29.04.2021 Aufrufe

GSa154-Mai-21 Gleiche Bildungschancen

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Thema: <strong>Gleiche</strong> <strong>Bildungschancen</strong><br />

Interview mit Tilman Kern, Geschäftsführer im BFAS (Bundesverband der Freien Alternativschulen e. V.)<br />

Privilegien im Schulsystem?<br />

Michael Töpler (MT): Herr Kern, wir<br />

sprechen heute über das Problem ungleicher<br />

<strong>Bildungschancen</strong> mit Blick auf<br />

private Schulen in Deutschland. Was<br />

genau ist eine Privatschule eigentlich?<br />

Tilman Kern (TK): Bei den sogenannten<br />

privaten Schulen handelt es sich um<br />

„Schulen in freier Trägerschaft“. Innerhalb<br />

dieser Gruppe gibt es eine große<br />

Vielfalt. So gibt es zahlreiche allgemeinbildende<br />

Schulen in katholischer oder<br />

evangelischer Trägerschaft, die wiederum<br />

sehr unterschiedlich gestaltet sind.<br />

Weitere Schulen werden von Vereinen,<br />

Stiftungen oder GmbHs getragen.<br />

MT: Werden alle Schulen in freier Trägerschaft<br />

von einem Verband vertreten?<br />

TK: Nein, die Schulen haben sich zu<br />

unterschiedlichen Verbänden zusammengeschlossen,<br />

etwa zum Verband<br />

deutscher Privatschulen, zum Verband<br />

der Waldorfschulen oder den Montessorischulen.<br />

Ich bin für den Bundesverband<br />

der freien Alternativschulen<br />

(BFAS) tätig, in dem 106 Schulen organisiert<br />

sind. Bei Verhandlungen mit den<br />

Bundesländern agieren die Verbände<br />

natürlich häufig gemeinsam.<br />

MT: Auf welcher Basis werden in<br />

Deutschland Schulen in freier Trägerschaft<br />

gegründet?<br />

TK: Zentral ist der § 7 des Grundgesetzes,<br />

in dem das Recht auf die Freiheit<br />

der Schulgründungen verankert ist.<br />

Dort ist ausdrücklich festgeschrieben,<br />

dass niemand aufgrund des Vermögens<br />

seiner Familie vom Besuch einer Schule<br />

ausgeschlossen werden darf, bezeichnet<br />

auch als „Sonderungsverbot“.<br />

MT: Aber ist in der Praxis das Schulgeld<br />

einiger Privatschulen nicht genau eine<br />

solche Ungleichbehandlung?<br />

TK: Die Schülerschaften der verschiedenen<br />

Privatschulen sind sehr unterschiedlich,<br />

es sind nicht nur Kinder aus<br />

wohlhabenden Familien dort. Allerdings<br />

entsteht notwendigerweise ein finanzielles<br />

Problem für Schulen in freier Trägerschaft,<br />

da sie vom Staat nur teilfinanziert<br />

werden. Das fehlende Geld muss anderweitig<br />

eingenommen werden, im BFAS<br />

geschieht das durch Eltern oder Vereine.<br />

MT: Aber damit entsteht dann doch<br />

direkt eine finanzielle Zugangshürde,<br />

oder?<br />

TK: Das wird durch solidarische Prinzipien<br />

abgemildert: Die Eltern einer Schule<br />

sind vom Konzept überzeugt und viele<br />

leisten einen höheren Beitrag, damit<br />

andere mit weniger Ressourcen ebenfalls<br />

ihre Kinder zu dieser Schule gehen<br />

lassen können.<br />

MT: Aber bleibt nicht das Problem<br />

bestehen, dass nicht alle Kinder die gleiche<br />

Chance haben, eine Schule in freier<br />

Trägerschaft zu besuchen?<br />

TK: Das Problem ungleicher Chancen<br />

trifft die Schulen in freier Trägerschaft<br />

genauso wie die staatlichen Schulen.<br />

Die entscheidenden Zugangshürden liegen<br />

jenseits des Geldes! Das sieht man<br />

zum Beispiel an den Empfehlungen für<br />

Gymnasien, bei denen viele Faktoren<br />

eine Rolle spielen, die mit der Leistung<br />

des Kindes nichts zu tun haben.<br />

MT: Demnach separieren sowohl staatliche<br />

Schulen als auch Schulen in freier<br />

Trägerschaft nach ähnlichen Prinzipien?<br />

TK: Nein, das wollte ich damit nicht<br />

sagen. Schulen in freier Trägerschaft stehen<br />

vor dem Problem, dass viele Eltern<br />

nichts von ihnen wissen und sie daher<br />

überhaupt nicht als Alternative wahrgenommen<br />

werden. In diesem Fall kann<br />

nicht von einer bewussten „Separierung“<br />

der betreffenden Kinder gesprochen<br />

werden. Besonders in migranti-<br />

Dieses Bild stammt aus einer Videokonferenz<br />

des Themennetzwerkes Bildung<br />

in der National Coalition zur Umsetzung<br />

der UN-Kinderrechtskonvention. Tilman<br />

Kern (3. von oben in der rechten Spalte)<br />

und Michael Töpler (2. von oben in der<br />

linken Spalte) nehmen regelmäßig an<br />

diesen sehr anregenden Sitzungen<br />

teil. Dort werden unter anderem auch<br />

Fragen der Chancengerechtigkeit diskutiert.<br />

Bei der hier gezeigten Sitzung war<br />

Prof. Annedore Prengel (2. von rechts in<br />

der ersten Zeile) zu Gast.<br />

10<br />

GS aktuell 154 • <strong>Mai</strong> 20<strong>21</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!