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OceanWoman Band 2 (2022)

Von der Schleiferin auf Curacao über die Küchenhilfe auf den Tuamotus bis zur Skipperin bei Sturm über Neukale­donien. Nach dem großen Erfolg der OceanWoman Sonderausgabe 2018 ist 2022 der zweite Band erschienen. Diesmal mit einem Best-of 2018–2022 der Berichte unserer OceanWoman-Kolumnistin Alexandra Schöler. Mit vielen neuen und unterhaltsamen Geschichten aus der Welt der Langfahrtsegler – abenteuerlich, erheiternd und auf bewegende Weise den Horizont erweiternd.

Von der Schleiferin auf Curacao über die Küchenhilfe auf den Tuamotus bis zur Skipperin bei Sturm über Neukale­donien.
Nach dem großen Erfolg der OceanWoman Sonderausgabe 2018 ist 2022 der zweite Band erschienen. Diesmal mit einem Best-of 2018–2022 der Berichte unserer OceanWoman-Kolumnistin Alexandra Schöler. Mit vielen neuen und unterhaltsamen Geschichten aus der Welt der Langfahrtsegler – abenteuerlich, erheiternd und auf bewegende Weise den Horizont erweiternd.

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YACHTING, REISEN UND MEER<br />

SONDERAUSGABE <strong>2022</strong><br />

OCEAN<br />

WOMAN<br />

Von der Schleiferin auf Curacao über die Küchenhilfe auf<br />

den Tuamotus bis zur Skipperin bei Sturm über Neu kaledonien:<br />

die launigsten Erfahrungen unserer Kolumnistin<br />

und Weltumseglerin ALEXANDRA SCHÖLER-HARING.<br />

AUSTRO-NAVIGATION<br />

A guats Weiberleut<br />

Tirolerin Edith ist eine perfekte<br />

Seefrau. Dafür braucht man<br />

nicht die Welt zu umsegeln.<br />

BORDKÜCHE<br />

Klein, aber oho!<br />

Die Kombüse: Vieles, was darin<br />

gezaubert wird, hat Stürme und<br />

Flauten erträglicher gemacht.<br />

HAFENKINO<br />

Dingi-Typen<br />

Woran erkennt man<br />

Beiboot-Besitzer an<br />

Land? Am nassen Po.


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www.ocean7.at


Inhalt<br />

BEST OF oceanwoman<br />

4 Luxus Zeit<br />

9 Segler beten, Seegottheiten<br />

gibt es ja zum Glück genug<br />

10 SUP oder nicht SUP?<br />

12 Sehnsucht nach Griechenland<br />

14 Küchenhilfe in der Südsee<br />

19 Die Kombüse: klein, aber oho!<br />

20 Kochen für Kinder bei Sturm<br />

21 Guter Vorrat ist teuer<br />

22 Schafskäse auf Tonga<br />

23 Sam und die Wikinger<br />

24 Mein Mann, der Fischer<br />

27 Der Ozean, die Wüste<br />

und der pure Luxus<br />

28 Her mit den knusprigen<br />

Baguettes!<br />

32 Annabels Welt<br />

33 A guats Weiberleut –<br />

Segeln auf tirolerisch<br />

34 Marinatage, Hundetage<br />

37 Metallica in der Ferramenta<br />

38 Un cappuccio per favore!<br />

40 Dingi-Typen – ein<br />

Psychogramm<br />

45 Motorboot, Motorboot,<br />

ruadern tua i …<br />

46 Klassiker – alt, aber gut!<br />

48 Vino, Vongole e Vermouth<br />

50 Marinas, Milka & MTV<br />

55 Get me a freezer!<br />

56 Erinnerungen an Thailand<br />

61 Marion und das Meer<br />

62 Tänzerin im Sturm<br />

64 Damen der Meere<br />

67 Maiden: 12 Mädels für<br />

alle Schoten und Falle<br />

68 Piepser, Pogos, Segelpausen<br />

69 Just the two of us<br />

70 Die schönste Zeit im Jahr<br />

71 In the heat of the boat<br />

Autorin Alexandra Schöler segelte mit Mann Peter und Sohn Finn<br />

viereinhalb Jahre um die Welt. Seit 2010 ist sie als <strong>OceanWoman</strong>-<br />

Kolumnistin mit an Bord der Redaktion. è kolumne@ocean7.at<br />

YACHTING, REISEN UND MEER<br />

AUSTRO-NAVIGATION<br />

A guats Weiberleut<br />

Tirolerin Edith ist eine perfekte<br />

Seefrau. Dafür braucht man<br />

nicht die Welt zu umsegeln.<br />

3<br />

BORDKÜCHE<br />

Klein, aber oho!<br />

Die Kombüse: Vieles, was darin<br />

gezaubert wird, hat Stürme und<br />

Flauten erträglicher gemacht.<br />

SONDERAUSGABE <strong>2022</strong><br />

OCEAN<br />

WOMAN<br />

Von der Schleiferin auf Curacao über die Küchenhilfe auf<br />

dem Tuamotu Archipel bis zur Skipperin bei Sturm über<br />

Neukaledonien: die launigsten Geschichten unserer<br />

Kolumnistin ALEXANDRA SCHÖLER-HARING. BAND 2<br />

HAFENKINO<br />

Dingi-Typen<br />

Woran erkennt man<br />

Beiboot-Besitzer an<br />

Land? Am nassen Po.<br />

OCEAN WOMAN<br />

IMPRESSUM<br />

GmbH<br />

HERAUSGEBER UND EIGENTÜMER: Satz- und Druck-Team GmbH, Feschnig straße 232, 9020 Klagenfurt, Tel.<br />

+43 463/461 90 25, www.ocean7.at, redaktion@ocean7.at, office@ocean7.at, Firmenbuchnummer 105347 y, Landes gericht Klagenfurt,<br />

UID ATU 25773801 · ANWENDBARE VORSCHRIFT: Österreichische Gewerbeordnung, Medien gesetz (www.ris.bka.gv.at)<br />

· MEDIENRECHTSINHABER: Satz- und Druck-Team GmbH · Geschäftsführung: Wolfgang Forobosko · CHEF REDAKTION:<br />

Tahsin Özen, 1180 Wien, redaktion@ocean7.at · ART-DIREKTION: Catharina Pichler · GRAFISCHES KONZEPT: Thomas Frik,<br />

www.viertelbogen.at · BLATTLINIE: ocean7 ist das Lifestyle-Magazin für Fahrten- und Blauwassersegler, Motoryachtfahrer und<br />

alle Wassersport-Fans. Die Redaktion berichtet in Zusammenarbeit mit namhaften Autoren aus dem gesamten deutschsprachigen<br />

Raum nicht nur über die neuesten Yachten und schönsten Reviere weltweit, sondern widmet sich mit besonderem Engagement<br />

auch den Themen Charter, Equipment, Lifestyle, Genuss, Reisen, Umwelt und Meer. ocean7 erscheint zweimonatlich als<br />

Print-Magazin und ist auch als E-Paper erhältlich. Die laufende Bericht erstattung inkl. Marketingaktivitäten erfolgt weiters auch<br />

über die Homepage www.ocean7.at sowie über Social Media · ABO- BE STELLUNG: abo@ ocean7.at, www.ocean7.at · VERTRIEB:<br />

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Bei träge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außer halb der engen Grenzen des<br />

Urheberrechts gesetzes bedarf der Zustimmung des Herausgebers. Die Ver wendung von Zitaten aus Berichten für Anzeigen ist<br />

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Heraus geber-Ver schul den oder wegen Störungen des Arbeits friedens bestehen keine Ansprüche gegenüber dem Herausgeber.<br />

JURY


Luxus Zeit<br />

Die erfolgreiche Schauspielerin Alexandra kündigt ihre Engage ments an<br />

der Josefstadt und an der Wiener Volksoper. Der Zahntechnikermeister<br />

Peter verkauft seinen Betrieb. Und der vierjährige Sohn – der hat sowieso<br />

keine Wahl. Die Familie Schöler hat sich fünf Jahre lang den größten<br />

Luxus gegönnt, den es gibt: Zeit.<br />

4 OCEAN WOMAN <strong>2022</strong>


Als wir unseren Familien<br />

und Freunden klarmachten,<br />

dass der Traum von<br />

der Weltumsegelung nun<br />

Wirklichkeit würde, starrten sie<br />

uns ungläubig an. Hätten wir von<br />

der Anschaffung einer Eigentumswohnung,<br />

eines neuen Autos oder<br />

einem Umzug aufs Land gesprochen,<br />

wäre das Erstaunen bis Entsetzen<br />

weniger radikal ausgefallen.<br />

Viele glaubten uns ja bis zum tatsächliche<br />

Abfahrttermin einfach<br />

nicht. Und so segelten wir mit unserem<br />

fünfjährigen Sohn auf unserem<br />

Katamaran Risho Maru von<br />

Italien aus los, um die Welt zu sehen.<br />

Eine Schauspielerin, ein<br />

Zahntechniker und ein Kinder -<br />

gartenkind.<br />

Nach viereinhalb Jahren hatten<br />

wir die Welt umsegelt und kehrten<br />

heim. Auf den ersten Blick schienen<br />

wir für viele die Alten geblieben<br />

zu sein und so mancher wunderte<br />

sich, dass wir uns so schnell<br />

wieder einlebten. Aber war das<br />

nun wirklich so?<br />

In Wien hatte sich nichts ge -<br />

ändert. Alles beim Status quo wie<br />

vor fast fünf Jahren. Und wir?<br />

Für uns hatte sich alles geändert.<br />

Alles. Vor allem die Zeit.<br />

ES BEGANN MIT EINEM TRAUM<br />

Dem Traum meines Mannes, mit<br />

seinem Schiff die Welt zu umrunden.<br />

Dem Traum, dem Abenteuer<br />

die Stirn zu bieten. Als wir uns<br />

kennenlernten, wusste ich von all<br />

dem nichts. Außer natürlich, dass<br />

Peter ein selbstgebautes Schiff in<br />

Griechenland besaß. Risho Maru –<br />

ein Wharram-Katamaran, schlicht,<br />

simpel, aus Holz, schnell.<br />

Wir verbrachten die Sommer in<br />

Griechenland, unser Sohn Finn<br />

wurde geboren, sein erstes Wort<br />

war „Fischernetz“. Die Nächte waren<br />

manchmal unheimlich. Die<br />

Bora blies, Peter brachte den zweiten<br />

Anker aus, ich fand das alles<br />

aufregend, aber nach den Ferien<br />

freute ich mich doch auf unser<br />

Heim in Wien.<br />

In unserer Toilette zu Hause<br />

häuften sich die Segelmagazine.<br />

Schiffe ankernd vor weißen Stränden<br />

in blauen Lagunen. Leute, die<br />

auf Schiffen lebten, braungebrannt,<br />

lachend. Keine Models, echte<br />

Menschen, keine Charterträume,<br />

echtes, pures Leben.<br />

Ich wusste vom Aussteigen.<br />

Hatte das selber schon gewagt mit<br />

Mitte 20 nach Amerika für zwei<br />

Jahre. Es war perfekt gewesen.<br />

Jahre später zehrte ich noch<br />

immer von dieser Zeit. Vom<br />

über den Tellerrand schauen.<br />

Aber auf einem Segelboot in<br />

die Weltmeere? Mit Kind? Ich<br />

hatte davon gelesen, von Leuten,<br />

die ihre Kinder auf Schiffen aufzogen,<br />

sie unterrichteten. Alles<br />

hinter sich ließen, verkauften, ins<br />

Ungewisse fuhren. Meine größte<br />

Sorge vor dem Wegfahren war<br />

das Wegfahren selbst, die ungewissen<br />

Gefahren dieser Reise<br />

und der Gedanke ans wieder Zurückkommen.<br />

So viele Katastrophen könnten<br />

passieren, wir untergehen, von<br />

Riesenwellen verschluckt, von<br />

Piraten geplündert – und dann<br />

die Zukunft: nach Wien heimzukommen,<br />

kein Job, kein Heim<br />

und weit über Mitte 20.<br />

Und nach einiger Zeit, mit<br />

Blick auf das Ersparte auf dem<br />

Bankkonto, stand plötzlich die<br />

Frage im Raum: Anzahlung für<br />

ein Eigentum oder Wegfahren –<br />

das Geld in uns anlegen?<br />

Wir taten Letzteres und heute<br />

wissen wir, es war das Richtige.<br />

Viele Leute dachten, wir wären<br />

von Sinnen. Und heute in Wien<br />

frage ich mich: Wer ist von Sin-<br />

6 OCEAN WOMAN <strong>2022</strong>


Sohn Finn lernte schon<br />

in der Südsee, dass man<br />

an Land zu Fuß geht …<br />

Das Weltumsegler-Paar Alexandra Schöler<br />

und Peter Haring mussten sich an die Hektik<br />

der Stadt Wien erst wieder gewöhnen.<br />

… weil man sich auf<br />

diesem Weg viele neue<br />

Freunde machen kann.<br />

„Wir legten das Geld in uns an und heute wissen wir,<br />

es war die richtige Entscheidung.“<br />

nen? Hier im Stress, Verkehr,<br />

Tempo, Geldverdienen in dieser<br />

Zeit.<br />

Wir waren auf den Inseln der<br />

Südsee, wo Leute uns anlächelten<br />

– einfach so. Und uns Limetten<br />

als Willkommensgeschenk brachten<br />

– einfach so. Sich wunderten,<br />

wenn wir genaue Termine zum<br />

Papaya-Abholen im Dorf ausmachen<br />

wollten. „You can have Papayas<br />

anytime“, sagte der Polynesier<br />

Louis zu mir. Und lächelte.<br />

Oder Kindergärtnerin Sara<br />

am Strand in Vanuatu mit ihren<br />

Vorschulkindern. Die Kids sammelten<br />

Muscheln und Strandgut<br />

zum Basteln und Sara angelte.<br />

Wir fragten sie, wie es mit dem<br />

Fischererfolg aussehe. Sie meinte:<br />

„If I catch fish, I go home, if I<br />

catch no fish I go home, too.“<br />

Überall wunderten sich die<br />

Leute über uns. Dass wir die Zeit<br />

immer fixieren wollten – etwas<br />

„ausmachen“. Die Zeit vergehe<br />

sowieso, sagten sie, egal, ob wir<br />

mitmachen oder nicht.<br />

ZEIT, WAS IST DAS SCHON?<br />

Diese Menschen gingen in ihre<br />

Gärten, holten ihr Gemüse, gingen<br />

in die Kirche, an den Strand,<br />

fischten, brieten Brotfrüchte über<br />

dem Feuer, freuten sich über ihre<br />

neuen Handys, die noch keine<br />

Sender gefunden hatten, weil das<br />

Netz der amerikanische Handyfirma<br />

noch nicht überall funktionierte.<br />

Es war ja egal. Sie hatten<br />

Zeit, die Männer in der kleinen<br />

Boulangerie, die frisches Baguette<br />

manchmal erst spät abends lieferte.<br />

Die Frauen, die Wäsche in den<br />

heißen Quellen des Vulkans wuschen.<br />

Mount Yasur auf Tanna im Inselarchipel<br />

Vanuatu spie Lava, die<br />

sich stets neun Monate Zeit ließ,<br />

um an die Erdoberfläche zu jagen.<br />

Im inseleigenen Krankenhaus<br />

saß eine schwangere Frau in<br />

der leeren, kafkaesken Klinik und<br />

knabberte Zuckerrohr. Sie hatte<br />

noch Zeit. Hier auf der Insel gingen<br />

alle zu Fuß wie bei uns zu<br />

Großmutters Zeiten. Zwei Stun-<br />

den zur Schule, eine Stunde zum<br />

Garten, bepackt mit Essen durch<br />

den abendlichen Dschungel zum<br />

Treffen mit Freunden. Immer Zeit<br />

zu lächeln, zu grüßen, zu winken,<br />

zu plaudern.<br />

Einmal warteten wir lange auf unseren<br />

Guide und Taxifahrer John –<br />

wir, die Segler, nervös, weil irgendwo<br />

mitten vor dem Immi gra tionsoffice<br />

in Lenakel, der Hauptstadt der<br />

Insel, ausgesetzt, mehrere Autostunden<br />

von unseren Schiffen und kein<br />

John weit und breit. Viel später kam<br />

er dann mit einem Paket Zucker unter<br />

dem Arm daher geschlendert.<br />

Lächelte und erzählte, er habe alte<br />

Freunde getroffen.<br />

Wir fuhren über die holprige<br />

Straße zurück in unsere Bucht –<br />

dampfender Regenwald, speiender<br />

Vulkan, im Dorf in der Kirche bei<br />

Kerzenlicht Kinder singend, davor<br />

Frauen beim Taroknollensäubern.<br />

Unsere Schiffe waren noch da.<br />

Schaukelten in der Bucht, die schon<br />

James Cook genossen, vor der Kulisse,<br />

die auch ihn fasziniert hatte.<br />

OCEAN WOMAN <strong>2022</strong> 7


Müde nach der Landreise saßen<br />

wir auf unserem Schiff, lauschten<br />

dem Tönen der Südseenacht, Geruch<br />

nach Rauch und offenem<br />

Feuer, sahen Mount Yasur, der sich<br />

am klaren Sternenhimmel abzeichnete.<br />

Alles wie vor hundert Jahren.<br />

WIR HATTEN ZEIT.<br />

ZEIT. ZEIT. ZEIT.<br />

Und ich fragte mich damals, wann<br />

ich wirklich zuletzt dieses Zeithaben<br />

genossen hatte. Als Kind im<br />

Garten beim Spielen, die Freude<br />

auf die lange Zeit der Ferien, die<br />

Stille eines Olivenhains in Griechenland,<br />

die Einkehr vor einem<br />

Steinmarterl in der Steiermark. Wo<br />

war in all den letzen Jahren die<br />

Zeit geblieben?<br />

Wann es Zeit war weiterzusegeln,<br />

bestimmten wir und der Wind.<br />

Niemand sonst regierte bei uns an<br />

Bord. Natürlich gab es Schulzeit für<br />

Finn, Essenzeit für alle, Angelzeit<br />

für den Kapitän, Nachtwachen zeit<br />

bei den Überfahrten, Schmusezeit<br />

immer, Zeit mit Freunden immer,<br />

Zeit zum Lachen immer.<br />

Wir hatten Zeit. Ließen sie sanft<br />

verstreichen – manchmal wehmütig,<br />

als wir uns von Valo und Gaston<br />

auf dem Südseeatoll Tuao unter<br />

Tränen verabschiedeten und<br />

Finn, unser Sohn, das erste Mal in<br />

seinem jungen Leben aus einem<br />

Paradies vertrieben wurde.<br />

Manchmal waren wir erfreut,<br />

dass sie vorbei war, die Zeit – nach<br />

den sieben Tagen Sturm auf dem<br />

Weg Richtung Neuseeland.<br />

Und dort würde sie dann wieder<br />

unvergesslich sein – unsere Zeit in<br />

Neuseeland, von der wir heute<br />

noch sehnsüchtig sprechen und<br />

uns fragen, ob wir sie nicht hätten<br />

verlängern sollen, die Zeit dort –<br />

auf ein paar Jahre oder für immer.<br />

Wie jetzt – hier zurück im westlichen<br />

Leben, wo Business, Erfolg,<br />

gute Noten, Bankkonto regieren –<br />

so rannte die Zeit auf unserer Reise<br />

nie.<br />

Wie hier die Stunden, Tage, Wochen,<br />

Monate dahinrasen – das<br />

gab es da draußen auf dem Meer,<br />

auf dem Schiff, auf den Inseln<br />

nicht.<br />

Da war der Tag vom ersten Sonnenstrahl<br />

bis zum letzten Sternenfunkel<br />

ausgefüllt mit Entdecken,<br />

Bewundern, Genießen, Innehalten,<br />

Nachdenken, Explodieren vor<br />

Freude, Zittern vor Aufregungen,<br />

und doch auch manchmal Herzklopfen<br />

vor Angst. Und Nähe.<br />

Zueinander.<br />

Und da wussten wir, der wahre<br />

Luxus dieser Welt liegt für uns in<br />

der Zeit. Die Zeit, die man für sich<br />

und seine Lieben hat. Denn das ist,<br />

was bleibt. Das ist, was für immer<br />

glücklich macht.<br />

Und jetzt im Sog der Stadt, im<br />

Lärm dieser Welt, laufen wir ihr<br />

nach, der Zeit. Und sie läuft davon.<br />

Und lässt sich nicht kaufen. Und<br />

nicht einfangen und nicht bestimmen.<br />

Wir kämpfen mit ihr und mit<br />

uns. Und sie vergeht, ob wir mitmachen<br />

oder nicht.<br />

Und wir träumen von dieser anderen<br />

Zeit da draußen. Dort auf<br />

den Weltmeeren und auf den<br />

glücklichen Inseln. Eine Abenteurerin,<br />

ein Musiker und ein Weltenkind.<br />

<br />

<br />

Einfach nur sein – wie hier<br />

auf Coco <strong>Band</strong>ero, Panama.<br />

FOTO: SHUTTERSTOCK<br />

„ Der wahre Luxus<br />

dieser Welt liegt für<br />

uns in der Zeit.“<br />

8 OCEAN WOMAN <strong>2022</strong>


Oh mein Gott! AUSGABE<br />

1/2019<br />

Segler beten. Immer schon. Und Seegötter und -göttinen gibt es zum Glück genug.<br />

Es ist schon wieder November.<br />

Allerheiligen. Trotz Sturmwarnung<br />

fürs lange Wochenende<br />

kurven wir durch das verwaschene<br />

Kanaltal, brausen vorbei am<br />

pitschnassen Udine, zweigen ab<br />

Richtung Lagune von Marano und<br />

bahnen unseren Weg durch Pfützen,<br />

entlang den überschwemmten<br />

Prosecco-Wein gär ten. Sehen den<br />

bis an die Kante angeschwollen<br />

Fluss Stella und schicken ein Stoßgebet<br />

gen Himmel: „Bitte lass am<br />

Schiff alles dicht sein!“<br />

Segler beten. Immer schon. Und<br />

Seegötter und -göttinen gibt es<br />

zum Glück genug. Die Ägypter in<br />

ihren flotten Papyrus-Kähnen hoffen<br />

an den Küsten des Mittelmeers<br />

oder den Untiefen des Nils auf den<br />

Beistand von Nun. Hätte ich früher<br />

von Nun gewusst, wäre vielleicht<br />

das Anstampfen gegen den pfeifenden<br />

Nordwind des Roten Meeres<br />

ausgeblieben!<br />

Schon die reiselustigen Phönizier<br />

wussten um des Unterschieds zwischen<br />

Landratten und Seeleuten.<br />

Gott Yamm war für das Chaos verantwortlich<br />

– die Kreuzwelle, der<br />

Gegenwind, Wasser im Cockpit,<br />

nasse Socken –, Gott Baal für das<br />

angenehme bis langweilige Marinabzw.<br />

Hafenleben.<br />

Poseidon als Herrscher des Meeres<br />

– bei den Römern Neptun genannt<br />

– flirtete liebend gerne mit<br />

hübschen Göttinnen und überließ<br />

Aeolus die Windprognosen. Orion<br />

durfte während der Nachtfahrten<br />

den Himmel beleuchten. Triton –<br />

halb Mensch, halb Delfin – zog<br />

verblasene Seefahrer von Land<br />

wieder ins Meer.<br />

Aber den besten Job bei den Griechen<br />

machen wieder einmal die<br />

Frauen. Amphitrie beruhigt aufgewühlte<br />

Seen. Ich fragte mich, wo sie<br />

war, als wir nach der Durchquerung<br />

des Sueskanal (siehe auch ab Seite<br />

30) Kreta nicht anlaufen konnten,<br />

da uns die Ägais mit stürmischem<br />

Meltemi in Empfang nahm.<br />

Tangaroa hingegen – der Meeresgott<br />

der Maori – sorgte für eine<br />

sichere Neuseeland-Überfahrt. Die<br />

Inseln Tongas hat Tangaroa mit<br />

einem Anker am Meeresboden befestigt,<br />

wofür ihm alle Segler dankbar<br />

sind, die dort auf das berühmt<br />

berüchtigte Wetterfenster warten!<br />

Die Wikinger verehrten Thor,<br />

der sicher Segler war, weil bekannt<br />

für seine Schnurren und seinen<br />

Hang zum Manöverschluck. Njord,<br />

der Gott der nördlichen Seen und<br />

Winde, steht ihm zu Seite und als<br />

Schiffsname macht er sich auch<br />

gut. Entspannt und ohne Piratenzwischenfälle<br />

querten wir mit<br />

unseren dänischen Freunden<br />

von der Njord im Konvoi den<br />

Indischen Ozean.<br />

GÖTTINNEN GERN GESEHEN<br />

Noch bin ich nicht im stürmischen<br />

Irland gesegelt, aber Ran, Meeresgöttin<br />

der nordeuropä i schen Völker,<br />

wirkt nicht sehr vertrauenerweckend<br />

auf mich. Halb<br />

wunderschöne Frau, halb Fisch,<br />

hält sie munter bei Vollzeug das<br />

Steuerrad mit nur einer Hand,<br />

die andere zieht ein Netz nach,<br />

mit dem sie die Ertrunkenen<br />

einsammelt. Angeblich<br />

soll ihr Reich in den<br />

Korallenhöhlen des Meeresbodens<br />

recht einladend<br />

sein, damit man sich wenigstens<br />

auf irgendetwas<br />

freuen kann, wenn man<br />

dort über Bord geht. Ran<br />

gleicht dem Ozean, mal<br />

fein und sanft, dann<br />

aufbrausend und wild.<br />

Etwas entspannter ist<br />

Kurakulla, Göttin der<br />

Seefahrer und des Weins. Der indische<br />

Subkontinent ist ihr Revier<br />

und ihre untergebenen Seefrauen<br />

kümmern sich hingebungsvoll um<br />

Schiffsbrüchige.<br />

Überhaupt sind weibliche Seegöttinnen<br />

zahlreich, was verwundert,<br />

wurden doch Frauen früher<br />

auf Schiffen nicht besonders gerne<br />

gesehen. Aber offensichtlich,<br />

wenn’s brennt …<br />

So wie Ixchel, eine Maya-Göttin,<br />

verantwortlich für die Tiden, den<br />

Mond und die Fruchtbarkeit. Oder<br />

Maria, in der christlichen Seefahrt<br />

als Stella Maris angerufen, wenn es<br />

grad gar nicht gut aussah!<br />

Uff, trotz massiver Regenmengen<br />

liegen wir in trockenen Kojen,<br />

auch die Bilgen setzen Staub an<br />

und es riecht gut im Schiff. Ich<br />

werfe einen Blick zu unserem<br />

Besanmast.<br />

Verdi, unser selbsternannter<br />

hölzerner Schiffsgott aus Afrika –<br />

seit den Kapverden an Bord –<br />

sieht wie immer griesgrämig in<br />

die Nacht. Er hat uns sicher um<br />

die Welt gebracht. Und täte es gerne<br />

wieder. Oh mein Gott – ich<br />

muss die Lottozahlen checken! <br />

QUELLE: A SAILOR‘S GUIDE TO THE<br />

GODS JOHN KRETSCHMER<br />

Poseidon/Neptung flirtet lieber, die<br />

meiste Arbeit erledigen die anderen<br />

Seegötter weiblichen Geschlechts<br />

überall auf der Welt.<br />

FOTO: SHUTTERSTOCK<br />

OCEAN WOMAN <strong>2022</strong> 9


FOTO: SHUTTERSTOCK<br />

SUP oder<br />

nicht SUP? AUSGABE 2/2019<br />

Die Crux mit den Brettern an Bord, die bei Flaute die Welt auf dem Wasser bedeuten.<br />

Was hältst du von diesen<br />

SUPs? Ist es sinnvoll, die<br />

an Bord zu haben? Die<br />

aufblasbaren oder besser die schönen<br />

aus Holz?“ Die wettergegerbte<br />

Seglerin mir gegenüber bei einem<br />

Weihnachts-Seglertreffen mitten<br />

im 7. Wiener Gemeindebezirk<br />

starrte mich entgeistert an: „Meinst<br />

du SUP-Boards?“<br />

Oh, ich denke, es ist an der Zeit,<br />

mich für die Tullner Bootsmesse<br />

besser zu informieren. Nicht, dass<br />

ich die große Wassersportlerin<br />

wäre wie mein Skipper, der von<br />

Jugendjahren an auf Wellen surft<br />

oder diese überspringt. Er hat<br />

sämtliche Board-Marken seit den<br />

1980ern getestet – auf der Alten<br />

Donau genauso wie auf den vom<br />

Passat umtosten Inseln vor Venezuela,<br />

bretterte über den Neusiedler<br />

See ebenso wie vor der stürmischen<br />

Küste Fuerteventuras. Der<br />

diverse Surfsegelausmaße so gut<br />

kennt wie ich Pasta-Sorten, berühmte<br />

Surfer beim Vornamen<br />

nennt „… ach, der Josh (Stone) …<br />

ein Traum der Robby (Naish) …<br />

thumbs up for Kelly (Slater)<br />

… Stand up paddeling? Laird<br />

(Hamilton), sonst keiner!“<br />

Sofort zoomt er sich ins Internet<br />

und zeigt mir, wie Laird Hamilton<br />

die Teahupoo-Welle 2009 stand<br />

up-paddelt.<br />

Eigentlich dachte ich eher an<br />

den Ottensteiner Stausee oder<br />

an Kroatien bei null Wind …<br />

„Ach so“, grummelt der Skipper<br />

und verzieht sich in seine Werkstatt,<br />

um die Kitesegel zu flicken.<br />

SUP-Paddeln entstand vor etwa<br />

zwölf Jahren in Kalifornien (wo<br />

sonst?), aber wahrscheinlich um<br />

einiges früher auf Hawaii, wo die<br />

einheimischen Surf-Haudegen<br />

auch wellenlose Tage nützen woll-<br />

10 OCEAN WOMAN <strong>2022</strong>


Surfer auf Huahine, eine der Gesellschaftsinseln<br />

im Pazifischen Ozean.<br />

Platzsparender sind<br />

aufblasbare Boards.<br />

Stand Up Paddling entstand vor etwa<br />

12 Jahren in Kalifornien, aber wahrscheinlich<br />

schon um einiges früher auf Hawaii.<br />

FOTO: SHUTTERSTOCK<br />

3. Die Kinder sind beschäftigt –<br />

ohne Benzinverbrauch. Denn die<br />

neueste Freizeitbeschäftigung<br />

vieler Kinder auf Charterbooten<br />

ist: mit dem Dingi Kreise ziehen,<br />

bis der Kanister leer ist – vorzugsweise<br />

um Nachbarschiffe.<br />

4. Für die Misanthropen in der<br />

Chartercrew ein wunderbares<br />

Fluchtfahrzeug.<br />

5. Für die Abenteurer das ideale<br />

Forschungsfahrzeug.<br />

6. Für Faule ideal zum In-der-<br />

Sonne-braten und stabiler als<br />

jede Luftmatratze.<br />

7. Für Sportliche das ideale Workout<br />

– wenn man richtig paddelt.<br />

Dazu finden sich im Netz zahllose<br />

Tutorials: Bauchmuskel, Oberschenkel,<br />

Oberarme …<br />

8. Für Achtsame. Das Yogatraining<br />

auf dem Brett. Mein Lieblings-<br />

Tutorial – von der netten Lena<br />

auf dem Wolfgangsee vorgezeigt.<br />

Und im echten Leben gesehen in<br />

Rovinj in der Bojen-Bucht. Ein<br />

Wahnsinnsanblick.<br />

9. Platzsparend. Es gibt wie schon<br />

erwähnt aufblasbare Boards.<br />

ten. Aber der bereits mehrmals<br />

erwähnte Laird (hoffe, es ist okay,<br />

wenn auch ich den Vornamen<br />

verwende) wollte Abwechslung in<br />

sein wildes Surferleben bringen.<br />

Als Waterman (höchste Auszeichnung<br />

für einen hawaiianischen<br />

Surfer) immer auf der Jagd<br />

nach Riesenwellen, ging ihm die<br />

Beschäftigung an wind- und wellenlosen<br />

Tagen aus und er suchte<br />

sich dafür eine neue Beschäftigung.<br />

Ein überdimensionales Board und<br />

ein Paddel dazu – fertig. Schon damals<br />

– teilweise hämisch verlacht<br />

von den Kollegen der Surfer-<br />

Weltrangliste – war ihm klar: Das<br />

Teil würde sich durchsetzen. Denn<br />

was will der Durchschnitts-Meeres-/See-Urlauber?<br />

Gemütlichkeit,<br />

leichten Sport, nicht zu viel Abenteuer,<br />

keine Gefahr und flaches<br />

Wasser. All dies erfüllt ein SUP.<br />

UND WAS GEHT DAS UNS<br />

SEGLERINNEN AN?<br />

Vorteile eines SUP-Boards an Bord:<br />

1. Vor Anker braucht man das Dingi<br />

nicht ins Wasser hieven, vom<br />

Beibootmotor gar nicht zu reden.<br />

2. Der Hund kann sofort Gassi<br />

gepaddelt werden.<br />

GIBT ES EINES AUF DER RISHO<br />

MARU, UNSEREM KATAMARAN?<br />

Nein – noch nicht. Ich bin noch<br />

am Diskutieren, weil sich laut Skipper<br />

trotz E-Reader zu viele Bücher<br />

an Bord befinden. Zum Beispiel in<br />

der Koje mit den drei Surfsegeln,<br />

den zwei Gabelbäumen, vier Surfmasten<br />

und dem Kitesurfsack. Die<br />

zwei Boards finden an der Reling<br />

Platz. In der Werkstatt ist die Tasche<br />

mit den Neopren-Outfits und<br />

die Fischer ausrüstung. Einfach<br />

kein Platz für mein SUP. Na ja.<br />

Dann geh ich eben schwimmen –<br />

sorry, Laird! <br />

<br />

OCEAN WOMAN <strong>2022</strong> 11


Sehnsucht nach Griech<br />

„Happy the man, who, before dying, has the good fortune to sail the Agaean Sea.“ Ich kann ihm nur<br />

beipflichten, dem sympathischen Alexis Zorbas bzw. seinem Schöpfer Nikos Kazanzakis. Wichtige<br />

