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Thermenland_02-2022

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EDITORIAL<br />

Martin Semmler M.A. | Chefredakteur<br />

Sehr nah<br />

leben die Nachbarn jenseits des Bayerwalds,<br />

der Šumava. Seit alters her verband<br />

uns viel mit den Menschen<br />

Tschechiens, vor allem in Böhmen, hinter<br />

dem Goldenen Steig. Eine Theorie<br />

der bajuwarischen Stammesbildung geht<br />

sogar davon aus, dass es Männer aus<br />

Böhmen waren, Boemwarii, die als neuer<br />

Adel die keltoromanische Urbevölkerung<br />

zum Volk der Bayern formten. Vor allem<br />

die Handelsbeziehungen waren auch bis<br />

an den Unteren Inn eng. Über viele<br />

Jahrhunderte zogen Säumerzüge den Inn<br />

hinauf und hinab. Im Bayerwald verwischten<br />

die Grenzen völlig, denn den<br />

einfachen Menschen war es egal, unter<br />

welcher Adelsherrschaft sie ihr unfreies<br />

Dasein zu fristen hatten. Sympathie ging<br />

schon immer auch durch den Magen. Bei<br />

uns gab es ganz natürlich süße Golatschen,<br />

Buchtln oder Powidltascherl und<br />

Böhmische Knödl zum Braten, also<br />

tschechische Küche. Wenn bei uns 's Zeiserl<br />

in der Hecke singt oder der Schmetterling<br />

über die Wiese flattert, der Quark<br />

auf den Tisch kommt oder man sich in<br />

seine Bude zurückzieht, so sind das alles<br />

Wörter, die unsere Vorfahren aus dem<br />

Tschechischen entlehnt haben, genau so<br />

wie Pistole und Haubitze und viele<br />

andere mehr.<br />

Als Teil der K.u.K.-Monarchie hat das<br />

Miteinander auch die Zeit der Nationalstaaten<br />

im 19. Jahrhundert überlebt. Es<br />

war erst die Gier der deutschsprachigen<br />

Kriegstreiber, die die Tschechen und<br />

Slowaken sich ab 1918 immer weiter<br />

von den Neˇmci absondern ließen. Der<br />

tschecho-slowakische Ministerpräsident<br />

Klement Gottwald (!), Chef der kommunistischen<br />

KSČ, sorgte schließlich dafür,<br />

dass sich das Land aus der Mitte Europas<br />

Richtung Ostblock verabschiedete. Damit<br />

war dann für die nächsten 30 Jahre<br />

Schluss mit guter Nachbarschaft und die<br />

Entfremdung begann.<br />

Ab der Besetzung des Sudentenlandes<br />

1938 stand die gemeinsame Geschichte<br />

den Tschechen und Deutschen rund 50<br />

Jahre lang im Weg. Heute ist das gänzlich<br />

anders. Das wichtigste Dokument für<br />

diesen Wandel wurde vor 25 Jahren<br />

unterzeichnet: die Deutsch-tschechische<br />

Erklärung.<br />

Wenn sich heute Jugendliche aus Tschechien<br />

und Deutschland im Nationalpark<br />

zum Sommercamp treffen und ein Moor<br />

renaturieren, dann gehört das zum normalen<br />

Miteinander in Europa.<br />

Unmittelbar nach dem Fall des Eisernen<br />

Vorhangs war dies noch undenkbar gewesen.<br />

Dabei wünschten sich die damalige<br />

Tschechoslowakei und Deutschland<br />

jedoch einen Neunanfang in den Beziehungen.<br />

Doch die Erfahrung von nationalsozialistischem<br />

Terror auf der einen<br />

Seite und der Vertreibung auf der anderen<br />

Seite führten zu zwei unvereinbaren Positionen.<br />

Mühsam war der Annäherungsprozess,<br />

doch er mündete in einen Erfolg:<br />

Am 21. Januar 1997 konnte im Liechtenstein-Palais<br />

in Prag die Deutsch-tschechische<br />

Erklärung unterzeichnet werden.<br />

Doch wo stehen wir heute? Außer Einkaufs-<br />

und Ausflugstourismus ist nicht<br />

viel. Tschechien ist vielleicht mehr als<br />

jedes andere ehemalige Ostblockland<br />

wieder in der Mitte Europas angekommen<br />

und vom Unteren Inn bis zur<br />

Šumava gehören wir einer gemeinsam<br />

Euregio an. Doch diese bringt zwar EU-<br />

Gelder in die Region, von einem nachbarschaftlichen<br />

Miteinander ist an deren<br />

südlichem Ende im <strong>Thermenland</strong> noch<br />

wenig zu spüren. Hier sind uns die Nachbarn<br />

im Norden doch noch<br />

sehr fern.<br />

DO SCHAU HER ...<br />

Natur hat immer Saison! Selbst die<br />

kalte Jahreszeit hat ihre Reize und<br />

karge Winterlandschaften können<br />

überraschend lebendig sein.<br />

Mit Vogelbeobachtungen, Knospenbestimmungen,<br />

Biberexkursionen,<br />

Schneeschuhwanderungen oder<br />

frostigen Fotosafaris sorgt die<br />

BayernTourNatur auch in der dunkleren<br />

Jahreshälfte für „Lichtblicke“.<br />

Ausflugstipps zum Beispiel zu Wolf,<br />

Luchs und Hirsch in den Bayerischen<br />

Wald gibt es unter<br />

www.bayerntournatur.de<br />

Foto: Rainer Simonis/Nationalpark<br />

3 www.thermenland-magazin.de

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