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Christkatholisch_2022-2

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<strong>Christkatholisch</strong> 2/<strong>2022</strong> Hintergrund<br />

7<br />

Dietrich Bonhoeffer: Pfarrer, Widerstandskämpfer, Querdenker, Märtyrer<br />

«Von guten Mächten wunderbar geborgen»<br />

Der Zweite Weltkrieg stellte Recht und<br />

Unrecht vollständig auf den Kopf. War<br />

es noch möglich mit all den Schrecken<br />

des Krieges umzugehen? Es war «Karfreitag<br />

im unausdenklichen Leid» zu<br />

spüren, wie der christkatholische Professor<br />

der Universität Bern Ernst Gaugler<br />

in seiner Predigt zum Karfreitag am 23.<br />

April 1943 in Bern sagte: «Es mochte<br />

scheinen, dass wir nie besser hätten Karfreitag<br />

feiern können als heute, da in einem<br />

übertragenen Sinn von jeder Stunde<br />

gilt, was im Text von den drei letzten<br />

drei Stunden Jesu gesagt wird: ‘Es ward<br />

Finsternis über das ganze Land’. Und<br />

tatsächlich, wenn der Karfreitag nur ein<br />

Symbol wäre für das entsetzlichste Leiden,<br />

für die äusserste Möglichkeit<br />

menschlicher Marter überhaupt, dann<br />

brauchte man uns heute nicht mehr zu<br />

erklären, was Karfreitag heisst».<br />

«Dem Rad selbst in die Speichen<br />

fallen»<br />

Auch der Theologe Dietrich Bonhoeffer<br />

(1906-1945), der sein ganzes Leben lang<br />

um den Glauben und um Gott gerungen<br />

hat, übernahm die Sicht von Gaugler, der<br />

eine Perspektive vom Kreuz her entwarf.<br />

Gaugler und Bonhoeffer waren beide<br />

vom Schweizer Theologen Karl Barth<br />

beeinflusst. Dieser verfocht eine Glaubenshaltung,<br />

die auf den modernen<br />

Menschen gerichtet und deren Ziel eine<br />

neue Weltlichkeit ist: Christinnen und<br />

Christen wenden sich mutig und offen<br />

dieser Welt zu. Sie tun es, auch wenn sie<br />

vielleicht keiner Religion angehören und<br />

nicht an Gott glauben. Wenn jemand<br />

mit dem Leben bedroht wird, fragt Bonhoeffer,<br />

hat man da noch Zeit, sich auf<br />

die grossen Prinzipien und ein reines<br />

Gewissen zurückziehen? Wenn etwa ein<br />

schwarzer Mercedes der Gestapo mit<br />

seinen Speichenfelgen über das Trottoir<br />

fährt, allein mit dem Ziel, Menschen zu<br />

Tode zu bringen. Man muss sich bücken<br />

und den Verwundeten helfen, ja. Man<br />

muss aber auch «dem Rad selbst in die<br />

Speichen fallen». Man muss den Mörder<br />

selbst hart anfassen und wenn es dessen<br />

Tod zur Folge hätte. Einer Zerstörung<br />

der Grundordnungen des Lebens ist entschieden<br />

Einhalt zu gebieten, sagt Bonhoeffer:<br />

«Wenn Hitler nur mit Gewalt<br />

und Attentat, die im Sinne des christlichen<br />

Glaubens immer mit Schuld verbunden<br />

sind, zu stoppen ist, dann muss<br />

das um der Opfer willen getan werden,<br />

auch wenn man sich selbst damit Schuld<br />

auflädt. So oder so wird der Mensch<br />

schuldig und so oder so kann er allein<br />

von der göttlichen Gnade und Vergebung<br />

leben».<br />

Weihnachtsbrief kurz vor der<br />

Hinrichtung<br />

In vielen Gottesdiensten wird zum Jahreswechsel<br />

oder zu ökumenischen Anlässen<br />

gern ein Lied gesungen, dessen<br />

Text von Dietrich Bonhoeffer stammt:<br />

«Von guten Mächten treu und still umgeben».<br />

Es war ein Weihnachtsgruss und<br />

Teil des letzten persönlichen Briefes an<br />

seine Verlobte Maria von Wedemeyer<br />

und seine Familie, den Bonhoeffer am<br />

19. Dezember 1944 kurz vor seiner Hinrichtung<br />

schrieb. Er befand sich zu diesem<br />

Zeitpunkt im Gestapo-Keller in der<br />

Prinz-Albrecht-Strasse in Berlin. Als<br />

Mitglied der «Bekennenden Kirche», die<br />

sich nicht von Hitler vereinnahmen lassen<br />

wollte und als Theologe, der kein<br />

Blatt vor den Mund nahm, hielt man ihn<br />

für staatsgefährdend. Seit dem 5. April<br />

1943 war Bonhoeffer wegen «Wehrkraftzersetzung»<br />

in Haft. Die 20-jährige Maria<br />

von Wedemeyer und der 18 Jahre ältere<br />

Dietrich Bonhoeffer hatten sich drei<br />

Monate zuvor verlobt. Bonhoeffer war<br />

gefoltert und isoliert worden. Er musste<br />

mit der Hinrichtung rechnen. In einer<br />

seiner letzten Besprechungen im Führerhauptquartier<br />

im zerbombten Berlin<br />

ordnete Hitler am 5. April 1945 an, dass<br />

die Hauptverschwörer um Claus Schenk<br />

Graf von Stauffenberg, die ein Attentat<br />

gegen ihn geplant hatten, nicht überleben<br />

sollten. Bonhoeffer wurde zu ihnen<br />

gerechnet. Am 7. April hielt Bonhoeffer<br />

auf Wunsch der Mithäftlinge eine Morgenandacht,<br />

dann wurde er von der<br />

Gruppe getrennt und ins Konzentrationslager<br />

Flossenbürg gebracht. Am 8.<br />

April 1945 wurde ihm und einigen seiner<br />

Mitangeklagten ein Scheinprozess<br />

gemacht. Es gab weder Verteidiger noch<br />

Zeugen, schriftliche Aufzeichnungen<br />

dazu existieren nicht. Er wurde zu Tode<br />

verurteilt. Am 9. April 1945 wurde er<br />

nur drei Wochen vor Kriegsende zusammen<br />

mit den Mitverschwörern durch Erhängen<br />

ermordet und anschliessend verbrannt.<br />

Kurz vor der Hinrichtung<br />

konnte Bonhoeffer einem Mitgefangenen,<br />

dem englischen Offizier Payne Best,<br />

noch eine Nachricht an den befreundeten<br />

anglikanischen Bischof George Bell<br />

mitgeben: «Sagen Sie ihm, dass dies für<br />

mich das Ende, aber auch der Anfang<br />

ist».<br />

Keine handliche Religion und<br />

Frömmigkeit<br />

Es entstanden zu Bonhoeffers Weihnachtsgedicht<br />

immer neue Melodien, so<br />

zahlreich wie für keinen anderen geistlichen<br />

Text des 20. Jahrhunderts. Aus den<br />

Dietrich Bonhoeffer

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