Korrektur: Happy ist natürlich auch die Frau!<br />

Und ich war das ganz gewiss,<br />

als ich zu meinem ersten<br />

Segel abenteuer nach Griechenland<br />

aufbrach. Vor 23 Jahren.<br />

Der Skipper damals an Bord ist<br />

heute mein Ehemann. Erster Liebesurlaub!<br />

Treffen auf Korfu im<br />

alten Fischerhafen. Ich direkt aus<br />

Wien vom Operettensommer, er<br />

tiefgebräunt vom Chartern im Ionischen<br />

Meer.<br />

Erstmals lag vor mir unsere<br />

Risho Maru, eingenistet zwischen<br />

bunten Fischerbooten. Sie schien<br />

mir riesig. Ich zog meine Schuhe<br />

aus und für den Rest des Urlaubs<br />

nicht mehr an. Der Törn war paradiesisch.<br />

Paxos, Anipaxos, Parga, Preveza,<br />

Levkas, Kastos, Kephalonia, und<br />

nicht zu vergessen Ithaka, einer der<br />

Geburtsorte von Odysseus, oder?<br />

Alles unter Spinnaker. Glatte See,<br />

blauer Himmel, Eleniko-Kaffee am<br />

Morgen, Ouzo am Abend. Segeln,<br />

easy und entspannt, erzählte ich<br />

wieder zu Hause zwischen erstem<br />

und zweitem Akt. Mein Kostüm<br />

zwickte etwas um die Taille (Moussaka,<br />

Stiffado, Calamari fritti?),<br />

meine Nase schälte sich und mein<br />

von einer Winsch malträtierter<br />

kleiner Zeh schmerzte im Tanzschuh.<br />

DER STURM NACH DER RUHE<br />

Ein Jahr später rund Peloponnes.<br />

Ich war bereit mit Sonnenbrille,<br />

Buch und Sonnenhut. Überraschung!<br />

Nach zwei Tagen klammerte<br />

ich mich abwechselnd an<br />

Skipper und Reling, Wind, Wellen,<br />

Sturm, Orkan! Mani – zu viel Gegenwind,<br />

weiter durch die Nacht,<br />

weil Ankerplätze zu unsicher, endlich<br />

um drei Uhr Früh ein Hafen.<br />

Erleichtert in die Koje plumpsen,<br />

am nächsten Morgen Flaute und<br />

zum Trocknen an Leinen hängende<br />

Oktopusse. Gythio. Ich hatte<br />

überlebt. Weiter!<br />

Drei Wochen später durch den<br />

Kanal von Korinth zurück ins Ionische<br />

Meer. Abstecher ins glutheiße<br />

Delphi, Golf von Korinth – tausende<br />

rote Quallen im Fahrwasser der<br />

Risho. Das Schiff blieb danach einige<br />

Jahre in Preveza in der Marina<br />

und ich bei meinem Skipper. Bis<br />

heute.<br />

Mit allen Salzwassern gewaschen,<br />

dachte ich. Weltumsegelung<br />

war noch in weiter Ferne, schon<br />

eher war ein Junior-Skipper auszumachen.<br />

Mit neun Monaten erstmals<br />

auf dem Schiff. Schneidender<br />

Wind, weiße Gischt, kurze, steile<br />

Wellen. Unbeeindruckt lernte Finn<br />

das Stehen am Steuerrad.<br />

12 OCEAN WOMAN <strong>2022</strong>


FOTO: SHUTTERSTOCK<br />

enland<br />

AUSGABE 4/2019<br />

Naoussa, Insel Paros.<br />

Und dann das Wrack im Seegras<br />

mit Amphoren-Scherben, die kleinen<br />

Hafenmolen mit den unbequemen<br />

blauen Sesseln ganz am<br />

Wasser, die unfertigen, günstigen<br />

Marinas, entspannte Griechen, guter<br />

Salat, Retsina, die gegen den<br />

gleisenden Himmel strahlenden<br />

Inseln mit den weißen Häuschen,<br />

die knorrigen Olivenbäume, Aristophanes<br />

in Epidauros, der Leuchtturm<br />

auf Kastos Pistazien auf Egina,<br />

Fallböen auf Kythira, Motorrollerfahren<br />

auf Paros, zu Fuß auf die<br />

Choras im Dodekanes. Den Segen<br />

des Popen für eine gute Woche.<br />

Der um vier Uhr früh singend aufs<br />

Meer hinaus fahrende Fischer auf<br />

Kalamos. Griechenland hatte mich<br />

gepackt.<br />

DER BLUES DER GRIECHEN<br />

Natürlich, das ist über 20 Jahre her!<br />

Und vieles war anders geworden,<br />

als wir von unserer Weltreise heimkehrten<br />

und das Ionische Meer<br />

durchsegelten. Viele Charterschiffe.<br />

Mehr Tourismus. Aber immer<br />

noch die Griechen. Die Sehnsucht<br />

packt uns jedes Jahr. Vielleicht werden<br />

die Marinas wieder günstiger.<br />

Die griechische Musik! Sie verfolgt<br />

uns bis in den neunten Wiener<br />

Bezirk. In der Taverna Gyros<br />

gibt es immer wieder Live-Musik-<br />

Abende. Der Bouzouki-Spieler sitzt<br />

knapp vor unserem Tisch und singt<br />

den Blues der Griechen: Rembetiko.<br />

Unser Vorspeisenteller vibriert<br />

im Takt.<br />

Vom Nebentisch erhebt sich ein<br />

griechisches Paar und wiegt sich<br />

zwischen den Tischen im Tanz.<br />

Am Ende des Abends tanzen alle<br />

den Sirtaki vor der Bar. Der Koch<br />

aus Kreta führt an. Der Chef aus<br />

Thessaloniki macht den Schluss,<br />

dazwischen Griechen und sehnsüchtige<br />

Österreicher. Männer<br />

und Frauen. Happy. καληνύχτα! <br />

Typisch griechisch: zum Trocknen<br />

an Leinen hängende Oktopusse<br />

im Hafen von Gythio.<br />

FOTO: SHUTTERSTOCK<br />

OCEAN WOMAN <strong>2022</strong> 13


Küchen<br />

in der Sü<br />

14 OCEAN WOMAN <strong>2022</strong>


Ich denke oft daran. Und manchmal, wenn der Rummel,<br />

der Stress, der Verkehr zuviel wird, dann flüstere ich das<br />

Zauberwort „Tuao“. Und bin kurz dort. Im Paradies auf Erden.<br />

Das wir sehen durften. Mitten auf den Tuamotus. Auf dem<br />

wir lebten wie echte Polynesier mit unserer polynesischen Familie.<br />

Für drei perfekte Wochen.<br />

hilfe<br />

dsee<br />

Valentine – kurz Valo genannt<br />

– und ihr Ehemann<br />

Gaston sind Perlenzüchter<br />

und Fischer auf Tuao.<br />

Tuao ist ein kleines Atoll, rund<br />

150 Seemeilen östlich von Tahiti.<br />

Zwei Familien leben dort. Teilen<br />

sich das kleinen Eiland und versuchen<br />

in Eintracht zu leben, was<br />

nicht einfach ist, bedenkt man, wie<br />

schwierig Nachbarschaft sein kann<br />

und wie schwierig es ist, so unausweichlich<br />

nebeneinander zu existieren<br />

auf wenigen Quadratkilometern.<br />

„Da müsst ihr hin“, riet uns Gerhard<br />

von der Balu über die Funke,<br />

als wir gerade den Pazifik überquerten.<br />

Einige Wochen später<br />

verließen wir die Marchesas mit<br />

Ziel Tuamotos und letztendlich<br />

entschied der raue Wind, wo es<br />

hinging.<br />

TUAO DIREKT<br />

Wir sahen einige Palmen am Horizont,<br />

dann einige Schiffsmasten.<br />

Zitterten durch die Riffeinfahrt –<br />

müde, nass nach drei Tagen am<br />

Wind segeln, hängten uns in eine<br />

Boje und gingen schlafen. Am<br />

Nachmittag klopfte jemand an unser<br />

Schiff. Gaston. Ein drahtiger,<br />

fescher Wassermann. „Bonjour,<br />

Welcome to Tuao. You are ok.?“<br />

Ich blinzelte in die Nachmittagssonne,<br />

die Lagune glitzerte türkis,<br />

an Land einige Pfahlbautenhäuser,<br />

ein Hund bellte, sonst Stille. Es war<br />

einfach wunderschön.<br />

Gaston kontrollierte mit uns<br />

noch mal die Boje, befand alles als<br />

gut und freute sich, uns bald an<br />

Land zu sehen. „Valo made coffee“.<br />

Ok. Das war mein Stichwort, Dingi<br />

ins Wasser, die restlichen Bananen-<br />

Muffin als Mitbringsel. Los!<br />

Valo drückte uns wie alte Freunde<br />

an ihren wogenden Busen, Blüte<br />

im Haar, steckte sich einen Muffin<br />

in den Mund und führte uns zu<br />

ihrem Haus. Dort saßen die Segler.<br />

Deswegen hatten die Schiffe am<br />

Ankerplatz so verlassen gewirkt.<br />

Auf der Terrasse frönten die Frauen<br />

dem „beading“; sie machten<br />

Muschelketten. Dosen mit Glasperlen,<br />

Muscheln, Holzknöpfen<br />

türmten sich auf dem Tisch, da -<br />

zwischen Kaffeetassen, Würfel -<br />

zucker, Kekse. Begrüßungschor<br />

mehrstimmig und mehrsprachig!<br />

Unser Sohn Finn spielte bereits<br />

mit den Hunden Balu (benannt<br />

nach dem Schiff, das uns das Tuao<br />

empfohlen hatte!) und Nicki (benannt<br />

nach einer Seglerin aus<br />

Wien!). Mein Skipper Peter gesellte<br />

sich zu Gaston und einigen anderen<br />

Seemännern, um den Fang des<br />

Tages zu bestaunen. Ich hielt meine<br />

Kaffeetasse zwischen den Händen,<br />

saß auf einem Holzstuhl, unter den<br />

Bodenplanken glitzerte das Wasser,<br />

OCEAN WOMAN <strong>2022</strong> 15


Wie im Bilderbuch: schöner<br />

kann ein Ort einfach nicht sein.<br />

und vor der Terrasse um die durchs<br />

Wasser schimmernden Korallen -<br />

köpfe spielten bunte Rifffische. Im<br />

Türkis der Lagune schwebte Risho<br />

Maru.<br />

Ilse von der Esperanza, auch<br />

eben hier angelandet, schüttelte<br />

mich: „Aufwachen! Das hier ist<br />

echt. Für die nette Boje müssen wir<br />

nicht bezahlen, aber einmal essen<br />

gehen. Valo führt hier ein Restaurant<br />

für Segler. Alles klar?“<br />

Keine fünf Minuten später stand<br />

ich mit Valo im Garten ihres Hauses<br />

und pflückte Blumen für die<br />

abendliche Tischdekoration. Ich<br />

zauderte, diese prachtvollen Hibiskusblüten<br />

und Tiaren abzureißen.<br />

Valo lachte: „Tomorrow again!“ Es<br />

sollte sich herausstellen, sie blühten<br />

jeden Tag aufs Neue. Finn düste<br />

mit einer Scheibtruhe um die Ecke,<br />

darin Wasserflaschen. „Ich geh’<br />

Wasser holen, der Gaston hat mir<br />

die Regentonne gezeigt“.<br />

Später rechte er das Laub im<br />

Garten. Peter war bei der Großmutter<br />

im Nebenhaus verschwunden<br />

und rätselte mit Helmut von<br />

der Esperanza über dem spuckenden<br />

Generator. Sie würden eine<br />

Lösung finden. Sie hatten ja Zeit!<br />

Zur Risho kamen wir erst nach<br />

Mitternacht wieder. Nach einem<br />

gigantischen rosa-orange-pinkfarbigen<br />

Sonnenuntergang. Nach<br />

über Holzkohle gegrillten Garnelen,<br />

nach Papageienfisch mit<br />

Kokoskruste, Poisson cru – dem<br />

rohen, fein marinierten Fisch in<br />

Ko kosmilch, nach Sashimi vom<br />

Thunfisch, nach Ukulelenklängen,<br />

französischen Chansons und viel<br />

Lachen und guter Laune. Wir beschlossen<br />

zu bleiben. Valo brauchte<br />

eine Küchenhilfe. Ich war bereit,<br />

bei ihr in die Lehre zu gehen!<br />

Schon am nächsten Morgen, als<br />

wir unser Dingi am hölzernen Steg<br />

vertäuten, rief mich Valo zu sich.<br />

Sie saß auf einem wackeligen Stuhl<br />

vor der Küche unter einem schattigen<br />

Kavabaum und knetete Teig in<br />

einer großen Schüssel. Nein, eher<br />

schlug sie auf ihn ein! Mehl staubte<br />

in die Luft! „Is good, if husband<br />

was not good!“ Bum!<br />

Uff, der arme Gaston. Ich wusste<br />

nicht, was er ausgefressen hatte,<br />

Valo, eine grandiose Köchin und liebenswerte Freundin.<br />

aber Valo schien etwas verstimmt.<br />

Sie drückte mir die Teigschüssel<br />

in die Hand und ließ mich weiterkneten.<br />

„Coconutbread – tres bon – for<br />

stomach!“ Wir sprachen in einem<br />

englisch-französischen Kauderwelsch.<br />

Valos Englisch war so gut<br />

wie mein Französisch. Violet, Valos<br />

Mutter, gesellte sich zu uns und<br />

schabte Kokosnussraspel. Heute<br />

abend wollte Valo einen Coconut<br />

Pie backen.<br />

Finn spielte Fußball mit den<br />

Hunden und jagte die Hühner mit<br />

größtem Vergnügen durch den<br />

Garten. Gut für Finn, schlecht für<br />

die Hühner – zumindest für ihr<br />

Fleisch, denn das Coconut-Curry<br />

am Abend schmeckte etwas zäh.<br />

„Valo brauchte eine Küchenhilfe und<br />

ich war bereit, in die Lehre zu gehen.“<br />

16 OCEAN WOMAN <strong>2022</strong>


Das gesamte Leben in Tuao spielt sich<br />

im Freien ab. Klar, bei dem Wetter …<br />

Bunt und fröhlich – selbst trocknende<br />

Wäsche ist ein herrliches Fotomotiv. Music in the air – hier ist selbst der Alltag musikalisch ...<br />

Aber egal – wer isst schon Huhn,<br />

wenn es frischen Lobster gibt?<br />

Gaston war in der Nacht zuvor am<br />

Riff Lobster fangen gewesen. Barfuß<br />

hüpfte er die halbe Nacht auf<br />

den spitzen Riffkanten herum und<br />

nütze die Ebbe, um die Verstecke<br />

der Lobster zu finden. Alles im<br />

Mondschein.<br />

STOCK UND HARPUNE<br />

Gaston war ein richtiger Wassermann.<br />

Peter beobachte ihn an diesem<br />

Tag bei der Arbeit. Mit Gastons<br />

Schnellboot düsten sie über<br />

die Lagune zu einer großen Fischreuse.<br />

Der Fang war beachtlich.<br />

Mit der Harpune ließ sich Gaston<br />

in das Becken gleiten, um gleich<br />

wieder aufzutauchen. „Yellow<br />

Shark! Stick!“ Peter reichte ihm<br />

einen langen Stock und Gaston<br />

tauchte wieder ab. Mit Herzklopfen<br />

sah Peter durch seine Taucherbrille<br />

im sicheren Dingi, wie Gaston dem<br />

Zwei-Meter-Hai den Stock auf die<br />

Nase knallte. Der Hai zog sich daraufhin<br />

beleidigt zurück.<br />

Am Außenriff tauchte Gaston<br />

nur mit Taucherbrille in 15 Meter<br />

ab. Durch das glasklare Wasser beobachtete<br />

Peter, wie Gaston sich<br />

auf den Meeresboden legte, einen<br />

nichts ahnenden Papageienfisch<br />

anvisierte und mit der Harpune<br />

abdrückte. Zack! Papageienfisch<br />

mit Kokosraspel war für diesen<br />

Abend gesichert.<br />

Valo indessen stand mit mir in<br />

ihrer reizenden Küche, barfuß mit<br />

Schürze und klagte, dass das Tauchen<br />

nicht gut sei für die Männer.<br />

Ihr Vater war früh gestorben und<br />

auch ihr Onkel. Sie machte sich natürlich<br />

Sorgen um Gaston. Valos<br />

Schwester Lisa schaute bei der Tür<br />

herein. Die Damen standen etwas<br />

in Konkurrenz wegen der Segler<br />

und schon war ich von Lisa zu einem<br />

Inselspaziergang eingeladen.<br />

Finn begleitete uns, ebenso wie<br />

die Hunde, wobei Balu an die Leine<br />

musste, da er erst kürzlich eines<br />

von Lisas Schweinen gebissen hatte.<br />

Wir spazierten über sandige,<br />

blumenübersäte Wege zu Lisas<br />

Anwesen keine 500 Meter entfernt.<br />

Sie hatte einige kleine Bungalows,<br />

die Pension Matariva, die verlassen<br />

wirkten. Auch bei Lisa wurde gebacken.<br />

Lisas Tochter, eine richtige<br />

Südseeschönheit, stand knetend in<br />

der Küche. Eigentlich studierte sie<br />

in Papete, aber es waren Ferien.<br />

Am Nachmittag umrundeten wir<br />

die kleine Insel. Balu führte uns<br />

und jagte in der flachen Lagune die<br />

Schwarzspitzenhaie. Auf der windgeschützen<br />

Seite wurde es wirklich<br />

heiß und schwitzend ließen wir<br />

uns wieder im Schatten des Kavabaums<br />

nieder. Valo und Violet<br />

sammelten gerade Kavafrüchte.<br />

Sie schmeckten nach Litschis und<br />

wurden wie Eier geschält.<br />

Am Abend wieder ein Festmahl,<br />

ich durfte mitkochen und servieren,<br />

Peter half beim Grillen, Finn<br />

räumte Geschirr ab und füllte Wasser<br />

nach. Als die Seglergäste gegangen<br />

waren, aßen wir mit der Familie.<br />

Und bekamen unseren nächsten<br />

Job. Der nächste Tag sollte der<br />

Kopraarbeit gewidmet sein. Um<br />

acht Uhr würden wir vom Schiff<br />

abgeholt werden.<br />

KOKOS MUSS MAN MÖGEN<br />

Die winzige Insel Paquai – übersetzt<br />

„Allein“ – lag weit draußen in<br />

der Lagune. Gaston vollführte mit<br />

seinem selbstgezimmerten Holzschnellboot<br />

plus 150 PS-Außenborder<br />

ein Slalomrennen zwischen<br />

den Korallenköpfen. Das Kokoswäldchen<br />

von Paquai schütze uns<br />

gut vor der Sonne, aber die Arbeit<br />

war hart.<br />

Peter versuchte, die Kokosnüsse<br />

mit einem speziellen Eisen haken<br />

aufzubrechen. Schweiß tropfte auf<br />

seine bald mit Blasen übersäten<br />

Hände. Gaston knackte die Nüsse<br />

fast wie nebenbei. Wir Frauen<br />

flochten aus den Palmblättern Matten,<br />

die zum Trocknen der Kokosstücke<br />

dienen sollten.<br />

Handarbeiten war nie meine<br />

Stärke und ich denke, mit meiner<br />

außergewöhnlich schlecht geknüpften<br />

Matte habe ich einen<br />

bleibenden Eindruck bei Valo hinterlassen!<br />

Valo lachte nur, war froh,<br />

dass ihr die Seglerinnen Arbeit abnahmen<br />

und breitete auf einem<br />

Holztisch im Schatten das Mittagsmahl<br />

aus.<br />

Kokosbrot und rasch über einem<br />

kleinen Feuer gegrillter Fisch. Zur<br />

Abkühlung legten wir uns in einen<br />

OCEAN WOMAN <strong>2022</strong> 17


Traumhaftes Wasser<br />

bedeckt die Korallen,<br />

dahinter Strand,<br />

Hütten und das kleine<br />

Kokoswäldchen.<br />

kleinen, glasklaren Naturpool,<br />

von Korallen gesäumt. Valo steckte<br />

gerade eine Zeh ins Wasser.<br />

Schwimmen? Nein danke! Und<br />

den Geruch des aus dem Kopra<br />

gewonnenen Kokosöl mochte sie<br />

auch nicht. Es wurde zu Kokosseife<br />

und Bodylotion für die Resortgäste<br />

verarbeitet – in Tahiti.<br />

Valo freute sich viel mehr über<br />

den Nivea-Deo stick, den ich ihr<br />

schenkte!<br />

Am Nachmittag lag schon das<br />

Arbeitsschiff aus Papete in der<br />

Bucht, die fünf hart erarbeiteten<br />

Säcke Kopra wurden gemeinsam<br />

mit Fisch geladen. Wieder senkte<br />

sich ein rosa-pink-violetter Sonnenuntergang<br />

über die Lagune.<br />

Kitsch as Kitsch can!<br />

Die Gäste kamen. Gekonnt<br />

wälzte ich den Papageienfisch in<br />

den Kokosraspeln und buk ihn<br />

heraus. Valo plauderte fröhlich<br />

mit zwei etwas steifen Amerikanern,<br />

die Engländer nippten vergnügt<br />

an ihrem Rum mit Kokosmilch<br />

und Limette. Der französische<br />

Einhand-Segler Eduard,<br />

sonst verschwiegen wie ein Grab,<br />

kam richtig in Fahrt bei der Vorspeise:<br />

Poisson cru, erstmals von<br />

mir zubereitet! Wer Kokos nicht<br />

mag, ist hier verloren. Zum krönenden<br />

Abschluss servierte Valo<br />

wie schon am Vorabend ihren<br />

Coconut Pie. Die Salzburger Nockerl<br />

Polynesiens.<br />

Ich könnte unendlich viele Geschichten<br />

von diesen drei Wochen<br />

im Paradies erzählen. Von Valos<br />

Perlenzucht, den schwarzen Perlen<br />

der Südsee – grün, aubergine<br />

oder grau schimmernd. Bei all<br />

der Schönheit denke ich an das<br />

ziemlich brutale Aufstemmen<br />

der Austern, um ihnen einen<br />

geschnitzten Kern aus Muschel<br />

einzusetzen und der Ausspruch<br />

„verschlossen wie eine Auster“<br />

wurde mir schmerzlich bewusst!<br />

Aber noch heute trage ich meine<br />

Perle aus Tuao an einem Lederbändchen<br />

um den Hals. Sie<br />

ist nicht perfekt, etwas unrund<br />

und vom Farbton ungleichmäßig,<br />

aber das ist gut so. Denn auch die<br />

paradiesische Welt von Valo und<br />

Gaston ist nicht perfekt. Vielleicht<br />

versinkt ihr Atoll in den nächsten<br />

Jahren, beim nächsten Hurrikan,<br />

weil auf der anderen Seite der<br />

Welt zuviel Auto gefahren wird,<br />

zuviel Dreck in die Atmosphäre<br />

gepumpt wird. Zuviel Fleisch gegessen,<br />

zuviel Geld gemacht wird.<br />

Zuviel Gier und Desinteresse<br />

herrscht.<br />

Was in Tuao perfekt war, war<br />

das Leben von Valo und Gaston<br />

im Einklang der Natur. Ihre Offenheit<br />

im Umgang mit anderen<br />

Menschen. Und ihre selbstverständliche<br />

Freundlichkeit.<br />

Ich denke immer wieder dran.<br />

Und ertappe mich immer öfter<br />

dabei, dass ich es flüstere, das<br />

Zauberwort – zu mir, zu Peter, zu<br />

Finn, zu unseren Seglerfreunden,<br />

die auch da waren: „Tuao“.<br />

Und schon bin ich dort! <br />

Hier möchte man mit<br />

dem Dingi anlanden und<br />

nie wieder fortfahren.<br />

„Hier lebt Gaston,<br />

ein echter Wassermann.“<br />

Köstlicher können die<br />

Früchte des Meeres<br />

nicht sein als in Tuao.<br />

18 OCEAN WOMAN <strong>2022</strong>


Klein, aber oho!<br />

AUSGABE 4/2020<br />

Alexandras Kombüse hätte wohl auch<br />

Paul Bocuse zur Freude gereicht …<br />

Die Kombüse: Vieles, was darin gezaubert wird, hat Stürme erträglicher gemacht, in Flautenzeiten kulinarische<br />

Highlights hervorgebracht, Abende in Buchten verzaubert, Nachtwachen erleichtert und frühe Morgenstunden<br />

beseelt. Es ist also nicht zu unterschätzen, was dieser wichtige Teil eines Schiffes zu verantworten hat!<br />

Die Küche auf unserer Risho<br />

Maru ist klein. Puppenküche<br />

sag ich immer. Vorteil dabei:<br />

Man hat alles in Griffnähe! Außer<br />

Plastikgeschirr – das gibt’s bei mir<br />

nicht. Ok., eine Ausnahme: die große<br />

Salatschüssel! Glücklich bin ich<br />

mit meinen orange/cremefarbenen<br />

Café au lait-Schalen aus Papete.<br />

Liegen perfekt in der Hand. Und<br />

natürlich mein Lieblingshäferl aus<br />

San Pietro in Italien, mit Blumen<br />

auf sonnengelbem Tongeschirr.<br />

Immer dabei unsere Blechteller –<br />

geblümt und emailliert – aus Ithaka.<br />

Rostfrei, hübsch, unkaputtbar und<br />

gleich alt wie der Junior-Skipper,<br />

nämlich 20 Jahre!<br />

Wir trinken Wasser aus ehemaligen<br />

Joghurtgläsern aus Italien, Wein<br />

oder Pastis aus tunesischen Teegläsern<br />

aus Menorca. Ein kleiner Wok,<br />

beschichtete Bratpfanne und der<br />

Spaghetti-Topf stehen in zwei Fächern<br />

übereinander unter der Spüle.<br />

Süßwasser- und Meerwasserpumpe<br />

– spart Wasser, klar! Nudelsieb, großer<br />

und kleiner Kochtopf. Wohin<br />

mit den Deckeln? Hab ich nie wirklich<br />

gelöst – irgendwer eine Idee?<br />

Nachkochen an Bord: Alexandras flottes Fladenbrot<br />

Zutaten<br />

500 g Mehl, 2 TL Backpulver, 1 TL Salz, 1 TL Olivenöl, ca. 300 ml Wasser<br />

Zubereitung<br />

Alle Zutaten zu einem geschmeidigen Teig kneten, fünf Minuten rasten lassen.<br />

In mandarinengroße Bällchen teilen, auf einer leicht bemehlten Fläche dünn auswalken.<br />

In einer heißen Pfanne ohne Fett beidseitig hellbraun herausbacken!<br />

In selbstgenähten Stoffsäcken<br />

bringe ich Kochlöffel, Nudelwalker,<br />

Schneebesen, Spaghettizange etc.<br />

unter. Unsere Kühlbox ist klein und<br />

nur selten in Verwendung. Nicht<br />

wirklich nötig, hat sich nach den<br />

viereinhalb Jahren um die Welt herausgestellt<br />

– nun ja, darüber lässt<br />

sich sicher trefflich diskutieren.<br />

Anders hingegen der Backofen.<br />

Das tägliche Brot, die Geburtstags -<br />

torte, der Osterzopf, meine Sturmbrownies,<br />

die Dosen-Spinatlasagne,<br />

Rosmarinkartoffel, Nudelaufläufe,<br />

Melanzane gratinate, Pizza und vieles<br />

mehr! Natürlich auch gegarter<br />

Fisch aus dem Backofen. Über dem<br />

Küchentisch in einem Regal mit extrahohem<br />

Rand Zucker, Salz und<br />

Gewürze wie Oregano und Co.,<br />

Kümmel, Currymischung, Zimt …<br />

Ein Regal im Stauraum gleich<br />

neben dem Herd ist reserviert für<br />

Tomatendosen, Kokosmilch, Mais,<br />

Nudeln, Mehl. Direkt darunter die<br />

Süßigkeitenkiste für den Skipper.<br />

Für mich die Grissini- und Cräcker-<br />

Box. Salzige Snacks und Schokolade<br />

sind bei Ozeanüberquerungen<br />

essen ziell, beim Insel-Hopping in<br />

Passt zu Pecorino, Kapern, Zwiebel in Balsamico-Essig, getrockneten Tomaten, Mozzarella, Olivenpaste, Basilikumpesto u.v.m.<br />

Kroatien oder Griechenland machen<br />

sie aber auch gute Stimmung!<br />

Ha, fast vergessen: meine zwei<br />

griechischen Blechpfannen für<br />

den Ofen – perfekte Arbeitsgeräte<br />

an Bord und daheim in Wien.<br />

Die Teekanne aus dem Yemen<br />

und die Zuckerdose aus Vanuatu –<br />

so viele Erinnerungsstücke!<br />

Im offenen Regal (Katamaran!)<br />

unter dem Küchentisch: Olivenöl,<br />

Balsamico-Essig, Maiskeimöl und<br />

Gläser mit Essiggurken – Captains<br />

favorite, vor allem in Kombination<br />

mit kroatischen Pasteten.<br />

KÜCHENFENSTER IN DIE WELT<br />

Das Schönste an meiner Kombüse?<br />

Der Blick aus der Luke! Auf grüne<br />

Inseln, Wüstenberge, blaue Lagunen,<br />

Delfine, meinen Sohn und<br />

meinen Mann, wenn sie mit dem<br />

Dingi herbeirauschen, pink-orangefarbene<br />

Sonnenuntergänge, Lichter<br />

einer fremdem Stadt, schwimmende,<br />

lachende Kinder in Vanuatu,<br />

winkende Fischer in Sri Lanka, die<br />

Schiffe unserer Freunde in der sanften<br />

Brise eines ruhigen Anker -<br />

platzes. Auf Rovinj während einer<br />

Bora und den Kvarner bei Flaute.<br />

Mein Küchenfenster in diese<br />

Welt. Unvergesslich. Schön. Vor allem<br />

bei Sonnenuntergang – an der<br />

italienischen Adria zum Beispiel.<br />

Idealer Speisebegleiter: mein flottes<br />

Fladenbrot und dazu, was man so<br />

in der Kombüse findet, wenn man<br />

zuvor italienisch einkaufen war! <br />

OCEAN WOMAN <strong>2022</strong> 19


Kochen für Kinder bei<br />

Heute sag ich jaja, man wächst hinein in das Blauwassersegeln, wird abgehärtet, tapfer, cooler.<br />

Keine Rede davon bei unserem ersten Sturm im Atlantik auf dem Weg zu den Kanarischen Inseln.<br />

Starkwind“ meinte mein Skipper.<br />

OMG! Das war immerhin<br />

der große Atlantik, die<br />

Wellen waren riesig, die Wolken<br />

grau und dick und unheimlich.<br />

Zuvor im Internetcafe war keine<br />

Rede davon. Ach, dieses Wetter!<br />

„Hunger!“ Das war Finn. Dem<br />

war es egal, was da draußen passierte.<br />

Egal, welche Wellen, egal, welches<br />

Tiefdruckgebiet, egal, welche Störungen<br />

derselben. Mist. Seekrank<br />

wird bei uns keiner. Das ist ein Vorteil,<br />

kenne ich doch genug Crews,<br />

die zu diesem fortgeschrittenen<br />

Gewackel im Gleichton reierten.<br />

„Hunger!“ Ok. Es war ja schon<br />

der zweite Sturmtag. Am ersten hatte<br />

ich vorgesorgt. Krautfleckerl noch<br />

im Hafen gemacht. Und Chips mit<br />

Dips und Brot gebacken. Am zweiten<br />

Tag stand der Gusto an Bord<br />

nach etwas anderem. Pasta. Basta.<br />

Es gab wieder was mit Nudeln.<br />

Ich klemmte mich in die Kombüse<br />

der Risho Maru. Erhöhte Schiffsbewegungen.<br />

Heißt, das Schiff bewegt<br />

sich vorwärts, was gut ist, aber eben<br />

durch die Wellen auch seitwärts und<br />

auf und ab. Der Deckel des Spaghetti -<br />

topfs knallte auf meinen Zeh. Aua!<br />

Egal. Auf den Monoyachten muss es<br />

noch schlimmer sein, weil Schräglage.<br />

Aber ich denke, im Grunde ist<br />

es auf jedem Schiff bei solch einem<br />

Wetter grenzwertig. Außer vielleicht<br />

auf einer Fähre oder einem Kreuzer.<br />

Aber da war ich nicht. Leider.<br />

Zwiebel schneiden. Gut, dass unsere<br />

Kombüse klein ist. Ich klemmte<br />

mich zwischen Niedergangsleiter<br />

und Küchenbankerl, drückte Halt<br />

suchend die Zwiebel aufs rutschende<br />

Brett und schnipselte.<br />

Viel Olivenöl in den Topf. Was<br />

noch? Vor mir Kapern. Rein damit,<br />

Oliven ohne Kerne, rein damit, eine<br />

salzige Sardelle, rein damit. Und<br />

Knoblauch, wenn ich es bis zu ihm<br />

schaffe. Bumm! Kopf angehauen am<br />

Querbalken. Gut, die Küchenorganisation<br />

war damals noch bescheiden.<br />

Würde mich da in den folgenden<br />

Segeljahren sehr verbessern.<br />

Eine Knoblauchzehe landete im<br />

Topf, der Rest hinter dem Ofen.<br />

Mach ich später sauber, heißt in<br />

Lanzarote – sollten wir da je ankommen<br />

– heißt in vier Tagen. Da<br />

könnte ich den Knoblauch wahrscheinlich<br />

getrocknet verwenden.<br />

Platsch! Wasserspritzer von oben.<br />

Blöde Welle. Boden feucht. Mist!<br />

Wo sind die Bodenfetzen? Irgendwann,<br />

viel später, würde ich dann<br />

Zeitungspapier auf den Boden legen,<br />

das saugt super und man entsorgt<br />

es schnell und es stinkt nicht<br />

wie ein alter Hund. Aber das würde<br />

erst in Tonga sein, zwei Jahre später.<br />

Ja, Seefrau werden ist nicht schwer,<br />

aber sein dagegen sehr …<br />

VIELE JAHRE URLAUB?<br />

Chili. Rein in die Pfanne und dann<br />

eine Dose Tomaten aus der nassen<br />

Bilge. In Neuseeland werde ich so<br />

weit gereift sein, dass für die jeweilig<br />

berechnete Überfahrtszeit alles<br />

handlich bereitsteht, mit Speiseplan,<br />

aber im Augenblick suchte ich den<br />

Dosenöffner.<br />

Hatte die billigen Tomatendosen<br />

ohne integrierte Öffnungsschlaufe<br />

gekauft. Schöner Mist bei 25 Knoten<br />

Wind. Wo war die Stauliste,<br />

um dieses Manko zu vermerken?<br />

Ach, pfeif drauf. „Hunger!“ Finn<br />

muss ein Affront für seekranke<br />

Menschen sein, kopfüber hing er<br />

in seiner Koje und las Asterix!<br />

So, Nudeln rein, kochen, kochen.<br />

Kosten, kochen. Passt. Jetzt das<br />

Meisterstück: heißes Wasser absei-<br />

Sohn Finn, das hungrige<br />

Seemonster an Bord.<br />

Palatschinken à la Risho Maru<br />

Zutaten: 150 g Mehl, 2 Eier, 250 ml Milch, 125 ml Wasser.<br />

Zubereitung: Alle Zutaten mit dem Schneebesen glattrühren, in einer Pfanne mit etwas Öl von beiden<br />

