10.08.2021 Aufrufe

syndicom magazin Nr. 24

Das syndicom-Magazin bietet Informationen aus Gewerkschaft und Politik: Die Zeitschrift beleuchtet Hintergründe, ordnet ein und hat auch Platz für Kultur und Unterhaltendes. Das Magazin pflegt den Dialog über Social Media und informiert über die wichtigsten Dienstleistungen, Veranstaltungen und Bildungsangebote der Gewerkschaft und nahestehender Organisationen.

Das syndicom-Magazin bietet Informationen aus Gewerkschaft und Politik: Die Zeitschrift beleuchtet Hintergründe, ordnet ein und hat auch Platz für Kultur und Unterhaltendes. Das Magazin pflegt den Dialog über Social Media und informiert über die wichtigsten Dienstleistungen, Veranstaltungen und Bildungsangebote der Gewerkschaft und nahestehender Organisationen.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN
  • Keine Tags gefunden...

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

14<br />

Dossier<br />

Wir müssen langfristig<br />

aus der 2. Säule raus<br />

und mit dem Geldberg<br />

die AHV stärken<br />

• Systemfehler 2: Die Pensionskassen sind mit ihren 1200<br />

Milliarden inzwischen selber mächtige Spekulationstreiber.<br />

Weil die früher «mündelsicheren» Anlagen, wie etwa<br />

die Anleihen der Eidgenossenschaft, derzeit weder Zinsen<br />

noch Rendite abwerfen, investieren die PK in Hochrisiko-<br />

Anlagen, Rohstoffe und Immobilien – und heizen damit<br />

unter anderem die Mietpreise an.<br />

Für die Stiftungsrät*innen ist in der 2. Säule ein systematischer<br />

Zielkonflikt eingebaut: Einerseits müssen sie,<br />

anders als die AHV, für ihre Rentenzahlungen hohe Renditen<br />

erwirtschaften, anderseits gefährden sie damit die<br />

Kaufkraft und manchmal sogar die Jobs der Beitragszahlenden.<br />

Das geschieht etwa dann, wenn eine Firmenstiftung<br />

Papiere eines Hedgefonds kauft, der später dieselbe<br />

Firma plündert, wie Hedgefonds dies üblicherweise tun.<br />

• Systemfehler 3: Die zweite Säule ist ineffizient und teuer.<br />

An unseren BVG-Beiträgen mästen sich die Aktionäre von<br />

Banken und Versicherungen und ein ganzes Heer von<br />

Vermittlern, Beraterinnen, Treuhändern, Maklerinnen.<br />

Dafür haben sie 1001 Trick. Der Pensionskassen-Monitor<br />

2021 von Swisscanto, der Vorsorgeeinrichtung der Kantonalbanken,<br />

rechnet vor, dass diese Finanzintermediäre<br />

im Durchschnitt rund 350 Franken pro Versicherten und<br />

Jahr abgreifen. Oft auch deutlich mehr. Denn das betrifft<br />

allein die Gebühren. Besser fahren nur die Versicherten<br />

der öffentlichen Pensionskassen. Das Problem ist bekannt,<br />

doch SVP und FDP schützen diese Raub-Praktiken:<br />

Kürzlich schmetterten sie im Ständerat einmal mehr die<br />

Regulierung der Maklergebühren ab.<br />

Im Abstimmungskampf 1972 hatte die SP noch versprochen,<br />

die 2. Säule werde mit geringeren Beiträgen der<br />

Arbeitenden höhere Renten als die AHV abwerfen. Genau<br />

das Gegenteil kam. Die Arbeitenden bezahlen, je nach Alter,<br />

bis vier Mal mehr als für die AHV – doch die PK-Renten<br />

sinken und sinken seit mehr als einem Jahrzehnt. Derzeit<br />

sogar beschleunigt. Die Lage wird kritisch.<br />

Aus taktischen Gründen formuliert noch fast niemand,<br />

was eigentlich allen informierten Gewerkschafter*-<br />

in nen klar ist: Wir müssen aus der 2. Säule raus und dafür<br />

sorgen, dass der angesparte Geldberg die AHV stärkt. In<br />

