Journal als PDF - Verkehrsjournal
Journal als PDF - Verkehrsjournal
Journal als PDF - Verkehrsjournal
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
INSTITUTIONALISIERTE RADvERkEHRSfREUNDLIcHkEIT?<br />
Abb.1: Ist der Radverkehr in den verkehrswirksamen Strukturen nicht, oder nur<br />
aushilfsmäßig vertreten, so äußert sich das auch im entsprechenden Verhalten und dem<br />
Modal Split [modifiziert nach Knoflacher, 2007]<br />
Es besteht keine gesetzliche Möglichkeit, nicht gebrauchte<br />
PKW-Abstellplätze für den Radverkehr<br />
umzunutzen. Das Rechtssystem ist auf das Verkehrsmittel<br />
PKW fixiert.<br />
Die Benützungspflicht von Radverkehrsanlagen für<br />
alle Radfahrer. Ausnahmen sind: Rennräder bei Trainingsfahrten,<br />
mehrspurige Fahrräder, Fahrräder mit<br />
Anhängern für Personen und Lasten [vgl. Nationalrat<br />
1960]. Die Radbenützungspflicht ist ja eine Erfindung<br />
des Deutschen Reiches, um das Rad weg von<br />
der Fahrbahn zu bekommen [vgl. www.recht-fürradfahrer.de,<br />
2009] und dem Autoverkehr möglichst<br />
freie Fahrbahnen zu bieten.<br />
Nachdem die StVO die Radfahrer auf Radfahranlagen<br />
zwingt, nimmt sie ihnen generell die Vorfahrt:<br />
„Radfahrer, die eine Radfahranlage verlassen, haben<br />
anderen Fahrzeugen im fließenden Verkehr den Vorrang<br />
zu geben.“ [§ 19 Abs. 6a StVO 1960 idgF], bzw.<br />
zwingt sie zu niedrigeren Geschwindigkeiten <strong>als</strong> auf<br />
Fahrbahnen möglich wären: Die 10 km/h Regelung<br />
für Radfahrer auf nicht mit Lichtzeichen geregelten<br />
Radfahrüberfahrten [§ 68 Abs. 3a StVO 1960 idgF].<br />
Neben rechtlichen gibt es aber auch Schikanen der<br />
physischen Art, die die Geringschätzung des Fahrrades<br />
<strong>als</strong> Verkehrsmittel verdeutlichen, beispielsweise<br />
Gitter, Bordsteinkanten, Schranken, etc. (siehe<br />
Abb. 2). Vor allem Gitter werden mit dem Vorwand<br />
bzw. der Absicht des Schutzes montiert, z.B. vor dem<br />
zu querenden Autoverkehr mit hoher Geschwindigkeit,<br />
ohne jedoch am Kernproblem, der hohen Geschwindigkeit,<br />
was ändern zu wollen.<br />
Fahrradschleusen – aus Deutschland und Holland<br />
stammend – sind seit längerem auch in den Österreichischen<br />
Richtlinien verankert [vgl. Forschungsgemeinschaft<br />
Straße und Verkehr 2001]. In der Umsetzung<br />
sind aber diese Maßnahmen zur priorisierten<br />
und besser sichtbaren Aufstellung von Radfahrern<br />
im Kreuzungsbereich jedoch eher noch eine seltene<br />
Erscheinung.<br />
Bei den infrastrukturellen Maßnahmen kommt trotz<br />
Statements wie „Es geht nicht um den Bau von Radwegen,<br />
sondern ums Radfahren“ [vgl. Westhauser C.<br />
et al. 2007] dann doch im Regelfall „containment“<br />
[im Sinne einer Eingrenzung, Abgrenzung, Abschirmung]<br />
statt „inclusion“ heraus.<br />
Im institutionalisierten Verkehrsprozedere fehlt die<br />
Prüfung der Sicherheit und der zumutbaren Bedingungen<br />
für Radfahrer <strong>als</strong> physisch schwächste Benutzer<br />
von Fahrbahnen und dementsprechend eine<br />
konsequente Infrastrukturgestaltung gänzlich.<br />
Im Lichte der Erfolge anderer Länder und Städte, die<br />