Seiten goldgelb ausbacken. Füllung: Schokocreme à la Nuetella gibt es von Kroatien bis Papete …<br />

Tipps: Eier: Einzeln aufschlagen – ich habe oft Eier auf Inseln<br />

in kleinen Supermärkten oder von Einheimischen direkt<br />

gekauft. Die Frische lässt sich da oft nicht nachvoll -<br />

ziehen und ein stinkendes Ei an Bord ist wirklich<br />

grauenhaft und verdirbt das ganze Gericht sofort!<br />

Milchpulver: Das beste Milchpulver habe ich in<br />

Neuseeland gekauft. Lange bin ich mit Haltbarmilchtetrapacks<br />

ge segelt, aber Milchpulver ist leichter zu<br />

stauen und kann sparsamer verwendet werden.<br />

FOTO: SHUTTERSTOCK<br />

20 OCEAN WOMAN <strong>2022</strong>


Sturm<br />

hen, die Schiffsbewegungen berücksichtigend.<br />

Dabei immer bekleidet<br />

sein. Damals auf dem Atlantik sowieso,<br />

es war saukalt. Aber in den Tropen<br />

würde ich schon mal im Bikini dastehen<br />

und das könnte böse enden.<br />

Ok, Nudeln fertig, Tomatensoße<br />

dazu, Parmesan drüber, Blechteller,<br />

Gabel. Essen fertig! Die Männer futterten.<br />

Ich war total erledigt. Seekrank<br />

war ich nicht, aber hungrig auch nicht<br />

mehr. Ich würde dann später während<br />

der Nacht wache meine Portion essen.<br />

Fünf Jahre später fragte mich bei<br />

einer unserer Multivisionsshows eine<br />

pikierte Dame, wie es denn so sei,<br />

viereinhalb Jahre Urlaub zu machen.<br />

Urlaub! Ich geh dann mal Abwaschen.<br />

Muss sein, lieber gleich, weil sonst das<br />

Chaos morgen noch schlimmer ist.<br />

Außerdem hab ich nur zwei Töpfe,<br />

mehr passen nicht in die Küche.<br />

Und warum diese traditionelle Rollenverteilung<br />

an Bord? Kann nicht<br />

Peter kochen oder abwaschen? Der<br />

navigiert. Und da wird mir richtig<br />

schlecht. Da koch ich lieber. Peter liest<br />

und empfängt die Wetterfaxe, wartet,<br />

starrt, versucht, sich zu konzentrieren<br />

und sein Appetit hält sich in Grenzen.<br />

Aber wie immer lobte er die Küche!<br />

Nur Finn aß immer begeistert. Wollte<br />

noch eine Portion. Fiel dann wieder<br />

in seine Koje und verlangte Nachspeise.<br />

Ich schmiss ihm einen Schokoriegel<br />

auf den Kopf. So, die Küche ist geschlossen,<br />

Seemonster!<br />

Da Sturmspaghetti in Wirklichkeit<br />

einfach aus dem gemacht werden, was<br />

gerade in der Kombüse herumliegt,<br />

gibt es dazu kein Rezept, aber dafür<br />

ein „all time favorite“ für hungrige<br />

SeglerInnen von 1–99 Jahren:<br />

Nutella- Palatschinken!<br />

<br />

AUSGABE 4/2021<br />

Guter Vorrat ist teuer<br />

Was krisenbedingte<br />

Einschränkungen an<br />

Land bedeuten, ist auf<br />

dem Ozean zu manchen Zeiten<br />

Normalität. Es bedeutet z. B.<br />

einfach, dass man auf Langfahrt<br />

ist – über den Atlantik,<br />

den Pazifik, den Indischen<br />

Ozean oder sonst wohin.<br />

Das Pro viantieren, das Vorsorgen<br />

für den Notfall, dieses<br />

Nicht-wegkönnen erinnert<br />

mich tatsächlich hie und da<br />

an das Leben auf dem Segelboot.<br />

Nur: Daheim ist das<br />

Wetter egal und der Kühlschrank<br />

riesengroß und<br />

richtig kalt!<br />

Wir sitzen zu dritt in der<br />

Woh nung „im selben Boot“<br />

und ge denken der vielen Wochen<br />

und Stunden, in dene<br />

diese Dreisamkeit zum großen<br />

Traum dazugehörte.<br />

Dennoch, dieses auf Vorratkaufen<br />

war mir schon damals<br />

keine Freude. Vorausschauend<br />

zu bunkern, zu organisieren,<br />

wo man was verstaut oder wie<br />

man frisches Gemüse und Obst<br />

an den unmöglichsten Orten<br />

an Bord unterbringt.<br />

Kürzlich las ich von einer<br />

Seglerin, die Computerlisten<br />

anlegt, in die sie eintippt, was<br />

es noch Essbares an Bord gibt –<br />

und daraus ergibt sich das Rezept<br />

fürs Abendessen. Etwa so:<br />

eine Paprika, eine halbe Gurke,<br />

zwei Tomaten, eine Packung<br />

Schafkäse = griechischer Salat.<br />

Wäre vielleicht auch an Land<br />

keine schlechte Idee!<br />

AUSGABE 3/2020<br />

Einfach ums Eck gehen, Brot und Milch holen? Geht nicht.<br />

Gemütlich auf dem Markt flanieren und da und dort<br />

Kleinigkeiten verkosten? Nicht möglich. Langsam durch die<br />

Gänge im Supermarkt spazieren und gustieren, was man am<br />

Abend kochen wird? Leider nein. In der Hoffnung, dass, wenn<br />

Sie diese Zeilen lesen, die Krise gebannt ist, möchte ich dennoch<br />

das Thema „Vorrat“ aufgreifen.<br />

THEMA NOTPROVIANT<br />

Der Skipper ist an Bord für die<br />

SOS-Box verantwortlich. Ein<br />

wasserdichter Plastikbehälter<br />

gefüllt mit Dingen, die das<br />

Überleben in der Rettungsinsel<br />

sichern. Also z. B. Schokolade.<br />

Bei einer spontanen Überprüfung<br />

dieser Box stellte ich fest,<br />

dass abseits von Angelzeug,<br />

Mini-Wassermacher, Medikamenten<br />

und Leuchtraketen nur<br />

mehr leeres Schokoladenpapier<br />

und eine halbe Packung ranziges<br />

Studentenfutter darin war.<br />

Der Skipper meinte, er wollte<br />

das gerade nachfüllen.<br />

Einmal fand ich beim Osterputz<br />

auf dem Schiff (heuer ist er<br />

coronischerweise ausgefallen)<br />

zwei Dosen Bohnen. Ablaufdatum<br />

2011. Nach einer genaueren<br />

Durchsicht des Gewürzregals,<br />

entdeckte ich Curry aus Sri<br />

Lanka. Ablaufdatum 2009. Ich<br />

verzichtete auf Bohnencurry …<br />

Sicher, im Notfall wäre ich<br />

glücklich gewesen über die gelungene<br />

Proviantierung, aber<br />

damals aßen wir dann doch lieber<br />

den frischen Pe corino und<br />

süße Kirschtomaten vom italienischen<br />

Markt. Und auf das<br />

freuen wir uns jetzt auch schon<br />

sehr!<br />

<br />

PS: Ein Gedanke fliegt jetzt zu<br />

unseren Freunden und allen anderen,<br />

die rund um die Erde auf<br />

ihren Segelbooten in Quarantäne<br />

hocken. Sicher gut proviantiert –<br />

aber eben nicht freiwillig! Fair<br />

Winds, bis ganz bald hoffentlich!<br />

OCEAN WOMAN <strong>2022</strong> 21


Schafskäse auf Tonga<br />

AUSGABE 6/2020<br />

Ann kocht gern, gut und gesund. Ich sitze im großen gemütlichen Salon der Magnum,<br />

einem wirklichen Kuschelschiff. Vor den Salonfenstern ein Königreich: Tonga.<br />

FOTOS: SHUTTERSTOCK<br />

Ann ist Irin, verheiratet mit<br />

dem nach Kalifornien ausgewanderten<br />

deutschen Architekten<br />

Uwe. Aus der Kinderkoje<br />

hört man Kinder lachen. „Findet<br />

Nemo“ zum x-ten Mal – der Lieblingsfilm<br />

aller Segelkinder damals.<br />

Ann hackt gerade Pignolienkerne.<br />

Auf Tonga gekauft? Aus Panama –<br />

vakuumverpackt. Kürbisstücke<br />

rösten im Ofen. Kürbis aus Fiji,<br />

hält ewig.<br />

Apropos Fiji. Was für eine Überfahrt!<br />

Ann: „Rough seas. I fail to<br />

understand how anyone can enjoy<br />

that.“ Ja, ich versteh’ die Leute auch<br />

nicht, die Starkwind so toll finden.<br />

Größte Angst? „Mann über Bord!“<br />

– und damals, als Ann nach der Beinahe-Kollision<br />

in Indonesien das erste<br />

Mal in ihrem Leben Valium nahm<br />

und trotzdem nicht einschlafen<br />

Anns Penne mit Kürbis und Schafskäse<br />

1,5 kg Kürbis in 2 cm-Würfel, 1 TL Rosmarin,<br />

4 zerdrückte Knoblauchzehen,<br />

2 EL Olivenöl, 500 g Penne, 1 EL Butter,<br />

1 geschnittene Zwiebel, 1 EL<br />

Honig, ½ l Brühe,<br />

150 g Schafskäse<br />

zerbröselt,<br />

Parmesan.<br />

konnte. Dennoch, welch ein Glück,<br />

diese Reise machen zu dürfen! Das<br />

„special bond“, Töchterchen Karas<br />

besondere Bindung zu ihren Eltern.<br />

Viele Eltern kennen ihre Kinder gar<br />

nicht, meint Ann – ich stimme ihr<br />

zu. Die Nähe, die man durch eine<br />

gemeinsame Reise mit seinen Kindern<br />

aufbaut, ist eines der größten<br />

Geschenke, die man ihnen und sich<br />

selbst machen kann.<br />

Penne ins kochende Salzwasser.<br />

Ich nehme noch schnell den letzten<br />

Schluck irischen Tee – köstlich. Ein<br />

Glas Rotwein steht bereit. Auch<br />

köstlich. Hier erinnert gar nichts<br />

an Schiffsküche, wie sich das manche<br />

vorstellen. Kein Dosenfutter<br />

oder Plastikgeschirr weit und breit.<br />

Ann krümelt Schafskäse über den<br />

gerösteten Kürbis. Schafskäse auf<br />

Tonga?<br />

Kürbiswürfel mit Knoblauch und 1 El Olivenöl in einer Pfanne in den vorgeheizten<br />

Ofen geben, bei 200 °C gut 30 Minuten rösten, bis der Kürbis<br />

goldfarben und weich ist. Penne bissfest kochen und mit der Butter mischen.<br />

Die Zwiebel für 3 bis 5 Minuten in der Pfanne mit dem restlichen<br />

Olivenöl an braten, den Honig beifügen und 2 Minuten braten, bis der Zwiebel<br />

karamellisiert. Brühe einrühren und weitere 7 Minuten leicht köcheln<br />

lassen, bis die Brühe etwas einreduziert ist. Weichen Ofenkürbis damit<br />

übergießen und mit Schafskäse einige Minuten überbacken.<br />

Tipp: Schafskäse ist gekühlt bis zu 3 Wochen haltbar! Schafskäse in Öl<br />

hält auch ungekühlt monatelang.<br />

„Yes!“ Entdeckt auf Fiji, Ursprung<br />

Neuseeland, eigenhändig<br />

in Öl eingelegt. Dann holt Ann<br />

auch noch ein großes Stück Parmesan<br />

aus dem Kühlschrank.<br />

DEN PAPRIKA DENKE MAN DAZU<br />

Vakuumgerät ist eines der Musthaves<br />

in der Galley einer Fahrtenseglerin,<br />

beteuert Anne.<br />

Parmesan, gekauft auf Tahiti vor<br />

zwei Monaten. Ich nasche heimlich<br />

vom frisch geriebenen Käse. Die<br />

bissfesten Penne werden auf den<br />

Tellern verteilt, darüber die mit<br />

Schafskäse überbackenen saftigen<br />

Kürbisstücke. Zum Schluss Pignolienkerne<br />

und, falls vorhanden,<br />

frischer Tomatensalat! Mit Basilikum<br />

(!), gekauft auf dem Gemüsemarkt<br />

des kleinen Örtchens auf der<br />

Insel Neiafu, deren Lichter sich im<br />

ruhigen Wasser der Ankerbucht<br />

spiegeln.<br />

Zum Nachtisch kramt Ann aus<br />

dem Kühlschrank Schokolade –<br />

meist ist das Gesuchte ganz unten<br />

und dann holt man bei rollendem<br />

Schiff alles raus und räumt es<br />

wieder ein. „A pain!“, da werden<br />

wohl viele beipflichten! Zum Abschluss:<br />

frisch gemahlener Kaffee!<br />

Nächstes Must-have an Bord – eine<br />

Kaffemühle.<br />

Ann schenkt mir zum Abschied<br />

ein Stück Schafskäse. Gleich am<br />

nächsten Morgen erforsche ich auf<br />

eigene Faust den Inselmarkt und<br />

entdecke nicht nur herrlich aromatische<br />

Tomaten, sondern auch Gurken.<br />

Zwiebel sind immer an Bord<br />

und die Paprika denken wir uns<br />

dazu, als wir den fast ori ginal griechischen<br />

Salat essen.<br />

Oliven? Natürlich an Bord! Und<br />

griechische Weinblätter. Wenn<br />

schon Dosen, dann diese! <br />

22


Sam und die Wikinger<br />

AUSGABE 3/2021<br />

Sicher, manchmal ist es nicht so toll, das Segeln. Aber wenn man dabei ist,<br />

sein Leben zu ändern, gib es eben auch schlechte Tage, oder?<br />

Samantha, kurz Sam genannt,<br />

tauchte mit dem Kopf aus<br />

dem Niedergang der Windcharger<br />

auf. Neben ihr Jessica, vier<br />

Jahre, blonde Korkenzieherlocken,<br />

dann Ehemann Lloyd – Colin Firth<br />

– die jüngere Version – müsste sich<br />

fürchten, würde Lloyd statt zu segeln<br />

schauspielern!<br />

Und dann krähte von unten „little<br />

Tom“, das Baby an Bord, ein Jahr alt.<br />

Das war Familie Robinson! Die hießen<br />

wirklich wie die berühmte Aussteigerfamilie<br />

und lebten seit zwei<br />

Jahren auf dem Schiff, als wir sie in<br />

Lanzarote kennenlernten. Eigentlich<br />

sollte Lloyd Atom-U-Boote schüt-<br />

zen für England, aber irgendwann<br />

setzte er sich zu den Greenpeace -<br />

leuten vor der Marine-Basis und<br />

trank mit ihnen Tee. Sam vermietete<br />

er seine Wohnung – er war ihr<br />

„Landlord, wie es so schön poetisch<br />

im Englischen heißt. So lange, bis<br />

Sam die Miete nicht mehr zahlen<br />

konnte, dann heiratete er sie. So zumindest<br />

seine Version.<br />

Beim ersten Date erzählte er Sam<br />

von seinem Traum, auf dem Schiff<br />

zu leben. Und Sam sagte: „Ok<br />

then!“ Sam war von ihrem Job als<br />

Bank angestellte völlig ausgepowert<br />

und perspektivelos. Nach Jessicas<br />

Geburt suchten Sam und Lloyd ein<br />

Schiff, zeugten little Tom, lebten<br />

die erste Zeit in Portugal in einem<br />

Fluss, wagten dann den Törn in den<br />

Atlantik. „It’s hard work“, gestand<br />

mir Sam – ein kleines Mädchen<br />

und ein Baby auf einem Schiff. „Es<br />

ist wie eine große Lupe auf unserer<br />

Beziehung.“<br />

Vor den Nächten auf See hatte<br />

Sam entsetzliche Angst. Einmal war<br />

sie sicher, ein Container würde sie<br />

gleich rammen und sie überlegte<br />

krampfhaft, welches ihrer Kinder<br />

sie zuerst retten müsste und wo sie<br />

die verdammte Babyschwimm weste<br />

verstaut hatte. Aber es passiert<br />

nichts in diesem Augenblick.<br />

In diesem „Augenblick“, in dem<br />

Sam, seit sie segelten, zu leben versuchte.<br />

Echte Herausforderung, wobei<br />

– wenn ihr Jessica um die Ohren<br />

fegte und little Tom Flip-Flops über<br />

die Rehling warf, gab es nichts anders<br />

im Leben.<br />

OH MY GODNESS!<br />

Außer Lasse. Der 20-jährige dänische<br />

Wikinger heuerte als Crew<br />

über den Atlantik an und klein Jessica<br />

hing anbetungsvoll an seinen<br />

Lippen. Wenn Lasse „nein“ sagte,<br />

war es ein „Nein“. Wow – und Sam<br />

hatte Zeit, etwas zu lesen und sich<br />

zu rasieren! Mit Schamesröte im<br />

Gesicht erzählte sie mir, wie sie in<br />

Lanzarote das elegante Marina -<br />

schwimmbad besuchte und zurück<br />

auf dem Schiff Wildwuchs an bestimmten<br />

Stellen ihres Körpers<br />

bemerkte. Oh my goodness! Mir ist<br />

das damals nicht aufgefallen, Sam<br />

könnte einer Jane-Austen-Verfilmung<br />

entsprungen sein.<br />

Und die Liebe zu Lloyd? „I trust<br />

him with my life.“ Sicher, manchmal<br />

ist es nicht so toll, das alles. Aber<br />

wenn man dabei ist, sein Leben zu<br />

ändern, gibt es eben auch schlechte<br />

Tage, oder? Außerdem, irgendwie<br />

glaubte Sam, dass die schlimmen<br />

Dinge woanders passieren.<br />

Auf der Windcharger spielten sie<br />

Scrabble am Abend, redeten miteinander,<br />

hatten die Kinder ganz nah,<br />

keiner zu Hause konnte sich das<br />

vorstellen und Sam konnte sich<br />

nicht mehr vorstellen, zu Hause zu<br />

leben, jeden Abend fernzusehen,<br />

wie ihre Mutter.<br />

Als wir kurz vor Weihnachten in<br />

die Piratesbay auf Tobago einsegelten,<br />

winkten uns die Robinsons an<br />

Bord – es gab frisch gebackenes Coconut<br />

Bread zum frisch gefangenen<br />

Tuna! Oh my goodness!<br />

<br />

Sams Tobago inspired Coconut Bread<br />

Zutaten Basic: 1 Dose Kokosnussmilch,<br />

250 ml Wasser, 2 EL Zucker, 1 EL Hefe<br />

(1 Pkg. Trockenhefe), 1 kg Mehl, 1 Eigelb<br />

Zubereitung: Alle Zutaten zu einem geschmeidigen<br />

Teig verkneten, acht Kugeln formen. Diese in eine bemehlte<br />

Backform (z. B. Auflaufform) nebeneinander setzen, 1 Stunde<br />

gehen lassen. 35 Minuten bei 200 °C backen.<br />

Luxus: Eine frische Kokosnuss! Von einer Palme herunterholen, mit einer Machete<br />

aufschlagen, das Kokosnussfleisch fein reiben und auspressen – so erhält man die<br />

fruchtige Kokosmilch.<br />

Tipp: Den Teig ordentlich kneten und in die Schüssel knallen! Sam: „The perfect<br />