einem politischen System wie der Schweiz ist das ein Jahrzehnte-Vorhaben.<br />

Es wird ein zähes Ringen um viele<br />

Kompromisse unterwegs (jedenfalls, solange keine Volksinitiative<br />

für gänzlich neue Verhältnisse sorgt). Immerhin<br />

verlangte die Delegiertenversammlung des SGB am<br />

28. Mai einen «grundlegenden Kurswechsel».<br />

Die Reform «BVG21» ist ein erster Kompromiss. Ausgehandelt<br />

haben ihn die Sozialpartner, jetzt muss «BVG21»<br />

durchs Parlament. Kernpunkte: Der Umwandlungssatz<br />

wird gesenkt. Im Gegenzug gibt es etliche Verbesserungen<br />

u.a. für Teilzeitbeschäftigte und die bisher diskriminierten<br />

Frauen. Vor allem bekommen alle Neurentner<br />

einen fixen Zuschlag, losgelöst von der Rendite der PK.<br />

Ein Kenner der Sache sagt: «Hier wird also gewissermassen<br />

ein kleines Stück AHV in die 2. Säule eingeführt.»<br />

Inzwischen liegen auch diverse andere Ideen auf dem<br />

Tisch. Etwa die Finanzierung eines Fonds für den sozialen<br />

und ökologischen Umbau der Schweiz durch Pensionskassengelder.<br />

Oder die Überführung eines Teils der 1200<br />

Milliarden in einen Staatsfonds ...<br />

Vorderhand spielt die Musik in den Stiftungsräten.<br />

Das ist ein schwieriger Job für die gewählten Vertreter*innen<br />

der Arbeitenden. Darum sollten sie in den GAV, notfalls<br />

auch im Gesetz, vor Kündigung geschützt werden.<br />

Die Gewerkschaften sind in der Pflicht, diese Frauen und<br />

Männer intensiv zu schulen und zu begleiten. Denn sie<br />

müssen den Nerv haben, völlige Transparenz über alle Investitionen<br />

und Kosten einzufordern, notfalls gegen Banken,<br />

Versicherungen, Giganten-Fonds wie BlackRock und<br />

windschlüpfrige Anlageberater. Sie müssen diese Anlagen<br />

kritisch beurteilen, in Bezug auf ihre Sicherheit, aber<br />

auch auf ihre sozialen Folgen hin. Sie müssen ihr Mitbestimmungsrecht<br />

durchsetzen, gerade bei den grasssierenden<br />

Fusionen und Pensionskassenwechseln. Und sie<br />

täten gut daran, fossile Anlagen aus den Portfolios zu kippen<br />

– wenn etwas das Rentenkapital noch sicherer vernichtet<br />

als die Spekulation, sind das Klimakatastrophen.<br />

Die 2. Säule ist keine Sonntagsschule.<br />

Fotostrecke<br />

Wie lässt sich der Angriff auf unsere Renten veranschaulichen?<br />

Wie zeigst du das Missverhältnis zwischen den drei<br />

Säulen des Schweizer Rentensystems? Der in Lugano lebende<br />

Fotograf Sandro Mahler hat die Herausforderung angenommen.<br />

Inspiriert von der Arbeit des Künstlers Mark Hogancamp<br />

(vgl. den Kinofilm «Willkommen in Marwen»), stellt er<br />

den Griff des bürgerlichen Parlaments nach den AHV-Renten<br />

mit winzigen Plastikarbeitern dar. In ähnlicher Weise zeigt er<br />

die Spekulation auf die 2. Säule als belebtes Roulette und<br />

bevölkert auch das Monopoly mit Figuren.<br />

Nach seinem Abschluss am Istituto Europeo di Design in Mailand<br />

besuchte Sandro Mahler das Brooks Institute of Photography,<br />

bevor er 1994 sein eigenes Fotostudio in Lugano<br />

eröffnete. Seit 2001 unterrichtet er auch Fotografie am CSIA<br />

(Centro Scolastico Industrie Artistiche) in Lugano.<br />

Als Mitglied von <strong>syndicom</strong> arbeitet Sandro Mahler mit der<br />

Wochenzeitung Cooperazione zusammen und produziert Reportagen<br />

für Unternehmen und Institutionen. Fotomiller.ch

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!