amz_2011_11
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technik trends<br />
Kühler Kopf<br />
und warme Füße<br />
_ Mit der Elektrifizierung des Antriebsstrangs entstehen neue<br />
Anforderungen an die Klimatisierung, denn der Energiebedarf zum<br />
Kühlen und Heizen reduziert die Reichweite enorm. Doch Klimakomfort<br />
und Fahrsicherheit müssen auch bei Hybrid- und E-Fahrzeugen<br />
gewährleistet sein, sagen die Thermomanagementexperten bei Behr.<br />
V ereiste<br />
oder beschlagene<br />
Scheiben sind ein ernstzunehmendes<br />
Sicherheitsrisiko,<br />
dem sich jedoch mit einer wirkungsvollen<br />
Fahrzeugheizung<br />
begegnen lässt. Bei Automobilen mit<br />
Verbrennungsmotor ist dies für gewöhnlich<br />
kein Problem. Bei Hybridfahrzeugen<br />
jedoch – gleichgültig ob Mild- und Full-<br />
Hybrid – steht für die Heizung deutlich<br />
weniger Motorabwärme zur Verfügung,<br />
was demnach auch deutlich weniger<br />
Heizleistung bedeutet. „Bei einem reinen<br />
Elektrofahrzeug fällt die Abwärme des<br />
Verbrennungsmotors sogar ganz weg und<br />
die geringe Abwärmemenge des elektrischen<br />
Antriebsstrang reicht bei weitem<br />
nicht aus, um Komfort und Sicherheit<br />
bieten zu können“, berichtet Dr. Markus<br />
Wawzyniak, Leiter Vorentwicklung Klimatisierung<br />
beim Stuttgarter Thermomanagement-Spezialisten<br />
Behr.<br />
Aus diesem Grund benötigen E-Mobile<br />
und Hybridfahrzeuge eine Zusatzheizung.<br />
Das alleinige Heizen mit einem<br />
Hochvolt-PTC-Zuheizer ist für den Experten<br />
allerdings keine Lösung, da dessen<br />
Energiebedarf ja aus der Batterie gedeckt<br />
werden müsste, was die Reichweite des<br />
Fahrzeugs inakzeptabel stark reduzieren<br />
würde. Die Thermomanagement-Spezialisten<br />
bei Behr befassen sich daher schon<br />
seit geraumer Zeit mit praktikablen Lösungen,<br />
um diese Probleme zu lösen.<br />
18 <strong>amz</strong> - auto | motor | zubehör Nr. <strong>11</strong>-<strong>20<strong>11</strong></strong><br />
Energieströme im E-Fahrzeug<br />
Dazu haben Wawzyniak und sein Team<br />
die Energieströme eines rein elektrisch<br />
angetriebenen Fahrzeugs bei exakt definierten<br />
Rand- und Betriebsbedingungen<br />
ermittelt: Bei einer Außentemperatur<br />
von minus 15 Grad Celsius (°C) und<br />
einem hundertprozentigen Frischluftbetrieb<br />
mit einem Luftmassenstrom von<br />
fünf Kilo je Minute (kg/min) ist bei einer<br />
Fahrgeschwindigkeit von Tempo 18,3<br />
(= Durchschnittsgeschwindigkeit im Stadtzyklus<br />
(ECE) im Neuen Europäischen Fahrzyklus<br />
(NEFZ)) eine elektrische Leistung von<br />
rund 2,5 Kilowatt (kW) notwendig.<br />
Um jedoch eine Innenraumtemperatur<br />
von 22 °C aufrecht zu erhalten, ist den Experten<br />
zufolge mit 4,5 Kilowatt (kW) aber<br />
eine nahezu doppelt so hohe Leistung erforderlich.<br />
„Der Elektromotor und die Leistungselektronik<br />
geben nur etwa 0,4 kW<br />
Abwärme ans Kühlmittel ab, es besteht<br />
also ein Heizleistungsdefizit von rund<br />
vier kW, das nur von der Batterie gedeckt<br />
