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KUNST KULTUR JOKER 9

Markgräfler Traumwelten

Das Markgräfler Museum Müllheim erinnert mit einer Ausstellung an den Menschen und die Malerin Else Blankenhorn

Wer in Müllheim nach den

Blankenhorns fragt, erhält

schnell Antwort. Die Blankenhorns

sind als wohlhabende

Weingutsbesitzer und

Weinhändler im Markgräflerland

gut bekannt. Noch heute

zeugen Orte wie die Adolph-

Blankenhorn-Schule oder

das Blankenhorn-Palais vom

gewichtigen Erbe der Familie

in Müllheim. In eben jenem

Blankenhorn-Palais, dem

Hauptgebäude des Markgräfler

Museums Müllheim, wird nun

Gestalten vor weicher Kulisse

auch an die Traumwelten Marc

Chagalls. Schwer zu sagen, wer

die Bilder Else Blankenhorns,

die vom Heidelberger Kunstsammler

und Psychiater Hans

Prinzhorn an die interessierte

Öffentlichkeit gebracht wurden,

noch alles sah.

Der Einfluss jener „Malerei

der Geisteskranken“, so der

Titel einer berühmten Studie

Hans Prinzhorns, reicht vom

farbverrückten Expressionismus

über die wahnhaften

einsetzende plötzliche Erschöpfungszustand

erhielt einen

zusätzlichen Schub, als 1905–

1906 Großmutter und Vater

verstarben. Bereits zuvor Gast

in Heilanstalten, zieht sich die

unter Angst- und Wahnzuständen

leidende Else Blankenhorn

in das Sanatorium Bellevue in

Kreuzlingen am Bodensee zurück.

In Abgeschiedenheit und

in einem großräumigen Apartment

verbrachte sie 16 Jahre

ihres Lebens, malte, zeichnete,

komponierte gar. Ein Großteil

Die junge Else Blankenhorn Foto: Markgräfler Museum

Foto: Sammlung Prinzhorn Heidelberg

einer bisher unbeachteten, dafür

umso ungewöhnlicheren

Familienangehörigen Raum

gegeben. Unter dem Titel „Eigensinnige

Welten“ eröffnet

Müllheim in Kooperation mit

der Heidelberger Sammlung

Prinzhorn die erste Einzelausstellung

zur Malerin Else Blankenhorn

(1873–1920). Eine junge

Malerin, psychisch erkrankt,

in jahrelanger Isolation. Dazu

ein rätselhaftes wie intensives

Werk, das nie so recht ins Portfolio

einer Großbürgersfamilie

passen wollte.

Jan Merk, Leiter des Markgräfler

Museums und Kurator

der Ausstellung kann es nur betonen:

„Es ist erstaunlich, dass

in dieser Region fast niemand

die Tochter der berühmten Familie

Blankenhorn kennt. Dabei

gilt Else Blankenhorn in der

Kunstgeschichte als eine wichtige

Vorreiterin des Expressionismus.“

Kein Geringerer als

Ernst Ludwig Kirchner staunte

über die „traumhaft visionären

Dinge“, die jene ungewöhnliche

Malerin mit „fast unglaublicher

Feinfühligkeit“ auf die Landwand

setzte. Ein wenig erinnern

die Begegnungen bunter

Traumgebilde der Surrealisten

bis zur antiakademischen Art

Brut. Die oft rohen Gesten einer

Avantgarde findet man in Else

Blankenhorns Werk allerdings

kaum. Ihr Bildkosmos spielt

vor allem in natürlichen Räumen

voller Pflanzen, in denen

sich Liebespaare verirren oder

sich seltsame Erlösergestalten

tummeln. Durch ihre musische

Bildung und den Kontakt mit

den prachtvollen Parkanlagen

und Anwesen ihrer reichen

Familie war Else Blankenhorn

mit allen Elementen einer

sanftmütigen, zarten Ästhetik

vertraut.

Über Else Blankenhorns biografischen

Hintergrund erfährt

man in der Müllheimer Ausstellung

einiges. Familienhintergrund

und Jugend werden in

zwei Räumen zur präzisen Betrachtung

gestellt. Das Markgräfler

Museum präsentiert hier

auch eigens verwahrte Fotografien,

Bildnisse und Dokumente

der Familie Blankenhorn. Sie

alle präsentieren eine großbürgerliche

Idylle, die erst 1899

zu brechen drohte. Die junge

Musikliebhaberin Else verlor

ihre Singstimme. Der darauf

der rund 450 Werke Else Blankenhorns

in der Heidelberger

Sammlung Prinzhorn stammen

aus dieser schwierigen wie inspirierten

Zeit.

Ein Schwerpunkt der Motivwelt

Else Blankenhorns

bilden Naturelemente, religiöse

Symbole und ein stets

variiertes Paarkonzept. Nicht

nur zeigt die Ausstellung in

Müllheim mit einer kleinen,

aber repräsentativen Auswahl

an Bildern, welche Vielfalt das

Schaffen der begabten Laienmalerin

kennzeichnet, sondern

auch wie viele der Motive aus

der Erfahrungswelt einer heranwachsenden

Großbürgerstochter

stammen. Auf einem

Portrait sehen wir den Blauen,

den Hausberg Müllheims. Vor

ihm sitzt eine junge Else Blankenhorn.

Der Blick unstet, wie

verschleichert, ruht in selbstbewusster

Pose. Man kann nur

mutmaßen, wie die Malerin die

Kunstgeschichte und vielleicht

auch ihre Heimatregion noch

geprägt hätte. Else Blankenhorn

starb mit 47 Jahren an

Krebs. Im prachtvollen Müllheimer

Familiengrab liegt sie

bestattet.

Die Ausstellung „Eigensinnige

Welten. Die Malerin Else

Blankenhorn“ im Markgräfler

Museum Müllheim ist noch

bis zum 27. Juni geöffnet. Öffnungszeiten:

Fr.–So., 14–18

Uhr. Besuch nach Voranmeldung.

Weitere Informationen: www.

markgraefler-museum.de

Fabian Lutz

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