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Philipp Melanchthon, Commentarii in Epistolam ad Romanos, 1540

Melanchthons Römerbriefkommentar aus dem Jahr 1540

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Argumentum

46

Ita cum iustificatione coniuncta est donatio

Spiritus sancti, qui non tantum unam

virtutem, fidem, sed etiam ceteras inchoat, timorem,

dilectionem Dei, amorem veritatis,

castitatem, patientiam, iusticiam erga proximum,

ut postea de operibus dicam. Sed hae

virtutes non meren{26}tur remissionem peccatorum,

nec sunt iusticia, propter quam persona

fit 99 accepta, quae adhuc multum habet

infirmitatis. Porro cum conscientia perterrefacta

quaerit, quomodo iustificemur, non hoc

quaerit, quas habeamus virtutes, sed quomodo

consequamur remissionem peccatorum et

reconciliationem cum Deo. De voluntate Dei

erga nos angitur, non contemplatur proprias

virtutes, non opponit illas iudicio Dei. Ideo

qui iustificationem interpretantur infusionem

virtutum, non attendunt, hic quaeri de remissione

peccatorum, et de pace conscientiae

erga Deum, seu de reconciliatione. Quaerimus

quomodo iustificemur, id est, unde habeamus

remissionem peccatorum, quare statuendum

sit, Deum nobis propicium esse.

Necesse est igitur, iustificationem intelligi,

remissionem peccatorum, et acceptationem

divinam, seu imputationem iusticiae.

So ist mit der Rechtfertigung das Geschenk des heiligen

Geistes verbunden, der nicht nur eine Tugend, den Glauben,

hervorbringt, sondern auch andere: Gottesfurcht und die

Liebe zu Gott, die Liebe zur Wahrheit, Keuschheit, Geduld,

Gerechtigkeit gegenüber dem Nächsten. Das will ich später

im Abschnitt über die Werke entfalten. Diese Tugenden erwerben

aber keine Vergebung der Sünden, und sie gelten

auch nicht als Gerechtigkeit, um derentwillen eine Person

angenommen wird, die noch immer sehr schwach ist. Wenn

ein geängstigtes Gewissen fernerhin fragt, wie wir gerechtfertigt

werden können, fragt es nicht danach, welche Tugenden

wir haben sollen, sondern wie wir die Vergebung der Sünden

und die Versöhnung mit Gott erlangen können. Es ist beunruhigt

über die Absicht Gottes mit uns, und richtet sein Augenmerk

nicht auf die eigenen Tugenden; es setzt sie nicht

dem Urteil Gottes entgegen. Diejenigen, die die Rechtfertigung

als Eingießung von Tugenden verstehen, beachten

nicht, dass es hier um die Frage der Sündenvergebung und

um den Frieden des Gewissens gegenüber Gott oder um die

Versöhnung geht. Wir fragen, wie wir gerechtfertigt werden

können, das heißt woher wir die Sündenvergebung bekommen

können und auf welcher Grundlage man feststellen

kann, dass Gott uns gnädig ist. Es ist darum erforderlich, dass

Rechtfertigung als Sündenvergebung verstanden wird und als

göttliche Annahme oder als Zuschreibung der Gerechtigkeit.

Gratia. 100

Gnade

Gratia significat gratuitam acceptationem,

seu misericordiam promissam propter Christum,

cum qua 101 coniuncta est donatio Spiritus

sancti, ut Roma. v. inquit Paulus. Quanto

102 magis gratia Dei, et donum in gratia. Ubi

cum nominat gratiam, intelligit gratuitam

reconciliationem, deinde donum in gratia 103

intelligit donationem Spiritus san{26v}cti et

inchoationem vitae aeternae. Nam in remissione

peccatorum, ut dixi, datur Spiritus

sanctus. Estque prophana philosophia Pelagii

execranda, qui contendebat sine actione Spiritus

sancti homines fieri filios Dei et haere-

„Gnade“ bedeutet die gnädige Annahme oder das Erbarmen,

das um Christi willen verheißen ist. Mit ihr ist das Geschenk

des heiligen Geistes verbunden, wie Paulus in Röm 5 sagt: „...

um wieviel mehr die Gnade Gottes und die Gabe in der Gnade.“

Dort, wo er „Gnade“ sagt, meint er die gnädige Versöhnung,

und unter „Gabe in der Gnade“ versteht er dann das

Geschenk des heiligen Geistes und den Beginn des ewigen

Lebens, denn mit der Vergebung der Sünden wird, wie ich

schon gesagt habe, der heilige Geist gegeben. Es gibt auch die

gottlose Philosophie des Pelagius, die verflucht werden muss.

Sie behauptet, dass die Menschen ohne Zutun des heiligen

Geistes Kinder Gottes und Erben des ewigen Lebens werden.

Darum wird mit dem Ausdruck „Gnade“ häufig die Hilfe und

99

fit Wit41-1/2. – sit Str40-1/2, Str 44.

100

So Wit41-1/2. – Str40-1 hat an dieser Stelle keine Zwischenüberschrift. – Str 40-2, Str 44 haben als Marginalie: Gratia.

101

qua Wit41-1/2. – quo Str40-1/2, Str 44.

102

Quanto Wit41-1/2, Str40-2, Str 44. – Quando Str40-1.

103

intelligit gratuitam reconciliationem, deinde donum in gratia Str40-1/2, Str 44. – def. Wit41-1/2, vermutlich auf

Grund einer Haplographie.

8. Juni 2021

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