international präsentiert werden, sollten in Österreich<br />
auch rechtlich-organisatorische Strukturen eingerichtet<br />
werden, die dem Radverkehr die tatsächliche Chance<br />
bieten, die Rolle in der Realität zu übernehmen, die ihm<br />
in diversen Konzepten, Plänen und politischen Bekundungen<br />
zugesprochen wird: <strong>als</strong> gleichberechtigtes Verkehrsmittel<br />
für jedermann und jederfrau eine Stütze für<br />
die Bewältigung zukünftiger Herausforderungen in der<br />
Mobilität sein.<br />
32 <strong>Verkehrsjournal</strong> <strong>Verkehrsjournal</strong> 33<br />
beispiele<br />
Drei exemplarische Beispiele dieser strukturellen Benachteiligung<br />
seien im Folgenden angeführt.<br />
Die Abstellmöglichkeit an Quelle und Ziel sind wesentliche<br />
Voraussetzungen für das Antreten eines Weges.<br />
Nun werden Radabstellplätze in Städten im überwiegenden<br />
Ausmaß dort errichtet, wo Flächen „übrig bleiben“<br />
oder von Fußgeherflächen abgezwackt werden<br />
können. Das Vorsehen von Abstellmöglichkeiten für das<br />
Fahrrad analog dem PKW am Fahrbahnrand stellt eine<br />
Ausnahme dar. Die Stadt Münster hat einen Rad-Modal-<br />
Split-Anteil von 35,2 % [vgl. www.muenster.de, 2009]<br />
und besitzt in ihrer Innenstadt ca. 8.000 Radabstellplätze.<br />
Bei 273.000 Einwohnern macht das ca. 0,03 Radabstellplätze<br />
pro Person in der Innenstadt. Wenn man eine<br />
ähnliche Radinfrastrukturqualität für Wien anbieten<br />
wollte, würde das bedeuten, dass allein in der Wiener<br />
Abb.2: Gitterabsperrungen am Thermenradweg südlich von Vösendorf,<br />
Kreuzung mit der Schönbrunner-Allee<br />
Abb.3: Skizze der dem Radverkehr zugemuteten Umwege am Bsp. LB17 bei Guntramsdorf<br />
Innenstadt – innerhalb des Gürtels – ca. 49.000 Radabstellplätze<br />
angeboten werden müssten. Zum Vergleich:<br />
in der gesamten Stadt gibt es heute 10.000 Stellplätze<br />
[derstandard.at, 2009]. Bei der Stadt Baden (ca. 24.000<br />
Einwohner) wären es 740 Abstellplätze im Vergleich zu<br />
den bestehenden 400 im Zentrum [Auskunft DI Michael<br />
Madreiter, Bauamt Baden, 2009].<br />
Als zweites Beispiel kann die Errichtung einer baulich<br />
getrennten Seitenfahrbahn (für einseitigen Zweirichtungsbetrieb<br />
für Fahrräder … aber auch landwirtschaftlichen<br />
Verkehr) auf der LB17 im Abschnitt nördlich von<br />
Guntramsdorf (NÖ) genannt werden. Dort wurde auf<br />
der Fahrbahn ein Radfahrverbot verhängt und die Seitenfahrbahn<br />
ursprünglich mit einer Wintersperre versehen.<br />
Mittlerweile wurde die Sperre nach Protesten wieder<br />
aufgehoben. Somit wurde in Kauf genommen, dem<br />
Radverkehr einfach eine Lücke im Netz „anzubieten“.<br />
Die Einbindungen im Norden und Süden sind keinesfalls<br />
für eine praxistaugliche Benützung ausgelegt (siehe<br />
Abb. 3). Die Benachteiligungen (für eine Wiedereingliederung<br />
schiebend auf Schutzstreifen mit Lichtsignalanlagen<br />
zwei Straßen queren, etc.) werden von Seiten<br />
der NÖ Landesregierung „<strong>als</strong> für Radfahrer unter den<br />
örtlichen Gegebenheiten zumutbarer Mehrweg“ gerechtfertigt<br />
[Verhandlungsschrift der BH Mödling vom