16.06.2021 Aufrufe

Philipp Melanchthon, Commentarii in Epistolam ad Romanos, 1540

Melanchthons Römerbriefkommentar aus dem Jahr 1540

Melanchthons Römerbriefkommentar aus dem Jahr 1540

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Argumentum

38

Dixi de particula gratis, De qua et 64 hoc

considerent pii, merita tolli ac reiici, non quia

nos nihil agamus, sed ut promissio nobis sit

certa, {19v} quae fieret incerta, si 65 penderet

ex conditione meritorum, Item, ut debitus

honos Christo tribuatur, Item quia, etiamsi

quid agimus, tamen procul absumus a perfectione

legis. Oritur autem fides a verbo Dei,

videlicet ab Evangelio, quod proprie est promissio,

in qua beneficia Christi nobis tum

promittuntur, tum exhibentur 66 . Nihil enim

posset mens humana statuere de remissione

peccatorum, si Deus non revelasset hanc suam

voluntatem certo verbo, seu certa promissione.

Sciendum est autem hanc Evangelicam

promissionem universalem esse, quod eo necesse

est admoneri pios, quia pavidae mentes

de his duabus quaestionibus maxime disputant,

videlicet de dignitate, et de electione.

Primum quaerimus an indignos recipiat, deinde

etiamsi essemus digni, cogitamus tamen

Deum suos quosdam amicos elegisse, quibus

haec beneficia velit impertire, dubitamus an

ad nos quoque pertineat, veremur nos non

esse in numero illorum. Ita ambigit humana

ratio de voluntate Dei. Nam et Philosophi

adsentiuntur, Deum paucis quibusdam, videlicet

Heroicis viris favere, et eorum eventus

gubernare, sed reliquos homines negligi a

Deo cogitant. Prorsus {20} hoc modo cogitat

mens de praedestinatione, ut vocant. Sed humanam

opinionem 67 taxat vox coelestis. Hoc

differt Evangelium a philosophicis opinionibus

et a lege, quia aliter monstrat Dei voluntatem,

ostendit Deum vere et indignos velle

recipere, et omnibus offerre gratiam, modo ut

credant promissioni. Quare discant pii, promissionem

esse universalem, sicut testantur

innumera dicta, ut, Venite ad me omnes, qui

laboratis, et onerati estis. 68 Rom. iii. Iusticia

Dei per fidem Iesu Christi in omnes, et super

omnes credentes. 69 Item Rom. x. Idem domi-

Ich habe über das Wörtchen „gnadenhalber“ gesprochen,

in Bezug auf das die Frommen auch beachten sollten, dass die

Verdienste beseitigt wurden, nicht weil wir nichts mehr tun

sollen, sondern damit uns die Verheißung gewiss ist (die

bliebe nämlich ungewiss, wenn sie von der Bedingung der

Verdienste abhängig wäre) und die verdienten Ehren Christus

zuteil werden sowie weil wir, auch wenn wir etwas tun,

weit hinter der vollkommenen Erfüllung des Gesetzes zurückbleiben.

Der Glaube entsteht vielmehr aus dem Wort

Gottes, d.h. aus dem Evangelium. Das ist die Verheißung,

durch die uns die Wohltaten Christi erst zugesagt und dann

zugeeignet werden. Der menschliche Geist könnte nämlich

nichts von der Vergebung der Sünden wahrnehmen, wenn

Gott nicht seinen diesbezüglichen Willen durch das verbindliche

Wort bzw. die verbindliche Verheißung offenbart hätte.

Man muss aber auch wissen, dass diese Verheißung des

Evangeliums allgemeingültig ist. Mit ihr müssen die Frommen

ermahnt werden, weil angsterfüllte Gemüter sich vor

allem mit zwei Fragen beschäftigen: mit der Würdigkeit und

mit der Erwählung. Erst fragen wir, ob Gott die Unwürdigen

annimmt, und dann, selbst wenn wir würdig wären, denken

wir trotzdem, dass er einige von seinen Freunden erwählt hat,

denen er diese Wohltaten zukommen lassen will. Wir wissen

nicht, ob auch wir dazugehören, und befürchten, dass wir

nicht dazu gehören. So ist sich die menschliche Vernunft in

Bezug auf den Willen Gottes unsicher. Auch die Philosophen

sind dieser Meinung. Sie nehmen an, dass Gott nur einigen

wenigen gewogen ist, nämlich den heroischen Männern, deren

Ergehen er lenkt, während die übrigen Menschen von

ihm vernachlässigt werden. Genau in derselben Weise denkt

auch der Verstand von der Prädestination, wie sie es nennen.

Die himmlische Stimme tadelt aber diese menschliche Ansicht.

Das unterscheidet das Evangelium von philosophischen

Meinungen und vom Gesetz, denn es macht den Willen Gottes

ganz anders sichtbar. Es zeigt, dass Gott wirklich auch die

Unwürdigen annehmen will und allen die Gnade anbietet –

vorausgesetzt, dass sie der Verheißung glauben. Darum sollen

die Frommen lernen, dass die Verheißung allen gilt. Das bezeugen

unzählige Worte wie z.B.: „Kommt her zu mir, die ihr

mühselig und beladen seid“; Röm 3: „Die Gerechtigkeit Gottes

aus Glauben an Jesus Christus für alle und über alle Glaubenden.“

Ebenso Röm 10: „Derselbe Herr über alle, der reich

ist für alle ... .“ Wir sollen uns – jeder einzelne – in diese „alle“

64

et Str40-1, Wit41-1/2, Str44. – def. Str40-2.

65

si Str40-1/2, Wit41-1, Str44. – sed Wit41-2.

66

exhibentur Str40-1/2, Wit41-1/2. – adhibentur Str44.

67

Sed humanam opinionem Str40-1/2, Wit41-1/2. – Sed hanc humanam opinionem Str44.

68

Mt 11,28.

69

Röm 3,22.

8. Juni 2021

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!