gie_06_2021
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„Der Leichtbau hat enorme Potenziale, um Klimaschutz
und Stärkung der Wirtschaft zu verbinden“
Interview mit Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier
Warum das BMWi auf Leichtbau setzt
Im Interview erklärt Peter Altmaier, Bundesminister für Wirtschaft und Energie
der Bundesrepublik Deutschland, wie der Leichtbau Klimaschutz und Stärkung der
Wirtschaft verbinden kann.
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) hat
den Leichtbau ganz hoch auf die Agenda gehoben. Das ist spätestens
klar, seit die EU-Ratspräsidentschaft im vergangenen
Jahr dazu genutzt wurde, das EU-Netzwerk Leichtbau zu gründen.
Auch im Rahmen der Hannover Messe Digital Edition Mitte
April hat das Thema durch den Lightweighting Summit eine
bedeutende Rolle eingenommen. Ein passender Anlass, um dem
Bundesminister drei Fragen zum Thema Leichtbau in Deutschland
zu stellen.
Wodurch bekommt der Leichtbau für das BMWi und die
Wirtschaft eine so große Bedeutung?
Leichtbau kann dazu beitragen, unsere ambitionierten Klimaziele
zu erreichen, denn er verbraucht weniger Ressourcen und
weniger Energie. Gerade in der aktuellen Coronakrise ist es
wichtiger denn je, Zukunftsfelder in den Blick zu nehmen. Denn
neben aktueller Krisenhilfe müssen wir die Segel auch auf Zukunft
setzen. Leichtbau ist ein solches Zukunftsfeld und trägt
dazu bei, unseren Industriestand zu modernisieren und so Wertschöpfung
und Arbeitsplätze in Deutschland zu sichern. Leichtbau
wird für immer mehr Branchen, Materialien und Fertigungsverfahren
relevant.
Einige Beispiele: Leichtere Fahrzeuge verbrauchen weniger
Energie und stoßen weniger CO 2 -Emissionen aus. 100 Kilogramm
weniger Gewicht reduzieren den Kraftstoffverbrauch
eines Autos um circa 0,3 bis 0,5 Liter pro 100 Kilometer. Bei
einem Airbus A 320 entsprechen 100 Kilogramm weniger Gewicht
fast 10 000 Liter weniger Kerosin pro Flugzeug und Jahr.
Im Maschinen- und Anlagenbau lassen sich durch Leichtbaulösungen
pro Jahr 1,5 Millionen Tonnen Stahl einsparen und über
zwei Millionen Tonnen CO 2 .
Der Leichtbau hat also enorme Potenziale, um Klimaschutz
und Stärkung der Wirtschaft zu verbinden. Deshalb haben wir
als Bundeswirtschaftsministerium die Initiative Leichtbau etabliert.
Das Herzstück der Initiative ist das Technologietransfer-
Programm Leichtbau. Zur Förderung marktnaher Forschungsund
Entwicklungsvorhaben stehen hierüber jährlich mehr als
70 Millionen Euro zur Verfügung. Außerdem haben wir Anfang
dieses Jahres die Leichtbaustrategie des Bundeswirtschaftsministeriums
für den Industriestandort Deutschland veröffentlicht.
Eine Strategie ist immer nur der erste Schritt. Was sind
die wichtigsten Ziele der Leichtbaustrategie des Bundeswirtschaftsministeriums
und welche Maßnahmen werden
dafür ergriffen?
Mit der Strategie bringen wir unter dem Motto „Von der Wirtschaft
für die Wirtschaft!“ den Leichtbau in Deutschland voran.
Dieser Bottom-up-Prozess ist von entscheidender Bedeutung.
Über 350 Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft
haben ihr Know-how und ihre Erfahrungen eingebracht und
so die Grundlage für eine praxisnahe Leichtbaustrategie geschaffen.
Und ich freue mich sehr, dass diese hohe Beteiligung
auch in der aktuellen Corona-Krise weiterlief – auch das ein
wichtiges Signal.
Nur gemeinsam mit Wirtschaft, Wissenschaft und Gewerkschaften
können wir die acht Maßnahmenpakete der Strategie
auch tatsächlich umsetzen.
Und wo steht Deutschland beim Leichtbau tatsächlich?
Deutschland hat beim Leichtbau eine sehr gute Ausgangsposition,
denn für uns zentrale Industriebranchen wie die Automobilindustrie
und der Maschinen- und Anlagenbau sind wichtige
Anwendungsfelder. Darauf wollen wir aufbauen. Unser Ziel ist,
dass Deutschland zum Leitanbieter und -markt für Leichtbau
werden soll. Das ist gut für Wirtschaft, Arbeitsplätze und Klima.
Und das ist wichtig, um nach der Corona-Krise den Anschluss
in wichtigen Zukunftsfeldern nicht zu verlieren, sondern im Gegenteil:
vorn mit dabei zu sein.
Dazu müssen wir uns noch stärker in Europa und international
vernetzen. Denn der Leichtbau ist eine globale Herausforderung
oder besser: eine globale Chance. Deshalb haben
wir im letzten Jahr im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft das
EU-Netzwerk Leichtbau aus der Taufe gehoben. Gleichgesinnte
Mitgliedstaaten vernetzen sich auf Ebene der Regierungen
und die EU-Kommission, Wirtschaft und Wissenschaft sind
dabei. Das erste Treffen war erfolgreich und wir hoffen, den
Staffelstab an Österreich für das zweite Treffen im Herbst
übergeben zu können.
Das Gespräch mit Peter Altmaier führte Benedikt Hofmann
GIESSEREI 108 06/2021 23