workout to tone your arms!”<br />

OCEAN WOMAN <strong>2022</strong> 23


24<br />

Mein Mann,<br />

der Fischer<br />

Das fiel mir als erstes auf: Es war das Flackern in den<br />

Augen eines Jägers! Es sagte: Ich ernähre meine Familie!<br />

Mit meinen eigenen Händen! Ich sorge, dass etwas über<br />

dem Feuer brät und alle satt werden. Männer sind eben<br />

Jäger. Und manchmal auch Fischer.<br />

24 OCEAN WOMAN <strong>2022</strong>


Erstmals fiel „es“ mir auf,<br />

als wir von Gibraltar nach<br />

Lanzarote segelten. Wir waren<br />

vier Tage auf See. Das<br />

war damals für uns wirklich lange –<br />

zu Beginn unserer Weltumsegelung!<br />

Mein Mann Peter hatte seine diversen<br />

Schleppangelsysteme quer<br />

durchs Mittelmeer gezogen, ohne<br />

Erfolg. Er wirkte deswegen nicht<br />

weiter deprimiert. Schuld war die<br />

Fischlosigkeit des Mittelmeers. Ich<br />

stimmte ihm zu, nachdem ich die<br />

superteuren Minifische in diversen<br />

kroatischen Konobas gesehen hatte.<br />

Wer weiß, woher die stammten?<br />

Nordsee?<br />

PLÖTZLICH EIN SCHREI<br />

Und da waren wir nun im großen<br />

Atlantik. Mit Spinnaker gemütlich<br />

aus Tarifa rausgesegelt, weder<br />

Monsterwellen noch Mörderströmungen<br />

in der verrufenen Straße<br />

von Gibraltar waren uns in die Quere<br />

gekommen. Herrlich, eine Stunde<br />

lang – dann drehte der Wind und<br />

die nächsten 24 Stunden wusste ich,<br />

was der alte Odysseus mit Seemonstern<br />

und Skyllen gemeint, dass er<br />

ein Ende der Scheibe genau hier befürchtet<br />

hatte und deswegen nie hinausgesegelt<br />

war.<br />

Wie auch immer – irgendwann<br />

am nächsten Morgen, nach einer<br />

stürmisch durchwachten Nacht,<br />

beruhigten sich die Seeungeheuer.<br />

Ich war in einen traumlosen Erschöpfungsschlaf<br />

gefallen. Und erwachte<br />

von einem Schrei. Panisch<br />

stürzte ich aus der Koje an Deck,<br />

Schreckensvisionen a la „Peter<br />

über Bord“ oder „Mast gebrochen“<br />

flackerten kurz auf – aber da sah<br />

ich ihn.<br />

Der Skipper stand am Heck<br />

des Schiffes, die durchgebogene<br />

Schlepp angel in der Hand. Irgendetwas<br />

schien angebissen zu haben.<br />

Etwas großes. Etwas sehr großes.<br />

Mit verbissenem Gesicht kurbelte<br />

Peter an der Angel und schrie in<br />

kurzen Abständen: Fisch! Fisch!<br />

Ich hab einen Fisch! Ich und der<br />

inzwischen aufgewachte Finn beobachteten<br />

eine Szene, die bald völlig<br />

normal sein würde, aber gerade<br />

in diesem Augenblick eine Premiere<br />

der besonderen Art war.<br />

Nach endlosen Minuten sahen wir<br />

einen Schatten am Ende der Angelleine<br />

im Wasser. „Gleich hab ich dich“,<br />

keuchte mein Ehemann. Ich weiß<br />

nicht, wie er dieses Ding an Bord<br />

kriegen wollte, aber er schien absolut<br />

darauf versessen. Und endlich, landete<br />

die riesige Dorade mit einem<br />

lauten Klatsch auf unserem Deck.<br />

Locker ein Meter.<br />

Fast so groß wie der sechsjährige<br />

Finn damals. Ich hatte noch nie einen<br />

so großen Fisch so nah gesehen. Und<br />

er kämpfte. Peter auch. Beide kämpften.<br />

Und Peter – damals noch Fischer-Greenhorn<br />

– langte nach der<br />

Winschkurbel, und ... naja, die Details<br />

erspar’ ich Ihnen. Es war blutrünstig.<br />

Als die Golddorade schließlich<br />

in die ewigen Fischgründe<br />

eingegangen war, hob der blutbespritzte<br />

Peter sie (oder das was von<br />

ihr übrig geblieben war) auf und<br />

blickte uns stolz an. Und da fiel „es“<br />

mir auf: Das Flackern in den Augen<br />

eines Jägers! Ich ernähre meine Familie!<br />

Mit meinen eigenen Händen! Ich<br />

sorge, dass etwas über dem Feuer brät<br />

und alle satt werden.<br />

So sollte es bleiben. Peter tüftelte<br />

seine speziellen Angelkonstruktionen,<br />

Ködervorrichtungen, Hakenvariationen<br />

in den nächsten Jahren aus.<br />

250 Meter Angelleine mit einem Meter<br />

Stahlvorfach, kein Anglergeschäft<br />

war mehr vor ihm sicher, jedes Gespräch<br />

mit Seglerfreunden ließ dieses<br />

Thema aufkommen. Rosa Oktopus<br />

für Doraden, rot-orange für kleine<br />

Thunfische, grün für den Wahoo.<br />

Interessanterweise wich die sündteure<br />

Hochseeangelspule einem simplen<br />

Plastikreifen aus der Karibik,<br />

bei dem die Leine nur händisch aufgewickelt<br />

wurde. Dies kombinierte<br />

Peter mit einem Gummizug, an dem<br />

eine leere Coladose befestigt war –<br />

diese Kons truktion weckte sogar den<br />

müdesten Nachtwachenschieber,<br />

wenn ein Fisch biss. Gerade bekomme<br />

ich noch einen fachlichen Hinweis<br />

aus dem Hintergrund: Der<br />

Gummizug bewirkt auch, dass der<br />

Köder wie ein echter Squid durch<br />

die Wellen tanzt!<br />

Und immer wieder dieses Flackern<br />

in den Augen des Jägers. Manchmal,<br />

da konnte Peter kaum aufhören –<br />

zum Beispiel im Roten Meer in Eri -<br />

trea, so unberührt und deswegen<br />

wohl fischreich, dass man eine Ahnung<br />

davon bekam, wie es mal im<br />

Mittelmeer war – vor sehr langer<br />

Zeit. Thunfisch war ein Normalfang.<br />

Irgendwann hatte ich ihn kurz angebraten<br />

mit Wasabi und Soja satt und<br />

panierte die Steaks! Fast wie Backhendl!<br />

Aber nichts ging über eine Golddorade.<br />

Götterspeise. So etwas Gutes<br />

Peter tüftelte seine<br />

speziellen Angel -<br />

konstruk tionen, Köder -<br />

vorrichtungen, Hakenvariationen<br />

in all den<br />

Jahren auf See aus.<br />

OCEAN WOMAN <strong>2022</strong> 25


hatten wir noch nie gegessen. Die<br />

Dorade schmeckte nicht nach Fisch.<br />

Der Fisch, den wir aus dem Fischgeschäft<br />

kennen, ist nie wirklich frisch<br />

und fischelt deswegen. Frischer<br />

Fisch schmeckt nach Ozean und<br />

Salz und Paradies.<br />

So wie mein Mann langsam zu einem<br />

Profifischer wurde, lernte ich<br />

die Fischrezepte einer Weltumsegelung<br />

kochen, den Kokosfisch der<br />

Kuna-Indianer, den kreolischen<br />

Fisch der Kariben, südamerikanisch<br />

gebackenen Fisch, den Poisson cru<br />

aus Tahiti – roher Fisch mit Kokosmilch,<br />

Chili und Tomaten – das<br />

scharfe Sri Lanka Fish-Curry und<br />

immer wieder zur Belohnung für<br />

den Jäger sein Lieblingsrezept: Serbische<br />

Fischsuppe! Mit frischen Tomaten<br />

(falls noch vorhanden) und<br />

viel Zwiebel und Chili! Bald tötete<br />

Peter seine Beute kurz und (ich hoffe)<br />

schmerzlos.<br />

Ein gezielter Stich in die Kiemen,<br />

Richtung Gehirn. Fest hielt er den<br />

Fang mit seinen Spezial-Fischerhandschuhen<br />

(besorgt in Panama) –<br />

die waren rau, damit nichts davon -<br />

glitschte. Er filetierte die Steaks<br />

professionell mit einem höllisch<br />

scharfen Filetiermesser aus Tahiti.<br />

Dabei vergaß er nie, sich vor all diesen<br />

Handlungen beim Fisch, der<br />

uns Nahrung schenken würde, zu<br />

entschuldigen und zu bedanken.<br />

Wie ein Indianer. Die waren ja auch<br />

Jäger.<br />

Mein Mann, der Fischer. Mein<br />

Mann, der Jäger. Irgendwie hat so<br />

eine Weltumseglung schon was<br />

ganz schön Archaisches. Bin ja nur<br />

froh, dass er mich nicht an den Haaren<br />

in die Kombüse zerrte!<br />

Interessanterweise blieb ihm das<br />

Flackern in den Augen, sobald von<br />

Fisch die Rede war. In Österreich<br />

lud uns ein guter Freund zum Fliegenfischen<br />

ein und flugs, beim ersten<br />

Wurf, hing bei Peter eine Forelle<br />

dran! Der Freund war baff, der Jäger<br />

befriedigt und ich verschwand in<br />

der Küche, auf der Suche nach einem<br />

Süßwasserfischrezept!<br />

DARF MAN DAS?<br />

So war das mit dem Fischen an<br />

Bord! Irgendjemand sah kürzlich eines<br />

unsere Fischfangfotos und fragte:<br />

„Darf man das denn?“ Ich denke,<br />

wir Fahrtensegler dürfen das. Eigenbedarf.<br />

Von den koreanischen<br />

Schwarzfischerflotten mitten im Pazifik,<br />

die uns tunlichst auswichen,<br />

wollen wir das mal nicht behaupten.<br />

Und hier in Wien essen wir keinen<br />

Meeresfisch. Nicht frisch genug.<br />

Und von wem, wie, und wann gefischt,<br />

weiß man da ja auch nicht.<br />

Jäger und Tiefkühltruhe passen<br />

nicht zusammen, findet mein Jäger.<br />

Auch wenn Fisch gesund ist – wie<br />

alle sagen. Und dabei die Meere<br />

ausbeuten. Weit über den Eigenbedarf,<br />

für Sushis am Bauernhof oder<br />

Thunfischsteaks beim Wirt ums<br />

Eck. Da hilft auch kein Entschuldigen<br />

mehr. Wie bei den Indianern.<br />

Aber von denen gibt es ja auch nicht<br />

mehr sehr viele. <br />

<br />

Klingt brutal, ist aber die schnellste Möglichkeit,<br />

den Fisch zu töten: ein Stich durch die Kiemen.<br />

Was nicht sofort gegessen werden<br />

kann, wird luftgetrocknet.<br />

26 OCEAN WOMAN <strong>2022</strong>


Der Ozean,<br />

die Wüste und<br />

der pure Luxus<br />

Ilse ist fast studierte Ägyptologin. Geschichte und die Wüste, das<br />

ist ihr Ding. Ein Leben auf dem Schiff stand nicht auf ihrem Plan.<br />

Aber so ist eben das Leben.<br />

Denn wer hätte vorausgesagt,<br />

dass die hochbeschäftigte<br />

Projektmanagerin aus Dornbirn im<br />

Sinai beim Tauchurlaub den Maschinenbauer<br />

Helmut trifft, ihre Karriere<br />

abrupt beendet und auf dem gemeinsamen<br />

Segelboot Esperanza um die<br />

Welt segelt? Und zuvor noch mit<br />

Ende 48 in Wien zu studieren beginnt<br />

– nämlich das, was sie wirklich<br />

interessiert. Ägyptologie!<br />

Ilse zieht noch einmal gemächlich<br />

an ihrer Zigarette und betritt den<br />

Salon der Esperanza. Die Küche aufgeräumt<br />

und übersichtlich. Wenn es<br />

ganz wild ist beim Segeln – wie bei<br />

der Überfahrt von Neuseeland hierher<br />

nach Neukaledonien –, dann<br />

kann Ilse nur mehr lachen. Lauthals<br />

lachen, wie verrückt das alles ist.<br />

Lieber wäre sie sowieso damals ins<br />

warme Australien weitergesegelt als<br />

nach Neuseeland, denn für ihren<br />

Geschmack regnet es im Land der<br />

Weißen Wolke zu oft.<br />

„Ich hab es gern warm.“ So wie<br />

hier in Noumea. Ilse spricht perfekt<br />

Französisch, ihr geschiedener Ehemann<br />

war Bretone. Sie drückt die<br />

Zigarette aus und widmet sich dem<br />

Thunfischsteak. Heute gibt es Thunfisch-Carpaccio.<br />

Wenn Essen, dann muss es fein<br />

sein. Ilse ist schlank, immer lässig,<br />

ungezwungen gekleidet. Das ist<br />

AUSGABE 6/2021<br />

auch ihre Art. Grantig wird sie nur,<br />

wenn der Helmut in seinen Reparaturwahn<br />

verfällt. Er liebt es zu<br />

reparieren und am besten ist, man<br />

schenkt ihm zum Geburtstag was<br />

Kaputtes.<br />

Wenn es so weit ist, verzieht sich<br />

Ilse mit ihrem Sudoku. Wie schon<br />

gesagt, Kochen muss schnell gehen.<br />

Außer es ist Rindfleisch, denn das<br />

braucht Zeit. Und dann muss das<br />

Fleisch natürlich gut sein. Schwierig<br />

auf so einer Reise. Auch mit der<br />

Wurst. Da lassen die beiden sich<br />

schon mal einen Speck von zu<br />

Hause mitbringen!<br />

An Deck sehe ich das riesige Ruder<br />

der Esperanza. Wie soll die zarte<br />

Ilse dieses beherrschen? Genauso,<br />

wie sie in 30 Metern Tiefe taucht.<br />

„Ich liebe das Meer und die Wüste.“<br />

Verrückt? Einige Zeit später im<br />

Oman wird sie wieder lachen, weil<br />

sich ein paar Einheimische daran<br />

Thunfisch-Carpaccio<br />

Noumea auf Neukaledonien ist<br />

ein beliebtes Etappenziel für Weltumsegler.<br />

Ich traf dort Ilse aus<br />

Vorarlberg und genoss an Bord ihr<br />

vorzügliches Thunfisch-Carpaccio.<br />

Zutaten Basic: 400 g Thunfisch oder mehr … je nach Fang! 1 Zehe Knoblauch,<br />

1 kleine Zwiebel, 1 EL Olivenöl, Saft einer Limette, Pfeffer, Salz.<br />

Zubereitung: Thunfisch ganz fein schneiden. Kann<br />

ruhig nudelig werden – ein Anfrieren, um dünne<br />

Scheiben zu bekommen, kostet auf dem Schiff<br />

zu viel Strom. Meist ist auch keine Tiefkühltruhe<br />

vorhanden. Zwiebel und Knoblauch<br />

fein schneiden. Auf Thunfisch-Carpaccio<br />

verteilen, etwas Olivenöl und Limettensaft<br />

darüber träufeln. Mit einer Prise schwarzem<br />

Pfeffer und etwas Salz auf einem Baguette<br />

servieren. Dieses Essen ist der pure Luxus<br />

an Bord eines jeden Weltumseglers!<br />

stießen, dass sie rauchte! Eine Frau!<br />

Im Beduinenzelt geschlafen – mitten<br />

in der Wüste – dieser Sternenhimmel.<br />

Wie auf dem Ozean.<br />

SMOKE ON THE WATER<br />

„Guat“, sagt die Vorarlbergerin,<br />

„Schifoahrn is super, zum Schwimmen<br />

bin ich zu faul und Kuchen hab<br />

ich noch nie gebacken.“ Nadja, ihrer<br />

Tochter, die wir in Thailand kennenlernen,<br />

hat es nicht geschadet. Im<br />

Gegenteil. Die zwei wirken wie<br />

gute Freundinnen. Heute ist Ilse<br />

Großmutter. Sicher die lässigste<br />

Großmutter dieser Erde – welche<br />

Oma hat schon wie Welt umsegelt?<br />

Vorsichtig das ganz fein, fast<br />

nudelig geschnittene Carpaccio<br />

noch mit Limette besprenkelt und<br />

auf einem Baguette serviert. Fertig.<br />

„Bon appétit! Fangt schon mal<br />

an“, sagt Ilse, lehnt sich ans Ruder<br />

und raucht noch eine.<br />

<br />

OCEAN WOMAN <strong>2022</strong> 27<br />

FOTO: SHUTTERSTOCK FOTO: SHUTTERSTOCK


FOTO: SHUTTERSTOCK<br />

28 OCEAN WOMAN <strong>2022</strong>


Her mit den<br />

knusprigen Baguettes<br />

Es war eine lange, schwierige Überfahrt von Neuseeland nach<br />

Neu kaledonien, in schlechtem Wetter, im Sturm. Der Kapitän<br />

grippekrank in der Koje, die Bordfrau führte das Schiff …<br />

Bon Appetit! Man könnte<br />

wieder einmal über das<br />

Essen schreiben. So mancher<br />

könnte jetzt denken,<br />

eine Weltumsegelung macht dick.<br />

Möglich. Wären da nicht immer<br />

wieder diese Überfahrten gewesen.<br />

Segeln ist Sport! Die Überfahrt<br />

zwischen Neuseeland und Neukaledonien<br />

bewies das so richtig. Wir<br />

hatten Sturm. Wir waren zu spät<br />

losgefahren, hatten das berühmte<br />

Wetterfenster um ein paar Tage<br />

verpasst; oder es uns … Wellen?<br />

Naja – sieben Meter? Oder mehr?<br />

In jedem Fall auch eine Story wert,<br />

mit grippekrankem Kapitän und<br />

Gegenwind. Peter meinte dann<br />

beim ersten Café au lait in Neukaledonien:<br />

„Diese Fahrt war deine<br />

Meisterprüfung!“<br />

Wir waren auf der Île des Pins<br />

im Süden Neukaledoniens gelandet,<br />

einem Tropentraum. Puder -<br />

zuckerstrand, Traum landschaft,<br />

Türkiswasser. Die ersten Tage<br />

verbrachten wir mit Strandläufen,<br />

Lagerfeuer, Markt gehen, Land<br />

kennenlernen. Bananen, die wie<br />

Bananen schmecken und Passionsfrüchte<br />

vom Baum.<br />

Die schönen Ausleger-Kanus<br />

der Einheimischen zogen über die<br />

glitzernde Lagune und schon war<br />

die schlimme Überfahrt vergessen.<br />

Wir spinnen, wir Segler! Wir holten<br />

uns am Morgen unsere Baguettes<br />

vom Bäcker, schmierten zu<br />

Mittag den Camembert drauf und<br />

genossen am Abend am Strand mit<br />

den Füßen im Sand ein Gläschen<br />

Vin aux rouge. Frankreich und<br />

Tropen – das ist einfach lässig, so<br />

wie Martinique in der Karibik. Ach,<br />

und diese buttrigen Croissant …<br />

Auf dem Weg nach Nouméa, der<br />

Hauptstadt der Insel, ging dann<br />

wieder ein Thunfisch an die Angel.<br />

Nette Abwechslung zum Kohle -<br />

hydrat-Überschuss!<br />

Dass nirgends das Paradies ist,<br />

wissen wir ja und spürten die sozialpolitischen<br />

Spannungen zwischen<br />

Ureinwohnern, „Kanaken“<br />

genannt, und den Franzosen, als<br />

an einem quirligen Markttag mehr<br />

Polizisten als Kochbananen zu sehen<br />

waren. Und das heißt etwas in<br />

der Südsee!<br />

Am Tag darauf trampten wir ins<br />

Centre Culturel Tjibaou. Das grandiose<br />

Kulturzentrum, gebaut vom<br />

OCEAN WOMAN <strong>2022</strong> 29


So knusprig wie in<br />

Paris – Baguettes<br />

à discretion.<br />

Fischerbojen und Netze<br />

– Spielzeug für die<br />

Kinder der Île Casy.<br />

Bunte Tücher –<br />

die Farben der<br />

exotischen Inseln.<br />

berühmten Architekten Renzo Piano,<br />

mit den silbern in der Sonne<br />

funkelnden Holztürmen, wirkt wie<br />

eine Verbeugung vor den Bräuchen<br />

und Ritualen der Einheimischen.<br />

Wir lernten über das Leben der Kanaken<br />

und über ihren etwas skurrilen<br />

Ursprung. Ein Zahn wurde von<br />

einem Geist auf einen Felsen gesetzt<br />

und begann unter der Wärme<br />

des Mondes zu verfaulen. Die Teile,<br />

die ins Wasser fielen, wurden zu<br />

Aalen (Zeichen der Fruchtbarkeit)<br />

und Schlangen (die es heute noch<br />

gibt, und zwar sehr giftige!), die<br />

Teile, die am Felsen blieben, zu Eidechsen<br />

und Pflanzen.<br />

Und so konnte der erste mythische<br />

Mensch „Tea Kanake“ sein<br />

Volk gründen. Pflanzen leiteten<br />

immer das Leben der Kanaken.<br />

Die Banane, die Weiblichkeit;<br />

die Taroknolle, die aus Respekt nie<br />

geschnitten, sondern nur gebrochen<br />

wird; die Pinien, die den Weg<br />

zum Haus des Chefs zeigen; die<br />

Cölus Gräser, die jedes Haus beschützen;<br />

und die Seerose, die<br />

man nicht respektlos berühren<br />

darf, will man nicht böse Geister<br />

an Land ziehen.Da musste ich<br />

gleich an den Holunderbaum denken,<br />

der sich oft an alpenländische<br />

Bauernhöfe schmiegt und vor bösen<br />

Geistern schützt!<br />

FOTO: NOUVELLE-CALÉDONIE TOURISME POINT SUD<br />

Renzo Pianos Architektur<br />

im Kulturzentrum.<br />

„Vive la France!<br />

Auch in den Tropen …“<br />

Freundlicher Fischer<br />

auf der Île de Pins.<br />

Ankern vor der Post karte:<br />

die Insel Nokan Hui.<br />

FRISEUR DE MALHEUR<br />

Wir saßen auf einem kleinen Bankerl<br />

mit Blick auf den Pazifik und<br />

die Holztürme – und wir spürten<br />

den wunderbaren Zauber der<br />

Kunst und der alten Geschichten.<br />

Und die Franzosen? Die hübschesten<br />

Frauen seit langem spazierten<br />

hier durch Noumeas Straßen, geschmackvolle<br />

Geschäfte neben<br />

zahllosen chinesischen Ramschläden,<br />

Boulangerien, Patisserien –<br />

oui, oui, merci!<br />

In einem weiteren Kulturcenter<br />

genossen wir eine französisch-kanakische<br />

Jazzcombo. Offensichtlich<br />

ist es immer die Kultur, die<br />

die Leute zusammenbringt. Und<br />

das Surfen! Natürlich konnte Peter<br />

30 OCEAN WOMAN <strong>2022</strong>


In Neukaledonien trainieren<br />

die Weltmeister im Surfen.<br />

Exotisches Unterwasser-Erleben<br />

im „Acquarium des Lagons“.<br />

Blick von der Kathedrale Saint Josef<br />

über die Bucht von Moselle in Noumea.<br />

die windumtosten Surfstrände<br />

nicht unbeachtet lassen. Der Kite-<br />

Weltmeister kam in diesem Jahr<br />

aus Nouvelle Caledonie.<br />

Im „Aquarium des Lagons“ sahen<br />

wir Nautilus-Schnecken, die<br />

in Neukaledonien zu Hause sind.<br />

In einem verdunkelten Raum<br />

schwebten sie in einem Wasserbecken<br />

– seltsame, seltene Meerestiere.<br />

Sie leben in 300 Meter Meerestiefe<br />

und ihre Vermehrung ist<br />

ungeklärt. Noch nie hat jemand<br />

kleine, junge Tiere gesehen.<br />

Ich kaufte mir französische, nach<br />

Marillen duftende Sonnencreme<br />

und ging zum Friseur. Friseur de<br />

Malheur. Es war gut, dass wir uns<br />

zur Weiterfahrt nach Vanuatu bereit<br />

machten. Der schicke Sonnenhut<br />

à la Parisienne tat sein übriges.<br />

Wir passierten noch die Baye de<br />

Prony und staunten über die auf-<br />

gegrabenen Berge um uns – Erz -<br />

vorkommen, Nickel, Gold!<br />

Freunde, die in den geschützen<br />

Buchten schon seit Jahren einige<br />

Segelmonate verbringen, wanderten<br />

mit uns auf einen unberührten<br />

Berg. Dort hatten Besucher einen<br />

Steinhaufen aufgetürmt. Wir legten<br />

unsere Schiefer dazu und blickten<br />

Neukaledonien<br />

Das zu Frankreich gehörende Inselarchipel Neukaledonien<br />

liegt vor der australischen Nordostküste. Die Küstenlinie<br />

verfügt über eine Gesamtlänge von 2.254 km, der höchste<br />

Punkt der Insel ist der Mont Panie auf der Insel Grande<br />

Terre mit 1628 m. Auf der Hauptinsel Grande Terre erwartet<br />

Sie die größte Lagune der Welt, ein Paradies für Strandliebhaber.<br />

Neukaledonien hat aber noch mehr zu bieten –<br />

wunderschöne Tauchgebiete, ein mildes Klima, eine kontrastreiche<br />

Landschaft, eine faszinierende, exotische Fauna<br />

und Flora, und ganz wichtig, herzliche Menschen, welche<br />

die Bräuche und Sitten ihrer unterschiedlichen Kulturkreise<br />

besonders pflegen.<br />

Bevölkerung. Ca. 240.000 Einwohner, davon 50 % Melanesier<br />

oder Kanaken.<br />

in die blaue Ferne: Mit diesem<br />

Ritual verspricht man, wieder<br />

zurückzukommen nach Neukaledonien.<br />

Um es zu genießen, das französische<br />

Leben in den Tropen –<br />

la vie en rose oder en bleu oder<br />

en vin aux rouge oder ganz wie<br />

man will! <br />

<br />

Hauptstadt/internationaler Flughafen. Nouméa auf<br />

der Hauptinsel Grande Terre.<br />

Sprache. Die Amtssprache ist Französisch, es werden<br />

allerdings gut 30 melanesische Dialekte gesprochen.<br />

Geld. Die Landeswährung ist der Pacific Franc (CFP-<br />

Franc), der in einem festen Verhältnis zum Euro steht.<br />

Klima und Reisezeit. Neukaledonien liegt in der tropischen<br />

Klimazone und weist das ganze Jahr über eine<br />

Temperatur zwischen 20–30 °C auf. Das Klima wird im<br />

Wesentlichen von den Passatwinden und der Regenzeit<br />

bestimmt, welche von Ende November bis Anfang April<br />

dauert. Die meisten Niederschläge verzeichnen die Monate<br />

Jänner bis März.<br />

Zeit. + 9 Stunden zur mitteleuropäischen Zeit.<br />

OCEAN WOMAN <strong>2022</strong> 31


Annabels Welt<br />

AUSGABE 5/2020<br />

Zu Gast bei einer Französin auf einem knallroten Katamaran. Was wir dort erfahren haben?<br />

Franzosen essen ungern vor 23 Uhr zu Abend, das Dessert wird mitunter erst um Mitternacht gereicht.<br />

Wir waren von einem exorbitanten<br />

Einkaufstrip am<br />

Steg in der Marina in Santa<br />

Cruz auf Teneriffa heimgekehrt<br />

und schleppten taschenweise Einkäufe<br />

zur Risho Maru.<br />

Ich rätselte gerade, wo ich eigentlich<br />

die 20 Packungen Haltbarmilch<br />

stauen sollte, die ich gekauft hatte.<br />

Und dann stand da plötzlich Annabel<br />

vor mir. Im kleinen Schwarzen!<br />

„Bonjour, ça va?“ hauchte sie, streifte<br />

eine blonde Haarlocke aus dem<br />

Gesicht und ihre blauen Augen<br />

blitzten spitzbübisch. „Tu veux un<br />

café?“ Und schon saßen wir alle im<br />

Cockpit des knallroten Katamarans<br />

Tahoma.<br />

Fabien, Annabels Ehemann, und<br />

mein Skipper vertieften sich sofort<br />

in eine Gespräch über Sperrholzkatamarane.<br />

Peter half Fabien später<br />

mit Epoxyarbeiten an einem beschädigten<br />

Rumpf aus, wofür sich<br />

Fabien mit einem riesigen spanischen<br />

Schinken bedankte. Wir teilten<br />

mit allen anwesenden Fahrtenseglern<br />

und alle hatten damals<br />

genug Fleischvorrat für mindestens<br />

zwei Atlantiküberquerungen.<br />

Finns Ohren glühten. Drei Töchter<br />

gab‘s an Bord! Die sechsjährige<br />

Sigrid und ihre neunjährige<br />

Schwester Mahauld bastelten an<br />

Muschelkettchen. Sybille, ihre 16-<br />

jährige Schwester, schrieb Mails<br />

an ihre Schulfreundinnen in Paris<br />

und der große Bruder Vincent<br />

zupfte auf seiner Gitarre. Der<br />

Nachmittag verging wie im Flug.<br />

Vier Kinder an Bord? Ich staunte<br />

nicht schlecht. Vincent war sehr<br />

schwierig, knurrte Annabel. Er<br />

kam mit der Autorität an Bord<br />

nicht zurecht. Es gab einen Kapitän<br />

und das war nicht er. Nach der<br />

Atlantiküberquerung stieg Vincent<br />

übrigens aus, zog nach Paris, wo<br />

er verwundert draufkam, dass das<br />

Führen eines eigenen Haushalts<br />

viel Geld und Zeit kostet!<br />

Zwei Jahre Segeln waren geplant.<br />

Annabel sagte lange nicht „nein“ zur<br />

Reise und erst ganz spät „ja“. Doch<br />

schnell wurde ihr klar, wie wertvoll<br />

das alles für sie war. Und für die<br />

Kinder. „Mon dieu, wie dumm ich<br />

war! Ich dachte, die Kinder hätten<br />

nur den Wind in den Haaren, sonst<br />

keinerlei Erziehung für zwei Jahre.<br />

Wie unüberlegt von mir!“<br />

Ihre Kinder lernten Verantwortung<br />

auf dem Schiff, auch wenn sie<br />

das noch nicht wussten! Wasser<br />

musste gespart werden, der Gashahn<br />

abgedreht, Nachtwachen geschoben,<br />

damit auf Tahoma alles<br />

wie am Schnürchen lief. Und jeder<br />

war eingebunden. Annabel selbst<br />

fühlte sich wie „ein weißes Blatt,<br />

das beschrieben werden musste“.<br />

Während der Nachtfahrten saß sie<br />

an ihrem Computer und schrieb.<br />

DESSERT UM MITTERNACHT<br />

Sie war dabei, sich einen eigenen<br />

Job zu kreieren: „Ich will der Welt<br />

was zurückgeben, von all den guten<br />

Dingen, die mir passiert sind.“ Und<br />

wie erging es ihr sonst beim Segeln?<br />

Co-Skipperin, Stewardess, Lehrerin,<br />

Krankenschwester, Webmasterin,<br />

Freizeitmanagerin, Trösterin aller<br />

Qualen. „Köchin!“ warf ich zustimmend<br />

ein. „Je déteste cuisiner –<br />

ich hasse Kochen“, seufzte Annabel.<br />

Der Kapitän war der Koch. Fabiens<br />

Ratatouille duftete verführerisch.<br />

Wir waren zum Abendessen eingeladen<br />

worden. Es war inzwischen<br />

21 Uhr. Mein Magen knurrte. Die<br />

Kinder dinierten zuerst. Pasta mit<br />

Ratatouille. Ich naschte unauffällig<br />

bei Finn mit. Um 22 Uhr Essen für<br />

Himmlische Schokoladen-Tarte<br />

125 g feine Schokolade geschmolzen<br />

125 g Butter<br />

125 g geriebene Mandeln<br />

50 g Mehl<br />

3 Eier<br />

1 Prise Salz<br />

Zucker und Eier mischen, Butter und die geschmolzene<br />

Schokolade beifügen, dann die<br />

Nüsse, das Mehl und die Prise Salz zugeben.<br />

Rühren, bis eine schöne Masse entsteht.<br />

In eine gefettete Form gießen, bei mittlerer<br />

Hitze 20 bis 30 Minuten backen.<br />

Der knallrote Katamaran Tahoma war zwei Jahre<br />

lang das Zuhause von Annabel und ihrer Familie.<br />

uns. Dazwischen hörte ich von Annabels<br />

Eltern, die in der Provence<br />

lebten, dass Annabel als Journalistin<br />

arbeitete, aber auch Restaurantbesitzerin<br />

gewesen war. Und dass<br />

Franzosen ungern vor 23 Uhr zu<br />

Abend essen. Dessert um 24 Uhr.<br />

Finn jubelte. Eine Schokoladen-<br />

Tarte. Annabel‘s Werk, denn Backen<br />

war ihr Ding! Sie schmeckte himmlisch.<br />

Im Hintergrund sang die Gattin<br />

des damaligen französischen<br />

Präsidenten „Quelqu‘un m‘a dit …“.<br />

Am nächsten Morgen ging unsere<br />

French Family shoppen – auf Vorrat.<br />

Mon dieu! War<br />

ich froh, dass<br />

wir nur zu<br />

dritt waren!<br />

<br />

FOTO: SHUTTERSTOCK<br />

32 OCEAN WOMAN <strong>2022</strong>


A guats Weiberleut –<br />

Segeln auf Tirolerisch<br />

AUSGABE 1/<strong>2022</strong><br />

Unsere Tiroler lernten wir kurz vor unserer Weltumsegelung kennen. Ijemanja, ihr Wharram-Katamaran<br />

stand wenige Schiffe entfernt von uns auf dem Trockendock der Werft Marina Stella. Karli, begeisterter<br />

Segler seit jeher, rief ein fröhliches „Griaß enk“ von Schiff zu Schiff. Edith strahlte uns an und lud ohne<br />

Umschweife zu Kaffee und Kuchen ein.<br />

Man muss dazusagen, das<br />

Leben in einer Werft ist<br />

hart, staubig, anstrengend<br />

und die Vorbereitungen für eine<br />

Weltumsegelung machen es auch<br />

nicht gerade leichter.<br />

Auf ein Schiff eingeladen zu werden<br />

unter diesen Umständen ist<br />

wirklich selten. Denn niemand<br />

macht das – außer unsere Tiroler.<br />

Wir klopften uns den Staub aus<br />

der Kleidern, wuschen Gesicht und<br />

Hände und kraxelten eine Stunde<br />

später die Leiter rauf ins Cockpit<br />

des Katamarans. Und staunten.<br />

Der Cockpit-Tisch war mit weißem<br />

Tischtuch und blauen Servietten<br />

gedeckt. Blaue Porzellantassen<br />

standen neben weißen Kuchentellern.<br />

Edith stieg gerade aus dem<br />

Niedergang hoch mit einem Tablett<br />

voller köstlicher Nussschnecken.<br />

„Ich hab ein bissl was da gehabt<br />

und schnell was gezaubert!“<br />

Genau so hatte sie auch Karli<br />

verzaubert, denke ich, als die beiden<br />

sich im Teenageralter kennenlernten.<br />

Seine Bemerkung, dass<br />

jemand, der so hübsch ist, sicher<br />

kein Schnitzel backen kann, ließ<br />

Edith nicht auf sich sitzen – und<br />

so ging die Liebe wirklich durch<br />

den Magen.<br />

Edith andererseits wunderte<br />

sich damals in der Werft ziemlich<br />

über mich – wie sie kürzlich zugab.<br />

Diese Seglerin, die tatsächlich<br />

enthusiastisch davon sprach, bald<br />

um die Welt zu segeln. „Ich wusste<br />

nicht, ob ich dich bewundern oder<br />

bedauern soll!“ Für Edith muss<br />

jemand, der so leben will, „durchbeißen“<br />

können, denn das Schönste<br />

am Segeln für sie ist nach all den<br />

Jahren „... das Ankommen!“ Sie<br />

mag Gewitter nicht und dunkle<br />

unruhige Nächte vor Anker, zu viel<br />

Wind und Welle. Dennoch, an der<br />

Seite von Karli war sie all die Jahre<br />

und bis heute dabei. Karli segelt<br />

die langen Strecken mit Freunden.<br />

Entdeckt Griechenland und Albanien<br />

und liebt sein Seebär-Dasein.<br />

Edith kommt nach zum „Buchteln“.<br />

DIE PERFEKTE SEEFRAU<br />

Denn jeder Segeltag ist ein verlorener<br />

Buchttag! Aber sie kann dem<br />

Ganzen auch viele gute Seiten abgewinnen.<br />

„Was ist schöner als ein<br />

Abendessen bei Sonnenuntergang<br />

vor Anker? So einen Luxusurlaub<br />

muss man erst einmal haben – es<br />

wird nie langweilig! Und dann die<br />

Leute, die man trifft, das „Zammhocken“.<br />

Da kommt kein Hotelurlaub<br />

ran – auch wenn es dafür<br />

Stress mit dem Wetter gibt!“<br />

Ich finde, die Tiroler sind wie<br />

viele Fahrtensegler, die wir auf unserer<br />

Reise getroffen haben. Leutselig,<br />

begeisterungsfähig, neugierig,<br />

lustig und unglaublich positiv!<br />

„Das würde dir dann also doch<br />

ge fallen!“, sag ich der Edith. Sie<br />

lacht und schlägt vor, zu dieser besonders<br />

guten Bäckerei in Muzzana<br />

zu fahren, nachdem wir am Markt<br />

in Palazzolo Kaffee getrunken und<br />

Einkäufe erledigt haben. Für mich<br />

ist Edith eine perfekte Seefrau.<br />

Dafür braucht man nicht die Welt<br />

zu umsegeln. Stracchino-Käse mit<br />

Roastbeef und Limette auf Pane<br />

di Grano Duro anzurichten und<br />

die Fähigkeit, überall sein Glück<br />

zu finden, das ist, was man braucht<br />

zum Segeln, egal wie viele Seemeilen<br />

man auf dem Buckel hat. <br />

FOTO: SHUTTERSTOCK<br />

Edith in ihrem Reich auf<br />

einem Wharram-Katamaran<br />

mit Tiroler Spirit und italienisch<br />

angehauchter Küche.<br />

Pane di grano duro mit Stracchino-Käse,<br />

Roastbeef und Limette<br />

Zutaten: Stracchino (italienischer Frischkäse), Roastbeef<br />

(dünn in Scheiben geschnitten), Rucola, Zwiebel in Scheiben,<br />

Limette.<br />

Zubereitung: Das Hartweizenbrot in Scheiben schneiden.<br />

Jede Scheibe mit Stracchino bestreichen, Zwiebelscheiben<br />

darauf verteilen. Rucola und eine Scheibe Roastbeef drauf.<br />

Mit Limettensaft besprenkeln, mit Pfeffer verfeinern.<br />

Buon appetito!<br />

OCEAN WOMAN <strong>2022</strong> 33


Marinatage –<br />

Es herrscht so die gängige Meinung, auf dem<br />

Schiff lernt man sich erst richtig kennen. Das<br />

stimmt, finde ich, nur teilweise. Die Marina ist<br />

der wahre Garantietest für Beziehungen.<br />

Es gibt ja Leute, die sagen,<br />

die Enge auf dem Schiff,<br />

das Immer-Zusammensein,<br />

würde kaum einer<br />

aushalten. Fehler. Eine nüchterne<br />

Marina, auf Asphalt gebaut, hinter<br />

einer Erdölraffinerie mit Blick auf<br />

dreckiges Wasser, 35 Grad im<br />

Schatten und zwei Marinaklos plus<br />

zwei Duschen für 30 Schiffe sind<br />

die wahre Härte.<br />

Einen Schiffsrumpf bis auf die<br />

Holzplanken abzuziehen, ohne<br />

Küche an Bord zu leben wegen<br />

Renovierungsarbeiten, Moskitos,<br />

Epoxy staub, Schleifgeräusche. Da<br />

findet man heraus, ob der Partner<br />

wirklich der ist fürs Leben! So<br />

sollten die Partnervermittlungsagenturen<br />

arbeiten und<br />

dann ihre volle Garantie<br />

abgeben.<br />

Im kühlen Norditalien<br />

trugen wir bei den Vorbereitungen<br />

in der Marina<br />

noch Pullis und<br />

freuten uns auf eine<br />

abenteuerlich heiße Dusche. Allein<br />

der Gedanke daran brachte mich<br />

auf Curaçao in der holländischen<br />

Karibik zum Schwitzen. Wir hatten<br />

hier unser Schiff für die zweimonatige<br />

Hurrikan-Saison an Land gestellt<br />

und waren nun dabei, es für<br />

die nächste Saison vorzubereiten.<br />

Die gesamte Belegschaft in der<br />

Marina in diesen Tagen vor dem<br />

großen Aufbruch Richtung Panama<br />

sah aus wie eine Demo der<br />

Clouchard-Vereinigung in Paris.<br />

Ausgebeulteste Shorts, dreckige<br />

T-Shirts, die schlimme Gerüche<br />

absonderten, Kopfbedeckungen,<br />

die als perfekte Inspiration für so<br />

manch verrückten Modeschöpfer<br />

dienen könnten, und Schuhwerk,<br />

das die Bezeichnung als solches<br />

nicht verdiente. Es war uns<br />

wurscht.<br />

Es war mir wurscht, dass ich in<br />

den Minispiegel der Marinadusche<br />

blickte und die Frau darin nicht erkannte.<br />

Erst in Cartagena, Wochen<br />

später, in einer gut ausgeleuchteten<br />

Foto: Shutterstock<br />

34 OCEAN WOMAN <strong>2022</strong>


Hundetage<br />

Restaurant-Toilette, entdeckte ich,<br />

dass ich noch Farbe in den Haaren<br />

hatte und nicht schon weiße Haare<br />

bekam, wie mein Sohn mir klarmachen<br />

wollte.<br />

Besonders hart wurde es, als wir<br />

unser Unterwasserschiff bis auf die<br />

letzte Schicht abschleifen mussten<br />

– so hart, dass sogar der Marinachef<br />

Mitleid bekam und mitschliff.<br />

Einzige Ablenkung war eine Art<br />

Live-Hörspiel vom Nebenschiff eines<br />

Hamburger Pärchens.<br />

Er: „Nach unten drücken hab ich<br />

gesagt! Nach unten!“ Sie: „Mensch,<br />

dann mach den Sch… doch alleine.“<br />

Er: „Ich kann es nicht alleine<br />

machen!“ Sie (schreiend): „Schrei’<br />

mich nicht an!“ Er (schreiend):<br />

„Ich schrei’ dich nicht an!“ So ging<br />

es tagtäglich und ich fand mich<br />

und Peter ganz schön dezent verglichen<br />

zu den beiden.<br />

Natürlich verstand ich die beiden<br />

auch. Wobei – als die Frau sich in<br />

den klimatisierten Wagen setzte<br />

und schmollte, das fand ich dann<br />

doch etwas dick aufgetragen.<br />

SCHNELL, DIE NUTFRÄSE<br />

Was ich aber wirklich bei den Marinaarbeiten<br />

hasste, waren meine<br />

Tätigkeiten als Handlangerin. Ich<br />

gebe zu, ich bin kein Schiffsbauer<br />

und kann auch alleine kein Motorservice<br />

machen und so bin ich<br />

eben verdammt, Handlangerin zu<br />

sein. Was ich dann immer verfluche.<br />

Ständig huscht man zwischen<br />

Koje, Deck, Werkstatt, unter und<br />

auf dem Schiff umher und hat das<br />

Gefühl, nirgends rechtzeitig zu sein<br />

und nichts Wichtiges beizutragen.<br />

Der Allrounder. Beherrscht alles vom Abmontieren<br />

übers Abschleifen bis zum Aufbocken<br />

und Pinseln.<br />

„Ich brauch’ den Hammer!“,<br />

„Kommt schon!“, „Schleifpapier<br />

bitte!“, „Wo?“, „Unterm Schiff!“.<br />

„Bitte den Exzenterschleifer nach<br />

oben“, „Ok.!“. „Ich hab das Maßband<br />

irgendwo da unten“. „Klaro“.<br />

„Schnell die Nutfräse!“. „Die was?“<br />

„In der Werkstatt links.“<br />

Der Elektriker. In tropischer Hitze werden<br />

endlose Strecken Kabel geprüft und nicht<br />

selten erneuert.<br />

Natürlich, Peter leistete Unglaubliches,<br />

immerhin war er verantwortlich,<br />

dass Risho für Pazifik und<br />

Neuseeland topfit war. Doch in<br />

diesem Augenblick dachte ich nicht<br />

an seine Belastungen, sondern nur<br />

daran, wie ich da durchkommen<br />

würde und dass ich sicher nie, nie,<br />

Der Anfang: Das Schiff wird an Land gezogen.<br />

Danach beginnt das Unheil.<br />

Ist der Mechaniker im engen Maschinenraum<br />

dem Wahnsinn nahe, wird das in der ganzen<br />

Marina zu hören sein.<br />

OCEAN WOMAN <strong>2022</strong> 35


„Ein Schiff auf dem Trockenen<br />

ist wahrlich kein angenehmer<br />

Lebensraum.“<br />

nie, niemals in meinem Leben ein<br />

Schiff bauen oder renovieren würde<br />

– außer unser eigenes, wenn unbedingt<br />

nötig. Nach drei Wochen<br />

in der Marina war ich sicher nicht<br />

die Einzige, die an Schiffsverkauf<br />

und Scheidung dachte.<br />

Nur unser Sohn Finn war glücklich.<br />

Am Morgen verschwand er,<br />

um mit den anderen Kindern der<br />

Marinagefangenen zu toben, zu<br />

drecken, auszuhecken.<br />

Schreibt er einmal ein Buch über<br />

unsere Reise, wird dieses wohl<br />

hauptsächlich von den aufregenden<br />

Tagen in den Marinas dieser Welt<br />

von Teneriffa über Curaçao, bis<br />

Tahiti, Samoa, von Neuseeland bis<br />

nach Singapur handeln.<br />

Er lernte dabei, Freundschaften<br />

zu genießen und zu schließen, zu<br />

spaßen und zu streiten, in englischer<br />

Sprache zu kommunizieren,<br />

zu tischlern, Rad zu fahren, Fußball<br />

zu spielen, alte Schiffe auszuräumen<br />

und einfach selbstverantwortlich<br />

fern der Eltern zu agieren.<br />

Wenn der nicht fürs Leben gerüstet<br />

ist, wer dann?<br />

Ehepaare arbeiten gemeinsam –<br />

da ist Ärger programmiert.<br />

LIEFERZEIT EINE WOCHE<br />

Die Ersten, die fertig waren, waren<br />

die Schweizer. Silvie und Wolfi<br />

standen vor ihrem prachtvoll renovierten<br />

Gaffelschoner. Kleiner<br />

Motortest, und … Stille! Dichtungsring<br />

verschlissen. Lieferzeit<br />

eine Woche aus Europa – mit viel<br />

Glück.<br />

Nur die Kleinsten haben<br />

an derartigen Tätigkeiten<br />

ihre echte Freude.<br />

Raus aus dem Trockendock,<br />

hinein in die erlösende See.<br />

Ich kühlte mich beim Wasserhahn<br />

der Marina ab, eiskalt rannte<br />

es meinen Rücken hinunter – ein<br />

immer wieder herrlich erfrischendes<br />

Gefühl.<br />

Eines wusste ich damals schon<br />

ganz genau, dies hier würde eines<br />

Tages eine gute Geschichte werden<br />

– und ich hatte Recht, oder? <br />

36 OCEAN WOMAN <strong>2022</strong>


Metallica in der Ferramenta<br />

Kennen Sie das, wenn Sie gerade vor sich hinwerkerln am Schiff – und dann fehlt<br />

genau diese eine Beilagscheibe/Nirostaschraube/Rohrschelle/Schlauchverschraubung?<br />

