22.09.2021 Aufrufe

Leichtathletik INFORMationen 03/2021

Inhalt: Geher-Förderprojekt bei Olympia in Tokio + Olympia 2021 – Von Hightech und Untiefen + Neue Wege im Hochsprung – „Der Hochsprungbaum” + Marcel Fehr – Wenn Träume platzen + Nachbetrachtung – U23-Europameisterin Lilly Kaden + Portrait: Anna Malia Hense

Inhalt: Geher-Förderprojekt bei Olympia in Tokio + Olympia 2021 – Von Hightech und Untiefen + Neue Wege im Hochsprung – „Der Hochsprungbaum” + Marcel Fehr – Wenn Träume platzen + Nachbetrachtung – U23-Europameisterin Lilly Kaden + Portrait: Anna Malia Hense

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diesem Ausmaß, von der Qualität? Angesichts des von Corona<br />

angerichteten Chaos in der vorolympischen Trainings- und<br />

Wettkampfplanung? In einer Stadt mit extremer Hitze und<br />

Luftfeuchtigkeit? Ohne den phonetischen Energieschub für<br />

Athleten und Athletinnen von tausenden Zuschauern? Doch<br />

schon, neue Bestmarken waren trotz allem beim höchstnotierten<br />

Meeting seit fünf Jahren absehbar: in Disziplinen diesseits<br />

der Mittel- und Langstrecke. Deren Protagonisten beklagten<br />

das Tokioter Klima nicht, sie begrüßten es, weil es ihr muskulöses<br />

Beinwerk mit dem besten Vortrieb ausrüstete.<br />

Und damit zum Kern der Schwemme. Stichwort Hightech. Obwohl<br />

umständehalber mit dem Etikett steril versehen, waren<br />

die Spiele in Tokio aus leichtathletischer Sicht am Ende<br />

des Tages jedoch eine muntere Mustermesse der Innovationen,<br />

die größte seit Einführung der Kunststoffbahn und des<br />

Flops vor 53 Jahren. Die Weiterentwicklungen der 400-m-<br />

Piste, vorangetrieben durch die italienische Marke Mondo,<br />

und des Schuhwerks der US-Firma Nike entpuppten sich, jawohl,<br />

als Revolution. Die Bahnbeläge aus Alba (Piemont) werden<br />

seit Jahrzehnten produziert, aber erst das 2019 verlegte<br />

Exemplar für Tokio 2020, ein nur 14 Millimeter starker vulkanisierter<br />

Gummibelag auf einer Schicht luftgefüllter Segmente,<br />

ließ die Zehntel schmelzen. Mondo spricht von einem „ein- bis<br />

zweiprozentigen Vorteil“. Assistiert wird der Trend zur Tempoverschärfung<br />

von den Spikes aus Oregon und den Nachahmungen<br />

anderer Firmen mit durch Schaumgummi gelifteten<br />

Sohlen („Trampolin“) und Einlagen aus Carbon.<br />

Schaden für die Glaubwürdigkeit<br />

Dass diese Entwicklung nicht ausschließlich von Beifall begleitet<br />

wird, sollte begrüßt werden und der Weltverband sich fragen<br />

lassen, ob er es mit der Akzeptanz des Technikspuks nicht<br />

übertreibe. Immer weiter mit der Fremdbestimmung des sportiven<br />

Talents des Menschen? WA-Chef Seb Coe jedenfalls, einst<br />

auf der Honorarliste von Nike notiert, hob rasch den Daumen,<br />

als der Sportartikelriese aus den USA das flotte Schuhwerk seinen<br />

Stars anpasste. Sein Kalkül: Rekorde halten die <strong>Leichtathletik</strong><br />

