LETZTE SEITE Der gute alte Wocheneinkauf steht an. Im Gegensatz zu allen Mustermännern und -frauen nicht am Samstagvormittag, sondern am Freitag in aller Herrgottsfrühe. Selbstverständlich hab ich eine akribisch vorbereitete Einkaufsliste dabei. Ebenso selbstverständlich kümmert die Liste mich nicht im Geringsten. Nach kürzester Zeit liegt das halbe Warensortiment im Einkaufswagen. Der Cornflakes-Schock In der Cerealienabteilung bin ich eigentlich nie. Heute aber schon und sofort weiß ich, was ich brauche: Gehirn, Magen und Seele geifern förmlich nach „Chocos“. Mit wild hin- und herzuckenden Augen scanne ich Regalreihe um Regalreihe. Als mein Blick auf die Chocos-Packung fällt, glaube ich nicht, was ich sehe. Wer ist das? Welch teuflisches Spiel wird hier gespielt? Auf der Packung ist nicht mein guter, alter Kumpel, der gutgelaunte Bär, sondern dieser dämliche Affe von den Choco Pops. Dezent verwirrt schnappe ich mir trotzdem eine Schachtel und mache mich auf zur Kasse. Die Fastfood-Ernüchterung Auf dem Nachhauseweg beschließe ich, einen kurzen Zwischenstopp einzulegen. Fastfood soll mich vom Gedanken an den Chocos-Bären ablenken und so besuche ich die güldene Möwe. Am Tresen des Pappschachtel-Restaurants steht mir der Sinn nicht nach Frühstück, sondern nach Erheiterung. Daher bestelle ich eine Juniortüte. Der junge Mann an der Kasse schaut mich mit leerem Blick an und fragt eloquent: „Ehwas?“ Ich bestelle erneut, etwas lauter, etwas deutlicher. Der junge Mann zuckt mit den Schultern und entgegnet: „Gibt’s nich.“ Direkt mache ich mich bereit, noch etwas deutlicher zu bestellen, als sich ein Mitarbeiter in meinem Alter einschaltet und uns beiden mitteilt, dass das heute „Happy Meal“ heißt. Interessant, denke ich und korrigiere meine Bestellung. Der junge Mann fragt: „Mit was?“ und ich antworte geistesgegenwärtig: „Mit allem!“ Es stellt sich heraus, dass die Zusammenstellung dieser Kindertüte dann doch nicht ganz so simpel ist. Nicht nur kann man zwischen verschiedenen Burgern, Beilagen und Salat wählen. Zusätzlich steht man auch vor der Wahl, ob man nun lieber viereinhalb Apfelstückchen, ein nach nichts schmeckendes Wassereis oder eine Art Minismoothie mit dabeihaben AFFENTHEATER möchte. Ich entscheide mich für die Apfelstücke. Weiter geht es mit den Getränken. Da fühle ich mich auf sicherem Terrain und ordere eine klassische Cola. „Geht nich. Nur Apfelschorle, Wasser, O-Saft, Milch oder Capri-Sun.“ Ganz kurz wundere ich mich über seine sonderbare Aussprache des Wortes „Capri Sonne“, seufze kurz und bestelle ein Wasser. Ich bin beinahe am Ende meiner Kräfte, da deutet er auf ein Schild neben sich und fragt: „Welches Spielzeug?“ Entscheiden kann ich mich zwischen drei furchtbaren Glitzerstofftieren und zwei jeweils sechsseitigen Büchlein über Roboter. Ohne ein weiteres Wort verlasse ich die Wirtschaft mit der gelben Doppelparabel. Die Spielzeug-Enttäuschung Der Wecker klingelte um 5.15 Uhr. Ich schäle mich aus der Decke und verspüre eine gewisse Vorfreude. Ich hole die Chocos-Packung hervor, reiße sie auf und werfe einen Blick hinein. Nichts. Ich ziehe den verschweißten Plastikbeutel aus der Packung und schaue erneut. Nichts. Sorgfältig öffne ich den Beutel und stecke meine Hand rein. Ich wühle und wühle, doch: nichts! Ratlos schichte ich die Chocos um. In der Plastiktüte: nichts. In der Schüssel: nichts. Komplett verwirrt, betrachte ich die Packung genauer und falle aus allen Wolken. Der Affe hat nicht nur den Bären ersetzt, er hat auch das Spielzeug wegrationalisiert. Irgendwann habe ich mich von dem Schock erholt und sitze mit einer vollen Schüssel vor dem Fernseher. Alles was bleibt, ist Hass Ich zappe durch die Kanäle und meine Laune verdüstert sich, sofern möglich, noch weiter. Wo sind die Cartoons? Es ist Samstagfrüh. Dokus über Hitler, über Trucker oder Schnäppchenjäger schallen mir entgegen. Panisch schalte ich durch die Kanäle und oben im dreistelligen Bereich begrüßen mich animierte Figuren. Computergenerierte Figuren, mit weniger Polygonen als Edward Carnby im ersten „Alone in the Dark“. Ich schalte weiter. Und weiter. Und weiter. Und dann ist er plötzlich da. Mein Retter in der Not: Captain Future! Christian Bruhns Introsound erzeugt Gänsehaut auf meinen Armen. Ich schnappe mir die Cornflakes- Schüssel, lehne mich zurück und ein kleiner Seufzer verlässt meine Lippen. Auf den Bildschirm starrend, führe ich die mit Milch vollgesogenen Chocos zum Mund, beginne zu kauen und verspüre unbändigen Hass. Der Bär ist verschwunden. Spielzeug gibt’s keins mehr. Und jetzt schmecken die scheiß Cornflakes auch noch nach Choco Pops und nicht nach Chocos. Ich verfluche dich, Affe! Dominik Schele 34 IMPRESSUM <strong>FRIZZ</strong>, das monatliche Stadtmagazin, Herausgeber: Neue Pressegesellschaft mbH & Co. KG Frauenstraße 77 • 89073 Ulm Tel: 0731 156-529 E-Mail: info@frizz-ulm.de Internet: frizz-ulm.de Verlagsleitung: Stefan Schaumburg (verantwortlich), Anschrift wie Verlag, Yasmin Tan (Objektleitung) Redaktionsleitung: Stefanie Müller (verantwortlich), Dominik Schele SVH GmbH & Co. KG Frauenstraße 77 • 89073 Ulm Gestaltung: Tamara Saß (mediaservice ulm) Titelbild: Manuel Bischof Datenschutz: datenschutz@swp.de Druck: fec - druck+medien GmbH & Co. KG Zeissstraße 8 • 89264 Weißenhorn Redaktionsschluss: 10.<strong>05</strong>.<strong>2021</strong> Anzeigenschluss: 07.<strong>05</strong>.<strong>2021</strong> Erscheinung: 01.06.<strong>2021</strong> Sie wollen mit einer Anzeige dabei sein? Wenden Sie sich an: Yasmin Tan Tel: 0731 156-529 Mobil: 0151 24091787 y.tan@swp.de
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