GSa154-Mai-21 Gleiche Bildungschancen
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Thema: <strong>Gleiche</strong> <strong>Bildungschancen</strong><br />
Interview mit Tilman Kern, Geschäftsführer im BFAS (Bundesverband der Freien Alternativschulen e. V.)<br />
Privilegien im Schulsystem?<br />
Michael Töpler (MT): Herr Kern, wir<br />
sprechen heute über das Problem ungleicher<br />
<strong>Bildungschancen</strong> mit Blick auf<br />
private Schulen in Deutschland. Was<br />
genau ist eine Privatschule eigentlich?<br />
Tilman Kern (TK): Bei den sogenannten<br />
privaten Schulen handelt es sich um<br />
„Schulen in freier Trägerschaft“. Innerhalb<br />
dieser Gruppe gibt es eine große<br />
Vielfalt. So gibt es zahlreiche allgemeinbildende<br />
Schulen in katholischer oder<br />
evangelischer Trägerschaft, die wiederum<br />
sehr unterschiedlich gestaltet sind.<br />
Weitere Schulen werden von Vereinen,<br />
Stiftungen oder GmbHs getragen.<br />
MT: Werden alle Schulen in freier Trägerschaft<br />
von einem Verband vertreten?<br />
TK: Nein, die Schulen haben sich zu<br />
unterschiedlichen Verbänden zusammengeschlossen,<br />
etwa zum Verband<br />
deutscher Privatschulen, zum Verband<br />
der Waldorfschulen oder den Montessorischulen.<br />
Ich bin für den Bundesverband<br />
der freien Alternativschulen<br />
(BFAS) tätig, in dem 106 Schulen organisiert<br />
sind. Bei Verhandlungen mit den<br />
Bundesländern agieren die Verbände<br />
natürlich häufig gemeinsam.<br />
MT: Auf welcher Basis werden in<br />
Deutschland Schulen in freier Trägerschaft<br />
gegründet?<br />
TK: Zentral ist der § 7 des Grundgesetzes,<br />
in dem das Recht auf die Freiheit<br />
der Schulgründungen verankert ist.<br />
Dort ist ausdrücklich festgeschrieben,<br />
dass niemand aufgrund des Vermögens<br />
seiner Familie vom Besuch einer Schule<br />
ausgeschlossen werden darf, bezeichnet<br />
auch als „Sonderungsverbot“.<br />
MT: Aber ist in der Praxis das Schulgeld<br />
einiger Privatschulen nicht genau eine<br />
solche Ungleichbehandlung?<br />
TK: Die Schülerschaften der verschiedenen<br />
Privatschulen sind sehr unterschiedlich,<br />
es sind nicht nur Kinder aus<br />
wohlhabenden Familien dort. Allerdings<br />
entsteht notwendigerweise ein finanzielles<br />
Problem für Schulen in freier Trägerschaft,<br />
da sie vom Staat nur teilfinanziert<br />
werden. Das fehlende Geld muss anderweitig<br />
eingenommen werden, im BFAS<br />
geschieht das durch Eltern oder Vereine.<br />
MT: Aber damit entsteht dann doch<br />
direkt eine finanzielle Zugangshürde,<br />
oder?<br />
TK: Das wird durch solidarische Prinzipien<br />
abgemildert: Die Eltern einer Schule<br />
sind vom Konzept überzeugt und viele<br />
leisten einen höheren Beitrag, damit<br />
andere mit weniger Ressourcen ebenfalls<br />
ihre Kinder zu dieser Schule gehen<br />
lassen können.<br />
MT: Aber bleibt nicht das Problem<br />
bestehen, dass nicht alle Kinder die gleiche<br />
Chance haben, eine Schule in freier<br />
Trägerschaft zu besuchen?<br />
TK: Das Problem ungleicher Chancen<br />
trifft die Schulen in freier Trägerschaft<br />
genauso wie die staatlichen Schulen.<br />
Die entscheidenden Zugangshürden liegen<br />
jenseits des Geldes! Das sieht man<br />
zum Beispiel an den Empfehlungen für<br />
Gymnasien, bei denen viele Faktoren<br />
eine Rolle spielen, die mit der Leistung<br />
des Kindes nichts zu tun haben.<br />
MT: Demnach separieren sowohl staatliche<br />
Schulen als auch Schulen in freier<br />
Trägerschaft nach ähnlichen Prinzipien?<br />
TK: Nein, das wollte ich damit nicht<br />
sagen. Schulen in freier Trägerschaft stehen<br />
vor dem Problem, dass viele Eltern<br />
nichts von ihnen wissen und sie daher<br />
überhaupt nicht als Alternative wahrgenommen<br />
werden. In diesem Fall kann<br />
nicht von einer bewussten „Separierung“<br />
der betreffenden Kinder gesprochen<br />
werden. Besonders in migranti-<br />
Dieses Bild stammt aus einer Videokonferenz<br />
des Themennetzwerkes Bildung<br />
in der National Coalition zur Umsetzung<br />
der UN-Kinderrechtskonvention. Tilman<br />
Kern (3. von oben in der rechten Spalte)<br />
und Michael Töpler (2. von oben in der<br />
linken Spalte) nehmen regelmäßig an<br />
diesen sehr anregenden Sitzungen<br />
teil. Dort werden unter anderem auch<br />
Fragen der Chancengerechtigkeit diskutiert.<br />
Bei der hier gezeigten Sitzung war<br />
Prof. Annedore Prengel (2. von rechts in<br />
der ersten Zeile) zu Gast.<br />
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GS aktuell 154 • <strong>Mai</strong> 20<strong>21</strong>