16.06.2021 Aufrufe

Philipp Melanchthon, Commentarii in Epistolam ad Romanos, 1540

Melanchthons Römerbriefkommentar aus dem Jahr 1540

Melanchthons Römerbriefkommentar aus dem Jahr 1540

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Argumentum

44

nobis, an exaudiat nos, an aliquid sit ei negocii

nobiscum. Ita monachi et nunc quidam

Philosophastri transformant Evangelium in

Academicam philosophiam, id est, doctrinam

de operibus, et iubent dubitare de promissionibus

divinis, nec docent fidem, id est fiduciam,

quae nititur Christo liberatore, petit et

expectat propter ipsum beneficia promissa,

necessariam esse. Rogo igitur omnes pios

Lectores, si amant Christum, ut hic considerent

discrimen legis et Evangelii, Moisi et

Christi, et diligenter cogitent, quae gloria

tribuenda sit filio Dei, qui sint veri honores,

{24v} quos ei tribuerunt patres, Adam, Iacob,

Prophetae et Apostoli. Ab his discamus

Christum adesse suae Ecclesiae ducem, gubernatorem,

liberatorem, salvatorem, defensorem

adversus diabolum, Discamus et fide

accipienda esse beneficia Christi, et meminerimus

Evangelium esse vocem promittentem

et exhibentem haec beneficia, Sicut inquit

Paulus. Evangelium est potentia Dei ad salutem

omni credenti 94 , id est Evangelium offert

nobis gratiam et vitam aeternam gratis propter

Christum non propter legem. Et per hoc

Evangelium deus vere est efficax, dat spiritum

sanctum, inchoat in nobis novam lucem et

vitam aeternam.

Gott uns verzeiht, ob er uns erhört, ob er sich überhaupt mit

uns befasst. So verwandeln die Mönche und heutzutage manche

selbsternannten Philosophen das Evangelium in eine

akademische Philosophie, das heißt in eine Lehre über die

Werke. Sie verlangen, an den göttlichen Verheißungen zu

zweifeln, und sie lehren auch nicht die Notwendigkeit des

Glaubens, das heißt das Vertrauen, das sich auf Christus, den

Erlöser, verlässt und das um seinetwillen die verheißenen

Wohltaten erbittet und erwartet. Ich bitte darum alle frommen

Leser, wenn sie Christus lieben, dass sie unter diesen

Umständen den Unterschied zwischen Gesetz und Evangelium,

zwischen Mose und Christus, beachten und dass sie sorgfältig

bedenken, welcher Ruhm dem Sohn Gottes zuzuerkennen

ist und welche wahren Ehren es sind, die ihm die Erzväter,

Adam, Jakob, die Propheten und die Apostel dargebracht

haben. Von ihnen sollen wir lernen, dass Christus seiner Kirche

beisteht als Anführer, Lenker, Erlöser, Retter und Verteidiger

gegen den Teufel. Wir sollen lernen, dass auch die

Wohltaten Christi im Glauben angenommen werden müssen,

und wir sollen uns darauf besinnen, dass das Evangelium das

Wort ist, das diese Wohltaten verheißt und darreicht, wie

Paulus es sagt: „Das Evangelium ist eine Kraft Gottes zum

Heil für jeden, der glaubt.“ Das bedeutet: Das Evangelium

bietet uns die Gnade und das ewige Leben gnadenhalber an,

um Christi willen, nicht um des Gesetzes willen. Und durch

dieses Evangelium ist Gott wirklich wirksam. Er gibt den

heiligen Geist, zündet in uns ein neues Licht an und stiftet

ewiges Leben.

Peccatum. 95

Sünde

Peccatum non significat tantum actiones viciosas,

sicut Philosophi de vocabulo iudicant.

Sed complectitur etiam ingentem imbecillitatem,

quae nobiscum nascitur, quae vocatur

peccatum originis, quod etsi securi homines

iudicant leve malum esse (imo Philosophi ne

malum quidem esse arbitrantur) tamen longe

aliter iudicandum est. Non sunt levia mala,

tenebrae ac dubitatio de Deo, an curet humana,

an puniat, an alat, an {25} iuvet, an exaudiat

homines. Item vacare metu, amore Dei,

amare nosipsos, neglecto Deo, mirari nostram

sapientiam, ludere opinionibus fingendis

de Deo Epicureis aut supersticiosis, habere

impetus varie errantes, aversos a Deo, et

„Sünde“ bezeichnet nicht lediglich lasterhafte Handlungen,

wie die Philosophen dieses Wort verstehen. Zur Sünde gehört

vielmehr auch die ungeheure Schwäche, die mit uns geboren

wird und die man „Ursünde“ nennt. Obwohl selbstgewisse

Menschen sie für ein leichtes Vergehen halten (und die Philosophen

sogar der Meinung sind, dass sie überhaupt kein Vergehen

ist), ist sie ganz anders zu beurteilen. Dunkel und

Zweifel daran, ob Gott sich um die menschlichen Angelegenheiten

kümmert, ob er straft, ob er erhält, ob er hilft, ob er die

Menschen erhört, sind keine leichten Vergehen. Dasselbe gilt,

wenn Gott nicht gefürchtet oder geliebt wird, wenn wir uns

selbst lieben und Gott unbeachtet bleibt, wenn wir unsere

Weisheit bewundern, mit erfundenen, etwa epikureischen

und abergläubischen Meinungen über Gott spielen, Bestrebungen

haben, die überall herumirren, die sich von Gott ab-

94

Röm 1,16.

95

So Wit41-1/2. – Str40-1 hat an dieser Stelle keine Zwischenüberschrift. – Str40-2, Str 44 haben als Marginalie:

Peccatum.

8. Juni 2021

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!