flip-Joker_2021-05
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KUNST KULTUR JOKER 9
Markgräfler Traumwelten
Das Markgräfler Museum Müllheim erinnert mit einer Ausstellung an den Menschen und die Malerin Else Blankenhorn
Wer in Müllheim nach den
Blankenhorns fragt, erhält
schnell Antwort. Die Blankenhorns
sind als wohlhabende
Weingutsbesitzer und
Weinhändler im Markgräflerland
gut bekannt. Noch heute
zeugen Orte wie die Adolph-
Blankenhorn-Schule oder
das Blankenhorn-Palais vom
gewichtigen Erbe der Familie
in Müllheim. In eben jenem
Blankenhorn-Palais, dem
Hauptgebäude des Markgräfler
Museums Müllheim, wird nun
Gestalten vor weicher Kulisse
auch an die Traumwelten Marc
Chagalls. Schwer zu sagen, wer
die Bilder Else Blankenhorns,
die vom Heidelberger Kunstsammler
und Psychiater Hans
Prinzhorn an die interessierte
Öffentlichkeit gebracht wurden,
noch alles sah.
Der Einfluss jener „Malerei
der Geisteskranken“, so der
Titel einer berühmten Studie
Hans Prinzhorns, reicht vom
farbverrückten Expressionismus
über die wahnhaften
einsetzende plötzliche Erschöpfungszustand
erhielt einen
zusätzlichen Schub, als 1905–
1906 Großmutter und Vater
verstarben. Bereits zuvor Gast
in Heilanstalten, zieht sich die
unter Angst- und Wahnzuständen
leidende Else Blankenhorn
in das Sanatorium Bellevue in
Kreuzlingen am Bodensee zurück.
In Abgeschiedenheit und
in einem großräumigen Apartment
verbrachte sie 16 Jahre
ihres Lebens, malte, zeichnete,
komponierte gar. Ein Großteil
Die junge Else Blankenhorn Foto: Markgräfler Museum
Foto: Sammlung Prinzhorn Heidelberg
einer bisher unbeachteten, dafür
umso ungewöhnlicheren
Familienangehörigen Raum
gegeben. Unter dem Titel „Eigensinnige
Welten“ eröffnet
Müllheim in Kooperation mit
der Heidelberger Sammlung
Prinzhorn die erste Einzelausstellung
zur Malerin Else Blankenhorn
(1873–1920). Eine junge
Malerin, psychisch erkrankt,
in jahrelanger Isolation. Dazu
ein rätselhaftes wie intensives
Werk, das nie so recht ins Portfolio
einer Großbürgersfamilie
passen wollte.
Jan Merk, Leiter des Markgräfler
Museums und Kurator
der Ausstellung kann es nur betonen:
„Es ist erstaunlich, dass
in dieser Region fast niemand
die Tochter der berühmten Familie
Blankenhorn kennt. Dabei
gilt Else Blankenhorn in der
Kunstgeschichte als eine wichtige
Vorreiterin des Expressionismus.“
Kein Geringerer als
Ernst Ludwig Kirchner staunte
über die „traumhaft visionären
Dinge“, die jene ungewöhnliche
Malerin mit „fast unglaublicher
Feinfühligkeit“ auf die Landwand
setzte. Ein wenig erinnern
die Begegnungen bunter
Traumgebilde der Surrealisten
bis zur antiakademischen Art
Brut. Die oft rohen Gesten einer
Avantgarde findet man in Else
Blankenhorns Werk allerdings
kaum. Ihr Bildkosmos spielt
vor allem in natürlichen Räumen
voller Pflanzen, in denen
sich Liebespaare verirren oder
sich seltsame Erlösergestalten
tummeln. Durch ihre musische
Bildung und den Kontakt mit
den prachtvollen Parkanlagen
und Anwesen ihrer reichen
Familie war Else Blankenhorn
mit allen Elementen einer
sanftmütigen, zarten Ästhetik
vertraut.
Über Else Blankenhorns biografischen
Hintergrund erfährt
man in der Müllheimer Ausstellung
einiges. Familienhintergrund
und Jugend werden in
zwei Räumen zur präzisen Betrachtung
gestellt. Das Markgräfler
Museum präsentiert hier
auch eigens verwahrte Fotografien,
Bildnisse und Dokumente
der Familie Blankenhorn. Sie
alle präsentieren eine großbürgerliche
Idylle, die erst 1899
zu brechen drohte. Die junge
Musikliebhaberin Else verlor
ihre Singstimme. Der darauf
der rund 450 Werke Else Blankenhorns
in der Heidelberger
Sammlung Prinzhorn stammen
aus dieser schwierigen wie inspirierten
Zeit.
Ein Schwerpunkt der Motivwelt
Else Blankenhorns
bilden Naturelemente, religiöse
Symbole und ein stets
variiertes Paarkonzept. Nicht
nur zeigt die Ausstellung in
Müllheim mit einer kleinen,
aber repräsentativen Auswahl
an Bildern, welche Vielfalt das
Schaffen der begabten Laienmalerin
kennzeichnet, sondern
auch wie viele der Motive aus
der Erfahrungswelt einer heranwachsenden
Großbürgerstochter
stammen. Auf einem
Portrait sehen wir den Blauen,
den Hausberg Müllheims. Vor
ihm sitzt eine junge Else Blankenhorn.
Der Blick unstet, wie
verschleichert, ruht in selbstbewusster
Pose. Man kann nur
mutmaßen, wie die Malerin die
Kunstgeschichte und vielleicht
auch ihre Heimatregion noch
geprägt hätte. Else Blankenhorn
starb mit 47 Jahren an
Krebs. Im prachtvollen Müllheimer
Familiengrab liegt sie
bestattet.
Die Ausstellung „Eigensinnige
Welten. Die Malerin Else
Blankenhorn“ im Markgräfler
Museum Müllheim ist noch
bis zum 27. Juni geöffnet. Öffnungszeiten:
Fr.–So., 14–18
Uhr. Besuch nach Voranmeldung.
Weitere Informationen: www.
markgraefler-museum.de
Fabian Lutz