OceanWoman Band 1 (2018)
Von Adria-Skippern im Adamskostüm bis zum Bach-Konzert am Strand von Tonga. Autorin Alexandra Schöler segelte mit Mann Peter und Sohn Finn viereinhalb Jahre um die Welt. Seit 2010 ist sie als OceanWoman-Kolumnistin mit an Bord der Redaktion und unterhält unsere LeserInnen mit launigen Beträgen, viel Witz und dem feinen Gespür einer Frau über die Welt der Langfahrtsegler. Eine Top-Auswahl ihrer Geschichten von 2010 bis 2018 wurde nun in dieser Sonderausgabe aufgelegt – zur erlesenen Unterhaltung erfahrener SkiperInnen, aber auch zum lockeren Einstieg angehender BlauwasserseglerInnen!
Von Adria-Skippern im Adamskostüm bis zum Bach-Konzert am Strand von Tonga.
Autorin Alexandra Schöler segelte mit Mann Peter und Sohn Finn viereinhalb Jahre um die Welt. Seit 2010 ist sie als OceanWoman-Kolumnistin mit an Bord der Redaktion und unterhält unsere LeserInnen mit launigen Beträgen, viel Witz und dem feinen Gespür einer Frau über die Welt der Langfahrtsegler.
Eine Top-Auswahl ihrer Geschichten von 2010 bis 2018 wurde nun in dieser Sonderausgabe aufgelegt – zur erlesenen Unterhaltung erfahrener SkiperInnen, aber auch zum lockeren Einstieg angehender BlauwasserseglerInnen!
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YACHTING, REISEN UND MEER<br />
SONDERAUSGABE <strong>2018</strong><br />
OCEAN<br />
WOMAN<br />
Von Adria-Skippern im Adamskostüm bis zum Bach-<br />
Konzert am Strand von Tonga: die launigsten Geschichten<br />
unserer Kolumnistin ALEXANDRA SCHÖLER-HARING.<br />
DAMEN AN BORD<br />
Wie werde ich die<br />
perfekte Seefrau?<br />
Die Skipperin steckt in uns drin<br />
und ist auf See leicht zu finden<br />
GÄSTE AN BORD<br />
Unter Segel<br />
mit Freunden<br />
Die besten Gäste sind die, die<br />
keine Ahnung vom Segeln haben<br />
BACKEN AN BORD<br />
Kombüsengeflüster<br />
Brot und Schokoladekuchen<br />
gegen Hunger und Sturm
YACHTING, REISEN UND MEER<br />
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www.ocean7.at
Inhalt<br />
BEST OF oceanwoman<br />
4 Hallo, ist da jemand?<br />
6 Wie werde ich die<br />
perfekte Seefrau?<br />
8 Seefrau und Odysseus<br />
9 Wann ist man alt genug?<br />
10 Meisterin Proper<br />
geht segeln<br />
11 Achtung, Frauen an Bord!<br />
12 Was ist mit der<br />
Segelmode los?<br />
14 Auf den Hut!<br />
15 Die Schöne und das Schiff<br />
16 Kombüsengeflüster<br />
18 Oh, mein Brot<br />
20 Kaffeesegeln – what else?<br />
22 Segelurlaub mit Freunden<br />
24 See you, miss you, love you!<br />
25 Das Crowhurst-Syndrom<br />
26 What shall we do with<br />
the drunken sailor?<br />
28 Kapitän, ich bin im Kino!<br />
29 Musik an Bord!<br />
30 Gefangen im Netz<br />
32 Sport an Bord<br />
34 Seekrank<br />
36 Aua!<br />
37 What‘s up Doc?<br />
38 Am schnellsten.<br />
Am langsamsten.<br />
Am glücklichsten.<br />
40 Oje Boje<br />
41 Ankergebühr – ein Einakter<br />
42 I’m sailing in the rain<br />
44 Sturm im Segelboot<br />
46 So ein Mist<br />
48 Der stille Ort an Bord<br />
50 Noch Platz, Noah?<br />
52 Chill, Mama …<br />
53 Von großen und<br />
kleinen Fischen<br />
54 Wer geht an die Leinen?<br />
56 Von Träumen, Schäumen<br />
und Weltumsegelungen<br />
58 Quo vadis, Albatros?<br />
60 Segelfrauen,<br />
Männer-Latein<br />
62 Der Kran kommt!<br />
64 Im Winterlager<br />
66 Krieg gegen den Rost<br />
68 Warum Segeln<br />
nicht langweilig ist<br />
70 Auf die Plätze, fertig, los!<br />
72 Abendrot ist Seglers …<br />
74 (Lese)Ratten an Bord<br />
76 See in Rot-Weiß-Rot<br />
78 Das Unheil Naht<br />
79 10 Jahre! Wo ist die Zeit hin?<br />
YACHTING, REISEN UND MEER<br />
DAMEN AN BORD<br />
Wie werde ich die<br />
perfekte Seefrau?<br />
Die Skipperin steckt in uns drin<br />
und ist auf See leicht zu finden<br />
3<br />
GÄSTE AN BORD<br />
Unter Segel<br />
mit Freunden<br />
Die besten Gäste sind die, die<br />
keine Ahnung vom Segeln haben<br />
SONDERAUSGABE <strong>2018</strong><br />
OCEAN<br />
WOMAN<br />
Von Adria-Skippern im Adamskostüm bis zum Bach-<br />
Konzert am Strand von Tonga: die launigsten Geschichten<br />
unserer Kolumnistin ALEXANDRA SCHÖLER-HARING.<br />
BACKEN AN BORD<br />
Kombüsengeflüster<br />
Brot und Schokoladekuchen<br />
gegen Hunger und Sturm<br />
OCEAN WOMAN<br />
IMPRESSUM<br />
2. Auflage, März 2022.<br />
GmbH<br />
HERAUSGEBER UND EIGENTÜMER: Satz- und Druck-Team GmbH, Feschnig straße 232, 9020 Klagenfurt, Tel.<br />
+43 463/461 90 25, www.ocean7.at, redaktion@ocean7.at, office@ocean7.at, Firmenbuchnummer 105347 y, Landes gericht<br />
Klagenfurt, UID ATU 25773801 · ANWENDBARE VORSCHRIFT: Österreichische Gewerbeordnung, Medien gesetz (www.<br />
ris.bka.gv.at) · MEDIENRECHTSINHABER: Satz- und Druck-Team GmbH · Geschäftsführung: Wolfgang Forobosko ·<br />
CHEF REDAKTION: Tahsin Özen, 1180 Wien, redaktion@ocean7.at · ART-DIREKTION: Catharina Pichler · GRAFISCHES<br />
KONZEPT: Thomas Frik, www.viertelbogen.at · BLATTLINIE: ocean7 ist das Lifestyle-Magazin für Fahrten- und Blauwassersegler,<br />
Motoryachtfahrer und alle Wassersport-Fans. Die Redaktion berichtet in Zusammenarbeit mit namhaften Autoren<br />
aus dem gesamten deutschsprachigen Raum nicht nur über die neuesten Yachten und schönsten Reviere weltweit, sondern<br />
widmet sich mit besonderem Engagement auch den Themen Charter, Equipment, Lifestyle, Genuss, Reisen, Umwelt<br />
und Meer. ocean7 erscheint zweimonatlich als Print-Magazin und ist auch als E-Paper erhältlich. Die laufende Bericht -<br />
erstattung inkl. Marketingaktivitäten erfolgt weiters auch über die Homepage www.ocean7.at sowie über Social Media ·<br />
ABO- BE STELLUNG: abo@ ocean7.at, www.ocean7.at · VERTRIEB: Presse Großvertrieb Austria Trunk GmbH, St. Leonharder<br />
Straße 10, 5081 Anif/Salzburg · Diese Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen Bei träge und Abbildungen sind ur -<br />
heberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außer halb der engen Grenzen des Urheberrechts gesetzes bedarf der Zustimmung<br />
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Urheberschutzgesetz, sind durch den Herausgeber genehmigungspflichtig. Bei Nicht belieferung ohne Heraus geber-Ver -<br />
schul den oder wegen Störungen des Arbeits friedens bestehen keine Ansprüche gegenüber dem Herausgeber.<br />
JURY<br />
3
xxxx
Hallo, ist da jemand?<br />
XX X XX<br />
Jemand, der mit „See” anfängt und mit „frau” aufhört?<br />
AUSGABE 3-4/2010<br />
Ich verstehe natürlich, dass nach der<br />
Boot Tulln der Sättigungsgrad betreffend<br />
Schiff und alles rundherum<br />
erreicht ist. Ganz klar. Auch ich<br />
bin neben, beziehungsweise hinter<br />
meinem Mann, dem Kapitän, nachgeschlurft,<br />
habe mehr oder weniger begeistert<br />
das Innen leben der Dieselmotoren<br />
betrachtet, mich in die Schlange<br />
vor der größten Yacht zum Tag eingereiht<br />
und bin mit eingefrorenem Lächeln<br />
vor einem Herrn gestanden, der<br />
die Vorzüge diverse Rettungsinseln<br />
anpries.<br />
Nein, ich meckere nicht. Ich bin<br />
da sowieso abgehärtet. Mit meinem<br />
Mann um die Welt gesegelt und in<br />
zusammengerechnet 3.000 bis 4.000<br />
Marinageschäften gestanden, kenne<br />
die Marinas dieser Welt und ihre<br />
Schiffe und habe sämtliche Yachtbekleidung<br />
sämtlicher Yachtbrands<br />
probiert oder zumindest betrachtet.<br />
Ich mag Segeln noch immer.<br />
Und um gleich eines klarzustellen,<br />
ihr „Noch-nicht-Seglerinnen” da<br />
draußen: Ich war nie ein Segelfreak!<br />