werden kann“, erläutert Wawzyniak. Die<br />
daraus resultierende Reichweitenreduzierung<br />
sei aber völlig inakzeptabel. „Je höher<br />
der Grad der Elektrifizierung des Fahrzeugs,<br />
desto wichtiger ist es, den Heizleistungsbedarf<br />
durch passive und aktive Maßnahmen<br />
zu reduzieren“, sagt Wawzyniak.<br />
Als passive Maßnahmen bezeichnet<br />
der Experte die Reduzierung der Wärme-<br />
Hybrid- und Elektrofahrzeuge verlangen<br />
spezielle Lösungen beim Thermomanagement.<br />
Vor allem das Heizen und Klimatisieren ist<br />
eine Herausforderung. Foto: Toyota<br />
verluste an der Karosserie sowie der thermischen<br />
Massen im Innenraum – Hausaufgaben,<br />
die der Fahrzeughersteller erledigen<br />
muss. Die aktiven Maßnahmen, etwa das<br />
Heizen mit Hilfe von Wärmepumpen und<br />
elektrischen Zuheizern, indes gehörten zu<br />
den Kernkompetenzen von Behr.<br />
Vielversprechend:<br />
die Wärmepumpe<br />
Eine Wärmepumpe bietet laut Wawzyniak<br />
– verglichen mit anderen Heizsystemen<br />
für Hybrid- und Elektrofahrzeuge – die<br />
besten Voraussetzungen für einen hohen<br />
Wirkungsgrad, zudem verringere sich damit<br />
die Reichweite des Fahrzeugs am wenigsten.<br />
Die Funktion der Wärmepumpe<br />
kann dem Experten zufolge der modifizierte<br />
Kältemittelkreislauf einer herkömmlichen<br />
Klimaanlageanlage übernehmen:<br />
„Schließlich funktioniert eine Wärmepumpe<br />
wie eine Klimaanlage, nur umgekehrt.“<br />
Die Abbildungen auf der nächsten Seite<br />
zeigen schematisch die Verschaltung einer<br />
Luft-/Luft- beziehungsweise Luft-/Kühlmittel-Wärmepumpe<br />
mit den Funktionen:<br />
• Heizen im Winter,<br />
• Enteisen des Außenwärme-<br />
übertragers,<br />
• Entfeuchten der Innenluft,<br />
• Klimabetrieb im Sommer.<br />
Heizen und enteisen<br />
Das im Kompressor verdichtete und erhitzte<br />
Kältemittelgas gibt seine Wärme<br />
im Heizer, laut Wawzyniak „funktional<br />
ein Kondensator“, an die Innenraumluft<br />
ab und verflüssigt sich dabei. Anschließend<br />
gelangt es über ein Drosselorgan<br />
und ein Schaltventil in den an<br />
der Fahrzeugfront montierten Außenwärmeübertrager<br />
(„funktional ein Verdampfer“).<br />
Nach der Drossel liegt die Kältemitteltemperatur<br />
zirka fünf Kelvin (K)<br />
unterhalb der Außenlufttemperatur.<br />
„Nur deshalb kann das Kältemittel die<br />
zum Verdampfen nötige Wärme von<br />
der Außenluft überhaupt aufnehmen“,<br />
erklärt der Fachmann. Nach dem Verdampfen<br />
im Außenwärmeübertrager<br />
gelangt das Kältemittelgas über den<br />
Kältemittel-Akkumulator wieder in den<br />
Kompressor – der Kältemittelkreislauf ist<br />
damit geschlossen.<br />
Bei hoher Luftfeuchtigkeit und gleichzeitig<br />
niedrigen Außentemperaturen<br />
kann jedoch der Außenwärme-übertrager<br />
im Heizbetrieb vereisen. „Da dessen<br />
Betriebstemperatur immer rund fünf K<br />
unter der Außentemperatur liegt, besteht<br />
die Vereisungsgefahr schon bei Außentemperaturen<br />
von fünf Grad Celsius.