Philipp Melanchthon, Commentarii in Epistolam ad Romanos, 1540
Melanchthons Römerbriefkommentar aus dem Jahr 1540
Melanchthons Römerbriefkommentar aus dem Jahr 1540
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Argumentum
28
monstrat quis sit usus legis. Et non de solis
ceremoniis loquitur, sed de tota lege, ac praecipue
de Decalogo. Nam minime satis fit Decalogo,
quare de eo praecipue haec dicta accipi
oportet, Lex iram efficit. 16 Per legem agnitio
peccati. 17 Docet igitur lege ostendi et
argui peccatum, non tolli.
Deinde addit hoc proprium esse Christi
beneficium, auferre peccatum, Sicut Esaias
inquit, Et ipse peccata multorum tulit, et pro
transgressoribus rogavit. 18 Et Ioannes, Ecce
agnus Dei, qui tollit peccata mundi 19 , Significat
enim hunc unum esse Agnum, id est
victimam divinitus destinatam ad placandam
iram Dei. Non igitur propter legem, aut ullas
hostias alias, consequuntur homines condonationem
peccatorum, sed gratis fiducia huius
hostiae, scilicet filii Dei, qui morte sua pro
nobis satisfecit legi, et abolevit maledictionem.
Ideo inquit, Nunc autem sine lege
iusticia Dei apparuit 20 , id est, donatur imputatio
iusticiae propter {12} Christum, id est 21 ,
non propter legem. Lex antea extabat, nec est
nunc a Christo allata, qui aliud adfert longe
maius beneficium, Sicut Iohannes inquit, Lex
per Moisen data est, Gratia autem et veritas
per Iesum Christum facta est 22 , Id est, Christus
donat nobis gratiam, hoc est, remissionem
peccatorum gratis, et efficit in nobis veram
Dei agnitionem, verum amorem, veram
fiduciam, veram invocationem. Sic congruit
nostra interpretatio cum perpetuo consensu
propheticae et apostolicae scripturae, et coherent
membra disputationis iuxta hanc
nostram interpretationem. Origenica turpissime
dilacerat Pauli orationem. Nec retinet
nativam verborum significationem.
Nihil adversariis nostris significat haec
oratio Pauli, Fide iustificamur. Excusant eam
per Synecdochen 23 , et affingunt prorsus alie-
zeigt, worin der Gebrauch des Gesetzes besteht. Er spricht
auch nicht nur über die Zeremonien, sondern über das ganze
Gesetz, vor allem über den Dekalog. Dem Dekalog wird am
wenigsten Genüge getan, und darum müssen die folgenden
Aussagen vor allem auf ihn bezogen werden: „Das Gesetz
bewirkt Zorn“; „durch das Gesetz kommt die Erkenntnis der
Sünde.“ Er lehrt darum, dass die Sünde durch das Gesetz
aufgewiesen und angeklagt, nicht aber beseitigt wird.
Er fügt auch noch hinzu, dass die eigentliche Wohltat
Christi darin besteht, die Sünde zu beseitigen, wie Jesaja sagt:
„Er hat die Sünden Vieler getragen und für die Übertreter
Fürbitte getan.“ Und Johannes: „Siehe, das Lamm Gottes, das
die Sünden der Welt wegnimmt.“ Er macht damit deutlich,
dass dieser Eine das Lamm ist, das heißt: das Opfer, das der
Himmel dazu bestimmt hat, Gottes Zorn zu besänftigen. Darum
erlangen die Menschen die Vergebung der Sünden nicht
um des Gesetzes oder irgendwelcher anderer Opfer willen,
sondern gnadenhalber, auf Grund des Vertrauens in sein, des
Gottessohnes, Opfer, der durch seinen Tod dem Gesetz Genüge
getan und den Fluch beseitigt hat. Darum sagt er: „Nun
aber ist ohne Gesetz die Gerechtigkeit Gottes in Erscheinung
getreten“, und das heißt: Die Zurechnung der Gerechtigkeit
wurde um Christi willen geschenkt, nicht um des Gesetzes
willen. Das Gesetz war vorher da, und es ist nicht erst von
Christus gebracht worden. Der bringt eine viel bessere Wohltat,
wie Johannes sagt: „Das Gesetz wurde durch Mose gegeben,
Gnade und Wahrheit ist aber durch Jesus Christus geworden“,
und das heißt: Christus schenkt uns Gnade, d.h.
Vergebung der Sünden gnadenhalber, und er bewirkt in uns
wahre Gotteserkenntnis, wahre Liebe, wahres Vertrauen,
wahre Anrufung. Dementsprechend stimmt unsere Interpretation
mit dem durchgängigen Konsens der prophetischen
und apostolischen Schrift überein und sind die einzelnen
Teile der Erörterung in Entsprechung zu dieser unserer Interpretation
miteinander verbunden. Die origenistische Interpretation
zerreißt die paulinische Darstellung in skandalöser
Weise. Sie behält nicht die ursprüngliche Bedeutung der
Wörter bei.
Für unsere Widersacher bedeutet es nichts, wenn Paulus
sagt: „Wir werden aus Glauben gerechtfertigt.“ Sie entschärfen
das durch eine Interpretation als Synekdoche und erfin-
16
Röm 4,15.
17
Röm 3,20.
18
Jes 53,12.
19
Joh 1,29.
20
Röm 3,21.
21
Id est Wit41-1/2. – def. Str40-1/2, Str 44.
22
Joh 1,17.
23
Die Synekdoche ist ein rhetorisches Stilmittel, bei dem ein Wort durch ein anderes ersetzt wird, das mit ihm in
einer quantitativen Beziehung steht (vgl. H. Lausberg, Handbuch der literarischen Rhetorik I, München 2 1973, §
8. Juni 2021