29.11.2021 Aufrufe

Flip-Uni2021-W

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Winter 2021 UNIversalis-Zeitung 5

bloß flache zweidimensionale Flächen,

sondern Räume, die viel über

die Qualitäten der Objekte verraten,

die diese werfen. Oder sollten wir

„Subjekte“ sagen? Was David Abrams

in seinem Buch immer wieder

tut, ist die Handlungsmacht nicht

bloß in den Blick des Menschen zu

legen, der betrachtet. Wer sind wir

überhaupt im Schatten des Berges?

Wer sind wir gegenüber den Klauen

eines Bären? Wem das alles

kontraintuitiv, oder harscher gesagt

esoterisch vorkommt, der berührt

vermutlich den grundsätzlichen

Bruch, den ein Denken bedeutet,

das Menschtiersein als Verschwimmen

der Grenzen eines klaren Innen

und Außen bedeutet. Das zerrissene

Gesicht der Anthropologin ist nicht

mehr bloß Studienobjekt neugieriger

Ärzt*innen und Survivalfans,

sondern ein eigener Kosmos der

Begegnung geworden, der keine

klaren Subjekte und Objekte kennt.

Wer ist die Person Nastassja Martins

noch neben ihrem revolutionären

Körper?

Sprachtanz für die Seelöwen

„Animismus“, jener Glaube an eine

Belebung aller Wesen und Objekte,

bedeutet für Nastassja Martin, „in

einer Welt zu leben, in der alle einander

beobachten, zuhören, sich

erinnern, geben und nehmen“. David

Abram geht in seiner Kosmologie

noch weiter und definiert jenes

„alle“ nicht bloß als Sammlung

verschiedener Subjekte, sondern

als allumfassende Sphäre, die einen

eigenen Geist besitzt. Bewusstsein,

dieses disziplinübergreifend unbegriffene

Wort, wird nicht erst durch

das Subjekt in die Welt gesetzt,

sondern wartet dort bereits. Was der

Mensch nach Abrams tut, ist eine

Verbindung zu diesem Bewusstsein

herzustellen und dies eben nicht auf

eine Weise, die das eigene Bewusstsein

gegen etwas anderes stellt, sondern

über den Körper, der ganz tierisch

intuitiv vom allumfassenden

Bewusstsein bereits weiß.

Ein Beispiel dafür gibt David Abrams

mit einer skurrilen Begebenheit.

Auf einer seiner diversen Expeditionen

in die Natur sah er sich

zwar keinem Bären gegenüber, dafür

aber einer Horde von Seelöwen,

die sich entschlossen hatten, seinem

Boot zu folgen. Ohne Chance, den

schnellen Raubtieren durch sein

Paddeln zu entkommen, berief sich

Abrams intuitiv auf eine körperliche

Reaktion. Er begann zu tanzen.

Ein tanzender Mensch in einem

Kajak – und tatsächlich: eine Horde

Seelöwen, die innehaltend seinen

Bewegungen mit ihren Blicken

folgten. Jeder Versuch Abrams, die

Tanzbewegungen zu unterbrechen

und davonzufahren, blieb jedoch

ohne Erfolg. Still hielten die Tiere

nur, wenn sie den Mann in seinen

intuitiven Bewegungen betrachten

konnten. Mit nur einer Hand, die

andere weiterhin in ausgreifenden

Tanzbewegungen, konnte sich Abrams

erst langsam und dann immer

schneller, dann auch mit der anderen

Hand, aus der Situation manövrieren.

