GSa156-Nov21
Identität und Persönlichkeitsentwicklung
Identität und Persönlichkeitsentwicklung
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Thema: Identität und Persönlichkeitsentwicklung<br />
Gabriele Klenk<br />
Sommerschule<br />
Ein Fünftageerlebnis für eine pensionierte Lehrkraft<br />
und Grundschüler*innen<br />
Unter dem Titel „Gemeinsam.Brücken.bauen“ entwickelte die Bayerische Staatsregierung<br />
ein Rahmenkonzept zum Förderprogramm als Ausgleich pandemiebedingter<br />
Nachteile für Schüler*innen. Dieses Förderprogramm basiert auf den<br />
wesentlichen Säulen „Potentiale erschließen“ sowie „Gemeinschaft erleben“. Zur<br />
Einrichtung werden zusätzliche finanzielle Mittel bereitgestellt. Als Grundprinzip<br />
gilt: Vorhandene Förderinstrumente stärken – neue Angebote schaffen.<br />
Das Programm wird in 3 Phasen<br />
durchgeführt. Die erste und<br />
letzte Phase ist unterrichtsbegleitend<br />
vor und nach den Sommerferien,<br />
die mittlere Phase aber ist die sog.<br />
„Sommerschule“. Hierzu werden durch<br />
die jeweilige Grundschule geeignete<br />
Personen gesucht, die Kindern während<br />
der ersten und/oder letzten Ferienwoche<br />
in einer kleinen Gruppe nach<br />
anderthalb Jahren Pandemie die Stärkung<br />
ihrer Persönlichkeit ermöglichen.<br />
Als ehemalige Schulleiterin bzw. als<br />
langjährige Lehrerin aus Leidenschaft<br />
weiß ich, dass 5 oder 10 Tage in den Ferien<br />
die Grundschule nicht verändern.<br />
Und doch beschäftigte mich der Gedanke,<br />
ein Jahr nach meiner Pensionierung<br />
einmal ganz frei von Lehrplänen und Verwaltungsaufgaben<br />
mit einer Gruppe von<br />
Kindern gemeinsam „Lernen zu ermöglichen“,<br />
wie wir das im Grundschulverband<br />
seit vielen Jahren immer wieder fordern:<br />
Ausgehend von den Interessen der Kinder<br />
mit ihren jeweils eigenen Möglichkeiten<br />
und unterstützt durch eine Lehrperson,<br />
die gemeinsam mit den Kindern<br />
„mitlernt“.<br />
Und so habe ich in meiner ehemaligen<br />
Schule mit einer Gruppe von ca. 15<br />
Kindern der Eingangsstufe eine Woche<br />
lang Sommerschule erleben dürfen. Die<br />
Bitte der verschiedenen Lehrkräfte war:<br />
Da diese Kinder noch im Schriftspracherwerb<br />
stehen und kaum etwas zu Papier<br />
bringen, sollen sie viel lesen und schreiben<br />
und auch ein wenig rechnen.<br />
Nach einem Jahr „ohne Grundschulkinder“<br />
habe ich mich riesig auf diese<br />
Aufgabe gefreut und mir Gedanken<br />
gemacht, wie die Kinder und ich diese<br />
kostbare Zeit von 5 Tagen gewinnbrin-<br />
gend für alle nutzen könnten. Gleichzeitig<br />
war mir bewusst, dass alle anderen<br />
Kinder Ferien hatten und meine Sommerschulkinder<br />
sicherlich nicht mit derselben<br />
Freude zu mir „in die Schule“ kamen,<br />
wie ich zu ihnen.<br />
Montag in der Sommerschule<br />
Ich packte einen Koffer voller Schätze,<br />
die ich aus Urlauben über Jahrzehnte<br />
mitgebracht hatte und stellte ihn in<br />
die Mitte des Teppichs, auf dem wir in<br />
einem Kreis am Boden saßen.<br />
Nach meinem Dank an die Kinder,<br />
dass sie mir ermöglichten, noch einmal<br />
mit ihnen gemeinsam lernen zu können,<br />
und der Freude darüber, dass ich manchen<br />
von ihnen doch nicht fremd war,<br />
fragte ich sie nach ihren Vermutungen,<br />
was sich in einem solchen Koffer wohl<br />
befinden könnte. Verblüfft war ich darüber,<br />
dass fast alle Kinder der Überzeugung<br />
waren, es müssten Muscheln<br />
sein. Die weiteren Vorschläge „ein toter<br />
Krebs“ oder „ein Fisch mit Wasser“ wurden<br />
mit der Begründung abgelehnt, dass<br />
der eine stinken würde und beim anderen<br />
das Wasser durch den Reißverschluss<br />
käme. Vor dem Öffnen des Koffers bat<br />
ich die Kinder, nur zu schauen und nicht<br />
gleich zu sprechen. Mein erster Glücksmoment<br />
in der Sommerschule war, die<br />
staunenden Augen der Kinder über die<br />
vielen verschiedenen Muscheln, vertrockneten<br />
Hölzer und Steine zu sehen.<br />
Zwei Kinder schlugen die Hände vor die<br />
Augen und riefen „Oh mein Gott!“. Da<br />
wusste ich, ab jetzt können für uns wunderbare<br />
gemeinsame Stunden des Erzählens<br />
und Forschens kommen, und<br />
wahrscheinlich brauchte es von meiner<br />
Muscheln aussuchen,<br />
Muscheln befühlen<br />
Seite aus gar keine weitere „Unterrichtsvorbereitung“.<br />
Die Kinder wählten sich<br />
ihre Lieblingsmuschel, befühlten und<br />
beschrieben sie und wir anderen boten<br />
sprachliche Hilfen an, wenn sie sich<br />
nicht sicher waren, ob der Begriff „rau“<br />
„huppelig“ oder „schwer“ besser passen<br />
würde. Wir überlegten gemeinsam,<br />
was diese besonderen Muscheln wohl im<br />
Meer erlebt hatten, und sie fragten mich,<br />
wo ich diese denn eigentlich genau gefunden<br />
hatte.<br />
Auf den Landkarten von Kreta und<br />
Elba hatte ich Kärtchen angebracht mit<br />
einigen leichter zu lesenden Namen von<br />
Stränden oder Orten, wie „Rio Marina“,<br />
„Porto Azzurro“, „Portoferraio“,“Heraklion“<br />
oder „Chania“. Zunächst stellten<br />
die Kinder fest, dass „Elba“ von einer<br />
Seite aussähe wie ein Fisch, von einer<br />
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GS aktuell 156 • November 2021