Ich habe nie von den Weltmeeren geträumt<br />
– außer jetzt, aber das ist eine<br />
andere und lange Geschichte.<br />
SEEFRAUEN, VEREINIGT EUCH!<br />
Bevor ich auf meinen Mann traf,<br />
wusste ich gerade einmal, dass Segel<br />
weiß sind und man mit Stöckelschuhen<br />
kein Schiff betritt. Ich las ab und<br />
zu, wenn wirklich gar nichts anderes<br />
mehr da war, auch in einem Yachtmagazin.<br />
Das ist jetzt nicht gerade gute<br />
Werbung hier und ich hoffe, ihr da<br />
draußen seid etwas lesefreudiger und<br />
kriegt diese Zeilen vor die Augen.<br />
Vielleicht hat euer Geliebter die Zeitung<br />
auf dem Klo liegengelassen oder<br />
ordnungshalber mal wieder eure Magazine<br />
zu Gunsten seiner Bootmagazine<br />
entsorgt. Und gibt euch entschuldigend<br />
diese Kolumne zum Lesen.<br />
„Schau’ Schatz, da ist auch etwas für<br />
dich drinnen!“ Ja, das will ich meinen.<br />
Seefrauen dieser Welt: Vereinigt euch!<br />
An diesem Wochenende in Tulln<br />
habe ich mit vielen Frauen geplaudert<br />
und die meisten starrten mich an und<br />
meinten: „So etwas würd’ ich mich<br />
nicht trauen, um die Welt segeln.“<br />
Hab’ ich auch einmal gesagt und<br />
während der Reise ganz selten, aber<br />
doch überlegt, ob ich überhaupt noch<br />
bei Trost bin. So im Sturmtief Richtung<br />
Neuseeland, vier Tage ohne Dusche,<br />
salzverklebte Haare, rote Augenlider,<br />
Riesenwellen im Nacken.<br />
Aber was soll ich sagen. Man glaubt<br />
ja gar nicht, was man sich alles traut.<br />
Vor allem muss man es einmal austesten.<br />
Ich war erstaunt über mich. Und<br />
wenn da draußen gerade ein paar<br />
Mütter sind: Ich finde das erste Jahr<br />
mit einem Baby und dem damit einhergehenden<br />
Schlafentzug immer<br />
noch um vieles härter als Nacht -<br />
wachen, Stürme und ausgefallene<br />
Autopiloten.<br />
ICH GLAUBE, OFT WISSEN<br />
WIR GAR NICHT, WAS WIR<br />
ALLES AUSHALTEN.<br />
So ging es zumindest mir. Schön war<br />
es dann aber auch, mit ein paar Mädels<br />
vom Aus trian Woman Sailing<br />
Team zu plaudern. Da war diese hübsche<br />
Blondine, die mir begeistert von<br />
der letzen Regatta vorschwärmte, als<br />
es volle Kanne blies; oder die sportliche<br />
Brünette, die gerne einmal das<br />
Motor-Service bei Papas Yacht übernimmt.<br />
Nur, dass Segeln noch immer<br />
eine Männerdomäne sei, das gestanden<br />
beide sofort ein. Bei der letzten<br />
Regatta stand es bei den Teams 8 zu 1.<br />
Ratet einmal, wer die eins war?<br />
Auf unserer Weltreise, muss ich sagen,<br />
stand es immer fifty-fifty. Natürlich<br />
gibt es die Einhandsegler, aber<br />
Paare gibt es mehr. Und die Frauen<br />
werden definitiv nicht auf die Kombüse<br />
reduziert. Wäre auch nicht möglich<br />
bei solch einem Unternehmen. Sie<br />
schaukeln Kinder, Küche und Segelboot.<br />
Sie trauen sich, sie schaffen das<br />
und sie sind verdammt gute Seglerinnen.<br />
Weltumseglerinnen!<br />
Was ist es also, was uns so erschöpft<br />
werden lässt, sobald Boote, Motoren,<br />
Radar und Navigationsinstrumente<br />
am Horizont erscheinen? Vielleicht<br />
einfach die Tatsache, dass es schwierig<br />
ist, in so einer Umgebung einen guten<br />
Cappuccino zu kriegen.<br />
Ich liebe Segeln. Ich liebe meinen<br />
Mann und wenn er keine Spompanadeln<br />
macht, auch unseren Auto -<br />
piloten. Und natürlich den besagten<br />
Cappuccino. Mhm. Ich mach’ mir<br />
gleich einen und … Verdammt noch<br />
mal, wo ist meine Kaffee literatur?<br />
? Das darf doch nicht<br />
wahr sein! Captain! <br />
<br />
„Wenn man vor allem Angst<br />
hat, verbringt man sein Leben<br />
hinter dem Ofen.“<br />
Karla Schenk (28.5.1932–15.2.<strong>2018</strong>), Weltumseglerin, Kap Hoorniere, Pilotin<br />
OCEAN WOMAN <strong>2018</strong> 5
Wie werde ich die<br />
perfekte Seefrau?<br />
XX<br />
XX<br />
AUSGABE 3/2016<br />
Kürzlich erhielt ich die E-Mail<br />
einer Leserin meines Karla<br />
Schenk-Buches. Sie habe das<br />
Buch verschlungen und sei nun sehr<br />
traurig, schrieb sie, da sie nie so eine<br />
Seefrau wie Karla Schenk oder ich<br />
sein würde. Vor einem halben Jahr<br />
waren sie und ihr Mann von Italien<br />
aus losgesegelt. In Spanien hatte sie<br />
genug. Ihr Mann weile nun in der<br />
Karibik und sie wieder zu Hause in<br />
der Schweiz. Sie arbeite wieder im<br />
alten Job, er habe sich eine neue<br />
Crew organisiert und plane, nach<br />
Südamerika zu segeln. Sie möchte<br />
jetzt ergründen, warum sie keine<br />
perfekte Seefrau sein kann.<br />
VOLLER ABENTEUER<br />
Die E-Mail ging mir nicht mehr aus<br />
dem Kopf. Wen oder was stellte sich<br />
diese Dame unter einer perfekten Seefrau<br />
vor? Eine Segelmaschine, die seit<br />
frühester Kindheit Segelliteratur verschlingt,<br />
sich über jeden Ölwechsel<br />
diebisch freut, Segel hinter dem<br />
Rücken des Ehemanns nachtrimmt,<br />
um noch einen Knoten rauszuholen?<br />
Im Sturm freudig gegen Wind, Welle<br />
und Strom anstampft, riskante Ankerplätze<br />
bevorzugt, nächtelang an Segler-Stammtischen<br />
über Navigationssysteme<br />
diskutiert, fischt, filettiert,<br />
viersternig in Schräglage kocht? Kinder<br />
auf verschiedenen Erdteilen zur<br />
Welt bringt und dieselben auf Französisch,<br />
Spanisch und natürlich Polynesisch<br />
unterrichtet? Traumrevier: NW-<br />
Route, Barfußroute absolutes No-Go!<br />
6 OCEAN WOMAN <strong>2018</strong>
FOTO: FOTOLIA<br />
Die Seefrau in uns ist<br />
immer schon da, nur auf<br />
einer Segelreise lässt<br />
sie sich eher blicken als<br />
zu Hause im stressigen<br />
Landalltag. Und das<br />
Glück in einer Beziehung<br />
hängt nicht mit<br />
dem Leben auf einem<br />
Segelboot zusammen,<br />
sondern mit dem Leben<br />
miteinander.<br />
Apropos barfuß: immer pedikürt<br />
und Haare gestylt oder im Gegenteil<br />
ein Mannweib mit selbstgeschnittener<br />
Kurzhaarfrisur und sonnengegerbter<br />
Krokodilhaut?<br />
Vor unserer Weltumsegelung kannte<br />
ich zwei Seefrauen.<br />
Die eine: Seenomadin Doris. Sanft,<br />
bescheiden, ruhig, fröhlich. Angst?<br />
„Ja, sicher, aber man wächst in dieses<br />
Leben hinein und über sich hinaus.“<br />
Die andere: Ingrid, Mutter einer<br />
Vierjährigen, als sie mit Ehemann lossegelt.<br />
Tough, charmant, humorvoll,<br />
sportlich. Alles immer toll? „Es kommen<br />
Augenblicke, da willst du nur<br />
noch weg vom Schiff, aber es geht<br />
nicht, und du schwörst dir und deinem<br />
Ehemann, im nächsten Hafen<br />
auszusteigen. Und dann sitzt du da<br />
am Strand mit einem karibischen<br />
Drink und bleibst, weil der Sonnenuntergang<br />
einfach ein Traum ist!“<br />
Ich fand diese beiden Frauen ziemlich<br />
beeindruckend, aber hatte nicht<br />
das Gefühl, Heldinnen vor mir zu haben,<br />
die unerreichbar waren in ihrem<br />
Mut und ihren Taten.<br />
Vielleicht war das mein Riesenglück.<br />
Die beiden sahen einfach beseelt<br />
aus. Voller Abenteuer und Sommersprossen.<br />
Lachfältchen und<br />
Persönlichkeit.<br />
DIE PERFEKTE SEEFRAU<br />
GIBT ES NICHT<br />
Mit der perfekten Seefrau ist es so wie<br />
mit der perfekten Frau: Es gibt sie<br />
nicht. Genauso wenig wie es den perfekten<br />
Seemann gibt. Meine Theorie:<br />
Die Seefrau in uns ist immer schon<br />
da, nur auf einer Segelreise lässt sie<br />
sich eher blicken als zu Hause im<br />
stressigen Landalltag.<br />