Erstaunt blickt der Anthropologe

auf seine riskante wie

wunderbare Begegnung zurück und

überlegt, wo die Kommunikation

des Tiers beginnt. Dass er keine genaue

Trennlinie zu ziehen vermag,

stößt ihn bald auf die Erkenntnis,

dass das körperlich agierende Tier

jede Bewegung, jeden Tanz, jeden

Klang als Stimme, Nachricht erkennen

kann und so die ganze Natur

als bedeutungsgebendes Ganzes

wahrnimmt. Erstaunt ruft es aus der

Prosa David Abrams: „Everything

speaks!“

In die Körperlichkeit gezwungen, zu

einer Dauergeste der Verletzlichkeit

sich selbst gegenüber und der Welt,

sieht sich Nastassja Martin nach

dem Kampf mit dem Bären. Angesichts

ihres neugeformten Kopfes

resümiert sie: „Ich sehe mir nicht

mehr ähnlich und bin dabei meinem

animischen Wesen noch nie so nah

gewesen; es hat sich meinem Körper

aufgeprägt, seine Textur zeugt

zugleich von einem Übergang und

einer Rückkehr.“ Mit David Abrams

könnte man vor allem von einer

Rückkehr sprechen, die Rückkehr

des Menschen zum tierischen

Selbst. Aber aus Perspektive einer

menschlich gedachten Welt, der wir

nicht entkommen können, bleibt es

doch immer auch ein Übergang, das

animische Wesen ein ständiges Gegenüber

und kein bleibendes neues

Selbst. Die Kontaktaufnahme mit

unserer tierischen Welt erfolgt in

stets neuen Begegnungen, auch solchen,

die gefährlich sind.

Ungeschriebene Mythen

Häufig ist die Einkehr in die Natur

mit Regression verbunden. Etabliert

ist etwa die Vorstellung, in eine

Art Geburtsschoß zurückzukehren.

Auch Nastassja Martin bleibt

nach dem Angriff des Bären mit

einer Sehnsucht nach dem „Bauch

des Waldes“. Für sie bedeutet es

Vergessen. Ein Vergessen, das urbiblische

Tradition hat, schließlich

ist es das Wissen des Menschen um

sich selbst, das ihn aus dem Paradies

verstoßen hat, dem archaischen

Ort der Natur im westlichen Denken.

Eine Trennung, die Nastassja

Martin im Mythos wieder aufgehoben

sieht. „Eine Zeit, in der ich

und der Bär, meine Hände in seinem

Fell und seine Zähne auf meiner

Haut, eine gegenseitige Initiation

darstellen; eine Verhandlung über

die Welt, in der wir leben werden.“

Die Sprache der Verhandlung bleibt

Körperarbeit, Körperlichkeit mit archaischem

Symbolgehalt.

Warum aber dann nicht einfach die

Mythen und ihre Weisheit, warum

der durchlebte Schmutz, das Blut,

der Schmerz für dieses Wissen? In

solchen Fragen bleibt auch David

Abrams gefangen, als er eines Tages

in eine wohlsortierte Buchhandlung

tritt, die alle Schulen der Weisheit

enthält und ihn dennoch im Zweifel

lässt. Denn: Wie können wir im

unwissenden Elend verbleiben, wo

doch alles von Meister*innen aller

Schulen gesagt und in unserer

globalisierten Welt schriftlich verfügbar

ist? Die Antwort kommt

simpel wie schallend: Weil es niedergeschrieben

ist. Und weil uns

das geschriebene Wort vom Wissen

der Körper fernhält, ebenso wie von

den äußerlichen Gegebenheiten, die

der Bedeutung zugrunde liegen.

Die körperliche Intelligenz anderer

Tiere fehlt dem Menschen dort, wo

er sich mit seiner eigenen Zeichensprache

nur selbst spiegelt, statt sich

den Elementen, den Impulsen, der

sprechenden Natur in Himmel und

Erde zu öffnen.

Nastassja Martin kehrt in den Bauch

des sibirischen Waldes zurück und

entflieht dem Deutungsraum der

Ärzt*innen, aber auch der ständigen

Selbstbespiegelung. „Wie ist es

dazu gekommen, dass die anderen

Wesen nur noch dazu da sind, unsere

eigenen Gemütslagen widerzuspiegeln?“

Die Selbstbespiegelung

hat den Grund in einer Leerstelle:

„Weil das, was im Körper des anderen

begründet liegt, für dich immer

unzugänglich bleiben wird.“

Martin kann ihre Rückkehr in den

Wald nicht zur Verhandlung mit

dem Bären machen, aber zumindest

zu einem Weg zur Selbstheilung,

Selbstverhandlung. Das Anerkennen

der eigenen Beschränktheit

legt nicht nur Demut, sondern auch

Handlungspotential frei, Potential,

das dem Menschen doch bleibt.

