Philipp Melanchthon, Commentarii in Epistolam ad Romanos, 1540
Melanchthons Römerbriefkommentar aus dem Jahr 1540
Melanchthons Römerbriefkommentar aus dem Jahr 1540
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Argumentum
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hunc articulum, Credo remissionem peccatorum,
secum ipsi pugnant. Iubent dubitare 59 ,
et tamen audiunt praecipi, ut credant remissionem
peccatorum. Ac scio quosdam, quos
hic ipse articulus admonuit, ut consolationem
admitterent, et cogitarent adsentiendum esse
promissioni Dei, et abiicerent doctrinam
monachorum de dubitatione, et meritis.
selbst. Sie verlangen zu zweifeln und bekennen trotzdem, dass
es geboten ist, an die Vergebung der Sünden zu glauben. Ich
kenne auch Leute, die eben dieser Artikel dazu gebracht hat,
dass sie den Trost annehmen und bedenken, dass man der
Verheißung Gottes zustimmen muss, und dass sie die Lehre
der Mönche über den Zweifel und die Verdienste von sich
werfen.
De particula, Gratis. 60
Über den Ausdruck „gnadenhalber“
Sed quare additur particula gratis, {18} non
propter opera 61 , sed propter Christum? Imo
vero 62 de hac particula gratis praecipue dimicant
et 63 conscientiae, et Prophetae ac Apostoli.
Complectitur autem duo, Excludit merita
nostra, et proponit Christi merita. Hic
enim vel praecipue cerni potest, primum magnitudo
irae Dei adversus peccatum, quod
nulla hostia placare Deum potuit, nisi mors
filii. Rursus lucet amoris magnitudo, quod
filium pro nobis dedit. Utrunque autem in
agone conscientiae tenere opus est, videlicet
Deo proponenda esse Christi merita, propter
Christum petendam et expectandam esse
gratiam, non propter nostra merita. Nam et
certaminis illius Epitasis haec est. Non quaerit
mens perterrefacta, an aliis benemeritis ac
dignis deus velit esse propitius. Adsentitur
Deum bonum et misericordem esse, sed dignis,
qui non habent peccata, aut qui maiora
habent merita. Nam legis noticia nobiscum
nata, docet Deum bonum esse, sed erga dignos.
Illud vero quaerit, an Deus mihi indigno
velit esse propicius. Hic intuenda est particula,
gratis ut statuamus vere Deum remittere
peccata propter Christum gratis, non propter
ulla nostra opera aut merita. Et haec particula,
gratis, monstrat discrimen Evangelii ac
legis. Lex etiam concionatur, Deum esse bo-
{18v}num misericordem, sed addit conditionem
dignitatis, seu meriti, ait Deum propicium
esse his, qui sine peccato sunt. At Evan-
Doch warum wird das Wörtchen „gnadenhalber“ ergänzt?
Nicht um der Werke, sondern um Christi willen. Gerade mit
dem Wörtchen „gnadenhalber“ schlagen sich ja vor allem die
Gewissen, aber auch die Propheten und Apostel herum. Es
beinhaltet zweierlei: Es schließt unsere Verdienste aus, und es
weist auf die Verdienste Christi hin. An dieser Stelle kann
man nämlich vor allen Dingen zunächst die Größe von Gottes
Zorn über die Sünde erkennen, weil kein Opfer Gott besänftigen
konnte als allein der Tod seines Sohnes. Sodann
leuchtet die Größe der Liebe, weil er seinen Sohn für uns gegeben
hat. Man muss aber im Kampf des Gewissens an beidem
festzuhalten, wobei natürlich Gott die Verdienste Christi
vorzuhalten sind und wir um Christi und nicht um unserer
Verdienste willen Gnade erbitten und erwarten müssen. Die
Zuspitzung dieses Kampfes besteht nämlich darin, dass das
zu Tode geängstigte Gemüt nicht danach fragt, ob Gott um
anderer verdienstlicher und würdiger Werke willen uns gnädig
sein will. Es teilt die Überzeugung, dass Gott gut und
barmherzig ist, aber nur gegenüber denen, die es wert sind,
die nicht gesündigt haben oder die größere Verdienste aufweisen.
Die Kenntnis des Gesetzes, die mit uns geboren wurde,
lehrt ja, dass Gott gut ist, aber nur zu denen, die es wert
sind. Das zu Tode geängstigte Gemüt fragt demgegenüber danach,
ob Gott mir, der ich es nicht wert bin, gnädig sein will.
An diesem Punkt wollen wir nun das Wörtchen „gnadenhalber“
in den Blick nehmen: um festzustellen, dass Gott die
Sünden wirklich um Christi willen gnadenhalber vergibt,
nicht um unserer Werke oder Verdienste willen. Das Wort
„gnadenhalber“ lässt auch den Unterschied zwischen Evangelium
und Gesetz erkennen. Das Gesetz sagt ebenfalls, dass
Gott gut und barmherzig ist, es ergänzt aber die Bedingung
der Würdigkeit oder des Verdienstes. Es sagt, dass Gott de-
59
dubitare Str40-1, Wit41-1/2, Str44. – dubitari Str40-2.
60
So Wit41-1. – Str40-1 hat hier keine Zwischenüberschrift. – Str40-2, Str 44 haben als Marginalie: Particula Gratis(,)
quare addatur.
61
opera Str40-1, Wit41-1/2. – opera nostra Str40-2, Str44.
62
vero Wit41-1/2, Str 44. – vere Str40-1/2.
63
et Str40-1, Wit41-1/2. – def. Str40-2, Str44.
8. Juni 2021