Auf dem Segelboot kommt sie vielleicht<br />
schneller an ihre Grenzen,<br />
wenn der Wind am Mast rüttelt und<br />
ein Segel in Streifen reißt. Da zittert<br />
und heult sie und denkt sich, nie<br />
wieder – um am nächsten Tag fröh-<br />
lich ein wirklich gelungenes Brot aus<br />
dem Ofen zu holen und das gesamte<br />
Ankerfeld zum Brunch einzuladen.<br />
Oder sie steht in der Nachtwache an<br />
Deck und genießt es, Herrin über<br />
eine schlafende Crew zu sein. Den<br />
Wind im Gesicht, die funkelnden<br />
Sterne über sich. Sie erinnert sich<br />
länger an stressige Überfahrten als<br />
ihr Seemann, aber sie kann auch die<br />
spanische Anleitung des neuen Autopiloten<br />
mit ihren wenigen Französisch-Kenntnissen<br />
übersetzen. Ihre<br />
Segelsprösslinge und deren Matheaufgaben<br />
hat sie fest im Griff, bis<br />
dann der Spinnaker runter muss.<br />
Noch ein Segel zu versenken sprengt<br />
das Reisebuget, argumentiert sie und<br />
der Segel-Ehemann kapituliert.<br />
Sie ist Reiseleiterin, Medizinfrau,<br />
technische Assistentin, Funkerin,<br />
Navigatorin, checkt das Wetter und<br />
die Verwandschaft im Internetcafé.<br />
Sie findet das Ersatzteil, weil sie Spanisch<br />
mit Hand und Fuß spricht und<br />
tritt mit demselben gegen das Dingi,<br />
weil der verdammte Außenborder<br />
wieder spinnt, bevor sie die Ruder<br />
packt und sich über ihre genialen<br />
Oberarmmuskel freut. Und ja, es ist<br />
absolut ok., Angst zu haben. Diese<br />
kleinen Panikattacken werden wunderbare<br />
Storys abgeben und stärker<br />
machen, vertrauensvoller in das Boot.<br />
Und in den eigenen Mann.<br />
Natürlich: Manche Beziehungen an<br />
Bord zerbrechen. Aber das tun sie<br />
auch an Land. Und sicher öfter. Hängt<br />
wahrscheinlich nicht mit dem Leben<br />
auf einem Segelboot zusammen,<br />
sondern mit dem Leben miteinander.<br />
Das Leben auf dem Schiff ist wie unter<br />
einer Lupe. Es kommt alles zutage.<br />
Das Gute und das Schlechte. Das<br />
Ängstliche und das Mutige. Das Fröhliche<br />
und das Traurige. Das Menschsein<br />
prinzipiell – und wie egal ist es<br />
da, ob man Mann oder Frau ist?<br />
Ein einziges Mal hatte ich das Gefühl,<br />
der perfekten Seefrau doch gegenüberzustehen.<br />
Als ich Karla Schenk<br />
kennenlernte. Cool, elegant, furchtlos.<br />
Aber wie heißt es so schön: Ausnahmen<br />
bestätigen die Regel! Das gilt auf<br />
dem Meer genauso wie an Land! <br />
OCEAN WOMAN <strong>2018</strong> 7
Seefrau und<br />
Odysseus<br />
XX<br />
XX<br />
AUSGABE 5-6/2010<br />
FOTO: SHUTTERSTOCK<br />
Also, es ist soweit! Die Segelsaison ist eröffnet! Und<br />
da muss ich gleich ganz dringend mein Lieblings-<br />
Chartersegelurlaub-Thema ansprechen: Ankern.<br />
Unsere große Reise ließen wir<br />
im Juli 2010 in Kroatien ausklingen.<br />
Kreuzten meist gegen<br />
den Wind Richtung Heimathafen<br />
Italia – uns entgegen motorten sämtliche<br />
Charterurlauber.<br />
Aber das Motoren ist ein anderes<br />
Thema und da soll mal jeder machen,<br />
wie er will. Wir sind heute<br />
beim Ankern. In der ersten überfüllten<br />
kroatischen Bucht ging es nämlich<br />
los.<br />
„Runter damit, Schatzi“, brüllte ein<br />
Charterkapitän ohne Badehose am<br />
Steuer seiner Mietyacht. (Auch das<br />
Nacktsegeln würde eine Kolumne<br />
füllen, aber wie gesagt heute geht’s<br />
ums Ankern.)<br />
Seefrau am Anker bediente locker<br />
die elektrische Ankerwinsch und<br />
ließ die Kette runterrasseln. „Passt!“<br />
Kapitän probierte weder den Rückwärtsgang,<br />
um den Halt des Ankers<br />
zu testen, noch tauchte er ab, um sich<br />
den Ankergrund anzusehen, sondern<br />
holte sich ein kaltes Getränk.<br />
Schließlich vergnügten sich alle<br />
wie die Kinder im Blau der Adria –<br />
keiner an Bord.<br />
Da – wie aus dem Nichts – schien<br />
sich der Abstand zwischen unserem<br />
Boot und dem des Herrn Kapitän<br />
ziemlich verkleinert zu haben und<br />
weiterhin zu verkleinern.<br />
„Der slippt“, meinte mein Skipper.<br />
Als alle wieder an Bord in der Sonne<br />
glühten, fiel auch dem Charterkapitän<br />
die große Nähe zu uns – seinen Nachbarn<br />
– auf. „I glaub’, eicha Anker<br />
slippt“, rief er vom Heck seines Schiffes<br />
zu unserem Bug. Seltsam, gegen<br />
den Wind nach vorne zu slippen<br />
schien mir ein ziemliches Kunststück.<br />
Mein Skipper machte sich Luft. Kapitän<br />
schaute beleidigt, aber warf den<br />
gerade abgekühlten Motor doch wieder<br />
an, während er gut verständlich für<br />
das Ankerfeld und die umliegenden<br />
Inseln seine Frau anpfauchte: „Anker<br />
rauf, aber schnell, Schatzi!“ Seefrau<br />
stand wieder am Anker und hantierte<br />
verdrossen an der Ankerwinsch.<br />
NUR WER LENKT, DENKT?<br />
Bei Fahrtenseglern hatte ich festgestellt,<br />
dass meist die Männer am Anker<br />
waren und die Frauen am Steuer.<br />
Im Charterbetrieb war es immer umgekehrt.<br />
Warum? Bei Fahrtenseglern<br />
müssen beide erfahrenen Segler sein.<br />
Also sollte es eigentlich egal sein, wo<br />
man sich positioniert, überall muss<br />
man Bescheid wissen. Und dennoch.<br />
Bei uns war diese Einteilung vorrangig,<br />
weil wir keine elektrische Ankerwinsch<br />
haben (Ja, so etwas gibt es!).<br />
Ankern war ziemliche Kraftanstrengung,<br />
Steuern erforderte gutes Gefühl.<br />
Peter und ich entwickelten uns<br />
zu einem richtig guten Team. Und<br />
eines vor allem: Peter brüllt nie.<br />
Charterkapitäne und eventuell auch<br />
andere Kapitäne, die ihre Frauen am<br />
Ankerplatz anbrüllen, sind gar nicht<br />
so selten, um nicht zu sagen ziemlich<br />
oft zu erleben. Wir verständigen uns<br />
vorrangig mit Handzeichen. Am Ende<br />
der Reise reagierte ich oft schon vor<br />
Peters Zeichen – ich wusste einfach,<br />
was kommt.<br />
Weibliche Intuition?<br />
Frauen in Kroatien brüllen entweder<br />
zurück oder sagen nichts und gehen<br />
nicht mehr segeln. Beides keine<br />
besonders guten Voraussetzungen für<br />
einen netten Urlaub ohne Spannungen.<br />
Ich weiß nicht, warum es umge-<br />
8 OCEAN WOMAN <strong>2018</strong>
Wann ist man alt genug?<br />
XX X XX<br />
AUSGABE 7-8/2010<br />
Also, das ist schon interessant. Alle regen sich über die Jugend auf:<br />
lasch, verwöhnt, desinteressiert, leidenschaftslos, faul – und dann<br />
segelt eine 16-Jährige um die Welt und alle regen sich auf, wie<br />
unverantwortlich das ist.<br />
Risho Maru in einer Ankerbucht auf Vanuatu.<br />
kehrt besser funktioniert, aber ich denke,<br />
man sollte es versuchen. Vielleicht glaubt<br />
der Kapitän, eine Katastrophe könnte<br />
passieren, wäre er nicht am Steuer, denn<br />
nur wer lenkt, denkt – denkt er, der lenkt<br />
… oder … wie auch immer.<br />
Oder die Frauen denken sich, na mit<br />
der Maschine kenn’ ich mich nicht aus,<br />
wie war das mit dem Vorwärtsgang?<br />
Hallo? Autofahren ist schwieriger! Und<br />
wer sind denn bitte rein statistisch die<br />
besseren AutofahrerInnen?<br />
Also ran ans Steuer!<br />
Und vielleicht fällt dem Freizeitkapitän<br />
vorne bei der elektrischen Ankerwinsch<br />
mit einem Blick auf den Meeresgrund<br />
auf, dass der Anker auf einem Flecken<br />
Seegras nicht so gut hält wie auf einem<br />
Flecken Sand. Oder es fällt ihm sogar ein,<br />
ganz archaisch so wie Odysseus Mannen<br />
den Anker runterzulassen bzw. aufzuholen,<br />
ohne Elektrik, nur mit Muskelkraft,<br />
