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syndicom magazin Nr. 24

Das syndicom-Magazin bietet Informationen aus Gewerkschaft und Politik: Die Zeitschrift beleuchtet Hintergründe, ordnet ein und hat auch Platz für Kultur und Unterhaltendes. Das Magazin pflegt den Dialog über Social Media und informiert über die wichtigsten Dienstleistungen, Veranstaltungen und Bildungsangebote der Gewerkschaft und nahestehender Organisationen.

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«Wir hoffen, dass wir nach einigen Überlegungen so rasch wie möglich mit<br />

Vorschlägen an den Verhandlungstisch zurückkehren können und die Verhandlungen<br />

mit positiveren Vorzeichen neu beginnen können. Bis dahin<br />

müssen die bisherigen Standards unbedingt eingehalten werden.» Luca Visentini, ETUC<br />

23<br />

Gleichbehandlung intern angewendet.<br />

Deshalb finde ich es widersinnig,<br />

dass die EU nun im Rahmen<br />

des Abkommens mit der Schweiz<br />

diesen Grundsatz ignorieren will.<br />

Existiert das Schreckgespenst des<br />

«polnischen Klempners» in der EU<br />

weiterhin?<br />

Die Situation hat sich sicherlich verbessert.<br />

Vor allem dank dieser<br />

Richtlinie und der Schaffung der<br />

Europäischen Arbeitsbehörde. Dies<br />

ist bei der Überwachung und Sanktionierung<br />

der Verstösse sehr hilfreich.<br />

Der unfaire Wettbewerb zwischen<br />

den Arbeitnehmenden ist<br />

Vergangenheit. Das heisst nicht,<br />

dass alles perfekt ist. Es gibt noch<br />

viele Verstösse, vor allem in Bereichen<br />

wie der Transportbranche.<br />

Und die Gleichbehandlung in Bezug<br />

auf die soziale Sicherheit ist auch<br />

noch nicht erreicht.<br />

Wie lässt sich diese widersprüchliche<br />

Haltung der EU erklären?<br />

Sie ist darauf zurückzuführen, dass<br />

die Entsenderichtlinie und das Rahmenabkommen<br />

mit der Schweiz<br />

nicht von derselben Stelle innerhalb<br />

der EU ausgehandelt wurden. Das<br />

eine Dossier wurde von der Generaldirektion<br />

Beschäftigung und Soziales<br />

erarbeitet, die dem Schutz der<br />

Arbeitnehmerrechte eine grosse Bedeutung<br />

beimisst. Auf der anderen<br />

Seite war die Rolle der Generaldirektion<br />

Handel (GD Handel) bei der<br />

Aushandlung des Abkommens mit<br />

der Schweiz sehr negativ.<br />

Innerhalb der EU<br />

gibt es noch viele<br />

Verstösse, aber<br />

auch Sanktionen.<br />

Welchen Einfluss hatten die europäischen<br />

Arbeitgeber auf die GD Handel?<br />

Diese spielten eine sehr wichtige<br />

und sehr negative Rolle. Die Arbeitgeberorganisationen<br />

übten äusserst<br />

grossen Druck aus. Sie haben die<br />

Reform der Entsenderichtlinie nie<br />

überwunden und versuchten alles,<br />

um sie zu blockieren. Glücklicherweise<br />

ist ihnen das nicht gelungen.<br />

Für diese Niederlage wollten sie sich<br />

rächen und deshalb wenigstens in<br />

der Schweiz Lohn- und Sozialdumping<br />

praktizieren. Ausserdem werden<br />

solche Verhandlungen hinter<br />

verschlossenen Türen geführt, auf<br />

Beamtenebene und ohne wirklichen<br />

Prozess der demokratischen Kontrolle.<br />

In diesem Fall waren es die<br />

Beamten der GD Handel, die unter<br />

dem Einfluss der Unternehmen stehen<br />

und versuchen, vor allem deren<br />

Geschäftsinteressen zu schützen.<br />

Das Scheitern der Verhandlungen<br />

über das Rahmenabkommen hat jedoch<br />

auch die Ausweitung bestimmter<br />

Rechte verhindert, die für die (europäischen)<br />

Wanderarbeitenden in der<br />

Schweiz von Vorteil gewesen wären.<br />

Ich denke an die Unionsbürgerschaft.<br />

Diese ist einer der Verhandlungspunkte,<br />

die von der Rechten hartnäckig bekämpft<br />

werden. Hätten die Gewerkschaften<br />

nicht weitere Kompromisse<br />

für ein soziales Abkommen eingehen<br />

können?<br />

Wir haben die Verhandlungen eng<br />

