GSa156-Nov21
Identität und Persönlichkeitsentwicklung
Identität und Persönlichkeitsentwicklung
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Praxis: Rundschau XXXXX<br />
Rundschau<br />
Studie der Hochschule Merseburg<br />
Hohe Betroffenheit von sexueller Gewalt –<br />
es gibt aber auch positive Ausblicke<br />
Kürzlich wurde an der Hochschule<br />
Merseburg die PARTNER 5<br />
Jugendstudie vorgestellt. Sie<br />
weist eine hohe Betroffenheit insbesondere<br />
diversgeschlechtlicher und weiblicher<br />
Personen von Belästigungen und<br />
Vergewaltigungen nach. Aber auch die<br />
Zahlen für Jungen und junge Männer<br />
sind alarmierend.<br />
Die Studie eröffnet darüber hinaus<br />
positive Perspektiven – etwa im Hinblick<br />
auf Sexualerziehung. Und sie erhebt<br />
erstmals, wie Doktorspiele retrospektiv<br />
erinnert werden.<br />
Im Folgenden werden einige Einblicke<br />
in die Studienergebnisse gegeben.<br />
Die Studie<br />
Die PARTNER 5 Jugendstudie wurde<br />
Anfang 2020 als Paper-Pencil-Befragung<br />
an Bildungseinrichtungen Sachsen-Anhalts<br />
begonnen und aufgrund<br />
der Corona-Pandemie als onlinebasierte<br />
Studie fortgeführt. Teilgenommen<br />
haben bundesweit 1.443 Personen. Die<br />
gültige Stichprobe umfasst die Antworten<br />
von 861 Jugendlichen zwischen 16<br />
und 18 Jahren, darunter 522 Mädchen/<br />
Frauen, 297 Jungen/Männer sowie 42<br />
Personen mit diverser Geschlechtsidentität.<br />
Die „gültige“ Stichprobe ist<br />
geringer, weil nur die Angaben derjenigen<br />
Teilnehmenden eingegangen<br />
sind, die zwischen 16 und 18 Jahren<br />
waren und das Feld „Geschlecht“ ausgefüllt<br />
hatten. Insgesamt ergeben sich<br />
belastbare, also aussagekräftige Zahlen.<br />
Es gibt eine Schwesterstudie – die<br />
PARTNER 5 Erwachsenenstudie –, an<br />
der Personen zwischen 18 und 84 Jahre<br />
teilgenommen haben. Bei ihr konnten<br />
die Daten von 3.466 Personen ausgewertet<br />
werden, darunter 1.892 Frauen, 1.433<br />
Männer und 141 Personen mit diverser<br />
Geschlechtsidentität.<br />
Der Name PARTNER 5 verweist darauf,<br />
dass es sich um eine wiederkehrende<br />
Studie handelt – die erste fand im Jahr<br />
1972 in der DDR statt –, sodass auch<br />
historische Vergleiche möglich sind. Es<br />
ist eine komplexe sexualwissenschaftliche<br />
Untersuchung, bei der sowohl positive<br />
Aspekte von Sexualität – Selbstbefriedigung,<br />
Nutzung von Sexspielzeug,<br />
gleich- und andersgeschlechtlicher Sex –<br />
als auch negative Aspekte wie Grenzverletzungen<br />
und sexualisierte Gewalt eine<br />
Rolle spielen. Da die Untersuchung vom<br />
Ministerium für Inneres und Sport des<br />
Landes Sachsen-Anhalt finanziert wurde,<br />
stand bei der ersten Auswertung das<br />
Thema Grenzverletzungen und sexualisierte<br />
Gewalt im Mittelpunkt.<br />
Ergebnisse: Belästigung<br />
Nahezu alle weiblichen und diversgeschlechtlichen<br />
Befragten haben<br />
Erfahrungen mit sexueller Belästigung<br />
gemacht, angefangen bei verbalen<br />
Belästigungen – Catcalling – bis hin zu<br />
Berührungen und Stalking. Bei den Jungen<br />
und Männern haben zumindest 52 %<br />
(Jugendliche) bzw. 54 % (Erwachsene)<br />
vergleichbare Erfahrungen. Abbildung 1<br />
zeigt ausgewählte Befunde für Jugendliche<br />
und Erwachsene weiblicher und<br />
diverser Geschlechtsidentität.<br />
Die Ergebnisse zu Belästigungen zeigen<br />
an, wie verbreitet diese noch immer<br />
Dr. Heinz-Jürgen Voß<br />
ist Professor für Sexualwissenschaft<br />
und Sexuelle Bildung an der Hochschule<br />
Merseburg. Er forscht und<br />
arbeitet praxisorientiert zu Prävention<br />
sexualisierter Gewalt und zur Förderung<br />
geschlechtlicher und sexueller<br />
Selbstbestimmung<br />
sind. Die Sensibilität für sie ist durch<br />
Kampagnen wie #metoo und #aufschrei<br />
gewachsen. Junge Menschen nehmen<br />
besser als ältere Menschen Belästigungen<br />
wahr und können sich auch besser<br />
Hilfe holen, wie im Folgenden noch<br />
deutlich wird. Beispiele für Belästigungen,<br />
die in der Studie angegeben wurden,<br />
sind:<br />
● „begrapschen, viel ältere männer machen<br />
anmache, sexismus im alltag,<br />
Abb. 1: Erfahrungen der weiblichen und diversgeschlechtlichen Befragten mit<br />
verschiedenen Formen von Belästigungen in Prozent<br />
GS aktuell 156 • November 2021<br />
37