die sich am Ende des Urlaubs auch andeutungsweise<br />
an den Oberarmen und<br />
eventuell sogar waschbrettbauchmäßig<br />
zeigen wird – was der Seefrau sicher angenehm<br />
auffällt.<br />
Im Idealfall also passiert Folgendes:<br />
Die Seefrau knallt den Rückwärtsgang<br />
rein, bis der Anker einrastet und spart<br />
sich so nächtlich die Panik eines Not-<br />
Ankermanövers. Odysseus – pardon,<br />
Kapitän springt klassisch vom Bug in<br />
das Wasser und schaut, ob sich die Kette<br />
spannt, gibt ein Victory-Handzeichen<br />
und beide genießen dann ein kaltes Getränk<br />
ihrer Wahl.<br />
Ankern. Segeln. Ehekrisen. Das<br />
kennt man doch. Ankern. Seefrau und<br />
Odysseus. Das wäre doch einmal etwas<br />
anderes, oder? <br />
<br />
Dabei ist das Mädel mit 16 kein<br />
Kind mehr, fit, zäh, interessiert<br />
(offensichtlich), voller Leidenschaft<br />
(fürs Segeln), fleißig – alles was sie doch<br />
besser sein sollte. Komisch. Was hat<br />
Jessica Watson also falsch gemacht?<br />
Na ja, ich denke, das Problem war die<br />
Weltumsegelung. Obwohl, das ist ja nichts<br />
Besonderes mehr, hörte ich vor kurzem<br />
von einem Bekannten. Das machen eh<br />
schon so viele. Und bei der Jessica Watson<br />
waren sicher die Eltern dahinter, dass sie<br />
das macht, damit Geld ins Haus kommt.<br />
Nur – äh, kleiner Zwischenruf! – keinen<br />
Menschen kann man zu einer Weltumsegelung<br />
zwingen. Auch wenn es angeblich<br />
eh so viele machen. Die so vielen<br />
tun es freiwillig! Eine Weltumsegelung ist<br />
nicht wie ein Klavierabend oder eine<br />
Tanzvorstellung, wo die Oldies sagen:<br />
„Geh Spatzi, jetzt zeig’ doch einmal, was<br />
du am Konservatorium gelernt hast!“ Und<br />
dann klopfen sich alle auf die Schulter<br />
und das Spatzi verzieht sich wieder mit<br />
seinem Nintendo ins Jugendzimmer.<br />
Natürlich findet sich der Profilierungszwang<br />
mancher Eltern in unserer Gesellschaft.<br />
Und ich gebe zu, ein 13-Jähriger<br />
auf dem Mount Everest oder auf dem<br />
Ozean ist bescheuert. Aber mit 16?<br />
Einerseits soll die Jugend tough, fleißig<br />
und zielstrebig sein, anderseits kann so<br />
mancher 16-Jährige heutzutage nicht einmal<br />
sein Frühstück selber machen und<br />
ein paar Jährchen später wohnt er/sie<br />
noch immer zu Hause bei Mama, weil es<br />
halt so praktisch ist.<br />
In Wirklichkeit geht’s nämlich gar nicht<br />
um die Weltumsegelung, sondern um etwas<br />
ganz anderes: um das Nicht-mit-dem<br />
Strom-schwimmen. Um das Sich-trauenund-es-machen.<br />
Uiuiuiuiu!<br />
Das ist unser Thema! Ich erinnere<br />
mich, als wir unsere Entscheidung loszusegeln<br />
verkündeten, an die Reaktionen<br />
der Umgebung. Die meisten fanden es<br />
toll, aber fürchteten um unsere Wiedereingliederung<br />
und die Erziehung unseres<br />
Kindes. Andere gaben uns ein knappes<br />
Jahr, um dann doch wieder in den Kreis<br />
der Normalität zu finden. Und wieder andere<br />
redeten plötzlich nur mehr von sich<br />
und – ups – begannen ihr Leben zu rechtfertigen,<br />
warum es für sie besser sei dazubleiben,<br />
wegen Karriere, Kindern, Garten,<br />
Arbeitskollegen. Ist ja alles fein, aber warum<br />
das Gerede?<br />
Weil es eben so ist, dass man weiß, man<br />
sollte etwas ändern, aber man kann nicht.<br />
Und dann kommt da jemand, der kann<br />
und macht und dann muss man irgend -<br />
etwas finden, um das zu erklären und um<br />
sich zu erklären, dass eh alles so passt, wie<br />
es ist und unausweichlich seinen Weg<br />
geht.<br />
Passt ja! Es muss nicht jeder eine Weltumsegelung<br />
machen! Es will nicht jeder!<br />
Aber wenn’s einer tut – warum denn<br />
nicht? Obwohl, es machen ja schon so<br />
viele. Fragt sich nur, warum nie die, die<br />
das so normal finden.<br />
Das Thema sorgt natürlich auch für<br />
Diskussionsstoff in unserem Seglerfreundeskreis.<br />
Und der Peter meinte dann einmal:<br />
„Also wenn der Finn in der Pubertät<br />
zu spinnen anfängt, schick’ ich ihn<br />
auch über den Atlantik – allein!“ Darauf<br />
tönte Sohnemann, der zufällig mit seinen<br />
zehn Lenzen schon 29.000 Seemeilen<br />
auf dem Buckel und wie immer mit<br />
halben Ohr aus dem Nebenzimmer<br />
gelauscht hatte: „Ok. Und was ist da<br />
besonderes dabei?“<br />
<br />
Jugend (Sohn Finn) am Ruder.<br />
OCEAN WOMAN <strong>2018</strong> 9
FOTO: SHUTTERSTOCK<br />
Meisterin Proper<br />
geht segeln<br />
XX<br />
XX<br />
AUSGABE 6/2014<br />
Die Seefrau, die nicht fürs Putzen an Bord verantwortlich<br />
zeichnet, werfe den ersten Putzschwamm!<br />
Ich lehne mich seufzend zurück und<br />
überlege, ob es nun wirklich notwendig<br />
ist, nochmal alle Kojen mit<br />
Essigwasser auszuwischen. Ach, Essig<br />
– aber dazu später!<br />
„Pink and Blue jobs“, so umschreiben<br />
amerikanische SeglerInnen, die<br />
von außen betrachtet doch recht traditionelle<br />
Geschlechteraufteilung an<br />
Bord eines Segelbootes. Dass man<br />
aber das Leben an Land nicht mit dem<br />
auf einem Boot vergleichen kann, sollte<br />
von Nichtseglerinnen, die befürchten,<br />
zum Heimchen am Schiffsherd<br />
degradiert zu werden, stets bedacht<br />
werden. Wobei, seien wir uns ehrlich:<br />
Wollen wir wirklich das Öl wechseln<br />
und das Dingi ins Wasser hieven (blue<br />
jobs)? Nein danke – da polier’ ich lieber<br />
den Rumpf (pink job)!<br />
Womit wir wieder beim Thema wären.<br />
Ein Boot sauber zu halten, innen<br />
und außen, kann zur Herausforderung<br />
werden. Der Raum ist klein, heiß, stickig<br />
und feucht, draußen lauern Salz<br />
und Sand, drinnen lechzen Schaumstoffmatratzen,<br />
versteckte Ecken und<br />
vergessene Backs kisten. Fenster lassen<br />
sich nur spaltbreit öffnen, wenn überhaupt.<br />
Die Pantry umfasst eine Fläche<br />
von ein bis eineinhalb Quadratmeter,<br />
muss aber die gleiche Anzahl an Menschen<br />
versorgen wie die Küche zu<br />
Hause. Stauräume sind wunderbar, sofern<br />
man sie nicht vergisst. Süßwasser<br />
ist begrenzt, außer man will Kanister<br />
schleppen oder den Wassermacher auf<br />
Hochtouren bringen. Schimmel<br />
schlägt Staub, Klo geruch verseucht<br />
zeitweise selbst das gepflegteste Boot.<br />
Außen sprießen Rostflecken,<br />
schmieren Ölspuren, wachsen Algen -<br />
flecken und hin und wieder wohnt<br />
nach langen Landaufenthalten so<br />
manche Hornissenfamilie friedlich<br />
neben einem Ameisennest. Doch SeglerInnen<br />
sind erfinderisch und der<br />
Mensch mag es prinzipiell einfach und<br />
bequem – also findet man im Netz<br />
und bei freundschaftlichen Sundowner-Gesprächen<br />
so manche guten<br />
Tipps und Tricks.<br />
OHNE KÜCHENROLLE<br />
GEHT GAR NIX<br />
Die wunderbare Karla Schenk war der<br />
Meinung, dass ohne Küchenrolle gar<br />
nix geht an Bord. Ich stimme ihr zu,<br />
auch wenn ich umwelttechnisch damit<br />
ein Problem habe. Diesen Fauxpas<br />
versuche ich dann mit „grüneren“ Ideen<br />
beim Putzmitteleinsatz auszugleichen.<br />
Womit wir beim Essig wären!<br />
Nichts, aber auch gar nichts geht über<br />
das gute alte Essigwasser. Schon unsere<br />
Großmütter haben damit Wasch -<br />
becken und Klos gereinigt, die Essigessenz<br />
richtig verdünnt ergab auch ein<br />
veritables Salatdressing. Mehrfacheinsatz<br />
eines Gegenstandes auf dem<br />
Schiff ist immer willkommen! Je mehr<br />
ich mir an Zusatzmaterial sparen<br />
