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Christkatholisch_2022-2

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<strong>Christkatholisch</strong> 2/<strong>2022</strong> Thema<br />

5<br />

ben. Diese Zeit des Widerstandes erlebten<br />

sie als auslaugend und<br />

schmerzhaft. Es war eine Zeit im<br />

Schatten eines Tabus - nämlich der<br />

Vorstellung, dass eine Kirche auf keinen<br />

Fall geschlossen werden darf.<br />

Dieses Tabu belastete sie stark. Die<br />

Pfarrerinnen schildern, dass sie sich<br />

isoliert fühlten und ein mögliches<br />

Ende ihrer Kirchgemeinde als persönliches<br />

Scheitern erlebten, das auf<br />

jeden Fall verhindert werden musste.<br />

Schliesslich zwang eine ausweglose<br />

Situation - hoffnungslos marode Kirchengebäude,<br />

unüberwindbare finanzielle<br />

Probleme, eskalierende Konflikte<br />

oder definitive Entscheide der<br />

Kirchenleitung - sie dazu, die Kirchenschliessung<br />

zu akzeptieren.<br />

Kein Unfall, sondern notwendige<br />

Aufgabe<br />

In dem Moment, als sie dies taten, begannen<br />

sie umzudenken und die Situation<br />

neu zu deuten. Sie merkten, dass<br />

sie ihre Kirchgemeinde mit der unsichtbaren,<br />

unsterblichen Kirche<br />

Christi identifiziert hatten. Kirchgemeinden<br />

als soziale Gefüge sind aber<br />

nicht für die Ewigkeit geschaffen, sondern<br />

können, wie alles vom Menschen<br />

Geschaffene, aufhören zu existieren.<br />

Veränderungen gehören zum langen<br />

Weg Gottes mit ihrem/seinem Volk.<br />

Kirchenschliessungen können daher<br />

eine notwendige Etappe auf diesem<br />

Weg sein, sie müssen nicht als Unfälle<br />

verstanden werden, die auf jeden Fall<br />

verhindert werden müssen. Es wird etwas<br />

auf die Kirche, wie sie die Pfarrerinnen<br />

bisher kannten, folgen - was es<br />

aber sein wird, wissen diese jedoch<br />

noch nicht. Die Pfarrerinnen finden so<br />

zu einem neuen Verständnis ihrer Rolle<br />

und zu einem neuen Sinn in ihrem<br />

Tun: Sie sind nicht mehr Retterinnen<br />

der Kirche, sondern übernehmen die<br />

wichtige und notwendige Aufgabe, die<br />

Kirche gut zu Ende zu führen. Und<br />

diese Aufgabe kann Sinn machen.<br />

- Konkrete Kirchgemeinden und Konfessionen<br />

sind, wie Menschen, verletzlich<br />

und vergänglich. So wie der irdische<br />

Leib Christi ein verwundbarer<br />

Leib war, ist auch die erlebbare Kirche<br />

eine verwundbare Kirche. Es ist deshalb<br />

möglich, dass Kirchgemeinden<br />

und andere kirchliche Strukturen aufhören<br />

zu existieren. Als Kirchenmitglieder<br />

kommen wir nicht umhin, diese<br />

Vergänglichkeit zu akzeptieren und<br />

den möglichen Schmerz in Kauf zu<br />

nehmen.<br />

- Tabuisierung isoliert, Akzeptanz verbindet:<br />

Kirchen können eine Schliessung<br />

gut bewältigen. Indem die Mitglieder<br />

ihre Ängste, ihre Sorgen und<br />

ihre Trauer ansprechen, können sie<br />

miteinander verbunden und dadurch<br />

eine Gemeinschaft bleiben, auch in einer<br />

Schliessung.<br />

- Verwundbare Kirchen - wie die kleine<br />

christkatholische Kirche - können<br />

Vorbild sein und so eine sinnvolle<br />

Aufgabe erfüllen. Sie machen etwas<br />

sichtbar, was im Skript des gesellschaftlichen<br />

Mainstreams, in dem<br />

Aufgeben und Misserfolg Tabus sind,<br />

nicht vorgesehen ist. Dabei führt der<br />

rasante gesellschaftliche Wandel heute<br />

vermehrt dazu, dass Menschen etwas<br />

beenden müssen: Familienbetriebe<br />

schliessen nach mehreren<br />

Generationen, Vereine hören auf zu<br />

existieren. Eine Kirche, die ihre<br />

"Sterblichkeit" als Möglichkeit akzeptiert<br />

und sich nicht von Angst davor<br />

lähmen lässt, kann diesen Menschen<br />

aufzeigen, wie diese Erfahrung gut<br />

und versöhnlich bewältigt werden<br />

kann.<br />

Stefanie Arnold<br />

Impulse für die christkatholische<br />

Kirche<br />

Können die Erkenntnisse der vier<br />

Pfarrerinnen auch für die christkatholische<br />

Kirche fruchtbar sein? Hier seien<br />

vier mögliche Impulse diskutiert -<br />

in der Hoffnung, dass die Diskussionen<br />

noch weitergehen:<br />

Die an alter Stelle<br />

neu errichtete Kirche<br />

von Bettingen<br />

(Mitte), in der zwei<br />

Glocken der abgerissenen<br />

Kirche St.<br />

Markus (links) läuten.<br />

Fotos: ERK.

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