verfolgt. Und ich kann sagen, dass<br />

die Schweizer Gewerkschaften eine<br />

grosse Bereitschaft zeigten, bei der<br />

Auslegung der Modalitäten der flankierenden<br />

Massnahmen den bürokratischen<br />

Aufwand für die Unternehmen<br />

möglichst gering zu halten.<br />

Das Problem war, dass sie erpresst<br />

wurden: Im Gegenzug zu positiven<br />

Massnahmen wie der Unionsbürgerschaft<br />

hätten sie die flankierenden<br />

Massnahmen aufgeben müssen.<br />

Ganz zu schweigen von den bereits<br />

erwogenen wirtschaftlichen Vergeltungsmassnahmen.<br />

Die Gewerkschaften<br />

blieben sehr offen, standen<br />

aber einer geschlossenen und<br />

erpresserischen Gegenseite gegenüber.<br />

Wie kann die Gewerkschaftsbewegung<br />

dazu beitragen, Europa und die<br />

Schweiz aus dieser Sackgasse herauszuführen<br />

und einander wieder näher<br />

zu bringen?<br />

Wir stehen in ständigem Kontakt<br />

mit unseren Schweizer Kolleg*innen<br />

und üben Druck auf die Europäische<br />

Kommission aus, damit diese<br />

das Dossier mit einer offeneren<br />

und fortschrittlicheren Haltung neu<br />

angeht. Wir versuchen zum Beispiel,<br />

Druck auf die GD Beschäftigung<br />

auszuüben, damit sie sich aktiver<br />

und massgeblicher in diese Diskussion<br />

einbringt. Wir müssen ein Gegengewicht<br />

zum ultra-neoliberalen<br />

Ansatz der GD Handel schaffen.<br />

Medienmitteilung des EDA zum Abbruch<br />

der Verhandlungen: <strong>syndicom</strong>.ch/zskUW<br />

Was ist die<br />

Mindeststeuer<br />

wert?<br />

«Historisches Abkommen», «aus serordentliches<br />

Ergebnis»: Die Europäische<br />

Kommission schlug triumphale<br />

Töne an, um die globale Steuer<br />

anzukündigen. Beim G20-Gipfel in<br />

Venedig einigten sich die Weltmächte,<br />

dass grosse Unternehmen<br />

eine Mindeststeuer von 15 % zahlen.<br />

Und zwar in den Staaten, in denen<br />

sie Produkte und Dienstleistungen<br />

verkaufen. Die Internet-Giganten<br />

Google, Amazon, Facebook, Apple<br />

und Microsoft können sich künftig<br />

nicht mehr in Irland oder Luxemburg<br />

niederlassen, um von den dortigen<br />

Steuervorteilen zu profitieren.<br />

Also ein harter Schlag für das<br />

Steuerdumping? Wohl nicht. Nicht<br />

zuletzt, weil die Minimalsteuer nur<br />

für Konzerne mit einem Umsatz<br />

über 20 Mrd. Euro und einer Gewinnmarge<br />

von mehr als 10 % gelten<br />

soll: Das könnte sogar Amazon ausschliessen!<br />

Die EU hatte nicht die<br />

Kraft (und den Mut), den Mindeststeuersatz<br />

auf 25 % anzu heben, wie<br />

Oxfam und die UN-Kommission für<br />

die internationale Unternehmenssteuerreform<br />

gefordert hatten.<br />

Dabei ging noch in den 1980er-<br />

Jahren fast die Hälfte der Erträge<br />

der US-Konzerne an die Steuer. Die<br />

neoliberale Doktrin, nach der die<br />

Begrenzung der Unternehmensgrösse<br />

die Wirtschaft schwächen<br />

würde, machte dem den Garaus.<br />

Wie der Schriftsteller und Aktivist<br />

Cory Doctorow sagt: «Wenn man<br />

aufhört, das Kartellrecht durchzusetzen,<br />

muss man sich nicht wundern,<br />

wenn Monopole entstehen:<br />

Das ist, wie wenn man Zucker auf<br />

den Boden streut und sich dann<br />

über die Ameisen wundert.»<br />

Wie ein Bericht von ProPublica<br />

zeigt, zahlen die reichsten Menschen<br />

der Welt lächerliche Steuern:<br />

Jeff Bezos von Amazon 1 %, Elon<br />

Musk von Tesla 3 %. Schäbige Tarife.<br />

Nimmt man Sozialversicherungsbeiträge<br />

und Einkommenssteuer<br />

zusammen, zahlen Arbeitnehmer in<br />

den G7-Ländern 20–30 %, oft 40 %.<br />

Deutlich mehr als jetzt die 15 % der<br />

Digitalkonzerne. (Giovanni Valerio)<br />

Der Bericht von ProPublica (englisch):<br />

<strong>syndicom</strong>.ch/ALhHp

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