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Philipp Melanchthon, Commentarii in Epistolam ad Romanos, 1540

Melanchthons Römerbriefkommentar aus dem Jahr 1540

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Widmungsbrief

18

minissent id quod ipsi apud Pindarum legunt,

ἐχθρὰ σοφία, λοιδορῆσαι θεόν. 7 feindselige Kunst ist es, Gott zu schmähen.“

len, jedoch bedenken sollten, was sie bei Pindar lesen: „eine

Quanquam autem tam multi, et quidem Auch wenn sie zahlreich sind, und auch wenn solche, die

sedentes in fastigio rerum humanarum, improbant

hoc nostrum studium illustrandae ac dass wir uns dafür einsetzen, die Lehre Christi zu erklären

unter den Menschen einen hohen Rang einnehmen, billigen,

propagandae doctrinae Christi, tamen nos und zu verbreiten, sollten wir uns daran erinnern, was Paulus

meminisse oportet dictum Pauli, qui ait. Non gesagt hat: „Ich schäme mich des Evangeliums nicht.“ Wir

pudet me Evangelii. 8 Non errore mentis, non betreiben diese Sache nicht auf Grund eines gedanklichen

cupiditate aliqua hanc causam agimus, sed Irrtums oder aus Eitelkeit, sondern wir haben einen wahrhaftigen,

gerechten, gewichtigen und frommen Grund für unsere

habemus veram, iustam, gravem, et piam nostri

consilii rationem. Athenis erat formula, Auffassung. Die Athener hatten eine Eidesformel, die für

iuramenti, ut solet esse, in quam iurare oportuit

certo tempore, omnes cives. In ea formuren

mussten. Diese Formel enthielt die folgenden äußerst

gewöhnlich alle Bürger bei bestimmten Gelegenheiten schwöla

erat haec honestissima sententia, et haud erhabenen Worte, die ohne Zweifel von den besten und

dubie a primis et vere piis Patribus per manus wahrhaft frommen Vätern von Hand zu Hand weitergegeben

tradita. Pugnabo pro sacris et solus, et simul wurden: „Ich werde für die Heiligtümer kämpfen – sowohl

cum aliis. ἀμυνῶ ὑπὲρ ἱερῶν καὶ ὑπὲρ ὁσίων allein als auch gemeinsam mit den anderen.“ „Ich werde für

καὶ μόνος καὶ μετὰ πολλῶν. 9 Quanto ma- die Heiligtümer und für die Götter kämpfen – ich allein und

{3v}gis nos in Ecclesia Christi, qui scimus mit vielen.“ Umso mehr sollen wir, die wir wissen, dass die

divinitus traditam esse doctrinam Evangelii, Lehre des Evangeliums von Gott herkommt, sie in der Kirche

oportet omni studio eam tueri, illustrare, et Christi mit jeglichem Eifer bewahren, auslegen und verfechten,

weil Gott an vielen Stellen bezeugt, dass er diese Ämter

propugnare 10 , cum toties Deus testetur se

haec officia prae ceteris omnibus flagitare, vor allen anderen für erforderlich hält, und weil er durch

cum tot illustribus exemplis declaraverit viele augenfällige Beispiele zum Ausdruck gebracht hat, wie

quanti faciat hunc honorem. Quare non deterreamur

seu Epicureorum, seu hypocrita-

durch die Ansichten der Epikureer oder Heuchler von unse-

hoch er dieses Ehrenamt schätzt. Darum sollen wir uns nicht

rum iudiciis a nostro instituto, ac statuamus, rer Aufgabe abschrecken lassen. Wir sollen vielmehr gewiss

deo hanc nostram sedulitatem curae futuram sein, dass Gott sich dieser unserer Bemühung annehmen

esse.

wird.

Deinde illud videamus, ut in explicatione Außerdem sollen wir darauf achten, dass wir in der Auseinandersetzung

über so bedeutsame Streitfragen Treue und

gravissimarum controversiarum fidem et delectum

adhibeamus, ut nativam, veram, ac Eifer an den Tag legen, um die ursprüngliche, wahre und alte

veterem Ecclesiae doctrinam, et restituamus Lehre der Kirche wiederherzustellen und zu bewahren. Keine

et conservemus. Nec vero ulla pars in propheticis

et apostolicis scriptis, interpretatio-

ist nun aber durch das Chaos der Auslegungen in einem sol-

einzige unter den prophetischen und apostolischen Schriften

num confusione adeo contaminata est, ut chen Ausmaß beschmutzt worden wie dieser an die Römer

haec Pauli Epistola ad Romanos scripta, Quae gerichtete Paulusbrief. Weil er eine geordnete Darlegung der

cum sit methodus doctrinae coelestis, ac aditum

patefaciat ad omnes reliquas partes in Teilen der prophetischen und apostolischen Schriften, ist es

himmlischen Lehre ist und Zugang eröffnet zu allen anderen

propheticis et apostolicis scriptis, plurimum für die Kirche von allergrößter Bedeutung, dass die wahrhaftige

und lautere Stimme des Paulus für alle im interest Ecclesiae ve{4}ram et simplicem sen-

Zusammen-

7

Pindar, Olymp. 9,37–38; bei Pindar lautet der Text: ἐπεὶ τό γε λοιδορῆσαι θεούς, ἐχθρὰ σοφία („denn die Götter zu

schmähen, ist eine feindselige Kunst“).

8

Röm 1,16.

9

Der Beginn des Eides findet sich erstmals bei Lycurg, Leocr. 77: ἀμυνῶ δὲ καὶ ὑπὲρ ἱερῶν καὶ ὁσίων καὶ οὐκ ἐλάττω

παραδώσω τὴν πατρίδα („Ich werde kämpfen für Heiligtümer und Götter, und ich werde das Vaterland nicht kleiner

übergeben“); vgl. auch Aeschines, Ctesiph. 120. Die von Melanchthon zitierte Formulierung stammt möglicherweise

von Julius Pollux, Onom. 8,105–106: ἀμυνῶ δὲ καὶ ὑπὲρ ἱερῶν καὶ ὁσίων καὶ μόνος καὶ μετὰ πολλῶν· καὶ

τὴν πατρίδα οὐκ ἐλάττω παραδώσω.

10

propugnare Str40-1/2, Wit41-1/2. – propagare Str44.

8. Juni 2021

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