Philipp Melanchthon, Commentarii in Epistolam ad Romanos, 1540
Melanchthons Römerbriefkommentar aus dem Jahr 1540
Melanchthons Römerbriefkommentar aus dem Jahr 1540
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Argumentum
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suetudinis. Flagellant me sycophantae, Mensingerus
28 , et Cochleus 29 , de vocabulo fidei,
item de vocabulo iustificationis, et tota via
deerrant. Disputat mecum et alius quispiam,
cuius in re publica magna est autoritas, An
Fides significet fiduciam misericordiae.
Quis non deploret Ecclesiae tenebras? Tanta
fuit Episcoporum et docentium incuria ac
socordia, ut illarum vocum, quas quotidie in
ore habebant, significationes obliviscerentur.
Mutatis autem rerum notis, etiam res amissae
sunt, et secuta sunt delyria multiplicia. Video
autem et nunc exoriri multa prava ingenia,
que vel propter curiositatem, vel propter ambitionem,
ea quae nunc in Ecclesiis nostris
recte traduntur, et optima fide ac simpliciter
explicata sunt, rursus novis praestigiis conturbare
et obruere studebunt. Quare propter
Christum oro et obtestor omnes pios, qui in
studiis versantur, ut simplicem veritatem
patefactam in Ecclesiis nostris ament ac
tueantur, quam quidem quantum possum
illustrare et munire cupio, ut ad posteros
propagetur.
Cum autem argumentum Epistolae ad
{13v} Romanos utcunque recitaverim, et
quaedam de vocum significatione observanda
admonuerim, Visum est adiicere interpretationem
vocabulorum quorundam, et integram
controversiam exponere de iustificatione.
Nam haec προλεγόμενα aliquid lucis
addent Argumento. Et cum Lector totam
causam simul animo complexus fuerit, facilius
perspiciet veram firmam et necessariam
Ecclesiae esse, ac animadvertet rectius, quomodo
in Paulo membra disputationis cohereant
cum prius quasi ideam aedificii in mente
conceperit.
Die Verleumder Mensinger und Cochläus geißeln mich wegen
der Worte „Glaube“ und „Rechtfertigung“. Sie sind vollständig
in die Irre gegangen. Auch ein anderer, der im politischen
Gemeinwesen sehr angesehen ist, setzt sich mit mir
über die Frage auseinander, ob „Glaube“ Vertrauen auf das
Erbarmen bedeutet.
Wer wollte nicht die Finsternis der Kirche beklagen? Die
Nachlässigkeit und Beschränktheit der Bischöfe und Lehrer
ist so groß gewesen, dass sie die Bedeutungen jener Begriffe,
die sie tagtäglich im Munde führten, vergessen haben. Wenn
aber die Bezeichnungen der Dinge sich ändern, gehen auch
die Dinge selbst verloren; das Ergebnis ist dann vielfältige
Verwirrung. Ich sehe aber, dass auch jetzt viele nichtswürdige
Geister sich erheben, die aus Neugier oder aus Ehrgeiz danach
streben, die Dinge, die jetzt in unseren Kirchen recht
gelehrt sowie in bestem Glauben und verständlich erklärt
werden, durch neue Gaukeleien wieder durcheinander zu
bringen und zu zerstören. Um Christi willen bitte und beschwöre
ich darum alle Frommen, die sich wissenschaftlich
betätigen, dass sie die einfache Wahrheit, die in unseren Kirchen
greifbar geworden ist, lieben und bewahren, die ich –
soweit ich dazu in der Lage bin – zu erklären und zu untermauern
beabsichtige, damit sie an die Nachgeborenen weitergegeben
wird.
Nachdem ich den Gegenstand des Briefes an die Römer
skizziert und über die zu beachtende Bedeutung der Begriffe
gesprochen habe, halte ich es für angebracht, eine Interpretation
bestimmter Wörter hinzuzufügen und die komplette
Auseinandersetzung über die Rechtfertigung darzulegen.
Diese Vorbemerkungen werfen nämlich zusätzliches Licht
auf den Gegenstand des Römerbriefes. Und wenn der Leser
die ganze Sache einmal in seinem Inneren begriffen hat, wird
er leichter erkennen, dass sie wahr, gültig und notwendig für
die Kirche ist. Er wird auch genauer verstehen, in welcher
Weise bei Paulus die einzelnen Teile der Erörterung zusammenhängen,
weil er sie zuvor wie die Gestalt eines Gebäudes
in seinem Denken erfasst hat.
SUMMA DOCTRINAE in propheticis et
apostolicis scriptis traditae,
de iustificatione coram Deo.
ZUSAMMENFASSUNG DER in den prophetischen und
apostolischen Schriften überlieferten LEHRE
über die Rechtfertigung vor Gott
Conatus sum alibi in locis communibus Theologicis,
quanta potui simplicitate et perspicuitate,
doctrinam de iustificatione, tradi-
An anderer Stelle, in den Loci Communes Theologici, habe ich
versucht, die in den prophetischen und apostolischen Schriften
überlieferte Lehre von der Rechtfertigung so einfach und
28
S.o. Anm. 3.
29
Johannes Cochlaeus (1479–1552).
8. Juni 2021