GSa154-Mai-21 Gleiche Bildungschancen
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Praxis: <strong>Gleiche</strong> <strong>Bildungschancen</strong><br />
Dr. Klaus-Jürgen Preuschoff<br />
ist Diplompädagoge im Ruhestand,<br />
war Leiter einer privaten Fachschule für<br />
Sozialpädagogik, ist seit über 10 Jahren<br />
ehrenamtlich in Grundschulen tätig<br />
und ist auch ausgebildeter Lernpate.<br />
Er bittet ausdrücklich um Kritik dieses<br />
Beitrags.<br />
E-<strong>Mai</strong>l: k-j.preuschoff@t-online.de<br />
Lernpatenschaften. Das wird niemand<br />
überraschen! In einer Studie bezeichneten<br />
Lehrkräfte diese zu 40 % als gut,<br />
zu 40 % als mittelmäßig und zu 20 %<br />
als schlecht. Umgekehrt bezeichneten<br />
Lernpaten diese zu 53,3 % als gut,<br />
zu 26,7 % als mittelmäßig und zu 20 %<br />
als schlecht. Drei „Botschaften“ sendet<br />
diese Studie: Erstens: „47,8 % der Lehrer<br />
wünschen sich mehr Austausch mit<br />
den Lernpaten.“ Zweitens: „Eine Mehrheit<br />
der Lernpaten (56,3 %) fühlt sich<br />
nur mäßig oder schlecht informiert.“<br />
Drittens: „Große Übereinstimmung zwischen<br />
Lehrern und Lernpaten: Die Zusammenarbeit<br />
zwischen Lehrern und<br />
Lernpaten ist teilweise verbesserungsfähig.“<br />
Allerdings sind diese „Botschaften“<br />
13 Jahre alt! Erkenntnisinteresse an<br />
aktuelleren Daten? Evaluationen scheinen<br />
wohl nicht nur für eine große Anzahl<br />
von Schulen, sondern auch für eine<br />
sehr große Anzahl von Trägern etwas<br />
Bedrohliches zu sein. Meine Hypothese:<br />
„Je kompetenter und selbstbewusster<br />
die Einrichtung, desto größer das Interesse,<br />
durch Interne Evaluationen noch<br />
besser zu werden.“ Eine andere Studie:<br />
„Die Zusammenarbeit zwischen dem<br />
Lernpatenzentrum, den Lehrkräften<br />
und den Lernpatinnen und Lernpaten<br />
könnte verbessert werden.“ Allerdings<br />
ist auch diese „Botschaft“ 11 Jahre alt.<br />
Erkenntnisinteresse an einem aktuelleren<br />
Befund? „Leider müssen wir Ihnen<br />
mitteilen, dass wir von Änderungen des<br />
sorgsam ausgearbeiteten und langjährig<br />
erfolgreich erprobten Konzeptes … absehen<br />
wollen.“ 3 Eine dritte Studie stellt<br />
fest: „Die veränderten Gegebenheiten,<br />
pädagogische Konzepte und Umgangsformen<br />
in den Grundschulen stellen die<br />
Lernpaten/innen teilweise vor eine immense<br />
Herausforderung.“ 4 Es sei denn,<br />
der Träger selbst kennt „ Grundschule<br />
von heute“ und die Grundlagen und<br />
Rahmenbedingungen ihres Wirkens, die<br />
z. B. auch exemplarisch in den Rahmenplänen<br />
für Grundschulen veröffentlicht<br />
sind. In manchen Schulungen erwerben<br />
angehende Lernpaten die Kompetenz,<br />
lernen und leben in einer Grundschule<br />
zu verstehen und in diesem „Gefüge“<br />
auftragsorientiert mitzuwirken.<br />
Sind Träger von Lernpatenschaften<br />
„lernende Institutionen“?<br />
Wären Grundschulen bereit, Träger von<br />
Lernpatenschaften in der Qualitätsentwicklung<br />
zu beraten? Wollen sich diese<br />
Träger wirklich von Grundschulen<br />
beraten lassen? Woran erkennt man das<br />
Interesse von Trägern von Lernpatenschaften<br />
an der eigenen Qualitätsentwicklung?<br />
Ein gutes Beispiel: Lernpaten<br />
Saar arbeiten seit 2015, erste Evaluation<br />
2017, zweite Evaluation 2020. Lernpatenschaften<br />