Wege in die Natur

„Wenn ich davonkomme, wird es

ein anderes Leben sein.“ Kurz nach

ihrem Überlebenskampf mit dem

Bären denkt Nastassja Martin an

die Zukunft. Eine Fähigkeit, die

dem Menschen eigen ist und die

immer neue Selbstkonzeptionen ermöglicht,

aber auch fordert. Handlungen,

Begegnungen sollen nicht

folgenlos sein, sondern Weiteres

bedingen. Tatsächlich ändert der

Zusammenstoß mit dem Bären das

Denken der Anthropologin, lässt sie

ihren Körper neu vermessen und

beim Vermessen scheitern. Der Weg

ihres Denkens wird zum tatsächlich

gegangenen Weg in die Natur. Die

Geburt als etwas Körperliches. Hier

könnte David Abrams ansetzen, der

eine Kommunikation mit der Natur

als umfassender und sinnstiftender

wertet als die zwischen zwei Buchdeckeln.

Nastassja Martins Geschichte

bleibt auf knapp 140 Seiten

beschränkt und lässt ihre weiteren,

tatsächlich gegangenen Wege unbeschrieben.

Das Buch „An das Wilde

glauben“ bleibt wie das Gesicht

seiner Autorin offen begehbares

Terrain, Ort eines ständigen Übergangs,

der wohl menschliches Leben

heißt.

RENAULT ZOE E-TECH

Deutschlands meistgekauftes Elektroauto*. Sofort verfügbar.

Mit 10.000 € Elektrobonus**

Renault ZOE LIFE R110/ Z.E. 40 ab mtl.

79,– €

Fahrzeugpreis: 25.961,– € (inkl. 4.000 € Renault-Anteil im Rahmen des Elektrobonus)*,

inkl. Antriebsbatterie. Finanzierung: nach Anzahlung von 3.140,– € (bereits

abgezogen: 6.000 € Bundeszuschuss)*, Nettodarlehensbetrag 16.821,56,–

€, 24 Monate Laufzeit (23 Raten à79,– €) und eine Schlussrate: 15.324,89,– €),

Gesamtlaufleistung 15.000 km, eff. Jahreszins 0,99 %, Sollzinssatz (gebunden)

0,99 %,Gesamtbetrag der Raten 17.141,89,– €. Gesamtbetrag inkl. Anzahlung

20.281,89,– € (bereits abgezogen: 6.000 € Bundeszuschuss). Ein Finanzierungsangebot

für Privatkunden der Renault Bank, Geschäftsbereich der RCI Banque

S.A. Niederlassung Deutschland, Jagenbergstraße 1, 41468 Neuss.

• E-Shifter mit B-Modus (Ein-Pedal-Fahren) • Online-Multimediasystem EASY

Link mit 7”-Touchscreen und Smartphone-Integration • Digitale Instrumententafel

mit 10-Zoll Display (im Cockpit) • LED- Heckleuchten mit dynamischen

Blinkern • Licht- und Regensensor

Renault ZOE LIFE R110/ Z.E. 40, Elektro, 80 kW: Stromverbrauch kombiniert

(kWh/100 km): 17,2; CO₂-Emissionen: kombiniert 0 g/ km; Effizienzklasse A+.

Renault ZOE: Stromverbrauch kombiniert (kWh/100 km): 17,7 - 17,2; CO₂-Emissionen:

kombiniert 0 - 0 g/km; Effizienzklasse A+ - A+ (Werte gemäß gesetzl.

Messverfahren). Abb. zeigt Renault ZOE INTENS mit Sonderausstattung.

Besuchen Sie uns im Autohaus. Wir freuen uns auf Sie.

Nastassja Martin: „An das Wilde

glauben“, aus dem Französischen

von Claudia Kalscheuer, Matthes

& Seitz 2021.

David Abrams: „Becoming Animal.

An Earthly Cosmology“, Vintage

Books / Random House 2010.

Fabian Lutz

AUTOHAUS GUTMANN GMBH & CO. KG

Renault Vertragspartner

Wentzinger Straße 12

79238 Ehrenkirchen

Tel. 07633-95030 | renault-gutmann.de

*www.auto-motor-sport.de: „Zulassungszahlen BEV und PHEV in Europa 2020“.

**Der Elektrobonus i. H. v. insgesamt 10.000 € umfasst 6.000 € Bundeszuschuss

sowie4.000€Renault-AnteilgemäßdenFörderrichtliniendesBundesministeriums

für Wirtschaft und Energie (BMWi) zum Absatz von elektrisch betriebenen

Fahrzeugen. Die Auszahlung des Bundeszuschusses erfolgt erst nach positivem

Bescheid des von Ihnen gestellten Antrags bei derBAFA. Ein Rechtsanspruch

besteht nicht. Nicht mit anderen Aktionen kombinierbar.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!