kann, umso weniger muss ich irgendwohin<br />
verstauen. Als Katamaran-<br />
Seglerin kommt dazu: Je weniger Gewicht,<br />
desto schneller das Schiff, desto<br />
weniger Entenmuscheln am Rumpf,<br />
die abgekratzt werden wollen! (Aber<br />
das ist jetzt wirklich schon für fortgeschrittene<br />
Segelabenteuer!)<br />
Der Schiffsgeruch ist ja an sich etwas<br />
sehr Schönes – wie wenn man in<br />
eine Berghütte kommt und es riecht<br />
einfach nach Freiheit und Ferien.<br />
Nur wenn der sanfte Feriengeruch in<br />
Schimmelmuffel, gespickt mit Klo -<br />
ausdünstungen, umschlägt, muss gehandelt<br />
werden. Stauräume mit Essigwasser<br />
auswischen, Ölzeug der letzen<br />
20 Jahre ausmisten, und vielleicht ist<br />
der Opposumfleece-Pullover aus Neuseeland<br />
doch nicht fürs Sommersegeln<br />
auf Cres nötig! Das Schiffsklo bedarf<br />
wie schon erwähnt besonderer Beachtung<br />
– auch hier Essig, Essig, Essig …<br />
Draußen lauern dann putzbedürftige<br />
Winschen, Relingstützen, Bordwände.<br />
Es geht ans Polieren! Wüsste<br />
ich ein schnell wirkendes, nicht giftiges<br />
Geheimmittel, würde ich es nicht<br />
verraten und mir mit der Idee lebenslanges<br />
Segeln verdienen!<br />
Angeblich soll Zitronensaft gut bei<br />
Roststellen wirken, schreibt der kanadische<br />
Segler Frank und gibt auch ein<br />
offenes Säckchen Backpulver in die<br />
Kühlbox, um nicht Seekrankheit nach<br />
dem Öffnen derselbigen herauszufordern.<br />
Essig zum Salat hatten wir<br />
schon, mit Olivenöl kann man übrigens<br />
wunderbar Holzinterieur pflegen!<br />
Segelfreundin Edith verwendet<br />
Feuchttücher, um in die hintersten<br />
Winkel ihres Wharram-Kats zu kommen,<br />
Seefrau Laura schwört auf Dr.<br />
Bronners Seife für alles – Haare, Körper,<br />
Teakdeck. Mein Mann liebt seinen<br />
„Soda Antischimmel“-Spray von einer<br />
bekannten Öko-Putzmarke mit<br />
Frosch. Soviel zu pink and blue Jobs!<br />
Vor einigen Wochen renovierten<br />
wir unser Schiff und ich hatte mal wieder<br />
die Ehre, die Schleifmaschine zu<br />
schwingen. Die Auswirkung: Meine<br />
Oberarme könnten Werbung fürs Fitnesscenter<br />
ums Eck machen! Ich war<br />
dann aber dennoch froh, als ich gemütlich<br />
im Bikini die Schiffsaußenwand<br />
per Schlauch befeuchtete und<br />
per Geheimmittel säuberte. Herrlich!<br />
Und ganz ehrlich. Die besten Jobs<br />
an Bord? Die violetten! <br />
<br />
Essig oder Zitronensaft<br />
– das ist an Bord<br />
die Frage. Seefrau<br />
Laura schwört auf<br />
Dr. Bronners Seife mit<br />
dem Reinheitsgebot für<br />
alles: Haare, Körper,<br />
Teakdeck.<br />
10 OCEAN WOMAN <strong>2018</strong>
Achtung, Frauen an Bord!<br />
XX<br />
XX<br />
AUSGABE 3/2017<br />
Was haben Frauen, Plattfüße, Bananen, rote Haare, Freitage und Katzen gemeinsam?<br />
Sie bringen angeblich Unglück an Bord eines Schiffes.<br />
FOTO: SHUTTERSTOCK<br />
Stellt sich nun die Frage:<br />
Warum sind Seemänner so<br />
abergläubisch? Ganz einfach:<br />
Ein Mann zu sein auf See bedeutete<br />
früher eine haarsträubend kurze<br />
Lebens erwartung. Das Leben war<br />
hart, die Arbeit schwer, das Essen<br />
schlecht, der Rum gepanscht und<br />
Schiffsschlachten standen auf der<br />
Tagesordnung.<br />
Mann brauchte irgendeinen Aberglauben,<br />
um das Gefühl zu bekommen,<br />
dem Unglück entrinnen zu<br />
können. Also galt es, am Freitag<br />
nicht loszusegeln, denn an diesem<br />
Tag war Jesus gekreuzigt worden.<br />
Auch Donnerstag war kritisch,<br />
da könnte man Thor, den Gott des<br />
Sturmes und des Donners verärgern.<br />
Blöd auch der erste Montag im April,<br />
da erschlug der Kain den Abel und<br />
am zweiten Montag im August wurden<br />
Sodom und Gomorrha zerstört.<br />
Am besten war noch Sonntag, aber<br />
da hatte man meist den Kater vom<br />
Vortag zu überstehen und keinerlei<br />
Lust auf Wellengeschaukel.<br />
APROPOS KATER<br />
War einer an Bord und kam auf einen<br />
zu, war das ein gutes Zeichen.<br />
Doch wehe, er bog ab – Unglück auf<br />
dem Vormarsch. Maunzte er jedoch<br />
Frauen sind mehr als<br />
nur Gallionsfiguren.<br />
zu fröhlich, kündigte dies einen Hagelsturm<br />
an!<br />
Wenn jemand mit rotem Haar das<br />
Schiff betrat, konnte man das Un -<br />
glück abwenden, indem man ihn zuerst<br />
ansprach, bevor er etwas sagen<br />
konnte. Dürfte zuweilen ein bisschen<br />
stressig gewesen sein, weil man ja<br />
auch gleich checken musste, ob er<br />
Plattfüße hatte. Warum gerade dieser<br />
Fußtyp das Schicksal an Bord beeinträchtigen<br />
könnte, kann wohl nur<br />
ein segelnder Orthopäde erklären.<br />
Und warum bringen Bananen<br />
Unglück? Zu Zeiten der europäischen<br />
Kolonialinseln in den Tropen zählten<br />
die Bananentransporte zu den gefürchtetsten<br />
unter Seeleuten, denn<br />
viele dieser Großsegler verschwanden<br />
auf Nimmerwiedersehen. Könnte natürlich<br />
auch etwas mit den Jack Sparrows<br />
dieser Zeit zu tun gehabt haben.<br />
Belegt ist aber, dass giftige Spinnen,<br />
die gerne zwischen den Bananenstauden<br />
nisteten, so manchen<br />
Seemann bissen und zur Strecke<br />
brachten. Da soll einer nicht abergläubisch<br />
werden!<br />
Übrigens: Bis heute gilt das Singen<br />
und Pfeifen in den Wind als höchst<br />
gefährlich! Man könnte so einen<br />
gewaltigen Sturm herbeirufen. Also<br />
besser den Mund halten!<br />
UND DIE FRAUEN?<br />
Irgendwo wurde einmal berichtet,<br />
ein Handelsschiff war in einen<br />
schweren Sturm geraten und da<br />
Frauen anwesend waren, wurden<br />
sie alle über Bord geworfen, um<br />
Poseidon zu beruhigen. Hat nicht<br />
viel genützt – das Schiff ging trotzdem<br />
unter.<br />
Ziemlich sicher ist, dass dieser<br />
Aberglaube mit dem Unglück durch<br />
Frauen von einem Kapitän in die<br />
Welt gesetzt wurde. Wenn die<br />
Männer schon erst am Montag mit<br />
Restrausch lossegeln konnten, dann<br />
sollten sie wenigstens nicht von<br />
Frauen abgelenkt werden. Die Regeln<br />
wurden aber später etwas gelockert<br />
und Kapitäne nahmen fortan ihre<br />
Gemahlinnen mit!<br />
Eines war den Herren damals aber<br />
nicht entgangen: die Tatsache, dass<br />
das weibliche Geschlecht besser<br />
navi gieren konnte. Die Lösung: Die<br />
wunderschönen, meist aus Holz geschnitzten<br />
Galionsfiguren, die auf<br />
Segelschiffen unter dem Bugspriet<br />
angebracht wurden. Mit großen<br />
Augen, um etwaige Riffe rechtzeitig<br />
zu sehen, und nacktem Busen, um<br />
Poseidons grantige Wogen zu glätten.<br />
Und heute? Das Leben ist nicht<br />
mehr gar so hart, die Arbeit an Bord<br />
gerecht geteilt, das Essen ist richtig<br />
gut, der Rum-Punsch vom Feinsten<br />
und Schiffsschlachten gibt es nur,<br />
wenn der Seemann seine Unterhosen<br />
im Cockpit herumliegen lässt oder die<br />
Seefrau mit ihren Haaren die Bilge<br />
verstopft. Die Navigation fühlt sich<br />
nach wie vor am wohlsten in den<br />
Frauenhänden. Und nackt sind alle<br />
einmal an Bord. Morgen ist Freitag?<br />
Mädels, lasst uns segeln gehen! <br />
Quellen:<br />
è www.timelessmyths.co.uk/<br />
women-board-ship-bad-luck<br />
OCEAN WOMAN <strong>2018</strong> 11
Was ist mit der<br />
Segelmode los?<br />
XX<br />
XX<br />
AUSGABE 9-10/2010<br />
Warum ist Surfmode nur so viel cooler?<br />
Das Ganze begann, als Peter,<br />
mein Ehemann und Kapitän,<br />
