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syndicom magazin Nr. 24

Das syndicom-Magazin bietet Informationen aus Gewerkschaft und Politik: Die Zeitschrift beleuchtet Hintergründe, ordnet ein und hat auch Platz für Kultur und Unterhaltendes. Das Magazin pflegt den Dialog über Social Media und informiert über die wichtigsten Dienstleistungen, Veranstaltungen und Bildungsangebote der Gewerkschaft und nahestehender Organisationen.

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Dossier<br />

Das 1,2-Billionen-Problem<br />

der Arbeitenden<br />

13<br />

Paradox: Die berufliche Vorsorge<br />

gefährdet unsere Renten. Für den Umbau<br />

der 2. Säule aber braucht es die ganze Macht<br />

der Gewerkschaften und entschlossene<br />

Stiftungsrät*innen.<br />

Text: Oliver Fahrni<br />

Bilder: Sandro Mahler<br />

Es war der Tag, an dem alle Warnlichter aufleuchteten.<br />

Am 13. März 2020 brachen die Börsen ein. Der Dow Jones<br />

hatte schon 12,93 Prozent verloren, als die automatischen<br />

Sicherheitssysteme den Handel stoppten. Am Abend verkündete<br />

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron stellvertretend<br />

für die Weltenlenker, man werde das kapitalistische<br />

System auch diesmal retten, «koste es, was es wolle».<br />

Seither schwemmen die Zentralbanken die Welt mit<br />

ungezählten Milliarden neuen Geldes. Die Wirtschaft –<br />

und unsere Renten – hängen am Tropf der Öffentlichen<br />

Hand.<br />

Der 13. März weckte Erinnerungen an zerstörte Existenzen,<br />

an Pensionskassenpleiten und teure Sanierungen.<br />

In der Finanzkrise 2008 hatten allein die US-Rentnerinnen<br />

und -Rentner 2000 Milliarden Dollar verloren. An<br />

jedem zweiten Haus der Rentnerhölle Florida hing das<br />

Schild «Zu verkaufen». Anfang 2009 meldeten die Schweizer<br />

Pensionskassen ein riesiges Loch von 60 Milliarden<br />

Franken. Mindestens.<br />

Dass unser Alters-Spargeld in Börsenspekulationen<br />

verdampft, ist einem grossen Schwindel geschuldet, den<br />

die Gewerkschaften zu spät erkannt haben. Statt die AHV<br />

zur echten Volkspension auszubauen, stimmten sie<br />

zu Beginn der 1970er-Jahre dem Plan des Kapitals zu, die<br />

Altersvorsorge auf 3 Säulen zu stellen: Eine gezielt mager<br />

gehaltene AHV, eine – im Prinzip – paritätische berufliche<br />

Vorsorge und privates Sparen. Im Zentrum stand nun die<br />

2. Säule, die ab 1985 obligatorisch wurde.<br />

Das Modell schien dem SGB reizvoll. Pensionskassen<br />

gab es schon lange, mehr als 15 000, in Betrieben, Berufsverbänden<br />

und öffentlichen Verwaltungen. Nun sollte das<br />

gesetzlich organisierte Sparen sie stärken und neu organisieren.<br />

Das Versprechen: Über die Aktien und Obligationen,<br />

welche die Pensionskassen kaufen, würden die Renten<br />

von den Wertsteigerungen der Wirtschaft profitieren.<br />

Und die Gewerkschaften dachten, in den Stiftungsräten<br />

würde ihnen mehr Macht erwachsen. Durch manche Köpfe<br />

geisterte sogar die alte Idee der schwedischen Sozialdemokratie,<br />

via Pensionskassen die Kontrolle über die<br />

Unternehmen, also den Kapitalismus zu gewinnen.<br />

Das war naiv. Das Kapital sah ganz andere Perspektiven.<br />

Es hatte begonnen, die Finanzmärkte zu entfesseln,<br />

als erster Schritt der neoliberalen Revolution. Die BVG-<br />

Lohnprozente sollten Banken und Fonds neues Brennmaterial<br />

für ihren Finanzkapitalismus liefern, eine sprudelnde<br />

Quelle frischen Kapitals.<br />

Tatsächlich haben sich in der 2. Säule inzwischen 1,2<br />

Billionen Franken angehäuft, eine Billion ist eine Zahl mit<br />

12 Nullen. Dieser gigantische Geldberg wird zum existenziellen<br />

Problem für unsere soziale Sicherheit. Hier drei<br />

wichtige Gründe.<br />

• Systemfehler 1: Unsere künftigen Renten sind extrem<br />

unsicher geworden, weil sie nun ganz der finanzkapitalistischen<br />

Spekulation ausgeliefert sind. Diese Spekulation<br />

hat sich vom Gang der realen Wirtschaft weitgehend abgekoppelt<br />

und ist undurchsichtig geworden. Banken und<br />

Fonds legen ständig neue Hochrisiko-«Finanzprodukte»<br />

auf. Die jüngsten Milliarden-Verluste der Credit Suisse illustrieren<br />

das. Derzeit leben die Pensionskassen noch von<br />

einer Aktienhausse. Mitten in der grossen Krise wird diese<br />

Hausse allerdings allein vom Rettungsgeld der Zentralbanken<br />

getragen. Verringern die ihre Geldschwemme,<br />

droht den Börsen, also den Pensionskassen, der Crash.

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