und Lehrkräfte benötigen<br />
für ihre Zusammenarbeit kontinuierliche<br />
fachlich ansprechende Kommunikationsplattformen<br />
und -foren! Die<br />
erfreulich zunehmende Vernetzung<br />
von Trägern von Lernpatenschaften auf<br />
lokaler Ebene könnte auf überregionale<br />
Ebene ausgeweitet werden, nicht um<br />
die Modelle anzugleichen oder gar zu<br />
vereinheitlichen, jedoch um systematischer<br />
Erfahrungen austauschen zu können.<br />
So könnten die Träger von Lernpatenschaften<br />
zu lernenden Institutionen<br />
werden, wenn sie dies denn möchten.<br />
Die (quantitative) Kinder-, Jugend- und<br />
Schulforschung blüht auch in Deutschland.<br />
Deren Erkenntnisinteresse an<br />
dem Wesen und an den Wirkungen von<br />
Lernpatenschaften hält sich in Grenzen.<br />
Fassen wir zusammen:<br />
1. Lernpatenschaften haben sich<br />
bewährt. Sie fördern Kinder sowohl<br />
schulisch als auch in deren Persönlichkeitsentwicklung<br />
und verhindern<br />
in vielfältiger Weise, dass Kinder<br />
„verloren gehen“. Patenschüler arbeiten<br />
mit ihren Lernpaten sehr gerne<br />
zusammen! Lernpatenschaften leisten<br />
einen sehr wichtigen gesellschaftlichen<br />
Beitrag!<br />
2. Lernpatenschaften sind kein annähernder<br />
Ersatz, kein Ausgleich für<br />
knappe personelle Ressourcen an den<br />
Grundschulen. Lernpaten sind keine<br />
Lehrkräfte.<br />
3. Daher können Lernpaten keine<br />
„PISA-Ergebnisse“ verbessern.<br />
4. Daher können Lernpaten Chancenungerechtigkeiten<br />
nicht reduzieren.<br />
5. Das Verhältnis zwischen Schulleitungen<br />
und Lehrkräften einerseits und<br />
Mentoren sowie Lernpaten andererseits<br />
bietet Optimierungspotenziale.<br />
6. Die sozialwissenschaftliche Forschung<br />
ist aufgerufen, die „weißen Flecken“<br />
„Lernpatenschaften“ mit Erkenntnissen<br />
zu füllen. Schulen und Träger von<br />
Lernpatenschaften wären dann eingeladen,<br />
diese Erkenntnisse für ihre<br />
Qualitätsentwicklung zu verwerten.<br />
7. Einige Träger von Lernpatenschaften<br />
könnten ermutigt sein, sich häufiger<br />
Fragen zu ihren Wirkungen zu stellen<br />
oder sich stellen zu lassen. Sie mögen<br />
Verbesserungsvorschläge nicht als<br />
„Bedrohung“ auffassen, sondern als<br />
Chance für eine „lernende Institution“.<br />
Zur Profession von Trägern gehört<br />
auch, die eigene Arbeit transparent zu<br />
gestalten und sich Rückmeldungen zur<br />
eigenen Arbeit zu holen.<br />
Anmerkungen<br />
1) Stiftung BürgerEngagement Saar – Lernpaten<br />
Saar: Interne Evaluationsstudie 2020,<br />
10 (gemeint ist: Studie Interne Evaluation);<br />
www.lernpaten-saar.de<br />
2) PD Dr. Klaus Birkelbach, Universität Duisburg<br />
Essen: Wissenschaftliche Begleitung und<br />
Evaluation der Initiative Lernpatenschaften<br />
der Caritas in Ratingen-West, 2014, 19<br />
3) Antwort eines Trägers vom Februar 20<strong>21</strong><br />
auf das Angebot des Autors, bei der Qualitätsentwicklung<br />
dessen Konzepts ehrenamtlich<br />
mitzuwirken.<br />
4) Westerwaldkreis: Motivierter, besser<br />
integriert und erfolgreicher in der Schule:<br />
Wie Grundschulkinder von dem Einsatz der<br />
Lernpaten und Lernpatinnen profitieren.<br />
Eine Untersuchung des Lernpatenprogramms<br />
„Keiner darf verloren gehen“, 2013, 17<br />
24 GS aktuell 154 • <strong>Mai</strong> 20<strong>21</strong>