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28 KULTUR JOKER Interview

Abend zum Beispiel ging es um

zwei plus zwei.

Kultur Joker: Bringen Sie den

Kids auch Musik bei?

Holland: Bei uns zuhause läuft

immer Musik aus verschiedensten

Quellen. iPads und

Smartphones liegen überall

herum und spielen irgendeine

Kindermusik ab. Bei uns findet

definitiv musikalische Erziehung

statt.

Kultur Joker: Sie sind nicht nur

ein erfolgreicher Musiker, sondern

auch Wissenschaftler. Sie

haben über Viren geforscht.

Holland: 2017 habe ich einen

Doktortitel in Molekularbiologie

an der University of Southern

California bekommen.

Mein Schwerpunktthema war

die HIV-Forschung. Ich habe

mich schon immer für Viren interessiert.

Aber ich konnte natürlich

nicht ahnen, dass sich eines

Tages die ganze Welt für Viren

interessieren würde. HIV macht

mittlerweile keine Schlagzeilen

mehr, aber Aids ist nach wie

vor eine sehr reale und schwere

Krankheit.

Kultur Joker: Werden wir Aids

bald besiegt haben?

Holland: Es dürfte schwer sein,

HIV mit der Wurzel auszureißen,

weil es einige komplizierte Besonderheiten

aufweist. Ich hoffe

eher, dass wir das Coronavirus

auslöschen können – beziehungsweise

bald besser mit ihm

umgehen können. .

Kultur Joker: Lesen Sie viel

über das Coronavirus?

Holland: Na klar, ich möchte

auf dem Laufenden bleiben.

Ich würde mich zwar nicht als

Covid-19-Experten bezeichnen,

aber ich begreife schon, was Viren

auszeichnet.

Kultur Joker: Wann wird es

wieder möglich sein, gefahrlos

große Konzerte zu veranstalten?

Holland: Das lässt sich zum

gegenwärtigen Zeitpunkt nicht

vorhersagen, weil es hinsichtlich

Covid-19 noch zu viele

unbekannte Aspekte gibt. Man

kann zum Beispiel nicht jeden

Einzelnen testen, weshalb man

nie wissen wird, wo das Virus

überall umgeht, wie stark es die

Bevölkerung bereits durchdrungen

hat und wie schnell es sich

verbreitet. Das alles kann man

eigentlich nur schätzen aufgrund

von Testungen. Ich vermute, dass

zwischen Sommer und Jahresende

2021 Konzerte möglich sein

werden. Das hängt aber auch von

den Impfungen ab.

Kultur Joker: Der deutsche Ticketverkäufer

CTS Eventim will

die Corona-Impfung an der Konzertkasse

prüfen. Wie denken Sie

über eine Impfpflicht für Konzertbesucher?

Holland: Das wäre ein möglicher

Weg. Mit einer Impfung

fühlt man sich natürlich viel sicherer.

Gesichtsmasken wären

auch eine gute Idee. Und natürlich

Konzerte an der frischen

Luft.

Kultur Joker: Sind Sie bereits

geimpft worden?

Holland: Ich warte immer noch

geduldig auf einen Termin. Einige

Länder sind beim Impfen

schneller als andere. Großbritannien

gehört zu den schnelleren,

die USA sind eher langsam. Aber

der Impfstoff des Herstellers

Johnson & Johnson ist bei uns

jetzt auch zugelassen worden.

Können wir bitte auch noch ein

wenig über Musik reden?

Kultur Joker: Natürlich. Der

Song “The Opioid Diaries” handelt

von der Drogenkrise in den

USA. Überschattet die Coronakrise

das Drogenproblem?

Holland: In den Medien auf jeden

Fall, denn da dreht sich alles

um Corona. Auf dieser Platte

wollten wir aber verschiedene

gesellschaftliche und politische

Themen in Angriff nehmen,

über die geredet werden muss.

Sie war fertig, als die Pandemie

begann. Es macht für mich auch

keinen Sinn, eine ganze Platte

über Corona zu schreiben. Die

Opioidkrise in den USA interessiert

mich persönlich, weil

sie anders ist als bisherige Drogenkrisen.

Klassische Süchtige

hat es schon immer gegeben,

aber die Leute, die sich Opioid-

Schmerzmedikamente verschreiben

lassen, suchen nicht nach

einem Hochgefühl à la Heroin.

Sie werden eher unbeabsichtigt

zu Süchtigen, weil diese Substanzen

in kürzester Zeit extrem

abhängig machen. Und dann

wollen sie immer mehr davon

haben. Irgendwann bekommen

sie aber keine ärztlichen Rezepte

mehr, weshalb sie sich auf der

Straße Heroin besorgen. In den

USA werden Football-Spieler zu

Junkies! Das ist eine einzigartige

Situation.

Kultur Joker: Wer ist dafür verantwortlich?

Holland: Unter anderem die

Pharmaindustrie. Hauptsächlich

trifft es jüngere Menschen. Seit

einigen Jahren nimmt der Missbrauch

von Fentanyl in den USA

zu. Seine extrem hohe Wirksamkeit

führt zu extrem hohen Todesraten.