Und wenn dann der Skipper-Ehehmann ölverschmiert bettelt, Schatzi, kannst du<br />

einmal kurz ums Eck fahren zur/zum Ferramenta/Nautic Shop/Eisenfachhandel?<br />

AUSGABE 3/2018<br />

Es ist ja nicht so, dass wir nicht<br />

genug Material an Bord<br />

hätten, unsere Mini-„Onboard“-Werkstatt<br />

nicht schon<br />

längst als Schiffsbedarfshandlung<br />

durchgehen würde. Aber wie gesagt<br />

fehlt immer genau das, was<br />

man gerade braucht, oder?<br />

Ich steige also ins Auto, einerseits<br />

froh, der Werft im österlichen Re -<br />

gen zu entkommen, andererseits<br />

mit diesem mulmigen Gefühl im<br />

Magen, dass es so leicht nicht sein<br />

wird, den nautischen Auftrag zur<br />

Zufriedenheit des Kapitäns auszuführen.<br />

Egal. Glücklicherweise<br />

ist da ja die nette Café-Bar gleich<br />

ums Eck der Ferramenta.<br />

Ich trinke mir mit einem Cappuccino<br />

Mut an. Blinzle über die<br />

Keramikschale Richtung Ferramenta<br />

und stelle mit Schrecken<br />

fest: Der Chef ist nicht da, sondern<br />

nur ein mir unbekannter Jüngling.<br />

Dieser hält gerade einem Herrn<br />

die Tür auf, der einen tragbaren<br />

Schweißgleichrichter erworben<br />

hat (ja, ich gebe zu, das Ding hab<br />

ich im Online-Shop entdeckt). Ich<br />

lege die € 1,50 auf den Tresen und<br />

denke, so billig werde ich in der<br />

Ferramenta nicht wegkommen.<br />

Nach Betreten des Heiligen Grals<br />

der Werkzeugfans verirre mich<br />

gleich in einem Gang-Labyrinth.<br />

Rechts unten Schließtechnik, Türschlösser<br />

und Beschläge, rechts<br />

oben Armaturen und Schläuche,<br />

links von mir Rohre und dazupassende<br />

Fittings, im nächsten Regal<br />

Maschinen, Bohrer, Druckluftgeräte,<br />

Motor sägen, Kreissägen, Kappsägen.<br />

Ah, Arbeitsschutz und Berufskleidung.<br />

Ich überspringe zwei<br />

Reihen und sehe voller Glück Marmeladengläser<br />

in allen Größen mit<br />

Deckeln dazu, eine Flotte Lotte<br />

und Fleischbeile. Das ist wohl die<br />

Da-kann- die-Ehefrau-stöbern-<br />

Ecke. Kaffeezubehör! Ich schwelge<br />

zwischen Espressokannen in verschiedenen<br />

Farben und ein hübscher<br />

Milchschäumer sticht mir ins<br />

Auge. Vielleicht sollte ich mir doch<br />

endlich die kleine Pasta-Maschine<br />

leisten? Wieso bin ich eigentlich<br />

hier? Oh, verdammt. Ja, genau –<br />

eine Rundfeile.<br />

HEAVY METAL<br />

Der Jüngling hat mich entdeckt<br />

und kommt lächelnd auf mich zu.<br />

Leider ist mein Italienisch so<br />

schlecht wie sein Englisch. Ich<br />

versuche, eine Rundfeile pantomimisch<br />

darzustellen. Sonst bin ich<br />

ein Activity-Genie, aber diesmal<br />

scheitere ich kläglich. Vielleicht hat<br />

der Junge auch keine Fantasie? Er<br />

bringt mir ein Set Nagelfeilen aus<br />

der Damenabteilung. Ich schüttle<br />

den Kopf. „Questo per una barca!“<br />

Ich schäme mich, wenn ich daran<br />

denke, das mein Italienisch-Lehrer<br />

im Musikkonservatorium immer<br />

Ein Metallica-T-Shirt taugt nur bedingt als<br />

Eselsbrücke im italienischen Eisenwarenladen.<br />

große Stücke auf mein Sprachtalent<br />

gehalten hatte. Natürlich ging es da<br />

eher um Arien von Donizetti. Und<br />

ich durfte singen. Apropos. Ich<br />

starre auf das Metallica-T-Shirt des<br />

Jünglings. „Metal!“<br />

„Sì, cool! James Hetfild! Un<br />

bravo cantatore!“ Noch bevor ich<br />

etwas erwidern kann, geht dem<br />

Jüngling ein Licht auf. Er verschwindet<br />

ums Eck, ich folge ihm<br />

brav. Er zieht unter dem Regal mit<br />

den Schleifmaschinen eine große<br />

Lade heraus. Darin Rundfeilen in<br />

zig verschiedenen Ausführungen<br />

und Größen. Ich zermartere mein<br />

Hirn und wünschte mir ein fotografisches<br />

Gedächtnis. Wie sah unsere<br />

Rundfeile aus, bevor sie in den<br />

Tiefen des Flusses Stella versank!<br />

200 mm, 300 mm, 350 mm?<br />

Ich nehme die 250-mm-Ausführung<br />

und zahle 70 Euro. Der<br />

Milchschäumer und die Pasta-Maschine<br />

sind irgendwie mitgerutscht<br />

und Zitronen-Teelichter … Sollte<br />

die Feile die falsche sein, kann ich<br />

den Skipper wenigstens ablenken<br />

mit Cappuccino, frischer Pasta<br />

und Kerzenlicht. Ciao, Bello! <br />

FOTO: SHUTTERSTOCK<br />

OCEAN WOMAN <strong>2022</strong> 37


Un cappuccio per<br />

AUSGABE 4/2018<br />

favore!<br />

Ich<br />

kann nicht behaupten, dass wir groß in Italien segeln, da wir in der<br />

Segelsaison immer gleich nach Kroatien abbiegen. Aber unser Schiff „steht“<br />

in Italien und zwar ganz genau in Piancada in der Werft Stella Marina.<br />

Der Stella ist ein wunderschön<br />

eiskalter Fluss, der sich von<br />

der Lagune aus zwischen der<br />

Aprillia Maritima Marina und der<br />

Wasser straße nach Marano versteckt.<br />

Er schlängelt sich durch<br />

Maisfelder, Himbeerhecken, Weiden<br />

büsche, Platanen, formiert kleine<br />

Seitenarme, die Ankerplätze<br />

zum Träumen versprechen, vorausgesetzt,<br />

man arrangiert sich mit<br />

den Zanzare – den Gelsen.<br />

Irgendwann tut sich dann rechts<br />

die Stella Wassermarina auf. Gegen<br />

über der Einfahrt ein lauschiges,<br />

sauteures Restaurant, das leider<br />

vom gemütlichen Geheim tipp<br />

zum ungemütlichen Hoch zeits lokal<br />

mit Schleifchen mutiert ist. Der<br />

Espres so ist den noch köst lich. Kurz<br />

da nach die Stella Mari na-Werft mit<br />

der Einfahrtsbox, die mich schon<br />

einige Nerven gekostet hat. Fluss -<br />

s trömung gegen Wind gegen<br />

Schiffs motor. Liegt man drin,<br />

ist alles gut.<br />

Möglich ist es auch, einfach irgend<br />

wo in dem Stella an Holzpfählen<br />

festzumachen und über die Reling<br />

Himbeeren zu naschen. Die<br />

Libellen zu beobachten und auf der<br />

Badeleiter zu kneippen. Am Abend<br />

tuckert man nach Precenicco. Die<br />

Sonntagsausflügler rasen zum Leidwesen<br />

der Schwanbabys und Wasser<br />

käfer. Zwischen den Haus booten<br />

findet sich immer ein Plätz chen.<br />

Dann endlich die Frit tura mis ta im<br />

Rivabella-Risto rante! Meist ist die<br />

Nacht ruhig, wenn nicht die Hunde<br />

der Hafenanrainer nervös sind oder<br />

die Hausboot-Charterer morgens<br />

Vor- und Rück wärtsgang beim Ablegen<br />

verwechseln.<br />

Gekühlte Rümpfe dank der elf<br />

Grad Wassertemperatur – so lassen<br />

sich die sommerlichen Hundstage<br />

gut aushalten. Die Mos ki tonetze<br />

hängen ganztägig über Fenstern<br />

und Niedergängen. Bremsen mögen<br />

schweißtreibende Arbeiten, Libellen<br />

lieben Reling seile, Wespen<br />

Mittagessen, Amei sen nackte Füße,<br />

die den Wasser schlauch anstecken.<br />

Man arrangiert sich mit den Einhei<br />

mischen, wir sind hier nur Gast.<br />

So machen das Segler eben.<br />

WIE FRÜHER BEIM GREISSLER<br />

Im kleinen Ort Piancada gibt es<br />

alles, um eine Woche entspannt<br />

zu überleben. Zuerst Cappuccino<br />

in der kleinen Bar Mauro, buttrige<br />

Brioche – steht man früh genug<br />

auf, gleich bei der Bäckerin nebenan,<br />

deren schmales Lächeln ver-<br />

Idyllisch unterwegs mit wilden<br />

Schwänen auf dem Fluss Stella.<br />

38 OCEAN WOMAN <strong>2022</strong>


spricht, dass sie einen erkennt.<br />

Gegenüber dem Mauro der Alimentari-Laden.<br />

Die beiden Be -<br />

sitzerinnen tragen zu jeder Tageszeit<br />

Kleiderschürzen und kommen<br />

gerne auf einen Caffè herüber. In<br />

ihrem Laden gibt‘s alles wie früher<br />

beim Greißler.<br />

Dann kommt Fausto aus der<br />

Latteria am Ortsrand angeradelt.<br />

Sein Parmiggiano ist alles, wovon<br />

Welt umsegler träumen, wenn sie<br />

gerade in Mikronesien in der Flaute<br />

hän gen. Die Latteria betritt man<br />

durch einen Perlenvorhang. In der<br />

Vitrine gibt es fünf Sorten Käse<br />

und Honig von den fleißigen<br />

Fluss bienen des Stellas. Im Nebenraum<br />

die großen Rührkessel für<br />

die Käse produktion und dazwischen<br />

die schöne Frau von Fausto<br />

– eine Haut wie Milch und Honig.<br />

Prosecco kauft man ab Hof beim<br />

Weinbauern, dessen Steinhaus<br />

direkt aus einem „Living in Italy“-<br />

Magazin stammen könnte. Das<br />

Geschäft mit Anglerbedarf hat<br />

leider zugesperrt, aber bei Mauro<br />

kann man noch Bilder mit Riesenhechten<br />

betrachten. Die hängen<br />

direkt neben den Spielergebnissen<br />

des Sport Club Latisana.<br />

Latisana – ein bissl das Korneuburg<br />

der Umgebung – ist nicht<br />

weit. Man isst dort im Restaurant<br />

Cigno, unter Seglern „der Schwan“<br />

genannt. Der Kellner grüßt mit<br />

charmantem Grinsen und köstlichen<br />

Bruschetti – Gruß des<br />

neapo li tanischen Chefs aus der<br />

Küche.<br />

MENU FISSO<br />

Wieder in Piancada bei Mauro sitzen<br />

gern die gleichen Typen. Wir<br />

zum Beispiel. Und die Neuen. Segler<br />

und Seglerinnen, die nicht wissen,<br />

dass es hier zu Mittag immer<br />

ein menu fisso – Vorspeise, Pasta,<br />

dann ein Stück Fleisch, zum Abschluss<br />

einen Espresso – gibt.<br />

Ein Fixpunkt für Schiffseigner,<br />

die zwischen Schlei fen und Hämmern<br />

Zuflucht finden unter der<br />

schattigen Pergola bei Cappu ccino,<br />

Eis und Seglertratsch.<br />

<br />

„ Das ist Segeln in Italien. Zumindest<br />

für uns. Und es ist wunderbar. Ciao!“<br />

Einfahrt ins Paradies.<br />

Die Villa Ottelio Savorgnan soll das Haus der adligen Lucina Savorgnan<br />

sein, deren Geschichte Shakespeare zu „Romeo und Julia“ inspirierte.<br />

„Auf Fatu Hiva fühlten<br />

wir uns wieder wie Entdecker.<br />

Seit drei Wochen<br />

das erste Mal wieder festen<br />

Boden unter unseren<br />

Füßen. Die Jungfrauenbucht<br />

beherbergte nur<br />

einen kleinen Ort, eine<br />

Handvoll Häuser, eine<br />

kleine Dorfgemeinschaft.<br />

Man war neugierig, aber<br />

nicht überrascht, es war<br />

die Zeit der Segler. Die<br />

Leute wussten, wann<br />

sie ankommen. Marie,<br />

eine füllige polynesische<br />

Schönheit, zog mich ins<br />

Haus. Ich kramte in meinem<br />

Hirn nach den Resten<br />

meines Schulfran ­<br />

zösisch. Auf einem hölzernen<br />

Küchentisch lagen<br />

melonengroße Grapefruits.<br />

Solche Grapefruits,<br />

Marie nannte sie ,Pampelmuses‘,<br />

hatte ich noch<br />

nie gesehen. ,Tu as parfum<br />

pour changer?‘ Das<br />

war mir neu. Ich hatte<br />

Milch pulver und Kaffee<br />

mitgenommen, sie wollte<br />

Parfüm oder einen<br />

Deostick …“<br />

Wellenzeit Seite 121, „Von Missionaren und<br />

Marienfeiertagen“; Buchtipp auf Seite 49.<br />

OCEAN WOMAN <strong>2022</strong> 39


40 OCEAN WOMAN <strong>2022</strong>


Dingi-Typen<br />

ein Psychogramm<br />

Aus dem Englischen: Dingi –<br />

kleines Boot – so steht es im<br />

Wörterbuch und damit wäre<br />

eigentlich alles geklärt. Weit<br />

gefehlt! Ein Dingi sei nur ein<br />

kleines Boot? Ha!<br />

Wir lagen drei Wochen<br />

vor Anker in Le Marin<br />

auf Martinique in<br />

der Karibik. Hier gab<br />

es unglaublich viele Yachten und<br />

Segler. Fahrtensegler, Chartersegler,<br />

einsame Segler, Segelboote<br />

ohne Segler. Aber niemals ohne<br />

Dingis!<br />

Hier staunten wir nicht nur über<br />

die unglaubliche Artenvielfalt der<br />

„kleinen“ Boote, sondern auch<br />

über deren Besitzer. Es begann damit,<br />

dass ich überrascht mit Segelfreundin<br />

Sam feststellte, dass viele<br />

Segler in ihren Dingis standen.<br />

Standen! Sam meinte, das sei<br />

typisch amerikanisch.<br />

Komisch – die besten Steher<br />

schienen mir nach einem Nach -<br />

mittag mit Fernglas die Franzosen<br />

zu sein. Knapp gefolgt von den<br />

Deutschen, die aber auch beim Sitzen<br />

sehr gerade wirkten. Die Briten<br />

OCEAN WOMAN <strong>2022</strong> 41


Der Hafen. Die Artenvielfalt<br />

im Überblick.<br />

Der Popo – spannender Ausblick<br />

für den Steuermann.<br />

Der Ire: gemütlich und immer ein Guinness an Bord.<br />

Die Deutschen: Alles perfekt, sogar<br />

ein Dingi-Fender ist an Bord.<br />

Der Tüftler: ein<br />

Tender Marke<br />

Eigenbau.<br />

pumpten hingegen erstaunlich oft<br />

noch während sie Richtung Land<br />

steuerten ihre Dingis auf. Was sehr<br />

kunstfertig aussah und besonders<br />

bei der Abfahrt vom Supermarket-<br />

Ponton, vollbepackt mit Einkäufen,<br />

fast olympiareif wirkte.<br />

Immer nur sitzend sah ich James,<br />

den Iren. Sehr gemütlich, fast ein<br />

bisschen österreichisch.<br />

Auffallend auch ein junges Pärchen<br />

– hintereinander stehend. Sie<br />

vor ihm – bis es ihm offensichtlich<br />

zuviel wurde und er sich setzte –<br />

mit wunderbarer Aussicht auf ihr<br />

Hinterteil. Vielleicht waren das<br />

Amerikaner?<br />

Familien mit Kindern saßen prinzipiell.<br />

Hatte wohl etwas mit der<br />

Vorbildwirkung zu tun. „Nein, du<br />

darfst nicht im Dingi stehen, der<br />

Papa sitzt ja auch!“<br />

EMANZIPATION UND DINGI –<br />

EINE KURZE GESCHICHTE<br />

Meist steuern die Männer. Und<br />

wenn einmal die Frauen dran sind,<br />

sind meist so viele Kinder an Bord,<br />

dass trotz kräftigem Außenborder<br />

nicht mehr als Rudertempo zu erreichen<br />

ist. Bis auf diese flotte Blondine<br />

mit Tattoo, die mehrmals an<br />

unserem Schiff vorbeidüste und<br />

meinen Mann freundlich grüßte.<br />

Im Sitzen. Naja. Ausnahmen bestätigen<br />

die Regel.<br />

Toll auch die Individualisten unter<br />

den Dingi-Besitzern. Dingi mit Auslegern,<br />

Glasboden und Heizung!<br />

Das waren übrigens Deutsche.<br />

Ich habe das dann mit dem Stehen<br />

sofort ausprobiert. Lustig. Blöd<br />

war, als Peter abbremste, während<br />

ich noch stand und eine gemeine<br />

Bugwelle über unsere gesamten<br />

Einkäufe schwappte. Gut war, dass<br />

nur meine Füße nass wurden und<br />

nicht meine Hose.<br />

Denn woran erkennt man Dingi-<br />

Besitzer an Land sofort? Am nassen<br />

Popo. In der Karibik ankert man<br />

meist frei in einer Bucht und relativ<br />

weit weg vom Land. Gibt es einen<br />

Steg zum Anlegen, ist das super.<br />

Muss man am Strand anlegen, kann<br />

man froh sein, einen Surfer als Ehemann<br />

zu haben. Die Atlantik welle,<br />

für Landratten ein gemütliches<br />

Geklatsche am Strand, hat schon<br />

so manchen Dingi-Fahrer zum<br />

42 OCEAN WOMAN <strong>2022</strong>


Unser Dingi: Gebrauchsgegenstand<br />

in perfekt<br />

gewartetem Zustand.<br />

U-Boot-Kapitän werden lassen.<br />

Kommt die Welle und man surft sie<br />

nicht mit Geschick und Dingi ab,<br />

kentert auch das beste Beiboot.<br />

Alles unter Wasser, nicht gut für<br />

Fotoapparat, Handy, Lieblingssonnenbrille,<br />

Kreditkarten und gar<br />

nicht gut für Außenbordmotoren.<br />

Schlucken die mal Salzwasser, gibt<br />

es meistens Ärger.<br />

AUSSENBORDMOTOREN –<br />

JE STÄRKER, DESTO BESSER<br />

Oder ist es etwa lustig, drei Tage<br />

Knäcke brot zu essen, nur weil der<br />

Wind so böse bläst und man seinem<br />

Dingi-Außenborder die Fahrt<br />

„Die Dingis sind so verschieden wie ihre Besitzer.“<br />

zum Ort nicht zutraut? Und der<br />

Duft von frischem Baguette aus der<br />

ach so fernen Dorfbäckerei einen<br />

an der Reling lechzen lässt?<br />

Schließlich schafft man es an<br />

Land. Da verkettet man sein Dingi<br />

am besten mit Stahlseil und<br />

Schloss, damit es ja keiner stiehlt.<br />

Denn das passiert in der Karibik<br />

angeblich sehr oft.<br />

Ich glaube, wesentlich öfter passiert<br />

es in der Karibik, dass Dingi-<br />

Besitzer einen Rum-Punsch zuviel<br />

trinken und dann keiner mehr sicher<br />

ist, wer eigentlich das Dingi<br />

festgemacht hat oder wie. Schön<br />

auch die Geschichte des wiedergefundenen<br />

Dingis, das vom Besitzer<br />

um teures Geld zurückgekauft werden<br />

musste, oder die Geschichte<br />

von Mascha.<br />

PER DINGI ZUM RENDEZVOUS<br />

Mascha, die wir in Tobago kennenlernten,<br />

segelte mit ihrem Mann<br />

und ihren zwei Kindern auf dem<br />

wunderschönen alten Segelboot<br />

Vilona May. Sie hatten zwei hölzernen<br />

Ruderboote als Dingis, ohne<br />

Motoren, aber dafür mit einem<br />

kleinen Mast, den man aufstellen<br />

konnte und dann eben an Land<br />

segelte. Einst sah Mascha ein „gestohlenes“<br />

Dingi ins offene Meer<br />

treiben und holte es rudernd zurück,<br />

da kein Wind vorhanden war.<br />

Nach einer Stunde kräftigen Ru-<br />

OCEAN WOMAN <strong>2022</strong> 43


derschlagens befestigte sie das Dingi<br />

am Steg. Die Besitzer hatten gar<br />

nichts davon mitbekommen.<br />

Maschas Tochter Casey fand indes<br />

eine bessere Beschäftigung. Die Siebenjährige<br />

ruderte ihr rosarotes Dingi<br />

Primerose Mary zur Risho Maru<br />

und holte Finn zum ersten Rendezvous<br />

seines Lebens ab. Er war begeistert.<br />

WATCH THE DINGI!<br />

Also – Dingi verketten ist auf jeden<br />

Fall gut, solange man nicht jemanden<br />

„mitverkettet“ oder den Schlüssel des<br />

Schlosses auf dem Schiff vergisst. Peter<br />

lernte auf diese Art einen netten<br />

„sitzenden“ Amerikaner kennen, der<br />

so freundlich war, ihn zurück zur<br />

Risho Maru zu bringen. Finn passte<br />

inzwischen auf unser fest verschlossenes<br />

Dingi auf. Ein „Dingi-Watcher“<br />

sozusagen. „No Dingis“ ist eine Aufforderung<br />

für viele, einfach kein Englisch<br />

zu verstehen.<br />

Aufregend auch senkrecht hängende<br />

Dingis, deren Besitzer auf den Tidenhub<br />

vergessen haben. Oder Hunde<br />

in Dingis. Als Galleonsfiguren mit<br />

dringlichem „Gassi-Blick“.<br />

Nicht zu vergessen: Vor Wut kochende<br />

Dingi-Fahrer, die verzweifelt<br />

an ihrem verstummten Außenborder<br />

herumfuchteln und langsam abtreiben,<br />

ohne Ruder an Bord zu haben.<br />

Also dann: Dingi Ahoi! <br />

Es gibt sie, die Dingi-Etiquette!<br />

Und so gibt es nun – um Ärger zu vermeiden –<br />

schnell ein paar kleine Dingi-Benimm-dich-Tipps:<br />

· Außenborder nicht hochklappen –<br />

außer man will das Nachbar-Dingi aufspießen.<br />

· Mit Vollgas zum Steg zu fahren erleichtert anderen,<br />

gerade aus- oder einladenden Dingi-Besitzern nicht<br />

gerade das Leben.<br />

· Sich an der Mole zu kurz an die Leiter zu hängen, verhindert<br />

sicher, dass irgend jemand sonst die Leiter<br />

benützen kann und macht beim Tidenhub Ärger.<br />

· Nicht Längsparken in einer Querparkzone.<br />

Wie beim Autofahren. Nimmt Platz weg!<br />

· Schild mit der Aufschrift „No Dingi“ –<br />

im Englisch- Wörterbuch nachschauen!<br />

· Leinen und Kabel unter den bereits festgemachten<br />

Leinen und Kabeln festmachen. Klingt komplizierter<br />

als es ist!<br />

· Das Dingi bei Niedrigwasser weit genügend den Strand<br />

hochziehen – sonst gibt es eine böse Überraschung,<br />

wenn die Crew bei Hochwasser zurückkommt.<br />

„Shit, shit! Motor-Aussetzer<br />

im ungünstigsten Moment …“<br />

Das Frauenboot –<br />

penibel sauber und<br />

aufgeräumt.<br />

Der Ferrari: rasante,<br />

rote Rennversion.<br />

Das Alternative – aber<br />

der Außenborder ist mit<br />

Kette gesichert.<br />

44 OCEAN WOMAN <strong>2022</strong>


Motorboot, Motorboot,<br />

ruadern tua i …<br />

AUSGABE 5/2018<br />

Die Vorgabe war, eine Kolumne über Motorboote zu schreiben. Irgendwie landete<br />

ich aber beim Trailer zum neuesten Seglerfilm „Die Farbe des Horizonts“.<br />

Natürlich Hurrikans, Megawellen,<br />

zersplitterte Glieder,<br />

zersprungene Lippen und<br />

fehlende Masten. Ha – ein Mast<br />

fehlt auch auf dem Motorboot!<br />

Ich gestehe, meine Motorbooterfahrungen<br />

sind mager. Z. B. die<br />

Querung des Kanal Midi im Burgund<br />

per Hausboot – bei diesem<br />

Törn waren die Vorteile des Motorbootes<br />

– des geräumigen, überdachten<br />

Motorbootes – ganz klar. Erstens<br />

konnte ich und jeder andere<br />

sofort das Steuer in die Hand nehmen<br />

und losfahren. Zweitens schüttete<br />

es und ein Indoor-Steuerplatz<br />

plus feine Heizung ließen uns trocken,<br />

warm und rasch ans Ziel<br />

kommen. Allein das lässt sich mit<br />

einem Segelboot selten toppen.<br />

Segeln ist und bleibt nun einmal<br />

die Kunst, richtig nass zu werden<br />

und (manchmal) seekrank, während<br />

man langsam nirgendwo hinfährt<br />

und viel dafür zahlt (letzteres<br />

gilt besonders für Schiffseigner).<br />

Ein anderes Mal stieg ich am<br />

Lough Derg in Irland in ein Schnellboot<br />

und glühte gegen Wind und<br />

Welle einmal querab. Ich müsste<br />

lügen, wenn ich nicht einen kleinen<br />

Höhenflug ob des absurden Tempos<br />

gehabt hätte. Dazu muss ich sagen,<br />

als Seglerin empfinde ich natürlich<br />

bereits zwölf Knoten als sehr sehr<br />

schnell – da heben dich 30 Knoten<br />

ganz aus dem Hocker. Vor allem,<br />

wenn man selbst die Hand auf dem<br />

Gasknüppel hält. Auch hier überwogen<br />

die Vorteile eines Motorbootes,<br />

als ich die Segler hinter uns in<br />

Ölzeug und Nieselregen gegen die<br />

gemeinen kleinen Seewellen anstampfen<br />

sah. Weiters hätte ich<br />

noch Elektrobootfahren auf der<br />

alten Donau (ausnahmsweise mit<br />

Besuch aus der Schweiz wegen totaler<br />

Flaute) anzubieten und natürlich<br />

Erfahrungen im Dingi-Fahren.<br />

Vom Segelboot zum Strand/Restaurant/Riff/Nachbarschiff.<br />

Gerade<br />

habe ich meinen Skipper gefragt,<br />

was unser Beiboot-Außenborder an<br />

PS zu bieten hat? „9,8!“ Sohnemann<br />

Finn schüttelt entrüstet den Kopf „<br />

Das weißt du nicht? Nach 15 Jahren?“<br />

Ach Gott, diese empfindlichen<br />

(Dingi-)Motorbootfahrer …<br />

Wo wir gleich bei den Animositäten,<br />

Vorurteilen, Diskrepanzen<br />

zwischen Seglern und Motorbootfahrern<br />

wären.<br />

SO VERSCHIEDEN, SO GLEICH?<br />

Motorbootfahrer rücksichtslos, Segler<br />

im Weg, Motorbootfahrer Tempojunkies,<br />

Segler Masochisten, Motorbootfahrer<br />

checken nichts von<br />

der Natur und den Elementen um<br />

sich, Segler kommen nie dort an,<br />

wo es geplant war. Motorbootfahrer<br />

Sind Motorbootfahrer wirklich rücksichtslos und Segler Masochisten?<br />

ankern zu nahe, Segler nehmen sich<br />

die ganze Bucht …<br />

So manches mag stimmen oder<br />

auch nicht – und manchmal ertappe<br />

ich mich selbst in der Vorurteilsfalle.<br />

Damals zum Beispiel in<br />

einer wunderschönen Bucht auf<br />

Cres, als sich uns eine Motoryacht<br />

mit aufgeregtem Speed näherte<br />

und wir schon bereit waren, die<br />

Ankerleine zu kappen, die Motor -<br />

yacht so knapp vor uns abbremste,<br />

dass die Bremswelle meinen Espresso<br />

vom Tisch abräumte. Mit<br />

geschwollem Hals erhob sich mein<br />

Skipper und ich mit geölter Stimme,<br />

als wir der freundlich lachenden<br />

Gesichter der Motorbootcrew<br />

gewahr wurden. „Ihr seid doch die<br />

Rishos! Würdet ihr uns euer Buch<br />

Wellenzeit signieren?“ Dabei winkte<br />

der Motor yacht-Skipper mit<br />

dem Buch wie ein Flugzeuglotse.<br />

Da waren sie, unsere „liebsten“<br />

Motorbootfahrer! Wir tranken<br />

schwitzend in ihrem Minicockpit<br />

eiskalte Cola und abends auf dem<br />

großzügigen Deck der Risho Maru<br />

einen lauwarmen Sundowner.<br />

Worum geht‘s eigentlich bei dieser<br />

Motorboot/Segelboot-Diskus -<br />

sion? Der schottische Kinderbuchautor<br />

Kenneth Grahame hat die<br />

Antwort für mich bereit und bringt<br />

damit meines Erachtens beide Seiten<br />

beträchtlich näher: „Believe<br />

me, my young friend, there is<br />

nothing, absolutely nothing, half so<br />

much worth doing as simply messing<br />

about in boats.” Fair winds! <br />

FOTO: SHUTTERSTOCK<br />

OCEAN WOMAN <strong>2022</strong> 45


FOTO: SHUTTERSTOCK<br />

Klassiker –<br />

alt, aber gut!<br />

AUSGABE 3/2019<br />

Ich mag klassische Holzboote. Natürlich mag ich nicht darauf<br />

arbeiten, schleifen, polieren! Zur Genüge tue ich das ja auf<br />

unserer 35 Jahre alten Risho Maru.<br />

Ich weiß, dass aus mir keine<br />

Bootsbauerin werden wird –<br />

niemals auch nicht im nächsten<br />

Seglerinnen-Leben. Aber trotzdem,<br />

immer wenn irgendwo Mahagoni-Glänzendes<br />

mit klassischen<br />

Linien, hohen Masten und<br />

weiß geblähtem Segeltuch am Horizont<br />

auftaucht, schlägt mein<br />

Herz höher. In sämt lichen Marinas<br />

und Werften der Welt bleibt mein<br />

Blick an polierten Winschen,<br />

Teakdecks, verspielten Bügen, geschnitzten<br />

Hecks, Schiffsglocken,<br />

knubbeligen Bullaugen, schimmernden<br />

Beschlägen, Spanten aus<br />

Esche, perfekter Handwerkskunst<br />

oder einem eleganten Riss hängen.<br />

Und immer erzählen diese klassischen<br />

Schiffe fantastische Geschichten.<br />

Unsere Risho Maru –<br />

ein Wharram-Katamaran.<br />

Die Eigener/innen zumeist ein<br />

bisschen verwittert, romantisch,<br />

elegant. Ähnlich ihren Schiffen<br />

voller Geschichten und Abenteuer.<br />

Ein Segler schreibt über seinen<br />

heißgeliebten Jollenkreuzer aus<br />

dem Jahre 1958: „Sie ist 65 Jahre<br />

alt und pardon: Man sieht es ihr<br />

an. Sie hat Altersflecken, Narben<br />

und sie wirkt ein wenig wie aus<br />

der Zeit gefallen. Aber sie bekommt<br />

trotzdem ständig Komplimente,<br />

sie sei wunderschön. Das<br />

stimmt. Sie hat Charakter, Stil, sie<br />

strahlt einen gewissen Stolz aus,<br />

vielleicht sogar Weisheit.“ (Zitat:<br />

Jens Wiegmann, https://www.welt.<br />

de/debatte/article115877345/<br />

Warum-ich-ein-altes-Holzbootliebe.html).<br />

MEHR SEROTONIN<br />

Wenn ich’s mir überlege, ist es ja<br />

auch mit Seglern und Seglerinnen<br />

so. Alter ist lang kein Grund, um<br />

das Segeln aufzugeben. Oder nicht<br />

damit anzufangen. Man ist körperlich<br />

aktiv, baut Muskeln und Kondition<br />

auf, bleibt beweglich und ist<br />

ständig an der frischen Luft. Vielleicht<br />

lässt die Gesundheit das Segeln<br />

wirklich einmal nicht mehr<br />

zu, aber das ist definitiv nicht an<br />

eine Zahl gebunden.<br />

Selbstverantwortung, Organisationstalent<br />

und Flexibilität halten<br />

einen auf Trab. Und dick wird man<br />

nur, wenn der Marina-Aufenthalt<br />

zum Schrebergarten-Domizil mutiert.<br />

Hat man nicht beschlossen,<br />

Einhandsegler zu sein, arbeitet<br />

man im Team, trifft Leute, ist Teil<br />

einer Community.<br />

Angeblich wirkt das Leben auf<br />

dem Wasser auf den Serotonin-<br />

Level, sorgt für gute Gefühlslage<br />

und weniger Stress. Außer der<br />

Anker geht mitten in der Nacht<br />

durch. Aber jeder kennt das schöne<br />

Gefühl, wenn es überstanden ist<br />

und man eine tolle Story zum<br />

Besten geben kann, oder? Und<br />

egal, ob man auf fernen Meeren<br />

46 OCEAN WOMAN <strong>2022</strong>


segelt, den Pazifik bezwingt, einen<br />

gewundenen Fluss entlangtuckert,<br />

den Neusiedler See erobert, den<br />

Atlantik im Kielwasser hat oder<br />

die Bora in der Kvarner pitschnass<br />

überwindet: Mit einem Boot erblickt<br />

man die Welt von einem<br />

anderen Standpunkt und immer<br />

mit ganz anderen Augen.<br />

Der Gewinner des Golden Globe<br />

Race 2018 heiß Jean Luc Van den<br />

Heede und ist 77. Sir Robin Knox<br />

Johnston (83) beschreibt seinen Favoriten<br />

so: „Ich dachte von Anfang<br />

an, dass er gewinnen würde, da ich<br />

seinen Erfahrungsschatz kenne.“<br />

(Zitat Yacht 5/2019)<br />

Die Britin Jeanne Sokrates umsegelte<br />

mit 70 als erste Frau solo<br />

Nonstop die Welt, Wolfgang Hausner<br />

verchartert mit 82 auf den<br />

Philippinen und ist oft auf seinem<br />

Mast zu sehen.<br />

Und natürlich Bobby Schenk,<br />

der charmant, agil und fit seine Erfahrungen<br />

an die Seglergemeinde<br />

weitergibt, wenn er nicht gerade irgendwo<br />

auf der Welt unterwegs ist.<br />

Er wurde dieses Jahr 83 und beweist,<br />

es gibt kein „zu alt“ zum<br />

Segeln.<br />

Unsere „klassische“ Risho Maru<br />

wurde diesen Sommer in einer<br />

schönen Bucht auf der kroatischen<br />

FOTO: WOLFGANG HAUSNER<br />

Marke Eigenbau: Weltumsegler<br />

Wolfgang Hausners Taboo III.<br />

Insel Ist mit einem wunderschönen<br />

Kompliment bedacht. Ein Franzose<br />

paddelte mit seinem Kajak vorbei<br />

und rief: „Wharram? Legend!“<br />

Segelschiffe sind oft Legenden.<br />

Und SeglerInnen auch! <br />

Bobby Schenk, Segellegende<br />

und Bestseller-Autor.<br />

OCEAN WOMAN <strong>2022</strong> 47


Vino, Vongole<br />

e Vermouth AUSGABE 5/2021<br />

Auf einem alten Boot gibt es immer Arbeit. Auch auf einem neuen, bestätigt unser Kranführer Luca, und<br />

so bleiben wir ein paar Tage in dem schönen Fluss Stella, um unseren 38-jährigen Katamaran Risho Maru<br />

einer Frischzellen-, äh, Frischwasserkur zu unterziehen, inklusive einiger Restaurationsarbeiten.<br />

