er sich gegen Rassismus<br />

und Homophobie aus, verteidigt auch<br />

mal viel attackierte Rap-Kolleginnen wie<br />

Shirin David öffentlich. „Gute Werte“, wie<br />

Nimo es nennt. „Kein Schlaf“ wird seine<br />

erste Nummer eins als Solokünstler.<br />

Kein Schwachsinn mehr. Dafür Arbeit,<br />

Familie und Fokus. Als Grund für seine<br />

Wandlung nennt Nimo auch die – vorerst<br />

anonyme – neue Frau an seiner Seite.<br />

„Erst durch sie habe ich gelernt, mit<br />

Kritik umzugehen“, sagt er. Seit 2019<br />

sind die beiden liiert, sogar von Hochzeit<br />

ist schon die <strong>Red</strong>e.<br />

Er hat die Kurve bekommen. Und er<br />

will, dass das anderen auch gelingt, will<br />

sie bestärken, wie ihn sein älterer Freund<br />

bestärkt hat, als er mit dem Rappen begonnen<br />

hat. Er hat eine Spendenaktion<br />

für Obdachlose angestoßen und redet<br />

darüber, der Gesellschaft etwas zurückgeben<br />

zu wollen. „Für die Generation<br />

jetzt und für die Generation, die nach<br />

uns kommt.“ Nimo ist ein Rapper, und<br />

das wird er auch immer bleiben. Aber er<br />

ist definitiv schon mehr als das.<br />

Was kommt als Nächstes von dir,<br />

wo geht die Reise hin?<br />

Ich hab gelernt, nicht mehr groß über<br />

Pläne zu reden. Das letzte Jahr hat gezeigt,<br />

wie schwierig Pläne sind. Sagen<br />

kann ich: Wenn wir was machen, dann<br />

wird es etwas ganz Neues sein. Etwas,<br />

was wir noch nicht gemacht haben.<br />

Welcher ist der echte Nimo – der im<br />

Anzug oder der in der Jogginghose?<br />

Es gibt keinen echten Nimo und keinen<br />

unechten. Es gibt nur einen einzigen<br />

Nimo, mit verschiedenen Stimmungen.<br />

Aber es ist total egal, ob im Anzug oder<br />

in Jeans – Nimo ist Nimo.<br />

CLASH <strong>DE</strong>R <strong>DE</strong>UTSCHRAP-STARS<br />

Ein Studio, zwei Künstler, eine Aufgabe: Bei der<br />

„<strong>Red</strong> Bull Soundclash Studio Edition: The Takeover“<br />

performen Nimo und Jamule je einen<br />

eigenen Song, den der andere ab der Hälfte fortsetzen<br />

muss. Das alles im <strong>Red</strong> Bull Music Studio<br />

Berlin inklusive Live-Band und mit anschließendem<br />

Fan-Voting. Am 29. April auf dem Kanal<br />

<strong>Red</strong> Bull Rap Einhundert auf youtube.com<br />

THE RED BULLETIN 55

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