zur Panerai Classic Yachts<br />
Challenges nach Cannes flog.<br />
Er stand vor mir mit besorgtem<br />
Blick, die Stirn gerunzelt und ich<br />
wartete darauf, dass er sagen würde:<br />
„Meine Güte, wir waren die letzen<br />
sechs Jahre jeden Tag und jede Nacht<br />
zusammen und jetzt fliege ich zwei<br />
Tage weg – wie werden wir das<br />
schaffen?“<br />
Sagte er aber nicht. Über die Lippen<br />
des Mannes, mit dem ich die<br />
Welt umsegelt habe, kam: „Ich kann<br />
nicht nach Cannes fliegen – nicht mit<br />
meinen alten Segelschuhen.“<br />
NOTHING CHANGED<br />
Da waren wir also. Die Garderobe<br />
der Segler. Ich beruhigte ihn und<br />
meinte, er solle sich doch einfach<br />
neue Segelschuhe kaufen, die gäbe<br />
es doch sowieso zuhauf. Das schien<br />
ihm sehr unangenehm. „Aber die<br />
jetzigen haben endlich aufgehört<br />
weh zu tun. Nach zwei Jahren.“<br />
Das war nun schwierig. Ich fragte<br />
mich zum wiederholten Male in den<br />
letzen Jahren: Was ist mit der Segelmode<br />
los? Meines Erachtens nach<br />
nämlich nichts. Gar nichts. Als wir<br />
nach viereinhalb Jahren auf den Ozeanen<br />
heimkehrten und auf einer Bootmesse<br />
umherschweiften, rettete ich<br />
mich wieder mal zu den Bekleidungs-<br />
FOTO: MARINEPOOL<br />
12
ständen und musste mit Schrecken<br />
erkennen: Nothing changed.<br />
Die gleichen marineblau-weißen<br />
Sweater, V-Ausschnitt, Segelstrick-<br />
Pullis, Einheitsfigur-Sporthosen, einige<br />
in sanften Blautönen abweichende<br />
Polo-T-Shirts – für Frauen etwas kleiner<br />
geschnitten. Natürlich die multifunktionalen<br />
Schwerwetterwesten,<br />
ideal für die kalte, stürmische Sommersegelei<br />
in der Adria. Besonders<br />
anziehend: weiße Stretchhose. Jeder,<br />
der nur zwei Tage auf einem Schiff<br />
verbracht hat, weiß, dass weiß an<br />
Bord keine gute Idee ist. Beliebt auch<br />
die atmungsaktive Damen-Überhose<br />
oder die gemütliche Bordhose – beständig<br />
gegen jeden Verschleiß. Auch<br />
beständig gegen jede Art von Figur –<br />
die passt wirklich keinem. Aber<br />
wenigstens wasserabweisend.<br />
Ich habe auf unserer gesamten Reise<br />
keine Segler gesehen, die so angezogen<br />
waren. Die einzigen, die Segelmode<br />
tragen, sind die Models in den<br />
Segelmode-Katalogen. Wobei ich hier<br />
wiederum das dumpfe Gefühl habe,<br />
Farben der Südsee – Noumea.<br />
Alexandra und Finn in Crocs:<br />
„Können nass werden, halten ewig.“<br />
dass diese immer strahlenden, schön<br />
frisierten Menschen gerade zum ersten<br />
Mal auf einem Segelboot stehen,<br />
das wiederum in einer Ma rina steht.<br />
Um meinen verzagten Mann etwas<br />
zu unterstützen, langte ich nach dem<br />
druckfrisch eingetroffenen Segelmoden-Katalog<br />
und begann darin zu<br />
blättern. Ich entdeckte eine winddichte<br />
Wendeweste, die von einem jungen<br />
Herrn getragen wurde, der offensichtlich<br />
gerade einer Wiener Tanzschule<br />
entkommen war. Sauber gebügeltes<br />
kariertes Hemd, darüber fescher Pullunder<br />
und eben die besagte Wendeweste.<br />
Seine Schuhe konnte ich auf<br />
dem Bild nicht erkennen. Ich fand<br />
dann aber welche auf der nächsten<br />
Seite, getragen von einem solariumgebräunten<br />
Jungvater, der seine kleine<br />
Tochter am Strand spazieren führte.<br />
Sie ohne Schuhe (aber mit weißer<br />
Hose), er mit Schuhen, die im Sand<br />
versanken und wahrscheinlich schon<br />
damit gefüllt waren. Ich stellte mir<br />
vor, dass er auf sein in der Marina<br />
geankertes Segelboot ging und die<br />
Segelschuhe im Cockpit auszog.<br />
Sand auf dem Schiff. Jaaa! Eines der<br />
liebsten Dinge meines Kapitäns.<br />
Eine Seite weiter saß die Dame des<br />
Katalogs, schön geschminkt, Haare<br />
perfekt gelegt, zwei weißbehoste<br />
Waden unbequem über eine Klappe<br />
gelegt. Besonders berührte mich das<br />
Pärchen, das in aufeinander abgestimmten<br />
schwarzen Thermal Base-<br />
Unterhosen an Deck lag, nur das<br />
Vorstag drängte sich zwischen die<br />
Turteltäubchen. Im gesamten Katalog<br />
fiel mir auf, dass die Herren prinzipiell<br />
am Steuer standen und mit<br />
strahlendem, aber doch entschlossenem,<br />
mutigem Blick zu den nicht<br />
gesetzten Segeln starrten.<br />
„Hast du Schuhe gesehen?“, fragte<br />
mein Kapitän. So weit war ich noch<br />
gar nicht. Ich schlug ihm vor, doch<br />
Gummistiefel anzuziehen mit dicken<br />
Socken, die hatten sich im Sturm<br />
nach Neuseeland auch bewährt,<br />
wenn auch die Geruchsentwicklung<br />
grausam gewesen war. Aber dazu<br />
braucht man bei Bootschuhen keinen<br />
Sturm. Ein bisschen Salzwasser genügt<br />
und sie stinken für ewig. Und<br />
sind hart und schmerzhaft. Da lobe<br />
ich mir das Schuhwerk, das wir nahtlos<br />
viereinhalb Jahre um die Welt<br />
trugen: Crocs. Stinken nicht, halten<br />
warm, können nass werden. Übrigens<br />
von einem Surfer entworfen. So<br />
wie die gesamte Mode der Crew der<br />
Risho Maru eine auffallende Tendenz<br />
Richtung Surfmode hatte.<br />
Warum ist Surfmode so viel cooler<br />
als Segelmode? Und soviel praktischer?<br />
Und so viel funktioneller.<br />
Unser Ölzeug war von der Marke,<br />
die auch Rapper sofort adaptierten.<br />
Und die so auch eine enorme Umsatzsteigerung<br />
erfuhr.<br />
WO GIBT‘S EINEN SEGELMODE-<br />
KATALOG FÜR ECHTE SEGLER?<br />
Ich denke, es liegt daran, dass Segeln<br />
noch immer mit Worten wie elegant,<br />
korrekt, dezent, ernsthaft, alt und<br />
langweilig verkauft wird. Und wen<br />
wundert es da, dass die Segelclubs<br />
so wenig Nachwuchs haben?<br />
Ich wäre absolut für einen Segel -<br />
modekatalog mit richtigen Seglern. Da<br />
würde es dann Sturmfrisuren regnen<br />
und ausgebleichte Lieblings-T-Shirts,<br />
bunte Surfer-Shorts, Surferbrillen,<br />
übergroße Hoodies, Sarongs, Strohhüte<br />
und Flip-Flops zu kaufen geben.<br />
Am Ankerplatz würde keines der<br />
Nicht-Models am Steuer stehen, sondern<br />
in der Kombüse Spaghetti machen.<br />
Und beim Segeln würde einer<br />
den Autopiloten bewachen und dabei<br />
Erdnüsse essen, der andere ein Buch<br />
lesen. Und wenn’s ordentlich stürmt,<br />
würde eh keiner mehr Fotos machen<br />
und so würde dem geehrten Leser<br />
für immer verwehrt sein zu wissen,<br />
was echte Segler bei Sturmfahrt tragen.<br />
Das gleiche übrigens wie echte<br />
Rapper.<br />
„Und gibt es irgendwelche guten<br />
Seglerschuhe für mich?” Nein, mein<br />
Schatz, aber schau doch einmal auf<br />
YouTube, welche Schuhe der Herr<br />
50 Cent trägt. <br />
Nachtrag: Mein Kapitän segelte dann doch mit den alten<br />
Segel schuhen und – Ausnahmen bestätigen die Regel –<br />
mit seiner sehr schicken<br />
-Softshell-<br />
Jacke, die passt nämlich auch für Cannes!<br />
OCEAN WOMAN <strong>2018</strong> 13
Auf den Hut!<br />
XX<br />
XX<br />
AUSGABE 4/2016<br />
Alles eingepackt? Tablet mit aktuellstem Naviprogramm geladen? Bestseller-Hörbücher? Hightech-Flossen?<br />
Neueste Drohne für Super-Segelshots von oben? GoPro für Wahnsinnshots beim Spinnaker-raufziehen?<br />
Unterwasser-Spezial-Kamera, um den letzen Seestern der Adria zu verewigen? Multifunktionale Bordschuhe,<br />
schicker Kaftan, Solar-Haarfön, wasserdichte Pads für die Kaffeemaschine? Vorfreude!<br />
Eines fehlt aber sicher noch im<br />
modischen Seesack: der passende,<br />
extrem coole, schmeichelnde,<br />