im Gespräch und aus Sicht des Marketings auf Augenhöhe<br />

mit der Konkurrenz. Immerhin versuchte ein Lohnschreiber des<br />

Weltverbands die Hightech-Fraktion einzubremsen. Auf der<br />

WA-Homepage formulierte er: „Der Hauptgrund (für die Rekorde)<br />

ist die aktuelle Generation der wahren Allzeit-Größen“.<br />

Auch einige Atleten und Athletinnen weigern sich, den Trend<br />

blanko zu unterschreiben. Norwegens Karsten Warholm, in Tokio<br />

wohl mit Carbon unterwegs zum Weltrekord, aber nicht mit<br />

Schaumstoff, gab zu bedenken: „Wenn du ein Trampolin reinnimmst,<br />

ist das Bullshit, es schadet der Glaubwürdigkeit unseres<br />

Sports“. Speerwurfcoach Boris Obergföll sprach nach dem<br />

Favoritensturz seines auf dem für ihn zu weichen Mondo-Material<br />

ausgerutschten Branchenführers Johannes Vetter von einem<br />

„Kindergartenbelag“. Frührentner Usain Bolt, einst Puma-<br />

Runner und besorgt um seine 2009 auf Alt-Mondo in Berlin<br />

erzielten Sprintweltrekorde, nannte die neue Spikes-Technologie<br />

„unheimlich, lachhaft und unfair“.<br />

Unangenehm war World Athletics die Hightech-Diskussion<br />

keinesfalls, verdrängte sie doch Spekulationen um ein Thema,<br />

das für gewöhnlich bei derlei Rekordfesten die Tonlage bestimmt:<br />

Doping. Vorerst sind die Spiele in Tokio so clean wie<br />

weiland die in London 2012, die Seb Coe voreilig „die saubersten<br />

aller Zeiten“ genannt hatte. Böses Erwachen stellte sich<br />

dort erst ein, als die Nachtests analysiert waren: 17 Medaillen<br />

wechselten den Besitzer. Ein Dé jà-vu ist nicht auszuschließen.<br />

Andere Auffälligkeiten im Sammelsurium der Ereignisse von<br />

Tokio.<br />

Der Auftritt der US-Amerikaner. Obwohl auch diesmal gewohnt<br />

hochthronend über der Konkurrenz, jedoch erneut<br />

nicht in der Form der Trials, kredenzte das Team eine seltsame<br />

Melange einerseits aus Schwächeanfällen in traditionsreichen<br />

Erfolgsdisziplinen wie den Sprints, was deutliche<br />

Lücken im Medaillen- und Finalistenranking (26<br />

Podestplätze, in Rio 32 – 7-mal Gold, in Rio 13-mal – 263<br />

Punkte für Plätze eins bis acht, Rio 310) zur Folge hatte; andererseits<br />

eine der Mixtur beigemischt stattliche Prise extrem<br />

talentierter und bereits in die Finals vorgerückter<br />

Athleten und Athletinnen der U24-Kategorie. Ein Vorgeschmack<br />

auf die WM 2022, der ersten in den USA. Man ahnt,<br />

dass es in Eugene wieder Richtung Rio-Bilanz gehen kann.<br />

Der Überraschungsgast im Medaillenspiel heißt, Achtung,<br />

Italien (im Placing Table verblüfften die Niederlande als<br />

Sechste). Mit fünf Olympiasiegen stürmten die Italiener auf<br />

Platz zwei. Ausrufezeichen. Zwei im Sprint. Zwei Ausrufezeichen.<br />

Zwei beim 20 km-Gehen, eine geteilte für Hochspringer<br />

Gianmarco Tamberi. Man sollte den Italienern die<br />

Daumen drücken, dass die Fünf von Dauer ist …<br />

Das Beispiel Italien stützt im Übrigen erneut die Zweifel am<br />

Medaillenspiegel, der sich an der Goldwährung ausrichtet<br />

statt an der Zahl aller Medaillen. Nur deshalb rangierte Italien<br />

(5) vor Kenia (10), Polen und Jamaika (je 9).<br />

Die Angelegenheit der Athletinnen mit zu hohem, körpereigenem<br />

Testosteronspiegel. Zwei 400-m-Läuferinnen aus<br />

Namibia schloss die neue WA-Regel („Semenya-Paragraf“)<br />

vom Rennen über die Stadionrunde aus, bot Starts jenseits<br />

der 1.500 m an oder diesseits der 400 m. Die Afrikanerinnen<br />

wählten die 200 m, Christine Mboma (18) gewann Silber in<br />

21,81 Sekunden (U20-WR, Afrikarekord), Beatrice Masilingi<br />

(18) wurde Sechste in 22,28 Sekunden (PB). Die Folge: Erneute<br />

Diskussionen über die „Testo-Frauen“. Behauptung<br />

von WA-Chef Seb Coe: „Dieses 200-m-Finale zeigt, dass die<br />

Testosteron-Regel funktioniert“. Wirklich??<br />

Der Trend zum Jungspund. An der Spitze wird die <strong>Leichtathletik</strong><br />

immer jünger. Aus dem erwähnten knappen Dutzend<br />

US-Junioren und Juniorinnen sticht die fantastisch<br />

elegant und souverän laufende 800-m-Siegerin Athing<br />

Mu (19) heraus, gefolgt von 200-m-Bubi Erriyon Knighton<br />

(17) als Endlauf-Viertem und 1.500-m-Jüngling Cole Hocker<br />

(20) als Sechstem. Femke Bol (21) aus den Niederlanden<br />

gewann 400-m-Hürden-Bronze und Norwegens Jakob<br />

Ingebrigtsen (20) 1.500-m-Gold. Deutschlands jüngste Einzelstarterin<br />

war Samantha Borutta (21). Sie überstand die<br />

Qualifikation nicht.<br />

Eine Vier fürs DLV-Team<br />

Mit der Hammerwerferin aus Leverkusen ist dieser Text nun<br />

beim DLV-Team angekommen und der Frage, wie dessen Per-<br />

5 <strong>Leichtathletik</strong> <strong>INFORMationen</strong>

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