Es gibt Schlimmeres, denn wir<br />

liegen mitten in Friaul und<br />

wo gearbeitet wird, muss<br />

auch gegessen werden. Den Tag beginnen<br />

wir in der Bar „Ai Cinquecento“<br />

mit zahlreichen Arbeitern,<br />

Angestellten, Hausfrauen, Pensionisten<br />

– der Cappuccino ist schaumig<br />

und cremig, die Chefin resolut,<br />

aber gerecht. Zu jedem Kaffee gibt<br />

es ein Stamperl Mineralwasser, wer<br />

mehr braucht, bestellt Caffè corretto<br />

– einen Espresso mit einem<br />

Schuss Grappa. Dazu ein Brioche<br />

mit Marmellata di albicocche oder<br />

cioccolata.<br />

Himmlisch das Obst von<br />

Michele und Irena auf<br />

dem Markt in Palazzolo.<br />

Gleich danach geht es zum<br />

Wochenmarkt – in der Umgebung<br />

ist immer gerade einer. Wir lieben<br />

den Markt in Palazzolo und kau -<br />

fen zum wiederholten Mal diese<br />

wunderbaren kernlosen Victoria-<br />

Trauben bei Michele und Irena.<br />

Die beiden haben alle Hände voll<br />

zu tun – viele kommen wegen der<br />

saftigen Pesche noci und der<br />

himmlisch süßen Meloni di Mantova,<br />

der Honigmelonen. Vom Käsestand<br />

schnappen wir uns eine<br />

Ecke Montasio-Käse. Oder doch<br />

zwei. Je länger dieser reift, desto<br />

aromatischer wird er. Also einmal<br />

fresco und einmal straveccio.<br />

Die Mittagsjause ist gerettet.<br />

Noch ein Cuore di bue – Ochsenherztomate<br />

– mit Balsamico, Olivenöl<br />

und weißen Zwiebel dazu,<br />

abgerundet mit einer Ciabatta.<br />

Die Arbeiten am Schiff gehen<br />

voran. Zwar wären wir einer<br />

Siesta nicht abgeneigt – so wie<br />

sie gerade in unserer näheren<br />

Umgebung alle halten –, aber<br />

schließlich wollen wir doch<br />

noch in diesem Sommer nach<br />

Kroatien.<br />

Der Abend bietet viele Möglichkeiten.<br />

Unser Favorit ist das<br />

„Ristorante Cigno“ in Latisana.<br />

Die Pizzen dünn und knusprig,<br />

die Kellnerin charmant und<br />

neapolitanisch. Ricotta e spinaci<br />

oder die Siciliana mit salzigen<br />

Anchovis. Dazu Insalata mista,<br />

mit Fenchel und Borlotti-Bohnen<br />

verfeinert. Wenn wir vom Mittagessen<br />

zu satt sind oder der Tag<br />

einfach zu heiß ist, bleiben wir<br />

ums Eck in der Bar „Il Stusighin“<br />

hängen.<br />

48 OCEAN WOMAN <strong>2022</strong>


Unwiderstehlich das<br />

Frico und die Tramezzini<br />

in der Bar „Il Stusighin“.<br />

Der Spritz bianco ist unschlag -<br />

bar, liegt wohl an den köstlichen<br />

Weißweinen, die in der Umgebung<br />

ge keltert werden. Und dann mein<br />

heißgeliebtes Frico con patate,<br />

Fladen aus Käse, Erdäpfeln und<br />

Zwiebeln, knusprig-goldig –<br />

mamma mia! Der Skipper nimmt<br />

die Tramezzini – die sind ja einfach<br />

immer gut! Gam beretti, bresaola<br />

con rucola oder Speck, stracchino<br />

e zucchine …<br />

DIE WASSERLINIE HALTEN<br />

Überhaupt gibt es in der Umgebung<br />

unendlich viele Möglichkeiten, sich<br />

den Bauch vollzuschlagen. Es<br />

brauchte einige Zeit, bis wir zu einem<br />

der Grill-Restaurants direkt an<br />

der Straße abgebogen sind, weil uns<br />

die Lage nicht gerade schön erschien,<br />

aber das Feuer des großen<br />

Grills zog uns immer wieder an.<br />

Die „Trattoria-Rosticceria al Gallo“<br />

serviert unter anderem ein köstliches<br />

Pollo (halbes gegrilltes Huhn)<br />

mit Polenta. Dazu gerösteter Fenchel,<br />

Radicchio und Melan zani. Spinaci<br />

al burro zergeht auf der Zunge.<br />

Danach folgt ein Diättag, sonst<br />

müssten wir die Wasserlinie der<br />

Risho Maru höher setzen. Und noch<br />

mehr Arbeit brauchen wir wirklich<br />

nicht. Es gibt nur Cappuccino und<br />

erst am Abend biegen wir auf das<br />

Weingut „Anselmi“ ein, um einerseits<br />

„unseren“ Prosecco zu kaufen<br />

und andererseits eine der köstlichen<br />

Bruschette zu schnabulieren. Bei<br />

Anselmi kann man auch nächtigen<br />

– für alle, die es auch ohne Schiffsrenovierung<br />

in diese Gegend zieht.<br />

Auf dem Heimweg verwerfen wir<br />

wieder alle Diatpläne, indem wir in<br />

der Gelateria Artigianale einkehren.<br />

Dort verkosten wir Gelato ai mirtilli<br />

– Schwarzbeer-Eis – und als Draufgabe<br />

una pallina di gelato Vermouth<br />

con Arancia – gerührt, nicht<br />

geschüttelt.<br />

Ohne Grappa geht dann meist gar<br />

nichts mehr. Wir besuchen in Gehweite<br />

zur Marina unser Stammlokal<br />

„Da Mauro“ mit all den Arbeitern,<br />

Angestellten, Pensionisten und<br />

Hausfrauen, die uns freundlich<br />

zuwinken. La vita è bella!<br />

PS: Wo es die besten Vongole<br />

des Friûl gibt, verraten wir<br />

nicht – scusate …<br />

<br />

Wellenzeit –<br />

Drei segeln um die Welt<br />

In viereinhalb Jahren umsegelten<br />

Peter, Alexandra und Sohn Finn<br />

(heute 18 Jahre alt) auf ihrem Katamaran<br />

Risho Maru die Welt!<br />

Sie trafen „Jungle Man“ in der Karibik,<br />

entdeckten die glücklichen Inseln<br />

der Südsee, auf denen auch Polizisten<br />

Blüten hinterm Ohr tragen, und verliebten<br />

sich in die süßen, aber furchtbar<br />

stinkenden Seehunde auf den Galapagos-Inseln.<br />

Und sie stellten fest,<br />

dass der Erzherzog-Johann-Jodler<br />

auch den Leuten im Insel archipel<br />

Vanuatu im Pazifik gefällt!<br />

Und Sohn Finn? Will später einmal<br />

um Kap Hoorn segeln und wird seine<br />

E-Gitarren bestimmt nicht zu Hause<br />

lassen.<br />

Alexandra Schöler-Haring/Peter Schöler: Wellenzeit – Drei segeln um die Welt.<br />

E-Book, 294 Seiten, 52 Fotos, Aequator Verlag, ISBN-13 9783957370150, € 9,99<br />

OCEAN WOMAN <strong>2022</strong> 49


Marinas,<br />

Milka & MTV<br />

Während unserer Weltumsegelung<br />

besuchten wir Malaysien samt seiner<br />

zahlreichen Marinas und Ankerplätze.<br />

FOTO: SHUTTERSTOCK<br />

50 OCEAN WOMAN <strong>2022</strong>


Ruhepause in der eleganten Admiral Marina in Port Dickson.<br />

Traumhafte Ankerbucht ohne die Hektik einer asiatischen Stadt.<br />

Wir segelten genau eine<br />

Nacht in der Malaka -<br />

strait. Dann war es<br />

genug. Kugel- und<br />

Querblitze um uns, unbeleuchtete<br />

Fischerboote neben uns und zahllose<br />

Fischernetze unter uns ließen<br />

uns zu einem festen Entschluss<br />

kommen: Ab nun wurde tagsüber<br />

gesegelt.<br />

Losgefahren waren wir in Singapur.<br />

Hinter uns hatte sich eine<br />

mächtige schwarze Wand aufgetürmt.<br />

Vorsicht war angesagt! Abgesehen<br />

von den üblichen Gewittern<br />

gab es hier nämlich auch die<br />

bösen Sumatras. Gefürchtete Gewitterstürme<br />

– einen hatten wir in<br />

der eleganten One 15 Degree Marina<br />

miterlebt. Die Fetzen waren geflogen.<br />

Mit dabei unser Sonnendach.<br />

Die Gewitterwand folgte uns unauffällig,<br />

aber erreichte uns nicht.<br />

Nur in dieser einzigen Nachtfahrt<br />

dieses 360-Seemeilen-Törns, der<br />

uns bis Lankawi, der letzen malaysischen<br />

Insel vor Thailand brachte,<br />

donnerte und wetterleuchtete es<br />

um uns herum. Wir waren froh,<br />

am nächsten Morgen Port Dickson<br />

und die Admiral Marina unbeschadet<br />

anlaufen zu können. Übernächtigt<br />

verholten wir uns an einen<br />

blitz blanken, leeren Steg.<br />

FAULE TAGE IN PORT DICKSON<br />

Die Marina war mittelmäßig gut<br />

besucht. Einige Fahrtensegler<br />

mischten die Schiffe der Reichen<br />

und Schönen auf. Wenig später<br />

hatte die nette Dame im Marina -<br />

office für uns einklariert und wir<br />

lagen in einem türkis-schimmernden<br />

Swimmingpool und beobachten<br />

das gekräuselte Wasser in der<br />

Bucht. Gegenwind. Gut so. Wir<br />

würden einige Tage bleiben müssen.<br />

Selbstverständlich waren die<br />

Hamburger, das Bier und die Pommes<br />

viel zu teuer im Sailors Club,<br />

aber die Bordkasse stimmte dennoch.<br />

Marinagebühr inklusive Katamaranzuschlag<br />

pro Nacht: zehn<br />

US Dollar. Unser Sohn Finn lernte<br />

Billard und MTV kennen.<br />

Wir waren lange genug in Port<br />

Dickson, um einen Konvoi mit anderen<br />

Seglern zu gründen. Nein,<br />

keine Piratengefahr, sondern einfach,<br />

weil es nett war. Die Veras<br />

und die Esperanzas wollten in die<br />

gleiche Richtung – na, warum<br />

dann nicht gemeinsam um vier<br />

Uhr früh aufstehen, um tagsüber<br />

mindestens 70 Seemeilen zu schaffen?<br />

Gesagt, getan.<br />

In der Früh war es noch dunkel<br />

genug, dass so manches Netz in die<br />

Schraube ging. Eine Nacht verbrachten<br />

wir hinter einer idyllischen<br />

Leuchtturminsel. Beim Losfahren<br />

am Morgen ließ sich trotz<br />

angeworfenem Motor das Schiff<br />

nicht mehr bewegen. Panik packte<br />

uns. Die ruppigen Felsen der Bucht<br />

rückten näher, Strömung und<br />

Wind hatten sich gegen uns verschworen.<br />

In zwei Sekunden hatte<br />

ich Genua und Groß gesetzt. Finn<br />

steckte verschlafen den Kopf aus<br />

der Koje ob des hektischen Treibens<br />

an Deck und riet, doch einmal<br />

zu schauen, ob etwas in der<br />

Schraube war.<br />

Es war. Ein schwarzes T-Shirt!<br />

Ein Hoch dem Jung-Skipper und<br />

dem Außenborder. Hochklappen<br />

und die Schraube säubern. Unsere<br />

Segelfreunde gingen nicht bloß<br />

einmal im dreckigen Wasser der<br />

Malakastrait tauchen, um Schraube<br />

von Plastikplanen, Netzen und anderem<br />

Gerümpel zu befreien!<br />

IM GEWITTER NACH<br />

GEORGTOWN<br />

Nach einem glühend schwülen Tag<br />

mit sporadischen Leichtwindsegel -<br />

einlagen endlich Georgetown in<br />

Sicht! Gerade als wir die große<br />

Brücke über die Bucht kurz vor der<br />

Marinaeinfahrt passierten, ging ein<br />

Gewittersturm auf uns nieder, der<br />

die Wanten Funken sprühen ließ.<br />

Hinter uns knallte ein Blitz in die<br />

OCEAN WOMAN <strong>2022</strong> 51


Natürlich mit den Fingern verzehrt.<br />

Ist man fertig, kommt ein<br />

Kellner und befördert das leere Bananenblatt<br />

in den Müll. Ziemlich<br />

Bio, oder? Unsere klebrigen Finger<br />

wuschen wir am Gemeinschaftswaschbecken<br />

und die einheimischen<br />

Inder kicherten in sich hinein<br />

angesichts der aufgeregten,<br />

Wasserflaschen ohne Ende bestellenden<br />

Touris!<br />

In diesem Revier droht<br />

ständig Gefahr von Unwettern<br />

mit Blitzschlag.<br />

Straßenbild in Georgetown.<br />

Selbst die Fähren sind in Georgtown bunt wie Kanarienvögel.<br />

Stahlbrücke, vor uns verschwanden<br />

sämtliche Schiffe in einer undurchdringlichen<br />

Regenwand. Dann<br />

noch ein spannendes Anlegemanöver,<br />

Risho Maru versus zwei Knoten<br />

Gegenstrom.<br />

Ich denke, es gibt niemanden,<br />

der raffinierter anlegen kann als<br />

mein Mann, der jahrelang seinen<br />

heißgeliebten Katamaran in engen<br />

griechischen Inselhäfen manövrierte.<br />

Ohne zwei Motoren. Ohne<br />

Bugstrahlruder. Aber dafür mit viel<br />

Gefühl und einer perfekten Crew.<br />

In diesen Gefilden klebt einem<br />

permanent die Kleidung am Leib.<br />

Entweder wegen der Sturzregen -<br />

fälle oder wegen der unglaublich<br />

feuchten Hitze. Im warmen Nieselregen<br />

folgten wir norwegischen<br />

Fahrtenseglerfreunden in ihr indisches<br />

Lieblingslokal zum Abendessen.<br />

Das Little India von Georgetown<br />

gleicht einem Bollywoodfilm<br />

Set: Shops mit Millionen von Armreifen,<br />

Bindis, Zehenringen. Zahllose<br />

Buddhageschäfte und an jeder<br />

Ecke Fernsehschirme, auf denen<br />

sich indische Schönheiten tummelten,<br />

die mit ihren glutäugigen<br />

Hauptdarstellern curryscharfe<br />

Blicke austauschten und dazu<br />

Musicallieder sangen.<br />

Das Lokal war ein enger Schuppen.<br />

Wir bestellten, was alle aßen.<br />

Curry, auf einem Bananenblatt serviert,<br />

mit Reis, um das unglaubliche<br />

Chilifeuer etwas zu löschen.<br />

DENEUVE HAT KEINE CHANCE<br />

Die Tanjong City-Marina ist praktisch,<br />

da im Zentrum von Georgetown.<br />

Die Nächte waren unruhig.<br />

Zuerst weil wir nicht ins Bett kamen<br />

ob der zahllosen chinesischen<br />

Minibars in den kolonial romantisch<br />

verfallenen Gassen. Das beliebte<br />

Tiger Beer brachte etwas<br />

Kühlung.<br />

Auf dem Schiff hielt uns genau<br />

diese Hitze wach und das Knarren<br />

und Ziehen der Schiffstaue, die einen<br />

sinnlosen Kampf mit den vorherrschenden<br />

Strömungen führten.<br />

Wir besuchten das berühmte<br />

blaue Haus. Der Architekt hatte<br />

große Anerkennung erlangt, weil<br />

er dieses Haus ganz im Sinne der<br />

Feng Shui-Tradition erbaut hatte.<br />

Angeblich mit einem Energiezen -<br />

trum mitten im Innenhof. Ich denke,<br />

der Energiepunkt liegt ganz woanders.<br />

In einem Korbsessel auf der<br />

kühlen schattigen Veranda des<br />

Hauses. Dort nämlich war Catherine<br />

Deneuve gesessen, als sie den<br />

Film „Indochine“ drehte und hatte<br />

den Abdruck ihres Allerwertesten<br />

in einem weichen indischen Kissen<br />

hinterlassen.<br />

Bei Peter hätte Catherine keine<br />

Chance gehabt, denn nur wenige<br />

Häuser weiter entdeckten wir eine<br />

Schokoladenfabrik. Was macht<br />

man mit zehn Kilo gekaufter Schokolade<br />

in Malaysien ohne eiskaltem<br />

Kühlschrank an Bord? Essen, war<br />

die Antwort des Kapitäns und so<br />

geschah es.<br />

Das Archipel Lankawi an der<br />

Westküste Malaysiens besteht aus<br />

99 Inseln und ist Ausflugs- als auch<br />

52 OCEAN WOMAN <strong>2022</strong>


Wie ein Gemälde: das „Blaue<br />

Haus“ mit Stilleben vor der Tür.<br />

„ Was macht man in Malaysien mit zehn Kilo Schokolade<br />

ohne eiskaltem Kühlschrank an Bord? Essen natürlich.“<br />

Fahrtenseglerparadies. Auf Dajang<br />

Buting wanderten wir zu einem<br />

Süßwassersee, genannt „The Lake<br />

of the Pregnant Maiden“. Mit uns<br />

hatten ca. 500 Touristen dieselbe<br />

Idee. Es begann zu schütten.<br />

Wir segelten nach Kuah, der<br />

Inselhauptstadt.<br />

MORD IN DER MARINA<br />

Die Royal Lankawi Marina besuchten<br />

wir mit dem Dingi. Und<br />

genehmigten uns einen königlichen<br />

Drink, bei dem wir die News<br />

des Tages erfuhren. Die Leiche eines<br />

britischen Seglers war in seinem<br />

Schiff war entdeckt worden.<br />

Es hatte Streit gegeben unter einigen<br />

dort seit Jahren hängengebliebenen<br />

Fahrtenseglern. Der Tatort<br />

war gut sichtbar mit gelben Plastikbändern<br />

abgesperrt. Wir besuchten<br />

dann doch lieber den<br />

Night-Market, aßen indische Samosas,<br />

kosteten die berühmten<br />

Drachenfrüchte und mussten eine<br />

Tüte getrockneten Knabberfisch<br />

probieren. Ich freute mich, endlich<br />

mal wieder Haselnüsse en masse<br />

einkaufen zu können. Die sind in<br />

Malaysien eine Spezialität und<br />

peppten meine tropischen Weihnachtskekse<br />

gehörig auf.<br />

Der zollfreie Einkauf blüht in<br />

Kuah. Man kriegt Bier, Kondome<br />

und Schokolade – genau in dieser<br />

Reihenfolge – ausgesprochen<br />

günstig angeboten. Wir waren<br />

glücklich – der Adventkalender<br />

wurde mit Milka, Rittersport und<br />

Co. gefüllt! Die Insel umrundeten<br />

wir mit einer Schrottkiste der<br />

Marke „Saga“. Rumpelten zu einer<br />

Krokodilfarm mit ausgesprochen<br />

unglücklichen Krokodilen. Dafür<br />

gab es im Anschluss einen Strand -<br />

spaziergang im Süden der Insel<br />

unter sehr glücklichen australischen<br />

Urlaubern. Zufällig drehte<br />

man einen Bollywood-Musicalfilm,<br />

wir durften mitspielen und<br />

ein bisschen indisch tanzen. Die<br />

Bodyguards fanden uns ziemlich<br />

beeindruckend.<br />

Auf dem Heimweg statteten wir<br />

noch der Galeria Perdana einen<br />

Besuch ab. Drei Stockwerke, Aircondition,<br />

zu sehen: 2.500 Geschenke<br />

von Staatsoberhäuptern<br />

für den malaysischen Minister -<br />

präsidenten. Darunter ein Ferrari<br />

aus Italien, ein Kalaschnikow-Set<br />

aus Afghanistan, ein Steyr-Truck<br />

aus Österreich.<br />

Das Beste an der nur zehn Seemeilen<br />

entfernten Rebak Marina<br />

war eindeutig das angeschlossene<br />

Luxus-Resort. Wir blieben nur<br />

eine Nacht, da die Hitze in der<br />

OCEAN WOMAN <strong>2022</strong> 53


Zumindest sicher:<br />

die Telaga Harbour Marina.<br />

FOTO: SHUTTERSTOCK<br />

Hektik pur: die Marina von Singapur.<br />

Bick auf den Dschungel von<br />

Lankawi aus luftiger Höhe.<br />

Hier hat schon Jodie Foster gedreht.<br />

Marina grenzwertig war. Einige<br />

Boote standen auf dem Trockenplatz<br />

und zwei tapfere Segler strichen<br />

erschöpft Antifouling. Später<br />

erfuhr ich, dass Leute hier die Saison<br />

über blieben und sogar eine<br />

Schule für Fahrtenseglerkinder gegründet<br />

worden war! Zur besseren<br />

Belüftung legten wir uns ins gut<br />

besuchte Ankerfeld vor der Telaga<br />

Harbour Marina. Sowohl diese als<br />

auch die Rebak Marina waren im<br />

Zuge des großem Tsunami im Jahr<br />

2005 schwer beschädigt worden.<br />

BESUCH BEI JODIE FOSTER<br />

Das Flanieren auf der funkelnagelneuen<br />

Vergnügungsmeile mit zahl-<br />

„ Ich erfuhr, dass Leute hier die Saison<br />

über blieben und sogar eine Schule<br />

für Fahrtenseglerkinder gegründet<br />

worden war!“<br />

reichen internationalen Restaurants<br />

wurde unsere Abendbetätigung.<br />

Ein schönes rotes verfallenes<br />

Gebäude in einem wilden tropischen<br />

Garten weckte unsere Aufmerksamkeit.<br />

Wieder einmal eine<br />

Filmkulisse! Jodie Foster hatte dort<br />

„Anne und der König von Siam“<br />

gedreht. Wir kraxelten zwischen<br />

den verfallenen Holzhäusern herum<br />

und trafen ebenso neugierige<br />

englische Fahrtensegler, die uns<br />

daraufhin ihr Lieblingslokal der<br />

Vergnügungsmeile zeigten – eine<br />

kleine indische Garküche auf der<br />

Rückseite der mondänen Restaurants.<br />

Besucht von Fahrtenseglern<br />

und Restaurantbediensteten.<br />

Wir bewunderten das grüne<br />

Lankawi von oben, als wir mit dem<br />

Cable Car in die Lüfte schwebten –<br />

übrigens eine österreichische Konstruktion,<br />

was uns beruhigte, als der<br />

Wind zulegte. Und am nächsten<br />

Tag nutzen wir genau diesen Wind,<br />

um nach Thailand weiterzusegeln.<br />

Auch weil die Schokolade langsam<br />

knapp wurde.<br />

<br />

54 OCEAN WOMAN <strong>2022</strong>


Get me a freezer!<br />

AUSGABE 1/2021<br />

Südsee, Marchesas, Tahuata! Heutzutage hängen dort Segler fest wegen eines Virus.<br />

Damals unvorstellbar. Man wäre gerne für immer dortgeblieben.<br />

Natürlich Traumstrände, Blüten<br />

überall und Fisch ohne<br />

Ende. Doch in meiner Erinnerung<br />

essen wir gerade Chips,<br />

trinken Cola light und warten auf<br />

Fleischbällchen. Und verbringen<br />

Zeit mit den „Sabbaticals“. Dass<br />

Segler sich nach ihren Schiffsnamen<br />

nennen, ist auf einer<br />

Weltumsegelung ganz normal.<br />

Unter meinem Sitzpolster summt<br />

der Freezer – die Tiefkühlbox. Angenehme<br />

Raumtemperatur, leise<br />

surrt die Aircondition. Wir sind auf<br />

der Sabbatical III, einer Amel Super-Maramu,<br />

eine 52-Fuß-Ketch,<br />

gebaut in La Rochelle.<br />

Laura und Mark schnappten uns<br />

das Taxiboot auf Santa Cruz, den<br />

Galapagos-Inseln, vor der Nase<br />

weg. Sie streiten es bis heute ab. Ich<br />

mochte die beiden auf Anhieb. Als<br />

wir sie kennenlernten, waren sie<br />

gerade eineinhalb Jahre unterwegs.<br />

Ihre Freunde zu Hause in Rhode<br />

Island an der amerikanischen Ostküste<br />

waren verwirrt und verstanden<br />

nicht, warum man so eine Reise<br />

machen will. „We don’t want to<br />

die before we had a chance to live!“<br />

Tochter Hanna, die in Chicago<br />

studiert, fand es sehr cool. Die<br />

Eltern ihrer Freunde wurden fett<br />

und grantig, ihre gingen mit Haien<br />

tauchen und Kava trinken mit<br />

polynesischen Häuptlingen!<br />

Am schönsten ist es für Laura<br />

mit Mark, dem Mann, mit dem<br />

sie seit 30 Jahren zusammen ist, in<br />

der kühlen Vorschiffkoje zu liegen,<br />

um – tja, was auch immer zu machen<br />

… Laura lacht verlegen und<br />

mischt die angebratenen Zwiebel<br />

unter das Hackfleisch. Ein paar<br />

zerbröselte Cracker kommen dazu<br />

– das Rezept ihrer Mum – echtes<br />

„comfort food“!<br />

Die Sabbatical III, das Zuhause des Weltumseglerpaares Laura und Marc. Ihr Lieblingsplatz an Bord: die kühle Vorschiffskoje.<br />

GET ME OUT!<br />

Ja, manchmal, wenn es sehr stürmisch<br />

ist, natürlich nachts, und<br />

alles durch die Gegend fliegt und<br />

vielleicht auch noch so wie bei der<br />

letzten Überfahrt ausgerechnet ihre<br />

Lieblingskaffeetasse zersplittert,<br />

dann, ja dann: „Get me out of here,<br />

please!“ Doch später, geankert in<br />

einer türkisen Lagune, wird Laura<br />

ihr Cola light (von dem übrigens<br />

200 Dosen in den Bilgen gelagert<br />

sind) im Cockpit genießen und ihr<br />

Ehemann Mark, der zu Hause nie<br />

Leute treffen wollte, wird fragen:<br />

„Was meinst du, sollen wir mal<br />

unser Nachbarschiff anfunken, ob<br />

sie Zeit haben rüberzukommen?“<br />

Zeit zum Plaudern, Lachen, Erzählen,<br />

Glücklich sein! Wobei, für<br />

Mums Fleischbällchen (von Laura)<br />

immer auf dem Schiff zu leben<br />

wäre für Laura undenkbar: „Ohne<br />

mein Klavier, der alten Steinway<br />

meines Vaters, kann ich nicht sein!“<br />

Und wie kam sie zum Segeln?<br />

Schon etwas länger her. „Mein Boyfriend<br />

nahm mich zum Segeln mit<br />

und da war dieser Steuermann dabei,<br />

lockiges Haar, sehr süß, naja,<br />

heute sind die Locken grau, aber<br />

süß ist er noch immer!“ Und da –<br />

Laura wird rot! Fast so rot wie<br />

das Ketchup, das sie gerade zur<br />

Worchestersauce mischt!<br />

Bis heute sind wir eng verbunden.<br />

Mehrmals haben sie uns in<br />

Wien besucht und die Einladung<br />

mit der Sabbatical III die Küste<br />

Maines zu ersegeln, wird langsam<br />

wieder realistischer! <br />

Zutaten. 500 g Faschiertes, 1 Ei, einige Cracker, 1 Teelöffel Salz, 2 Zwiebeln, 200 g Ketchup (oder 1 Dose passierte<br />

Tomaten), 2 EL Worcester-Sauce, 1–3 EL brauner Zucker, 2 EL Olivenöl.<br />

Zubereitung. Zwiebel schneiden, in Öl anschwitzen, aus der Pfanne entfernen. Faschiertes mit Ei, den zerbröselten<br />

Crackern und Salz mischen, in Bällchen formen und in der Pfanne schön braun braten. Ketchup mit<br />

Worchestersauce und Zucker mischen. Die fertigen Fleischbällchen mit den Zwiebeln und der<br />

Sauce wieder in die Pfanne geben und gute 20 Minuten köcheln lassen.<br />

Luxus. Für Fahrtensegler ist gutes Fleisch absoluter Luxus. Für manche ist eine Tiefkühlbox<br />

der Luxus, den sie brauchen. Für mich nicht – ich kam mit meiner kleinen Kühlbox gut aus.<br />

Es ist sehr befrie digend, mit den begrenzten Ressourcen an Bord gekonnt haushalten zu können.<br />