abenteuerversprechende Sonnenhut.<br />
Denn egal, ob Frauenmagazin,<br />
Männerzeitschrift, Tageszeitung,<br />
Wochenpost – überall wird einem<br />
bewusst gemacht, was für schlimme<br />
Risiken das an der Sonne sein birgt.<br />
Über „The sailors Disease“ steht genug<br />
im Netz und – oh nein – es ist nicht<br />
Mundfäule oder Syphilis damit gemeint.<br />
Es sind die durch Sonne verursachten<br />
Hautschädigungen …<br />
ECHT IST DIE HACKLERBRÄUNE<br />
Auf Weltumsegler-Blogs findet man<br />
die Bilder braungebrannter Menschen<br />
im Bikini, Sarong oder Surfershorts<br />
mit sonnnengebleichten Haaren und<br />
Sonnenbrillen. Man möchte meinen,<br />
diese Aussteiger liegen den ganzen<br />
Tag in der Sonne und braten glücklich<br />
vor sich hin, damit sie ja dem Idealbild<br />
des Abenteurers entsprechen.<br />
Falsch. Ich kenne keinen einzigen<br />
Weltumsegler und keine einzige Weltumseglerin,<br />
die gerne in der Sonne<br />
brät. Blauwassersegler pflegen die berühmte<br />
„Haklerbräune“. Gesicht, Unterarme<br />
und Waden braun – der Rest<br />
weiß. Natürlich nicht alle. Aber mehr,<br />
als man glauben mag. Meine Freundin<br />
Tine besuchte uns in Neuseeland,<br />
als wir dort wegen der pazifischen<br />
Cyclone Season sechs Monate verbrachten<br />
und schon bei der Begrüßung<br />
meinte sie: „Du bist ja gar nicht<br />
braun?“ Wir waren gerade zwei Monate<br />
über die Nordinsel gewandert.<br />
Nach der Atlantiküberquerung war<br />
Segelfreund Brad bass erstaunt, warum<br />
ich noch immer so käsig war wie<br />
zwei Wochen zuvor. Seine rotbraun<br />
verbrannte Nase schälte sich und die<br />
Haut wirkte ungesund ledrig.<br />
Ich fand mich eigentlich ziemlich<br />
sonnengeküsst. Auch jetzt, wenn ich<br />
mir die Fotos von damals ansehe, entsprachen<br />
wir absolut dem Weltumsegler-Idealbild,<br />
auch wenn wir Sun -<br />
blocker 30 plus verwendeten,<br />
möglichst immer im Schatten saßen<br />
und niemals zum Sonnenhöchstand<br />
Landausflüge unternahmen.<br />
In Neuseeland zitterten wir vor<br />
dem ersten Hautarztbesuch nach drei<br />
Jahren. Hatten wir uns gut geschützt?<br />
Der Hautarzt – ein aus Schottland<br />
stammender Segler – beäugte uns<br />
mit einer Lupe. Manche Muttermale<br />
länger, manche kürzer, dazu raunte<br />
er lapitare Kommentare wie „That’s a<br />
friend“ oder „Give him a name“.<br />
Nach einer Woche bangem Warten<br />
wurde die Diagnose mit folgenden<br />
(original schottischen) Worten überbracht:<br />
„Ich habe zwei Nachrichten<br />
für Sie – eine gute und eine schlechte.<br />
Welche wollen Sie zuerst hören?“<br />
„Die schlechte ...“ „Wir werden uns<br />
nie wieder sehen. Die gute: alles ok.“<br />
Doch zurück zum Hut!<br />
AUF DEN HUT GEKOMMEN<br />
Den idealen Seglerhut zu finden, ist<br />
nicht leicht. Denn meist will man<br />
nicht wie ein Vollidiot aussehen –<br />
auch nicht, wenn man auf hoher See<br />
ist. Zur Hutsuche kommen die verschärften<br />
Bedingungen an Bord.<br />
Wind, nicht gerade Freund jeglicher<br />
Kopfbedeckung, erlaubt keinen schicken<br />
Panamahut und auch bei so<br />
mancher sportlichen Baseballkappe<br />
kann es schnell einmal zu einem<br />
Mann über Bord-Training kommen –<br />
vor allem, wenn das Markenkäppchen<br />
Blauwassersegler pflegen die<br />
berühmte „Haklerbräune“.<br />
teurer war als das neue GPS, was<br />
durchaus möglich ist!<br />
Auch die so eleganten Sonnenhüte<br />
à la Grace Kelly im 1950er-Jahre-Stil<br />
halten selten einem Wendemanöver<br />
oder Sommergewitter stand. Ein festgezurrter<br />
Allzweckhut aber erfüllt alle<br />
Bedingungen, außer die, dass man<br />
cool aussieht. Trotzdem findet es<br />
mein Sohn extrem peinlich, dass er<br />
seine ersten Weltumseglerjahre mit<br />
Sonnenkappe plus Nackenschutz herumlaufen<br />
musste. Ich fand, er sah wie<br />
ein abenteuerlicher Entomologe aus –<br />
besonders auf den Galapagos-Inseln!<br />
Dort bestand er dann aber auf einen<br />
Outdoorhut der kanadischen Marke<br />
Tilly plus aufgebügeltem Hammerhai.<br />
Hab ich heute noch als Souvenir tief<br />
in einer Backskiste versteckt.<br />
Ich persönlich liebe bis heute mein<br />
Sonnenkäppchen, erstanden in einem<br />
Surferladen in Kalifornien. Es ist verwaschen,<br />
ausgebleicht, zerfranst, hat<br />
einen Rostfleck – und passt mir einfach<br />
großartig. Und schützt mich.<br />
Natürlich gibt es Einwände mancher<br />
Sonnenschutz-Polizisten, dass damit<br />
nicht alle Gesichtpartien im Schatten<br />
sein können. Aber dafür habe ich<br />
meinen 60er-Sunblocker und die Gewissheit,<br />
dass man auf unserem Schiff<br />
immer ein schattiges Plätzchen findet!<br />
Eine Hutsorte hätte ich jetzt fast<br />
vergessen: die Kapitänsmütze. Erkennungszeichen<br />
einer ganz besonderen<br />
Seglerspezies, des Adriaseglers. Wobei<br />
– insgeheim glaube ich, diese Mütze<br />
hat wenig mit Sonnenschutz zu tun …<br />
Egal. Hauptsache, gut behütet! <br />
14 OCEAN WOMAN <strong>2018</strong>
FOTO: SHUTTERSTOCK<br />
Die Schöne<br />
XX<br />
XX<br />
AUSGABE 2/2014<br />
und das Schiff<br />
Erst kürzlich, als ich in einem kuschelweichen<br />
Friseurstuhl mitten<br />
in Wien versank und mich<br />
vertrauensvoll in die Hände meiner<br />
Lieblingsfriseurin begab, fiel mir Nula,<br />
die Friseurin aus Panama City ein. Ich<br />
hatte mit Hand und Fuß zu erklären<br />
versucht (an alle zukünftigen FahrtenseglerInnen,<br />
die ein bisschen eitel mit<br />
ihren Haaren sind: Spanisch lernen<br />
macht Sinn!), was sie denn mit meiner<br />
salzverkrusteten, sonnengebleichten<br />
Mähne machen sollte.<br />
„Just a little“, mit Daumen und<br />
Zeige finger versuchte ich zu unterstreichen,<br />
wie wenig sie wegschneiden<br />
sollte, denn schon aus Wien wusste<br />
ich: FriseurInnen lieben Kürze. Nula<br />
hatte mich verstanden. Nur etwas anders.<br />
Sie ließ „just a little“ von meinen<br />
Haaren übrig und ich trug für zwei<br />
Wochen meinen Sonnenhut überall<br />
und jederzeit.<br />
Das mit der Schönheitspflege auf<br />
dem Schiff ist so eine Sache. Einer seits<br />
kann man locker behaupten, das<br />
SeglerInnenleben macht schön.<br />
Immer gebräunt, frische Luft, sportlich,<br />
glitzernde Augen, glückliches Gesicht.<br />
Anderseits hat man eben seine<br />
Rituale im Laufe der segellosen Jahre<br />
ent wickelt und gerade als Fahrtenseglerin<br />
werden diese ordentlich über den<br />
Haufen geworfen.<br />
Beate, Seglerin aus Leidenschaft,<br />
Ex-Managerin im schönheitschirurgischen<br />
Bereich, tough bis zum Umfallen,<br />
warf ihren gefüllten Schminkkoffer<br />
schon bald über Bord. Früher<br />
immer perfekt gestyled merkte sie:<br />
An Bord reicht guter Sonnenschutz,<br />
Lippenstift und etwas Wimperntusche.<br />
Nur ihr „kleines Schwarzes“ mit<br />
passenden High Heels hatte sie stets<br />
in den Staufächern ihrer Monoyacht<br />
und nein: Sie war keine Tussi.<br />
Meine englische Segelfreundin<br />
Samantha kam auf Lanzarote mit<br />
Schamesröte im Gesicht aus dem<br />
Marinaschwimmbad zurück. „Oh<br />
my goodness!“. Sie hatte durch die Betreuung<br />
ihrer beiden Kleinkinder und<br />
der Überquerung der Biskaya ihre<br />
Beinrasur etwas vernachlässigt und<br />
war am Kinderschwimmbecken mit<br />
einer französischen Vierfach-Mutter/<br />
Seglerin mit Modelfigur und glatten<br />
Waden ins Gespräch gekommen.<br />
Solange, bis diese etwas kritisch die<br />