Manche Leute sterben

bereits bei einmaliger Einnahme.

Es ist rau da draußen.

Kultur Joker: Kennen Sie persönlich

viele Opioid-Abhängige?

Holland: Natürlich kenne ich

welche. Darunter sind auch

Freunde von mir.

Kultur Joker: Trauen Sie Joe Biden

zu, die größten Probleme der

USA zu lösen?

Holland: Normalerweise äußere

ich mich nicht zum Thema Politik.

Aber Amerika hat auf diesen

Wechsel lange gewartet. Es ist

Zeit, dass sich etwas ändert. Biden

hat einen ganz anderen Ansatz

als sein Vorgänger. Ich hoffe,

er hat damit Erfolg. Amerika ist

bereit, neue Wege zu gehen.

Kultur Joker: Warum machen

Sie Musik? Als Wissenschaftler

könnten Sie Ihrem Land ja auch

anders dienen.

Holland: Einerseits liebe ich

Musik. Andererseits habe ich

einen Standpunkt zu den verschiedensten

Themen. Als ich

The Offspring: Pete Parada, Todd Morse, Dexter Holland und

Kevin Wasserman (v.l.n.r.)

Foto: Daveed Benito

jünger war, stand ich total auf

Punkbands. Deren Einstellung

hat mich geprägt. Mainstreamund

Popbands hingegen ließen

mich eher kalt. Punkbands

haben keine Angst, Tabus wie

Depression, Geisteskrankheit

oder das Schlechte im Leben

anzusprechen. Die unterschiedlichsten

Erfahrungen, die junge

Menschen machen, haben mich

dazu ermuntert, tröstliche Songs

zu hören und später auch selber

zu schreiben.

Kultur Joker: Was hat Sie zu

dem Song „Breaking These Bones“

inspiriert?

Holland: Das ist ein Song über

Trauer. Trauer ist assoziiert mit

dem Tod oder mit dem Ende einer

Beziehung. In meinem Song

geht es jedoch darum, sich aus

der Welt zurückzuziehen und

Türen und Fenster hinter sich zu

schließen. Depression kann sich

anfühlen wie ein Amboss auf

deiner Brust, der die Kraft hat,

dir die Knochen zu brechen. Ich

wollte einmal das körperliche

Gefühl dieser Krankheit ausdrücken

und keinen Ratgebersong

machen. Das klingt jetzt

vielleicht seltsam, aber ich sehe

sonst keine Songs, die aus dieser

Perspektive geschrieben wurden.

Kultur Joker: Hat Musik für Sie

einen therapeutischen Aspekt?

Holland: Absolut. Wie nennt

man das gleich? Katharsis! Viele

unserer Fans schreiben uns über

die Sozialen Medien, wie sehr

wir ihnen dabei geholfen haben,

dunkle Zeiten zu überwinden.

Des öfteren habe ich den Satz

gehört, „Musik hat mein Leben

gerettet“. Ich weiß nicht, ob ich

das alles so glauben kann, aber

Musik hat definitiv die Macht,

Menschen zu helfen oder vielleicht

sogar zu heilen.

Kultur Joker: Können Sie sich

an einen lebensrettenden Moment

mit Musik erinnern?

Holland: Nun, unsere musikalische

Reise ist eine Entwicklung.

Alter Schwede! Am Anfang

war es die Popmusik, die

meine Mutter gehört hat. Später

die Platten, die mein großer

Bruder mit nach Hause gebracht

hat, von Elton John, Kiss und

anderen Hardrockbands. Als prägendes

Erlebnis erinnere ich aber

Punk: die Sex Pistols, die Ramones

oder gewisse kalifornische

Bands wie The Vandals. Diese

krachige und aggressive Musik

mit ihren Botschaften veränderte

für mich alles. Schlagartig.

Kultur Joker: Möchten Sie Musik

machen, die tiefer geht als

der übliche Punkrock?

Holland: Mit Sicherheit. Sind

wir überhaupt eine Punkband?

Ich denke, im Kern schon. Wir

versuchen, das Genre mit jeder

Platte ein bisschen mehr zu

erweitern. Weshalb wir keine

typische Punkband sind. Mit

„Gone Away Requiem“ ist auf

der neuen Platte sogar ein Pianosong.

Dergleichen würde man

von einer Punkband eigentlich

nicht erwarten. Ich will aber sehr

persönliche Songs machen. Und

das hat wunderbar funktioniert,

indem ich einfach nur zum Piano

gesungen habe.

Kultur Joker: Besteht die Hoffnung,

dass wir diesen und weitere

neue Songs dieses Jahr in

Deutschland live erleben?

Holland: (lacht) Wir können es

kaum erwarten, wieder auf Tour

zu gehen. Je eher, desto besser.

Sobald das Touren wieder sicher

ist, werden wir da sein.

Kultur Joker: Dexter Holland,

vielen Dank für das Gespräch!

The Offspring - Let The

Bad Times Roll (Concord

Records/Universal

Music) - VÖ: 16.04.2021

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