Der Sabbaticals Blog:<br />

è www.sabbatical3.net/blog/?m=200709<br />

„This comfort food can be made in advance and frozen.<br />

Serve to Peter, Alex and Finn with rice and lots of love!“<br />

OCEAN WOMAN <strong>2022</strong> 55


Erinnerungen<br />

an Thailand<br />

56 OCEAN WOMAN <strong>2022</strong>


Es dauerte eine Weile, bis wir das schöne,<br />

wahre Thailand entdeckten. Abseits der<br />

touristischen Resorts, ja, abseits der<br />

Nebenstraßen. Buddhistische Gelassenheit,<br />

liebenswerte Menschen, herrliches Essen<br />

und aufregende Thai-Boxkämpfe.<br />

Kurz vor dem Weitersegeln<br />

von Lankawi in Malaysien<br />

nach Thailand kam mir im<br />

Yachtclub ein Werbemagazin<br />

für Phuket in die Hände.<br />

„Phuket im Dezember!“ stand da in<br />

großen Lettern über einem ernüchternden<br />

Foto. Man sah rot angeröstete<br />

Leiber in Liegestühlen zuhauf<br />

an einem Strand liegen, der auch in<br />

Lignano sein könnte. Zwei Thai-<br />

Masseurinnen mühten sich gerade<br />

mit zwei gewaltigen Fleischbergen<br />

im Vordergrund des Bildes ab.<br />

Es stellte sich heraus, der Artikel<br />

war nicht zynisch gemeint, sondern<br />

pries Phuket und seine vielen Freizeitmöglichkeiten<br />

in höchsten Tönen.<br />

Wir beruhigten uns mit der<br />

Tatsache, dass wir immer noch nach<br />

Malaysien zurücksegeln könnten,<br />

sollte es uns gar nicht gefallen.<br />

EMERALD BLUE<br />

Der erste Ankerplatz Kho Lipe<br />

machte uns ein für allemal klar,<br />

hier blühte der Tourismus. Erstmals<br />

flüchteten wir nach nur wenigen<br />

Stunden zum weniger überlaufenen<br />

Festland Thailands. Der Wind, der<br />

seit Monaten auf sich hat warten<br />

lassen, frischte genau an diesem Tag<br />

auf – und zwar mit einem wunderschönen<br />

Dreh gegen uns.<br />

Wir landeten müde und entnervt<br />

am bislang schönsten Ankerplatz<br />

Thailands (wussten wir zu diesem<br />

Zeitpunkt zwar nicht, aber irgendwie<br />

ahnten wir es), Ko Bulan, ein<br />

stiller Fjord, Affen am Strand, Urwaldgeräusche<br />

in der Nacht. Aber<br />

wie der Mensch auf der Risho Maru<br />

so ist, war es dann doch ein bisserl<br />

gar einsam dort und wir segelten<br />

weiter nach Ko Muk, einer Insel,<br />

die berühmt ist wegen der Emerald<br />

Cave.<br />

Diese Höhle erreicht man nur,<br />

indem man durch einen finsteren<br />

Felsenschlauch schnorchelt, durch<br />

stockdunkles Wasser mit den bollernden<br />

Geräuschen der Brandung<br />

im Hintergrund, die durch die<br />

Felswände unheimlich verstärkt<br />

wurden. Für mich der Stoff, aus<br />

57


dem Alpträume sind, und deshalb<br />

berichtete Peter von drinnen: Eine<br />

Öffnung nach oben ließ emeraldblaues<br />

Licht in die Höhle, der Himmel<br />

spiegelte diese Farbe zauberhaft<br />

wieder. Ein Minisandstrand<br />

und eine verkrümmte Palme. Stille.<br />

THE BEACH BEI REGEN<br />

Resorts gibt es in Thailand offensichtlich<br />

an jedem freien Strand.<br />

Wir beschlossen, uns das einmal<br />

anzusehen und bereuten es keineswegs.<br />

Wir dinierten im kleinen<br />

Restaurant direkt am Sandstrand.<br />

Füße im Sand. Brandung als Backgroundgesang.<br />

Fackeln beleuchteten<br />

unsere köstlichen Thai-Gerichte:<br />

Green Curry mit Shrimps,<br />

Yellow Curry mit Huhn und „Beef<br />

with Garlic, Ginger and Pepper“.<br />

Also diesmal hatte der Weihnachtsspeck<br />

an unseren Hüften sicher<br />

nicht mit Weihnachtskeksen zu<br />

tun! Oder vielleicht saugt Adrenalin<br />

das Fett wieder ab.<br />

Die sanfte Brandung war im<br />

Laufe des Abends zu einem enormen<br />

Schwall angewachsen. Bei der<br />

Heimfahrt mit dem Dingi – besser<br />

beim Ablegen vom Strand (natürlich<br />

im Stockdunklen) – stiegen drei<br />

Megawellen in das Dingi ein. Nur<br />

mit Peters gut trainiertem Surfergefühl<br />

schafften wir es, nicht wie viele<br />

andere kopfüber auf dem Strand zu<br />

landen, dafür aber völlig durchnässt<br />

auf der Risho. Fahrtensegler können<br />

einfach nicht ohne ein bisschen<br />

Abenteuer – selbst nach einem romantischen<br />

Candlelight-Dinner!<br />

Am nächsten Tag durchstreiften<br />

wir die Insel vom Westresort zum<br />

Südresort. Dazwischen lag ein<br />

Thaidorf auf Stelzen, wiederaufgebaut<br />

nach der Tsunami-Katastrophe.<br />

An den Bäumen auf den umliegenden<br />

Hügeln, die als Evakuierungszone<br />

im Notfall gekennzeichnet<br />

sind, hingen schwarze Becher,<br />

die Bäume waren angeschnitzt und<br />

weißer Saft tropfte in die Gefäße.<br />

Dieser wird gesammelt, mit Wasser<br />

gekocht und nach einigen anderen<br />

Prozeduren von Frauen mit den<br />

Füßen platt getreten und zum<br />

Trocknen aufgehängt. Gummiherstellung!<br />

Leider mussten wir weiter,<br />

da die Offiziellen in Thailand es<br />

nicht gerne sehen, klariert man<br />

nicht nach mindestens einer<br />

Woche im Land ein.<br />

Natürlich stoppten wir in Ko Phi<br />

Phi – dort, wo der Film „The<br />

Beach“ gedreht wurde. Zugegeben,<br />

wir stoppten in eineinhalb Seemeilen<br />

Entfernung. Denn näher kamen<br />

wir nicht, kurz vor der Dämmerung<br />

fanden wir doch noch<br />

einen schlechten Ankerplatz zwischen<br />

den hunderten Ausflugsbooten.<br />

Die ganze Beachromantik ging<br />

dann gehörig flöten, als es sich einregnete<br />

und Sturmböen über uns<br />

dahinfegten. Die Touristen im<br />

Strandresort schien das nicht zu<br />

stören, nein, die Discomusik übertönte<br />

sogar das Gewittergrollen.<br />

Traumstrand vor dem<br />

Eingang zum Emerald Cave.<br />

Albtraumstrand – Weihnachten in Phuket<br />

sorgt bei Fahrtenseglern für Platzangst.<br />

58 OCEAN WOMAN <strong>2022</strong>


„Das wahre, unverfälschte Thailand<br />

entdeckt man abseits der Nebenstraßen.“<br />

ZONG, UNSER TAXIFAHRER<br />

Und so landeten wir schließlich in<br />

Phuket, Ao Chalong. Hoch auf dem<br />

Berg thronte ein enorm großer<br />

Buddha. Seglertreff, zahllose Schiffe,<br />

am Ufer Seglerlokale und, wie wir<br />

beim Abendspaziergang feststellten,<br />

Bars mit sehr willigen Damen! Vielleicht<br />

nicht ganz der richtige Ort für<br />

einen neunjährigen Finn, aber Ilse<br />

von der Esperanza meinte, ist schon<br />

gut, so geht er nicht ganz blauäugig<br />

in die Welt hinaus!<br />

Irgendwie machte sich leichte<br />

Enttäuschung auf der Risho breit,<br />

hier war es doch sehr touristisch,<br />

das Phuket im Dezember-Albtraumbild<br />

flimmerte wieder vor<br />

meinen Augen. Auf der Rückfahrt<br />

mit dem Dingi überraschte uns wieder<br />

eine Regenwand und das Dingi<br />

irgendein Felsen. Mit Blick auf die<br />

verbogene Schraube waren wir<br />

dann doch froh, in westlicher Zivilisation<br />

zu weilen.<br />

Wir folgten dem Funkruf einiger<br />

Segelfreunde in die Bucht Nai<br />

Harn und das eröffnete für uns unsere<br />

Weihnachtssaison in Thailand,<br />

die wir dann doch noch sehr ge -<br />

nießen und in schönster Erinnerung<br />

behalten würden!<br />

Nai Harn – eine weitläufige Bucht<br />

im Süden Phukets. Neben dem Resort<br />

mit Nobelrestaurant befand<br />

sich ein winziger Strand mit einem<br />

kleinen, baufälligen Lokal. Dazu<br />

Holzbänke und perfekter Meeresblick.<br />

Das würde unser Wohnzimmer<br />

für die nächsten Wochen werden.<br />

Wir aßen dort wie alle anderen<br />

Segler zu Mittag und zu Abend und<br />

manchmal wurde auch noch das<br />

Frühstück dort eingenommen.<br />

Mit dem Vorwand, wir sollten<br />

uns die Umgebung anschauen,<br />

mietete mein Kapitän ein Motorrad,<br />

wir zwängten uns verbotenerweise<br />

zu dritt drauf und gingen auf<br />

Marina-Geschäfte-Sightseeing. Natürlich<br />

gab es einiges zu besorgen<br />

und tatsächlich kriegte man die Sachen<br />

auch! Bei Rolly Tasker, dem<br />

Segelmacher der Umgebung, gaben<br />

wir eine neue Fock in Auftrag.<br />

Danach ging es auf Nebenstraßen<br />

zurück nach Nai Harn – ja und genau<br />

auf diesen Nebenstraßen, oder<br />

Aus diesen Bäumen wird<br />

Kautschuk gewonnen.<br />

Gummitreten – harte<br />

Arbeit für die Dorffrauen.<br />

Die Thaiküche ist abwechslungsreich, aber für<br />

Europäer nicht immer bekömmlich. Also Vorsicht!<br />

FOTO: SHUTTERSTOCK<br />

OCEAN WOMAN <strong>2022</strong> 59


Thailändisch: Ankernde<br />

Yachten und bunte<br />

Fischerboote, dahinter<br />

feiner Sand und dichter<br />

Regenwald.<br />

Ein schönes Fotomotiv,<br />

das trockengefallene<br />

Fischerboot.<br />

Werbung fürs<br />

Thai-Boxen.<br />

eigentlich neben diesen, ent deckten<br />

wir das schöne Thailand. Die blitzsauberen<br />

Häuser, die netten Leute,<br />

das gute Essen, große buddhis -<br />

tische Gelassenheit, wunderschöne<br />

Ausblicke von den grünen Hügeln<br />

der Halbinsel. Hier gab es den netten<br />

Franzosen mit thailändischer<br />

Ehefrau, die beide seit zehn Jahren<br />

eine herrliche Boulangerie führten,<br />

oder wir holten uns Schwarzbrot<br />

von der bayrisch-quatschenden<br />

Thailänderin, deren Kinder in<br />

München studierten.<br />

Unser Taxifahrer Zong (den wir<br />

für die nächsten Wochen immer<br />

wieder engagierten, da einige<br />

Schiffsausrüstungsteile mit dem<br />

Motorrad doch schwierig zu transportieren<br />

waren und unsere Verwandtschaft<br />

vom Flughafen zum<br />

Weihnachtsurlaub abgeholt werden<br />

musste) versuchte uns immer wieder,<br />

zum Elefantentrail oder einer<br />

Urwaldtour zu überreden. Doch<br />

wir wollten einfach nur in Zongs<br />

Stammlokal, nahe Ao Chalong gelegen,<br />

wo es die besten Kokos-Garnelen<br />

der Welt gab und man gemütlich<br />

mit Großmutter, Schulkindern<br />

und anderen Familienmitgliedern<br />

am Mittagstisch saß.<br />

Ewig lag er uns in den Ohren ob<br />

der Thai-Boxkämpfe und schließlich<br />

in einer schwachen Minute –<br />

gerade als der Duft von Hackbällchen<br />

mit Krebsfleisch uns die Sinne<br />

vernebelte – sagten wir zu.<br />

IHR KINDERLEIN KOMMET<br />

Ich fürchtete mich schon etwas vor<br />

dieser Meisterschaft, da ich mir das<br />

Ganze unendlich langweilig vorstellte.<br />

Aber weit gefehlt. Da saß ich<br />

nun und schnellte aus meinem Sitz,<br />

sobald ein Kampf sich in der fünften<br />

Runde seinem Höhepunkt entgegensteigerte.<br />

Man könnte sagen:<br />

Die Fetzen flogen! Das Ganze wurde<br />

von aufputschender Live-Musik<br />

untermalt – traditionelle Klänge<br />

mit Trommeln und Schalmeien!<br />

Thai-Boxen ist eine Mischung<br />

aus buddhistischer Konzentration<br />

und akrobatischem Beinballett, die<br />

dazu führt, dass sich die jeweiligen<br />

Gegner zur Schnecke machen.<br />

Anurak, ein schielender Muskel-<br />

Thai, der starke Wasanlek und<br />

schließlich Supergolf, den Finn am<br />

nächsten Tag im Bordzeichenunterricht<br />

grandios blutrünstig porträtierte.<br />

Doch gegen Pechmai mit<br />

leichtem Schwimmreifen hatte<br />

auch Supergolf keine Chance!<br />

Als dann der Ticketverkäufer die<br />

ersten Wetten entgegennahm, war<br />

ich knapp daran, auch einen Hunderter<br />

zu zücken, sah aber dann die<br />

großen Augen meines Sohnes und<br />

hatte mich gleich wieder im Griff!<br />

Wow! What a night!<br />

Dann saßen wir wieder brav auf<br />

unserer Risho Maru, es weihnachtete<br />

sehr in den nahen Resorts und<br />

wir sangen „Ihr Kinderlein kommet<br />

…“. Und gingen dann auf eine<br />

weihnachtlich-scharfe Zitronengras-Kokosmilchsuppe<br />

in unserem<br />

mit Lichterballons geschmückten<br />

Strandlokal.<br />

So ist es manchmal – da braucht<br />

man eben Zeit, um sich in ein Land<br />

zu verlieben. Wie gut, dass man die<br />

als Fahrtensegler auch reichlich<br />

zur Verfügung hat!<br />

<br />

60 OCEAN WOMAN <strong>2022</strong>


Marion und das Meer<br />

AUSGABE 2/2021<br />

Auf James und Marions Schiff Balu gibt es keine Türen. Denn als sie von Galway lossegelten,<br />

hatten sie den Innenausbau einfach nicht fertiggekriegt.<br />

„Segeln mit der Familie<br />

tut gut“, weiß Marion.<br />

Und ihre auf der Balu<br />

zubereiteten Potatoes<br />

schmecken sehr gut.<br />

Jeder, der je ein Schiff gebaut<br />

oder renoviert und sich auf<br />

einen längeren Törn vorbereitet<br />

hat, weiß wie knapp die Zeit letztlich<br />

wird. Darum keine Klotür – nur<br />

ein Vorhang. Und das auf einem irischen<br />

Schiff mit Bier als Hauptgetränk<br />

zum Sundowner. Ich kniff alles<br />

zusammen.<br />

„I love the ocean“, lachte die wunderbare<br />

Marion und richtete dabei<br />

ihren Gipsfuß etwas bequemer auf<br />

der Sitzbank. Sie hatte sich bei einem<br />

falschen Tritt im Cockpit – ein Sitzpolster<br />

war schlampig gelegen – den<br />

Fuß gebrochen. In der Karibik!<br />

Krankenhäuser gibt es überall, meinte<br />

sie beiläufig und wechselte gleich<br />

wieder zu ihrem Lieblings thema: „I<br />

could not live with out the ocean!“<br />

Immer hatten Marion und ihr<br />

Mann James diesen Traum von der<br />

Weltumsegelung. Damals, als wir<br />

uns trafen, waren sie gerade unterwegs,<br />

die kleine Atlantikrunde zu<br />

machen. Also einmal Atlantik und<br />

retour. Länger ging damals nicht.<br />

James musste noch arbeiten und<br />

überhaupt war es das schlimmste<br />

Jahr, das sie wählen konnten. Als sie<br />

in der Karibik waren, starb James<br />

Mutter. Er musste heimfliegen, eine<br />

Woche später starb seine Tante und<br />

Marion segelte allein mit ihrem<br />

Gipsfuß und einer guten Freundin<br />

zu den Bermudas. „Denn, wenn du<br />

was machen willst, findest du einen<br />

Weg.“ Davon ist Marion überzeugt.<br />

Sohn Luke lernten wir in Tobago<br />

kennen, er kam täglich zum Cappuccino<br />

auf die Risho Maru. Wie<br />

herrlich, dass Eltern und erwachsene<br />

Söhne sich so gut verstehen, gemeinsam<br />

über den Atlantik segeln<br />

und das als richtig gut empfinden.<br />

„Segeln ist für Kinder das Beste“,<br />

ist sich Marion sicher. Schon mit<br />

klein Luke und Baby Töchterchen<br />

Lucy ging es auf Törn rund um<br />

Irland. Einmal geriet die Familie<br />

in Nebel, verlor die Orientierung.<br />

„Es ist besser, du ziehst jetzt allen<br />

die Lifejackets an“, sagte James damals.<br />

Das war schlimm. Aber das<br />

ist lange her. Noch kein GPS!<br />

AM BESTEN DIE FREIHEIT<br />

Als Lehrerin in Belfast für 33 Jahre<br />

weiß Marion, wovon sie spricht.<br />

Segeln, das ist richtig gut für eine<br />

Familie. Und James? „Seit 20 Jahren<br />

sind wir verheiratet und manchmal,<br />

jetzt hier, schauen wir uns an und<br />

sagen: Hey, wir sind auf der anderen<br />

Seite des Atlantiks!“<br />

Gibt es etwas, das Marion nicht<br />

mag beim Segeln? Schlimm ist<br />

manchmal der Lärm, den der Wind<br />

macht, da wäre sie am liebsten am<br />

Strand. Aber so geht es vielen. Am<br />

Marions Potatoes<br />

Zutaten Basic: 1 kg Kartoffeln, 2 kleine Zwiebel, 30 g<br />

Butter oder 20 ml Öl, 30 g Mehl, ¼ l Milch, ¼ l Wasser,<br />

1 halber Brühwürfel (Gemüsebrühe), 3 EL geriebener Käse<br />

(oder soviel man eben Gusto hat).<br />

Zubereitung: Die Kartoffeln<br />

in Scheiben<br />

schneiden und<br />

gar kochen. Bechamelsauce:<br />

Zwiebel klein<br />

würfeln, Butter<br />

in einem Topf<br />

zerlassen, Zwiebel<br />

mit Mehl solange darin<br />

erhitzen bis sie hellgelb<br />

werden. Milch,<br />

Wasser, Brühwürfelgemisch<br />

langsam beifügen, dabei mit einem Schneebesen immer<br />

rühren, damit keine Klumpen entstehen. Sauce circa 5 min<br />

köcheln lassen. Aufpassen, spritzt und brennt schnell an!<br />

Gekochte Kartoffeln zur Bechamelsauce beifügen, mit<br />

Salz, Pfeffer und geriebener Muskatnuss abschmecken.<br />

Fertig ist das Bordgericht!<br />

Luxus-Tipp: In Auflaufform umfüllen, mit geriebenem<br />

Käse bestreuen, circa 20 Minuten im Ofen bei 180° C<br />

gratinieren. Warum Luxus? Auf einem Schiff muss Strom/<br />

Gas grundsätzlich gespart werden. Frische Petersilie!<br />

Lager-Tipp: Marions Potatoes schmecken auch kalt<br />

hervorragend – aber meist bleibt nix übrig!<br />

besten ist – die Freiheit! Und die<br />

Nachtfahrten sind auch sehr cool.<br />

„Listening to music, the stars and<br />

the moon – that is magic.“<br />

Einige Zeit später, zurück in Irland,<br />

James in der Pension, starteten<br />

sie noch einmal durch und umrundeten<br />

in drei Jahren die Welt. Und<br />

die Karibik? Ich war damals ziemlich<br />

entnervt. Das El-Niño-Jahr<br />

zeigte seine Krallen und heftiges<br />

Am-Wind-Seglen war stets an der<br />

Tagesordnung. „Great! Sailing in a<br />

Bikini!“ jubelte Marion – in Irland<br />

völlig unmöglich!<br />

Schließlich wagte ich mich dann<br />

doch noch aufs Klo. Dort empfing<br />

mich Balu, der Talismanbär an<br />

Bord. Draußen rauschte der viel zu<br />

starke Passatwind besonders laut.<br />

Doch diesmal war ich richtig froh<br />

über diesen Lärm.<br />

<br />

OCEAN WOMAN <strong>2022</strong> 61


FOTOS: WOLFGANG SLANEC<br />

Tänzerin im Sturm<br />

AUSGABE 2/<strong>2022</strong><br />

So gut wir uns kennen, so knapp verpassten wir uns auf dieser Reise. Doris. Die Seefrau,<br />

die ich schon kannte, bevor ich selbst überhaupt daran dachte, eine zu werden.<br />

Wolf, Peters Freund seit<br />

über 30 Jahren, fragte<br />

Doris bei ihrem ersten<br />

Rendezvous, ob sie mit ihm um<br />

die Welt segeln würde. Sie sagte<br />

ja, ohne je zuvor ein Boot betreten<br />

zu haben. So weit, so romantisch.<br />

Und dann wurde sie seekrank.<br />

„Zum Kotzen – du möchtest<br />

sterben“, sagt Doris heute noch.<br />

Dennoch, sie ist zweimal um<br />

die Welt gesegelt und das Schiff<br />

Nomad ihr zu Hause. Sie, die in<br />

bürgerlichen Verhältnissen aufwuchs,<br />

maturierte, deren Laufbahn<br />

als Fremdsprachensekretärin vorgezeichnet<br />

war. Nett, hübsch, brav.<br />

Aber dann: Kap Hoorn, die Gebirge<br />

Chiles, die Flauten der Salomonen,<br />

der Tafelberg, die Osterinseln,<br />

St. Helena, die Kapverden, die<br />

Nordwestpassage, Alaska, Grönland,<br />

Hawaii.<br />

„Es war so kalt in Patagonien,<br />

dass ich sechs Wochen meinen<br />

Kuschelfleecepulli anließ und mir<br />

nicht die Haare wusch. Und einmal,<br />

bei ganz schlimmen Böen am<br />

Ankerplatz in Pitcairn, packte ich<br />

die Pässe ein. Ich hatte Angst. Wir<br />

fürchteten, die Nomad zu verlieren.<br />

„Daheim“ ist Nomad, ihr Schiff.<br />

Schlimm war, als die Mutter so<br />

krank war zu Hause. Immer wieder<br />

flogen sie in Abständen nach Österreich.<br />

Aber das ist teuer. Leben auf<br />

dem Schiff braucht wenig. Und<br />

dann stirbt die „Mutti“. Allein<br />

fliegt Doris von den Marshall-<br />

Inseln ins triste Winter-Wien.<br />

Zum Begräbnis. Schattenseiten<br />

einer Aben teurerin.<br />

DANCING STARS<br />

Lieblingsrezept? „Krautfleckerl –<br />

das geht immer und überall auf<br />

unserer Welt. Sie sind auch Wolfis<br />

Leibspeise! Und Kraut, das hält<br />

doch ewig.“<br />

Wir telefonieren heute in Wien.<br />

Zurzeit sind sie wieder da, die<br />

Seenomaden, nach einer atemberaubenden,<br />

zweijährigen Corona-<br />

Odyssee. Davon werden sie demnächst<br />

berichten!<br />

Australien hatte die Risho Maru<br />

ausgelassen, während die Nomad<br />

es anlief. Knapp verpasst – das ist<br />

eben auch Segeln!<br />

Doris liebt Wolf und Wolf liebt<br />

Doris. Und sie lieben ihre Freiheit,<br />

die nicht immer leicht zu tragen,<br />

aber das ist, was sie wollen. Das<br />

Beste in Doris’ Leben: „Wolf ge-<br />

62 OCEAN WOMAN <strong>2022</strong>


„Es begann zu dämmern, die Leichen hingen an den Bäumen, Erfrorene bedeckten<br />

die Straßengräben, Bomben schlugen neben uns ein, Granaten zischten<br />

uns um die Ohren. Panzer zermalmten lebende und tote Körper – es war ein<br />

absolutes Chaos. Gliedmaßen flogen durch die Luft, alte Frauen saßen am Straßenrand<br />

und beteten. Alle Engel im Himmel mussten ihre Flügel über uns<br />

ausgebreitet haben, um uns zu schützen.“<br />

Erschüttert lese ich Karlas Erinnerungen zum Grauen des Krieges und der<br />

Flucht der Familie. Sie war damals acht oder neun Jahre alt. Ihre Persönlichkeit<br />

ist so stark und geradlinig wie der Ton, in dem sie spricht. Auch wenn es in<br />

ihren späteren Erzählungen um gefährliche Taifune, Überfälle, brenzliche Situationen<br />

geht – immer ist da diese Frau, die alles nimmt, wie es kommt und sich<br />

nicht erschüttern lässt. Ich frage sie am Telefon – sie, die gerade ihren Achtziger<br />

14<br />

Ihr erstes Geld investierte sie in schicke Garderobe, gekauft in der Theatinerstraße<br />

in München: „Outfit wie die Schickeria, sodass sich die Leute nach mir<br />

umsahen.“<br />

Natürlich auch die Jungs! Nach der Arbeit und dem Tischtennistraining wurde<br />

in den In-Kneipen Schwabings gefeiert. Beim Ersten, einem jungen Arzt – sie<br />

dachte, er sei der Richtige –, fand sie „die Sache“ ziemlich blöd. „… eines ist<br />

sicher, der hat seine Promotionsarbeit nicht über Sex geschrieben.“ Noch einige<br />

andere Ereignisse dieser Art und Karla beschloss, sich aufs Tischtennis zu konzentrieren.<br />

Gut so – im Internet steht nachzulesen: Karla Schulz ist eine deutsche Tischtennisspielerin,<br />

die an der Europameisterschaft 1962 teilnahm. Dort traf sie<br />

Bobby Schenk, den deutschen Hochschulmeister im Tischtennis. 1965 heirateten<br />

sie. Mit ihm segelte Karla Schulz über die Weltmeere.<br />

Innsbruck, Internationale Tischtennismeisterschaft, das Edelweißturnier.<br />

Karla kannte Bobby nicht, sie wusste nur, dass er Tischtennisspieler war und ab<br />

und zu einen Schläger „zerdonnerte“, wenn er wütend wurde. „Ich fand ihn<br />

einfach sehr niedlich.“<br />

Sie zogen zusammen. Karla war inzwischen leitende Angestellte und wissenschaftliche<br />

Mitarbeiterin bei der Firma Bayer Leverkusen. „Das war die beste<br />

Stellung, die es in Deutschland auf diesem Gebiet gab. So war meine berufliche<br />

Tätigkeit gesichert und ich konnte mich wieder dem Sport widmen.“ Und natürlich<br />

Bobby, der eigentlich Jura studierte, sich aber mit Fotografie, Kommunikations-Elektronik<br />

und Karten spielen beschäftigte.<br />

Haushalt? Vergiss es. Die schmutzigen Teller stapelten sich bis zur Decke. Die<br />

Putzfrau, geschickt von Karlas Schwester Margot, räumte sich durch das Apartment<br />

der beiden und stieß dabei sicher auch auf die Yachtzeitung, die Bobby vor<br />

kurzem in die Hände gefallen war. Darin lautete einen Announce: Auf einer<br />

Segelyacht von Nizza nach Sevilla.<br />

Karla: „Das roch nach Meer und Abenteuer.“<br />

Und so begaben sich eine Tischtennis-verrückte Apothekerin und ein Technikbegeisterter<br />

Jurist, dessen Examen für den Staatsdienst reichte, auf ihre erste<br />

schicksalsträchtige Segelreise.<br />

18<br />

50<br />

Weihnachten naht. Ich gebe Karla Bescheid, dass wir für eine<br />

Woche auf Familientour unterwegs sind.<br />

„Da geht’s uns gut! Keine Kinder, keine Enkelkinder, keine<br />

Verpflichtungen. Weihnachten ist wie jeder Tag. Kein Stress.“<br />

Geschenke gibt es keine, jeder kauft sich sowieso das, was er will.<br />

Ach ja, ein Freund aus Malaysien kommt und sie gehen Ente<br />

essen im Gasthaus gleich ums Eck.<br />

Apropos Ente: In Indonesien leben zwei Enten namens Bobby<br />

und Karla, einst von den beiden als Proviant geordert, lebend<br />

geliefert, begnadigt und als Patenkinder zurückgelassen.<br />

Frohe Weihnachten, Karla!<br />

1982, vier Jahrzehnte nach dem Krieg und der Flucht: Auf der Thalassa II, 22 Tonnen Stahl werden von der<br />

Aries-Windsteueranlage in die südlichen hohen Breiten gesteuert. Bananen reichen für den Sechs-Wochentörn<br />

nicht lange. Wenn sie nach ein paar Tagen gelb werden, müssen sie innerhalb von drei Tagen weg – so oder so.<br />

gefeiert hat: „Wie geht’s dir?“ Die jungenhafte Stimme kontert: „Wenn’s so bleibt,<br />

wie es ist, passt es.“ Karlas absolut vorwärtsdenkende, positive Haltung war sicher<br />

die Triebfeder, um sich in jegliches Abenteuer zu stürzen.<br />

Irgendwann erzählt sie über ihren eigenhändigen Rückflug per Kleinflugzeug<br />

Richtung Island: „Wir bemerkten ein Leck im Tank kurz vor dem Abheben,<br />

wahrscheinlich hatte irgendwer mit den dicken Anoraks, die wir trugen, den<br />

Benzinhahn bewegt. Das wäre eine Schlagzeile gewesen: Tod des Weltumsegler-<br />

Ehepaares Schenk im Polarmeer! Nach nochmaligem Auftanken flogen wir dann<br />

gemütlich los. Ich denke, ich hab’ einfach viel Glück in meinem Leben gehabt!“<br />

Karlas Familie übersteht den Krieg wohlbehalten und Karla meint, was sie<br />

damals mit 13 zu Kriegsende empfand, weiß sie nicht mehr, aber: „Heute würde<br />

ich sagen, da trinken wir einen Shot drauf. Na denn mal Prost!“<br />

Karla 1965 auf ihrer Hochzeitsreise in Velden am Wörthersee<br />

Transatlantik ohne Compass & Co. – Karla mit Thomas im Cockpit der Sarita<br />

Karla erinnert sich heute noch an den herzlichen Empfang auf der Farm des<br />

Herren und die Worte: „Wenn ihr einmal jemanden schlecht über mich reden<br />

hört, denkt einfach, die höchsten Bäume kriegen den meisten Wind.“<br />

Wieder im Kleinflugzeug zurück nach Lüderlitz. Über die Skelettküste. Schiffsfriedhof.<br />

Traumhafte Sandstrände. Kein Mensch weit und breit. Blick von oben.<br />

Fliegen. Karla und Bobby sind fasziniert. Das wird Folgen haben.<br />

„Ich bin wahrscheinlich eine der wenigen Sportlerinnen, die deutsche Spitzenklasse<br />

in zwei Konkurrenzen war.“ Hier Tischtennis, dort Welt umsegeln. Hier<br />

Kapstadt, dort die Azoren. Gerade noch Drinks an der Skelettküste und schon<br />

im berühmten Café von Peter auf Horta. Der taube Kellner mit Gespür für<br />

schlechtes Wetter, Frühstück mit den Neuseeländer Segelfreunden Bob und<br />

Sheila, Abschiede, Wiedersehen, die gut gemeinte Suppe für den seekranken<br />

Mitsegler Erwin, die Affen in Gibraltar, Schwester Margot in Spanien, Bobby mit<br />

stolzgeschwellter Brust auf dem Weg nach Deutschland. Die brave, wohl behaltene<br />

Thalassa im Hafen in Spanien – „Sie war immer der schrägste Vogel von allen!“<br />

15<br />

19<br />

51<br />

FOTO: SHUTTERSTOCK<br />

troffen zu haben und die Welt zu sehen.“<br />

Und Tanzen – das war auch immer eine<br />

große Leidenschaft – und nun tanzt Doris<br />

eben auf den Wellen!<br />

<br />

Infos zu Vorträgen und Büchern:<br />

è www.seenomaden.at<br />

Krautfleckerl à la Nomad<br />

Zutaten: 400 g Pasta (Penne, Hörnchen, Farfalle), ½ Krautkopf, fein geschnitten,<br />

1 große Zwiebel, geschnitten, 100 g Öl, etwas Gemüsebrühe, 2 TL Zucker, Salz, Pfeffer,<br />

Kümmel.<br />

Zubereitung: Zwiebeln in Öl andünsten. Zucker dazugeben, kurz karamellisieren,<br />

mit Essig und Brühe ablöschen. Kraut unterheben, mit Salz, Pfeffer und Kümmel würzen.<br />

Das Kraut 40 bis 50 Minuten dünsten. Man erkennt auch an der bräunlichen Farbe, dass<br />

das Kraut gar ist.Mit Salz und Pfeffer abschmecken. Die al dente gekochten Nudeln untermischen,<br />

nochmals abschmecken.<br />

Luxus: Die Fleckerl – typisch österreichisch die kleinen viereckigen Pastastückchen!<br />

