Prima Magazin - Ausgabe November 2021
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<strong>November</strong>gedanken<br />
Ich mag den Herbst, ich<br />
mag den Geruch, dieses leicht<br />
Modrige und Morbide. Ich<br />
liebe den Geruch, der einem in<br />
Wein- und Obstkellern entgegenschlägt<br />
und das Geräusch<br />
des blubbernden Weines auf<br />
seinem Weg zur Vollendung.<br />
Ich liebe es auch, zu Allerheiligen<br />
am Abend in den Friedhof<br />
zu gehen, wenn alle Kerzen auf<br />
den geschmückten Gräbern<br />
brennen und Wachsgeruch in<br />
der Luft liegt.<br />
Was ich weniger liebe, ist der<br />
Gedanke an das große Fragezeichen,<br />
das am Ende des<br />
Lebens steht, den Tod. Viele<br />
Menschen, die mir nahestanden<br />
habe ich schon auf ihrem<br />
letzten Weg begleitet. Meine<br />
Großeltern, meinen Vater,<br />
meine Brüder, etliche meiner<br />
Lebensmenschen, von denen ich<br />
geglaubt habe, sie würden ewig<br />
leben. Was ich aber nie getan<br />
habe, jemanden zu fragen, was<br />
für ihn der Tod sei. Als ich vor<br />
zehn Jahren einen Herzinfarkt<br />
hatte, hatte ich keine Sekunde<br />
daran gedacht, ich könnte jetzt<br />
sterben, obwohl es durchaus im<br />
Bereich des Möglichen war. Als<br />
ich dann zur Rehabilitation kam<br />
und sah, um wie viel schlechter<br />
es den meisten dort ging als mir<br />
und mit welch einem Willen die<br />
Menschen sich wieder zurück<br />
ins Leben kämpften, war ich<br />
dankbar und demütig, dass es<br />
mich nicht ganz so schlimm erwischt<br />
hat wie sie und hab mich<br />
für meinen Egoismus beinahe<br />
geschämt, weil ich mich vom<br />
Schicksal ungerecht behandelt<br />
gefühlt habe.<br />
Ich habe aber auch Menschen<br />
gesehen, die ihr Leben buchstäblich<br />
weggeworfen haben.<br />
Die mit der einen Hand ein<br />
Wägelchen mit Sauerstoff gezogen<br />
haben und damit hinter<br />
den nächsten Busch gefahren<br />
sind, um sich heimlich eine<br />
Zigarette anzuzünden. Das<br />
waren gar nicht so wenige. Aber<br />
die meisten waren der Meinung,<br />
noch ist es nicht so weit, es gibt<br />
noch Tausende Gründe, weiterleben<br />
zu wollen. Meine Mutter,<br />
die mit Corona sechs Wochen<br />
auf der Intensivstation gelegen<br />
ist und davon die meiste Zeit<br />
mehr hüben als drüben war, hat<br />
gemeint, als sie wieder entlassen<br />
wurde: „Ich bin und war immer<br />
ein sturer Mensch und es war<br />
einfach noch nicht so weit, also<br />
habe ich mich gewehrt und gewonnen.”<br />
Wenn ich mir die Meldungen<br />
über unsere momentane<br />
politische Lage ansehe, frage ich<br />
mich manchmal, was treibt diese<br />
Menschen an? Die Bosheit, die<br />
Eitelkeit, die Gier? Sicher nicht<br />
die Liebe zu denjenigen, die sie<br />
gewählt haben im Vertrauen<br />
darauf, dass sie die Macht, die<br />
man ihnen damit gegeben hat,<br />
zum Wohle des Volkes und nicht<br />
zum Wohle der Freunderl, ihres<br />
Klientels und sich selbst verwenden.<br />
Diese Art von Politiker<br />
gibt es in allen Parteien und die<br />
wenigen, die anders sind, die<br />
nicht mit Anschuldigungen und<br />
Lügen, mit leeren Versprechungen<br />
agieren, bleiben leider<br />
viel zu oft auf der Strecke.<br />
Übrig bleiben die Lauten, die<br />
Krakeeler, die Populisten und<br />
wir, das Wahlvolk, werden wie<br />
vom Rattenfänger von Hameln<br />
in ihren Bann gezogen und<br />
laufen ihnen hinterher, ohne<br />
zu merken, dass sie uns alle ins<br />
Unglück führen werden.<br />
Im Lesebuch meines achtjährigen<br />
Sohnes hab ich vor ein<br />
paar Tagen Folgendes gelesen:<br />
„Was Kinder wollen.<br />
Kinder wollen Frieden, Kriege<br />
bringen Not und Elend.<br />
Alle Kinder sollen einander<br />
helfen und nicht streiten. Sie<br />
brauchen Liebe und Lob. Alle<br />
Menschen sollen ihr ganzes<br />
Leben viel Freude haben.“<br />
Ich bin schon längst kein Kind<br />
Kommentar<br />
von Feri Tschank<br />
mehr, aber all das habe ich mir<br />
auch immer gewünscht und<br />
wünsche es mir noch.<br />
Vielleicht sollten die Politiker<br />
bei ihrer Angelobung auf die<br />
Einhaltung von moralischen<br />
Selbstverständlichkeiten angelobt<br />
werden und nicht auf<br />
die Republik Österreich, denn<br />
dass da jeder so seine eigenen<br />
Vorstellungen hat, wie er der<br />
Republik dienen kann, ist<br />
ja wohl längst bekannt. 109<br />
Millionen Euro hat die Bundesregierung<br />
von 2018 bis Mitte<br />
<strong>2021</strong> für Inserate ausgegeben.<br />
Den Löwenanteil davon an den<br />
Boulevard. Damit hätte man<br />
Hunderte Kranken- und Altenpfleger<br />
ausbilden und anstellen<br />
können, 100 Kindergärten und<br />
ebenso viele Altenheime bauen<br />
können. Mit Steuergeld, das<br />
viele Menschen gut gebrauchen<br />
könnten, um ein halbwegs<br />
gutes Leben zu führen.<br />
Bleiben Sie gesund und genießen<br />
Sie das Leben, denn das ist<br />
endlich und was man versäumt<br />
hat, lässt sich nicht mehr nachholen.<br />
Dazu gehören auch gute<br />
Taten und Gedanken!<br />
Ihr Feri Tschank<br />
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„Es war spannend. Von der ersten<br />
Szene dieser autobiographischen<br />
Film-Erzählung bis zur letzten.“<br />
Siegmund Kleinl<br />
NOVEMBER <strong>2021</strong><br />
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