Daher auch der Name „Fleckerl“, so werden in heimischen Gefilden genau genommen<br />

kleine Stoffstückchen genannt. Noch ein Luxus: frische Petersilie!<br />

Tipp: Krautfleckerl in eine gefettete Auflaufform füllen, mit<br />

Käse bestreuen und circa 20 min im Ofen backen. Wenn<br />

die Oberfläche braun und knusprig ist, schmeckt<br />

es besonders gut! Und wenn die Gäste aus der<br />

Auflaufform die letzten knusprigen Reste<br />

kratzen, war das Kochen ein voller Erfolg.<br />

Kraut gibt es „around the world“. Es hält<br />

sehr lange, wenn die äußeren Blätter braun<br />

werden, einfach abschälen, innen bleibt das<br />

Kraut wochenlang frisch.<br />

Karla Schenk<br />

Abenteurerin, Weltumseglerin,<br />

Kap Hoorniere, Pilotin, verrücktes Huhn!<br />

Ein kleiner, feiner <strong>Band</strong> über Karla Schenk,<br />

eine der letzten großen Vertreterinnen einer<br />

Abenteurergeneration, die mutig, entschlossen<br />

und voller Neugier die Welt abseits<br />

ausgetretener Pfade für sich erobert hatte.<br />

Karla, diese außergewöhnliche Persönlichkeit,<br />

war mit Seglerlegende Bobby Schenk<br />

verheiratet. Alexandra Schöler-Haring traf<br />

Segelpionierin Karla Schenk<br />

erstmals auf Malaysien.<br />

Das Ergebnis vieler weiterer<br />

Begegnungen und Gespräche<br />

zwischen den beiden<br />

Weltumseglerinnen ist diese<br />

erfrischende, sehr modern<br />

geschriebene Biografie einer<br />

großartigen Frau, die in keiner<br />

Segler-Bibliothek fehlen<br />

sollte.<br />

Karla Schenk – Abenteu -<br />

rerin, Weltumseglerin, Kap<br />

Hoorniere, Pilotin, verrücktes<br />

Huhn! Ein ocean7-Buch, Taschenbuch,<br />

96 Seiten, zahlreiche<br />

Fotos, 14,8 x 21 cm, 9,99<br />

Euro zzgl. Versand. Bestellungen:<br />

buch@ocean7.at<br />

Auch als E-Book erhältlich<br />

unter è ocean7.at/specials/<br />

Karla und der Krieg<br />

OCEAN WOMAN <strong>2022</strong> 63<br />

K & B<br />

Karla am Telefon<br />

Karlas Conclusio


Damen<br />

der Meere<br />

64 OCEAN WOMAN <strong>2022</strong>


Anne Bonny und Mary Read,<br />

die weiblichen Piraten<br />

Gab es da nicht Ann Bonny,<br />

die Piratenkönigin? Ihr<br />

legendärer Ausspruch einem<br />

besoffenen Crewmitglied<br />

gegenüber: „Hättest du wie<br />

ein Mann gekämpft, würdest du<br />

jetzt nicht wie ein Hund sterben!”<br />

Oder viel später die Britin Helen<br />

Tew, die mit 88 Jahren im Jahr<br />

2009 den Atlantik überquerte,<br />

nachdem ihr Vater ihr den Wunsch<br />

als Teenager abgeschlagen hatte.<br />

Und als schließlich nach sechsundzwanzig<br />

Tagen auf See Antiqua<br />

sich am Horizont abzeichnete,<br />

blieb der fünffachen Großmutter<br />

nur zu sagen: „Sucks to you dad –<br />

I have done it now!“<br />

„Women were weak, feckless, hysterical beings who distracted men and brought bad<br />

luck to ships, calling forth supernatural winds that sank vessels and drowned men.“<br />

Wer immer diesen Satz geschrieben hat, hätte sicher die Berichte in einer der vielen<br />

ocean7-Ausgaben nicht für möglich gehalten. Superschnelle, coole Regattaseglerinnen<br />

und Frauen, die auf einem Minifloß den Ozean bezwingen? Undenkbar für die<br />

Seefahrer von früher! Oder doch nicht?<br />

WIE WAR DAS MIT DEN<br />

FRAUEN UND DEM SEGELN?<br />

Bücher wurden darüber geschrieben<br />

und besonders gerne über die<br />

Piratinnen, die hatten etwas Romantisches<br />

und Gefährliches. Was<br />

steckte aber wirklich dahinter?<br />

Aus der Antike überliefert weiß<br />

man heute noch von „Teuta von<br />

Illyrien“, die die gesamte Küste des<br />

ehemaligen Jugoslawien mit ihren<br />

Piratenschiffen in der Hand hatte.<br />

Oder Artemisia, die „Admiral Königin“,<br />

von der Herodot schwärmte.<br />

Und Dido, die unbezwingbare<br />

Phönizierin, die lieber unter Segeln<br />

Raubzüge anführte als einen libyschen<br />

Herrscher zu ehelichen. Die<br />

Wikingerinnen – die weißmähnigen<br />

Wogengöttinen – hatten die<br />

Nase voll von ihren untreuen Kriegern<br />

und stachen selber in See.<br />

Die Gotenprinzessin Athilda beschloss<br />

Piratin zu werden, weil sie<br />

ihren Lieblingsprinzen Alf nicht<br />

ehelichen durfte. Romantisch? Athilda<br />

wollte nur den heiraten, den<br />

sie liebte.<br />

Die unbequemen Seefrauen des<br />

Mittelalters mussten wenigstens<br />

nicht fürchten, als Hexen verbrannt<br />

zu werden – man zollte diesen<br />

furchtlosen Frauen hohen Respekt,<br />

im Gegensatz zu ihren Geschlechtsgenossinnen.<br />

OCEAN WOMAN <strong>2022</strong> 65


Ann Davison. 1952 mit 23-Fuß-Boot solo über den Atlantik.<br />

Kay Cottee. Die erste Weltumseglerin, 1983.<br />

„Wikingerinnen hatten die Nase voll von ihren untreuen<br />

Kriegern und stachen selber in See.“<br />

Das Leben auf See bot Frauen ab<br />

dem Mittelalter bis zum Beginn<br />

des 20. Jahrhunderts die einzige<br />

Möglichkeit, ein selbstbestimmtes<br />

Leben zu führen. Vater, Bruder,<br />

Ehemann entschieden für die<br />

Frauen, gab es keine Familie, blieb<br />

bittere Armut oder Prostitution.<br />

Oder eben die Seefahrt. Natürlich<br />

verkleidet als Mann, was verboten<br />

war von Staat und Kirche – auf Todesstrafe.<br />

Also ein hoher Einsatz<br />

für die Freiheit.<br />

Aus dem 15. Jahrhundert und<br />

der Segelblütezeit des 17. und 18.<br />

Jahrhunderts finden sich viele belegte<br />

Berichte über Seefrauen. Die<br />

irische Ikone Grace O’ Malley, die<br />

schon erwähnte Ann Bonny und<br />

ihre treue Gefährtin Mary Read,<br />

die Spanierin Dona Katalina und<br />

die hochverehrte Griechin Bouboulina.<br />

Erstaunlich auch das Leben<br />

der Chinesin Tang Chen<br />

Chiao, die mit ihrer riesigen Flotte<br />

das südchinesische Meer unsicher<br />

machte.<br />

MADAME DE LA MER<br />

Dann, weil es keine Piratengeschichten<br />

mehr gab, brachen die<br />

Aufzeichnungen über Seglerinnen<br />

ab. Zu finden noch einige Frauen,<br />

die mit ihren Kapitäns-Ehemännern<br />

mitsegelten – was im Amerika<br />

des 19. Jahrhunderts nun erlaubt<br />

war. Plötzlich 1908 eine Frau,<br />

die Gold bei den Olympischen<br />

Spielen ersegelt – die Britin Frances<br />

Rivett-Carnac. In einem der<br />

vielen Internetforen mit der Anmerkung<br />

bedacht: „Wusste gar<br />

nicht, dass Frauen damals schon<br />

segelten.”<br />

Und Virginie Heriot, die beste<br />

Regatta-Seglerin der 1920er-Jahre,<br />

genannt auch „Madame de la Mer“.<br />

Schließlich segelte Ann Davison<br />

1953 als erste Frau solo über den<br />

Atlantik – unfreiwillig, nachdem<br />

ihr Mann an der englischen Küste<br />

ertrank. Und dann 1983 die erste<br />

Weltumseglerin – Kay Cotee, eine<br />

Australierin.<br />

Athilda, Grace, Ann, Bouboulina,<br />

Virginie, Kay – wie sie alle heißen,<br />

hatten sicher gegen härtere<br />

Widerstände anzukämpfen<br />

als Nicht-<br />

Mitgliedschaft in<br />

elitären italienischen<br />

Yachtclubs.<br />

Vorhang auf für<br />

eine Porträt serie<br />

der Damen<br />

der Meere! <br />

Zu Ehren einer großen Seglerin<br />

Virginie Heriot gewann in ihrer acht Meter langen Aile 1928 eine olympische Goldmedaille. Ihr<br />

zu Ehren rief das Komitee des Yacht Club de France im Jahr 1946 den internationalen Yachtpreis<br />

„Coupe Virginie Heriot“ ins Leben. Der Pokal wird in der Internationalen Dragon Class vergeben,<br />

bleibt aber immer im Eigentum des Yacht Club de France.<br />

66 OCEAN WOMAN <strong>2022</strong>


Maiden: 12 Mädels für<br />

alle Schoten und Falle<br />

AUSGABE 6/2019<br />

Vor 33 Jahren beschlossen zwölf Seefrauen, die Seemännerwelt auf den Kopf zu stellen.<br />

FOTO: BOBFISHER/PPL/BNPS<br />

Die ehemalige Schiffsköchin<br />

Tracy Edwards hing nach<br />

der Teilnahme am Whitbread<br />

Round the World Race<br />

1985/86 den Kochlöffel an den<br />

Nagel und beschloss, als Skipperin<br />

mit dem von ihr erworbenen<br />

„Wrack mit Stammbaum“ und<br />

mit ausschließlich weiblicher<br />

Crew 1989/90 an der Regatta<br />

teilzunehmen.<br />

Das Schiff, die Maiden, hatte sie<br />

bei ihrem ersten noch kulinarischen<br />

Race bei Kap Hoorn segeln<br />

gesehen und mit dem Skipper per<br />

funk geplaudert. Dass sie nur wenige<br />

Jahre später dieses Schiff mit<br />

dem besten Ergebnis seit 17 Jahren<br />

für England über die Ziellinie<br />

segeln würde, wäre ihr wohl nicht<br />

im Traum eingefallen.<br />

Oder doch?<br />

Gut möglich. Tracys Willen und<br />

Energie waren wohl ausschlaggebend,<br />

dass es überhaupt zum Rennen<br />

kam. Sie nahm eine Hypothek<br />

auf ihr Haus auf, denn Sponsoren<br />

waren kaum zu finden. Potenzielle<br />

Geldgeber rechneten bei einer<br />

Frauencrew mit wenig Erfolg und<br />

negativen Berichterstattungen.<br />

Man war überzeugt, das das weibliche<br />

Geschlecht einfach nicht<br />

über die Kraft und Ausdauer verfüge,<br />

so ein Rennen zu bestreiten.<br />

Heute heißt das Rennen The<br />

Ocean Race und findet alle drei<br />

Jahre statt. Einmal um die ganze<br />

Welt. Europa, Atlantik, rund<br />

Afrika (1. Kap), indischer Ozean<br />

über Südpazifik (2. Kap) nach<br />

Süd- und Nordamerika.<br />

Wikipedia sagt: „Aufgrund der<br />

Wind- und Wetterverhältnisse,<br />

vor allem im Südpazifik (Wellenhöhen<br />

von 30 m und Windgeschwindigkeiten<br />

von 110 km/h),<br />

gilt die Regatta als eine der härtesten<br />

He rausforderungen im Segelsport.“<br />

Trotz aller Strapazen<br />

während der Regatta um<br />

die Welt segelten Tracy<br />

Edwards und ihre Damencrew<br />

1990 im Badeanzug<br />

über die Ziellinie.<br />

Tracy und ihre Frauen konnte<br />

das nicht abschrecken. Sie absolvierten<br />

die Etappen großartig –<br />

unter dem Schutz ihrer Patin, der<br />

Dutchess of York, die den Damen<br />

finanziell unter die Arme griff.<br />

Erspart blieb ihnen so wie den<br />

Männercrews nichts. Eisberge,<br />

extreme Minustemperaturen,<br />

Frostbeulen, kein Satellitensignal<br />

für neun Tage, schwerer Sturm bei<br />

Kap Hoorn, ein Tornado auf der<br />

finalen Etappe und kein Essen an<br />

den letzen fünf Tagen. Statt zerlottert,<br />

versalzen und mit Augenringen<br />

die Härten des Segelsports zu<br />

demonstrieren, packten sie für die<br />

Zieleinfahrt ihre Badeanzüge aus<br />

und schenkten der Segelwelt eines<br />

der coolsten Fotos ever.<br />

Bis heute sind die zwölf ungeschlagen.<br />

Tracy Edwards hat nach<br />

30 Jahren ihre Maiden aus dem<br />

Dornröschenschlaf erweckt und<br />

segelt nun um die Welt, um für<br />

Frauenförderungsprojekte in Entwicklungsländern<br />

zu werben.<br />

WER DENKT, WER LENKT?<br />

Tja, wenn ich so an unseren ver -<br />

gangenen Kroatien-Törn denke,<br />

wäre es vielleicht angebracht, dass<br />

mehr Frauen das Steuer übernehmen.<br />

Uns begegneten beim Segeln<br />

unter Vollzeug im seichten Meer<br />

vor Lignano Skipper, die direkt vor<br />

uns wendeten und den Anker versenkten.<br />

Oder mitten im Bojenfeld<br />

ankerten – nach mehreren Anläufen.<br />

Oder ein Charterkapitän, der<br />

den Autopiloten mit vier handyfixierten<br />

Kindern im Cockpit allein<br />

ließ. Vielleicht ist es ja Zufall, dass<br />

da immer Männer am Steuer waren?<br />

Fair Winds!<br />

<br />

OCEAN WOMAN <strong>2022</strong> 67


Piepser, Pogos und<br />

AUSGABE 2/2020<br />

Segelpausen<br />

Bald ist die Segeldurststrecke überstanden,<br />

die Boot Tulln öffnet ihre Pforten!<br />

Mein Skipper-Ehemann überbrückt<br />

die segellose Zeit mit<br />

kleinen Besuchen beim<br />

Schiff. Einfach einmal nachschauen,<br />

ob eh alles passt.“ Als hätten wir<br />

dies nicht erst vor einem Monat erledigt.<br />

„Schon einen Teil von unserem<br />

Zeug aufs Boot bringen!“ Ehrlich,<br />

das macht das Kraut auch nicht<br />

mehr fett, bei dem hohen Aufkommen<br />

von Tauwerk, Dingimotor-Ersatzteilen,<br />

Segelsäcken, die unsere<br />

Abstellkammer/Werkstatt belagern.<br />

Manchmal kommt ihm ein Segelkollege<br />

zu Hilfe. „In eurem Schiff<br />

piepst es. Wir sind seit zwei Tagen<br />

in der Werft und irgendwie klingt<br />

das komisch.“<br />

Rein ins Auto, Wien hinter uns,<br />

quer durch die Steiermark, runter<br />

durchs Kanaltal, atemlos in die<br />

Werft, die Bordleiter rauf! Ja! Es<br />

piepst! Hastig den Niedergang<br />

aufgesperrt. Piep. Piep. Piep. Wo?<br />

Was? Warum?<br />

Des Rätsels Lösung: Unser sehr<br />

verlässlicher Schiffswecker hatte sich<br />

selbstständig gemacht. Die entnommene<br />

Batterie bekommt einen Ehrenplatz<br />

im Schwalbennest, neben<br />

den Stirnlampen. Ansonsten auf<br />

dem Schiff alles in bester Ordnung.<br />

„Dennoch gut, dass wir da waren,<br />

oder?“, murmelt der erleichterte<br />

Skipper und streichelt beim Abschied<br />

sanft den Bug seines Schiffes.<br />

Auch in den Weihnachtsferien<br />

ging sich ein kleiner Abstecher in<br />

die Werft aus, erfreulicherweise<br />

kombiniert mit einem mehrtägigen<br />

Aufenthalt an der istrischen Küste –<br />

ohne Schiff, aber mit stetem Blick<br />

zum Horizont auf der Suche nach<br />

weißen Segeln.<br />

Wenn ich Städte und Orte besuche,<br />

denke ich vorrangig ans Kaffeetrinken<br />

– mein Skipper denkt dann<br />

nur an Marinas. Als Segelersatz<br />

sozusagen. Zuerst der malerische<br />

Stadthafen von Triest, dann der<br />

neue Marinahafen Porto Rocco in<br />

Muggia, anschließend das bezaubernde<br />

Izola, dann der kuschelige<br />

Minihafen Piran und schließlich<br />

das Sehenswerteste an Portorož –<br />

die große Marina. Der Skipper liebt<br />

nun mal Schiffe!<br />

„Wahnsinn, schau, eine Pogo –<br />

ein Traum!“ Die „Pogo“ wird so oft<br />

in unserem Ehealltag erwähnt, dass<br />

ich, wenn sie kein Schiff wäre, schon<br />

ein bisschen eifersüchtig sein würde.<br />

Sie ist sportlich, schnell und verdammt<br />

unbequem. Letzteres ist<br />

Skipper und Weltumsegler<br />

Peter Schöler<br />

bei seiner Lieblingsbeschäftigung:<br />

Booteln.<br />

meine Meinung. Der Skipper zeigt<br />

mir die „Best of Pogos“-Youtube-<br />

Videos. Innenausstattung nicht vorhanden.<br />

Man fühlt sich ein bisschen<br />

wie Jonas, der vom Wal verschluckt<br />

wurde, denn Rippen zieren die Innenseite.<br />

„Und das Klo?“ Gibt es<br />

nicht. Dafür sausen diese Boote bei<br />

der sogenannten Mini-Transat Regatta<br />

über den Atlantik mit wagemutigen<br />

Einhandseglern im überbreiten<br />

Cockpit.<br />

IM SCHLEUDERPROGRAMM<br />

Als wir im Zuge unserer Weltumsegelung<br />

Lanzarote streiften, trafen<br />

wir auf die Teilnehmer der damaligen<br />

Regatta. Ich dachte mir damals<br />

nur, wenn die sich das trauen, mit<br />

ihren sechseinhalb-Meter-Gefährten,<br />

schaffen wir es mit unserer<br />

12-Meter-Rishomaru wohl sicher<br />

über den großen Teich. Warum die<br />

Schiffe „Pogo“ heißen beziehungsweise<br />

die Werft, ließ sich nicht klären.<br />

Ein Zusammenhang mit dem<br />

wilden Tanz der Punks war die<br />

These des Jungskippers. Dazu passte<br />

der Trailer zu „Sillages“, einer Doku<br />

über den Mini-Transat. Wasch maschine<br />

im Schleuderprogramm!<br />

Der Skipper ist inzwischen wieder<br />

ins Netz abgetaucht und segelt gerade<br />

mit einem Waliser in der Südsee.<br />

Oder er überlegt, wie er seinen zeitnahen<br />

Lottogewinn maritim anlegen<br />

könnte. Vielleicht in eine Pogo?<br />

Ich bin mehr für einen Katamaran<br />

mit Badewanne – ich meine, wenn<br />

wir dann in Alaska segeln, ist das<br />

sicher angenehm, oder?<br />

Aber am ehesten wird es wohl<br />

doch die Ägäis werden und vielleicht<br />

eine Testsegelei auf der neuesten<br />

Pogo – im Trockenen auf der<br />

Bootsmesse! <br />

<br />

68 OCEAN WOMAN <strong>2022</strong>


Just the<br />

two of us<br />

AUSGABE 6/2018<br />

Der Jungskipper ist diesmal nicht dabei –<br />

Zivildienst bei den Johannitern und Freundin.<br />

Erstmals nach 18 Jahren wieder zu zweit!<br />

Das Handling der Segel zu zweit ist<br />

zwar mühsam, aber inzwischen Routine.<br />

Mist, jetzt musste ich wieder<br />

Anlegen an der Boje üben,<br />

und erstaunlicherweise<br />

ging es ganz wunderbar, das Anlegen.<br />

Das Nest – pardon, die Koje –<br />

im Steuerbordrumpf ist leer.<br />

Durch die Weltumsegelung war<br />

unser Schiff das Zuhause und Teil<br />

der Kindheit unseres Sohnes, und<br />

so ist seine Abwesenheit doch sehr<br />

spürbar.<br />

Am schmerzhaftesten ist sie jedoch,<br />

wenn ich beim Vorsegel-Einpacken<br />

mithelfen muss. Jahrelang<br />

habe ich das schon nicht mehr gemacht<br />

– in der kroatischen Gluthitze<br />

treibt mir diese anstrengende<br />

Tätigkeit Schweißperlen auf die<br />

Stirn.<br />

Unser Schiff ist alles andere als<br />

gewöhnlich und verlangt nach<br />

vielen Hand griffen. Es gibt keine<br />

elektrische Ankerwinsch und kein<br />

Rollsegel, die Sonnendächer werden<br />

je nach Einstrahlung gespannt.<br />

Und es gibt einen Skipper, der<br />

selbst aus der lauesten Brise zwischen<br />

Poreč und Rovinj drei Knoten<br />

rausschinden will: „Wir sind<br />

kein Motorboot …“<br />

Also Spinnaker rauf. Gleichzeitig<br />

steuern, blaue Leine einholen,<br />

grüne rauslassen, auf Kurs bleiben.<br />

3,4 Knoten – geht doch! Gerade<br />

als ich meinen E-Reader aus<br />

dem Schwalbennest fischen will,<br />

frischt der Wind auf. „Läuft super!“,<br />

jubelt der Skipper und die<br />

Skipperin denkt sich, dass das Bergen<br />

des Spi-Segels mit dem Jungskipper<br />

selbst bei viel Wind kein<br />

Problem war. Aber jetzt – seufz!<br />

SENILE BETTFLUCHT<br />

Ich gehe in mich. Wie war das<br />

vor Kinderzeiten? Diese ersten<br />

Segeljahre in der Ägäis. Und in<br />

den Kleinkindjahren auf Weltreise.<br />

War ich damals stärker, cooler,<br />

schneller?<br />

Ich war routinierter. Und die letzen<br />

Jahre ein bisschen fauler. Na<br />

ja, ist doch auch schön, bei Bora<br />

im Kvarner in der Koje zu liegen<br />

und zu lesen, während draußen<br />

an Deck die Männer beseelt in die<br />

Wellen surfen. „Wir reffen!“ –<br />

„Braucht’s mich?“ – „Nööö!“ Oder<br />

bei der Nachtfahrt nach Italien zu<br />

dritt zu sein. „Alles ok?“ – „Alles<br />

bestens!“ – „Schlaf weiter!“ Oder<br />

wenn die beiden Seemänner das<br />

Dingi für den Landgang fertigmachten<br />

und mein Beitrag dazu<br />

auf möglichst elegantes Einsteigen<br />

beschränkt war.<br />

Dieses Jahr sah das alles ziemlich<br />

anders aus und ich muss gestehen:<br />

Es machte mir große Freude.<br />

Mit höllischem Vergnügen knackte<br />

ich die völlig unverständlich geschriebene<br />

Anleitung unseres neuen<br />

Auto piloten und fuhr fröhliche<br />

Kreise zwischen Ilovik und Olib.<br />

Zu zweit ist so ein Autopilot nämlich<br />

schon sehr gemütlich.<br />

Das tägliche Segelsetzen, Einpacken,<br />

Trimmen wurde zum Oberarmtraining<br />

par exellence, und<br />

keine fixen Mahlzeiten einhalten<br />

zu müssen, weil sonst der Teenager<br />

verhungert, war auch cool.<br />

Der Skipper nahm es gelassen.<br />

Selbst spontanes Lossegeln mit der<br />

Morgenbrise um 6.30 Uhr nach einer<br />

kleinen Runde Yoga auf dem<br />

Vordeck bürgerte sich ein.<br />

„Senile Bettflucht“, diagnostizierte<br />

der angehende Zivildienst-Sanitäter<br />

beim wöchentlichen Telefoncheck.<br />

Nichtsdestotrotz hörte man<br />

die Sehnsucht des Seglers aus seiner<br />

medizinisch angehauchten Sprache<br />

heraus. Vielleicht lag es auch an den<br />

zahllosen Foto- und Video-Messages,<br />

die Frau Mama schickte, um ja<br />

in Kontakt zu bleiben …<br />

Der Skipper und die Skipperin<br />

genossen die Zweisamkeit – wenn<br />

auch oft unterbrochen von beseelten<br />

Gesprächen über den besten<br />

Jungskipper, Zivi, Sohn der Welt. <br />

„ Jetzt sind wir also wieder da, wo wir vor 18 Jahren<br />

schon waren und eines sei verraten: Wir können es<br />

noch immer richtig gut!“<br />

OCEAN WOMAN <strong>2022</strong> 69


Die schönste Zeit im Ja<br />

FOTO: SHUTTERSTOCK<br />

Weihnachten, Neujahr, kuschelige Winterzeit – mal sehen, was der Klimawandel aus ihr macht! Egal – es wird<br />

ein Törn geplant, denn was bleibt einem anderes übrig, wenn das Segelschiff eingemottet unter Segelplanen in der<br />

Werft bei Venedig harrt und man hofft, dass es nicht durch das Italien-Tief Richtung Markusplatz gespült wird.<br />

Man plant den Griechenland-<br />

Törn, um einmal eine Kro -<br />

a tien-Pause einzulegen. Ist<br />

ja höchste Zeit, meint die Skipperin,<br />

ohne jetzt erwähnen zu wollen, dass<br />

Kroatien landschaftlich schön, aber<br />

seemannschaftlich „schiach“ ist.<br />

Ups, jetzt ist es doch herausgerutscht.<br />

Passiert eben von Zeit zu<br />

Zeit.<br />

Ach ja, die Zeit. Noch besser:<br />

Segeln und Zeit. Also, man plant,<br />

von Italien und fern der kroatischen<br />

Küste nach Vieste zu segeln.<br />

„Dort könnten wir am 6. August<br />

zusteigen“, meint der Schwager.<br />

„Dann haben wir eine Woche Zeit,<br />

bis wir den Flieger in Preveza erreichen,<br />

oder?“<br />

Der Kapitän schweigt, die Skipperin<br />

nicht. Planen wir Gegenwinde<br />

ein? Adria-Tief? Flaute? Oder gehen<br />

wir vom perfekten NW-Wind aus,<br />

der uns durch Tag und Nacht dem<br />

ersehnten Hellas näher bringt? Wer<br />

sagt, dass wir am 6. August schon in<br />

Vieste sind? „Aber ihr segelt doch<br />

am 3. fix los?“<br />

Nix is fix beim Segeln!<br />

Das wissen aber nur Segler. Auf<br />

dem Atlantik bläst auch der Passatwind<br />

nicht fix, selbst wenn man in<br />

der besten Zeit segelt. Wir standen<br />

sogar zwei Tage in der Flaute.<br />

Dafür gab es dann am angeblich<br />

sicheren Ankerplatz auf Barbuda<br />

auflandigen Starkwind – sehr ungewöhnlich<br />

zur Aprilzeit.<br />

Unsere Freunde kamen 22 Stunden<br />

aus Österreich in die Südsee<br />

geflogen, um 72 weitere Stunden<br />

am wackeligen Ankerplatz vor Papete<br />

unperfekte Zeit zu verbringen.<br />

Maramuu, der seltene Südwind,<br />

verdrieste uns die Südsee.<br />

In Neuseeland verbrachten wir<br />

viel Zeit – zu viel, denn das Sturmtief<br />

Richtung Neukaledonien kam<br />

deutlich früher als vom Wetterrouter<br />

vorhergesagt.<br />

Oder: Die Schwiegermutter der<br />

norwegischen Seglerfamilie saß<br />

sieben Tage allein in einem Resort<br />

in Ägypten fest, weil ihre Lieben<br />

hinter einem Riff versteckt lagen,<br />

wegen des massiven Nordwinds<br />

im Roten Meer. Dort Termine auszumachen,<br />

ist wahrlich Zeitverschwendung.<br />

OLD SCHOOL<br />

Viele Skipper schwören ja auf ihre<br />

Wetterapps und sagen, die werden<br />

immer genauer. In den alten Zeiten<br />

ist man einfach losgesegelt und das<br />

wars. Zu Zeiten von James Cook<br />

wusste keiner etwas von Hurricane<br />

Seasons oder Passatstärken oder<br />

Gewitterzelle oder Trögen oder<br />

Adria-Tiefs. Andererseits hatte<br />

Cook auch selten Familienmitglieder<br />

zeitgerecht zum Flieger zu bringen<br />

oder vom Resort zu holen. Er<br />

nahm sich einfach Zeit, segelte in<br />

der Gegend herum und entdeckte<br />

70 OCEAN WOMAN <strong>2022</strong>


In the heat of the boat<br />

AUSGABE 5/2019<br />

Hitzewelle. Und nicht nur in Kroatien. Dort ist das im Juli<br />

inzwischen normal. Auch in unser Wiener Wohnzimmer<br />

ist diese Welle geschwappt. Welle! Apropos!<br />

hrAUSGABE 1/2020<br />

Kontinente. Ich kann das verstehen.<br />

Weil wir Zeit hatten – der Junior-<br />

Skipper sollte in Zadar abgeholt werden<br />

–, dümpelten wir durch die Gegend<br />

und entdeckten eine sichere<br />

Ankerbucht mit völlig unprätentiösen<br />

Fischerdörfern, in denen das einzige<br />

Lokal schon lange zugesperrt hatte.<br />

Alte Zeiten in Kroatien. Ohne Bojen.<br />

Noch.<br />

Greta Thunberg segelte old school<br />

mit Boris Herrmann und Pierre<br />

Casiraghi auf der Malizia nach Amerika<br />

– und machte sich mit den You-<br />

Tubern Elayna und Riley auf der La<br />

Vagabonde wieder auf den Weg zurück<br />

nach Lissabon.<br />

Ich wünsche allen Abenteurern in<br />

jedem Fall eine sichere und schöne<br />

Segelzeit! Auch wenn dabei keine<br />

Kontinente neu entdeckt werden:<br />

Wir seien daran erinnert, dass es an<br />

uns liegt, auf die einst – nicht nur,<br />

aber überwiegend – auf dem See wege<br />

gemachten wunderschönen Entdeckungen<br />

achtzugeben! <br />

<br />

In Neuseeland verbrachten<br />

wir viel Zeit<br />

– zu viel, denn das<br />

Sturmtief Richtung<br />

Neukaledonien kam<br />

deutlich früher als<br />

vom Wetter router<br />

vorhergesagt.<br />

Was tut man auf einem<br />

Segelboot, wenn es<br />

heiß ist? Ins Wasser<br />

springen. Aber vorher die Segel<br />

bergen wäre sinnvoll, sonst<br />

kann man das Heck seines<br />

Schiffes aus ungewohnter<br />

Perspektive sehen – nämlich<br />

beim Segeln.<br />

Wenn ich so überlege, war es<br />

eigentlich beim Segeln nirgends<br />

auf der Welt so heiß wie im<br />

Mittelmeer. Ausnahme vielleicht<br />

Indonesien. Da schwitzt<br />

man schon, wenn man nur<br />

da rüber nachdenkt, sich in Bewegung<br />

zu setzen. Allein ein<br />

Blinzeln beschert einem einen<br />

veritablen Schweißausbruch.<br />

Überall sonst – Passat-Brise!<br />

Kann natürlich sein, dass dort<br />

auch der Klimawandel inzwischen<br />

alles auf den Kopf stellt.<br />

Meist schien es mir am Schiff<br />

temperaturmäßig erträglicher<br />

zu sein als an Land.<br />

Heiß war es auch in Cartagena,<br />

Kolumbien! Dort, umgeben<br />

von Mangroven und Moskitos,<br />

fand kein Windhauch den Weg<br />

auf unseren Ankerplatz direkt<br />

vor der berühmten Festung.<br />

Diese wurde ja von den Engländern<br />

nie eingenommen.<br />

Kein Wunder – die Engländer<br />

kollabierten wahrscheinlich bei<br />

der Hitze schon im riffigen Einfahrtskanal.<br />

Aber sie waren sicher<br />

korrekt gekleidet – weil der<br />

englischen Krone verpflichtet.<br />

Übrigens zum Thema „Korrekt<br />

gekleidet“: Touristen – ja, leider<br />

auch Segler – flanieren in Bikini<br />

und Badehose durch zauberhafte<br />

Inselorte wie Ilovig, den dicken<br />

Bauch am Pier im gemütlichen<br />

Fischlokal fröhlich entblößt in<br />

die Sonne gestreckt. Das ist ja<br />

nichts Neues. Dass sie fast nackt<br />

auf ihren Motor- und Segelbooten<br />

am Steg sonnenbaden überrascht<br />

auch keinen mehr. Das ist<br />

wohl die große Freiheit. Weil, es<br />

ist ja so heiß im Mittelmeer!<br />

Vielleicht sind die Besucher in<br />

der Karibik und Südsee, im Indischen<br />

Ozean hitzeresistenter.<br />

Die sind nämlich stets bekleidet.<br />

Auch die Segler.<br />

Ich stelle mir immer vor, all<br />

diese freiheitsliebenden Nacktschwärmer<br />

würden von Touristenscharen<br />

in ihren Orten/Städtchen<br />

und Dörfern in Österreich<br />

oder sonstwo überfallen, in Bikini<br />

und Badehose herumlaufend<br />

oder in den Gastgärten und<br />

Wirtshäusern sitzend. Mit<br />

nacktem Oberkörper schnell<br />

im Supermarkt Wurstsemmeln<br />

kaufen. Auf dem Kirchplatz<br />

oben ohne die Sonne genießen<br />

oder im Surfershort beim Bürgermeister<br />

erscheinen, um die<br />

Kurtaxe zu bezahlen. Weil es so<br />

heiß ist. Uff!<br />

Da hilft jetzt nur mehr eins:<br />

Musik. Ich lege mir Marcos Valle<br />

auf und tanze ein Ründchen<br />

mit meinen Skipper durch die<br />

dampfende Wohnung. Dann<br />

springen wir in die kalte Badewanne<br />

– angezogen – denn die<br />

langsam trocknende Kleidung<br />

am Körper erfrischt erst so<br />

richtig! Und lässt Vorfreude<br />

aufkommen auf den kurz<br />

bevorstehenden Segeltörn! <br />

Songlist für heiße Tage/Nächte<br />

In the Heat of the Night/Ray Charles<br />

Too Hot/Kool and the Gang<br />

Hot Tamales/Carlos Santana<br />

Hot and heavy/Herbie Hancock<br />

OCEAN WOMAN <strong>2022</strong> 71


Pension Schöler<br />

jazz/pop/chanson<br />

Alexandra Schöler-Haring · Peter Schöler · Florian Paul Ebner<br />

Unsere <strong>Band</strong> auf Facebook:<br />

www.facebook.com/Pension-Schöler-109581518355768

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