britischen Beine beäugte. Ich fand<br />
dennoch, Samantha sah – rasiert oder<br />
unrasiert – immer aus wie aus einer<br />
BBC-Verfilmung von Stolz und Vorurteil<br />
entsprungen. Ich mochte auch<br />
Renate von den Symi sehr, die zu jedem<br />
Sundowner auf dem einsamsten<br />
Atoll mit wunderschöner Holzkette<br />
und Seidensarong erschien.<br />
Selbst machte ich mich stets<br />
„hübsch“ für den Landgang. Bis auf<br />
die Flip-Flops, die schaffte ich selten –<br />
nein, nie auszuziehen. Ich hatte aber<br />
auch welche mit hübschen Perlen im<br />
Repertoire.<br />
Wirklich verwahrlost fühlte ich<br />
mich eigentlich nie auf dem Boot.<br />
Außer damals, als ich mir piratinnenmäßig<br />
in Panama City ein Teil meines<br />
Vorderzahns ausbiss. Aber in der<br />
Shopping Mall meiner Friseurin gab<br />
es auch eine Dental Clinic und dort<br />
musste ich mein Anliegen nicht weiter<br />
erklären. Auch fühlte ich mich<br />
nach sieben Tage Sturm Richtung<br />
Neuseeland nicht mehr so richtig<br />
frisch und duftig. Dennoch, das erste<br />
Steak am ersten Abend an Land genoss<br />
ich mit Mascara und Lipgloss.<br />
Ach, fühlte ich mich stark, schön und<br />
verwegen!<br />
UND WIE SIEHT’S MIT<br />
DEN HERREN AUS?<br />
Gut. Sehr gut. Unser Freund<br />
Michael träumt seit langem von<br />
einer Weltumsegelung, möchte sich<br />
aber vorher das Rauchen abgewöhnen<br />
und ein paar Kilos verlieren.<br />
Michael: Segel los, spätestens in der<br />
Karibik wird Robert Redford sich<br />
einen neuen Job suchen müssen.<br />
Im Grunde genommen kann man<br />
überall auf der Welt seine Facials,<br />
Pediküren, Maniküren, was auch<br />
immer, bekommen. Kleidung<br />
braucht man bekanntlicherweise<br />
wenig, und dabei ist nur das Problem,<br />
dass man sich selten ganz im<br />
Spiegel sieht und deswegen Rost-,<br />
Öl- und andere Flecken gar nicht<br />
bemerkt.<br />
Und sollte am Ankerplatz wirklich<br />
eine Seefrau total aus dem Ei gepellt<br />
daherkommen, dann ist es wahrscheinlich<br />
Daria Werbowy, das kanadische<br />
Supermodel, das gerade<br />
wieder mal um die Welt segelt. Oder<br />
Taru mit Alex, ihrem Ehemann,<br />
beide bekannt als „das“ superfesche<br />
Langfahrtenseglerpaar. Aber auch<br />
die haben ihre „40-Knoten-Mist-<br />
Wetter-Nachtwachen“ und spätestens<br />
dann sind alle Segler Innen gleich! <br />
Liebes Tagebuch …<br />
Vava’u:<br />
Peter hat mir die Haare geschnitten. Gar nicht schlecht.<br />
Oder sagen wir so: Fällt keinem auf.<br />
OCEAN WOMAN <strong>2018</strong> 15
Alexandra in der Puppenküche<br />
der Risho Maru.<br />
XX<br />
Kombüsengeflüster<br />
Ob Charterboot, Eignerboot, Mega-Yacht, Motorboot, Hausboot – die Küche ist und bleibt die Kombüse.<br />
XX<br />
AUSGABE 1/2011<br />
Und Kombüse mieft immer ein<br />
bisschen nach Konserven -<br />
futter. Nach Tortellini schön<br />
schlatzig aus der Dose, Bohnensuppe<br />
von Inzerberger (oder so ähnlich)<br />
und die allseits schon seit den Camping-1970ern<br />
beliebten Leberstreichwurstpasteten.<br />
Für mich waren diese kulinarischen<br />
Aussichten deprimierend, als<br />
wir unsere mehrjährige Segelreise zu<br />
planen begannen.<br />
Das Schmökern in der absoluten<br />
Fahrtensegler-Muss-Lektüre „Die<br />
Proviantfibel“ machte mich auch<br />
nicht gerade glücklich. Algensalat?<br />
Trockenfisch als Zwischendurch-<br />
Snack, Dosenbrot, Butter in Salzwasser<br />
vor sich hin dämmernd. Panik!<br />
Auch fand ich in fast jedem Fahrtenseglerbuch<br />
ein Kapitel über die Versorgung<br />
auf dem Schiff. Leute, die<br />
Fleisch einkochen in Gläsern, damit<br />
sie ihr Rinds-Geschnetzeltes auch in<br />
der Südsee genießen können. Andere,<br />
die Joghurtkulturen anlegten zur<br />
Milchprodukt-Versorgung, und<br />
schließlich der heiße Tipp zur Keimherstellung,<br />
um Dinge wie Alfalfa<br />
oder Alfafa oder so über ihr Streichwurstbrot<br />
zu streuen.<br />
Das fiel mir erst kürzlich wieder<br />
ein, als ich in der italienischen Lagune<br />
herzhaft in mein Mozzarella-<br />
Basilikum-Panino, mit Olivenöl<br />
beträufelt, biss.<br />
Natürlich wird der Charter ur lau -<br />
ber von heute in den zwei Wochen<br />
seines Urlaubs nicht auf die Idee<br />
kommen Vorräte anzulegen. Wobei –<br />
wenn die Preise an der Adria weiterhin<br />
so steigen, könnte sich das noch<br />
ändern. Aber Segeln und Essen ist<br />
schon etwas ganz Besonderes.<br />
Eines kann ich jetzt wirklich sagen:<br />
So gesund wie wir auf dem Schiff<br />
während unserer Reise gegessen<br />
haben, werden wir wohl nie wieder<br />
essen. Konserve? Ha! Dazu später.<br />
Ich schwor mir beim Losfahren: Lieber<br />
esse ich drei Wochen Spaghetti<br />
mit Olivenöl und Knoblauch, bevor<br />
ich eine Gulaschdose öffne. Wir aßen<br />
Fisch! Frischen Fisch. Und damit<br />
16 OCEAN WOMAN <strong>2018</strong>
Seglers Fusion-Cuisine:<br />
Basilikum in Italien,<br />
Kochbananen, Yams und<br />
Kokosnüsse in der Südsee,<br />
Käfer ohne Bohnen auf<br />
einem Markt auf Phuket.<br />
meine ich wirklich frischen Fisch, direkt<br />
aus dem Meer in den Magen. Bei der<br />
ersten Goldmakrele wusste ich, besser<br />
geht’s nicht und heute bin ich gelernte<br />
Fischköchin!<br />
Die Märkte der Welt waren stets unser<br />
erstes Ziel. Minikartoffel von den<br />
Kanaren, Brotfrucht geröstet in der<br />
Karibik, Kochbananen-Curry, Kokos -<br />
brot selbst gebacken und Kokos tarte<br />
zum Niederknien, gelernt bei Valo auf<br />
den Tuamotus.<br />
Einmal ging uns der Proviant aus –<br />
auf den Inseln Venezuelas. Da lebten<br />
wir eben von frischem Fladenbrot,<br />
Spaghetti al olio und öffneten einige<br />
Dosen. Das war einmal. Und diese<br />
Konserven waren gut – gekauft in<br />
Martinique und die Franzosen – sicher<br />
keine Kostverächter – sorgen auch hier<br />
für Delikatessen. Im Ernst: Wir kauften<br />
Dosen-Spinat! Echt gut! Und ideal, um<br />
in der Einsamkeit<br />
einer fernen Insel noch eine Spinat-<br />
Lasagne zu zaubern. Mit Dosen-Tomaten,<br />
die einzig absolut erlaubten Schiffskonserven!<br />
Immer viel Zwiebel an Bord,<br />
immer Knoblauch und immer Olivenöl.<br />
Und natürlich Mehl. Denn Brot, Pizza<br />
und Kuchen an Bord zu backen ist meiner<br />
Meinung nach Pflicht.<br />
Man kann sich nicht vorstellen, wie<br />
gut die wohlweislich vorgebackenen<br />
Brownies in einer Sturmnacht schmecken.<br />
Schokoladig, beruhigend, stär-<br />
kend, nährend. Frisches Brot gab es<br />
bei uns immer. Ich hortete mein<br />
Roggenmehl von Italien bis zu den<br />
Kanaren. Von der Karibik bis nach<br />
Panama. In Neuseeland gab es das<br />
beste Vollkornmehl, aber auch auf<br />
Bali wurde ich fündig – bei einem<br />
deutschen Bäcker! Mein Rezept war<br />
schnell, gassparend und gut.<br />
GERMTEIG IN DEN TROPEN<br />
GEHT WIE DER TEUFEL<br />
Dort ist es ja warm wie in einem<br />
Backrohr. Lange hielt das Brot nie.<br />
Meine Männer hatten einfach immer<br />
Appetit! Ich lernte sogar, Tortilla -<br />
Chips zu backen. Man hat viel Zeit in<br />
den einsamen Atollen. Und einmal<br />
machte ich sogar Strudelteig – hart<br />
wie Beton –, verlegte mich dann<br />
aber schnell wieder auf die tropische<br />
Küche. Kombüsenküche.<br />
Nur in Asien blieb die Küche kalt,<br />
denn besser und günstiger isst man<br />
nirgends auf dieser Welt! Als Seefrau<br />
oder Schiffskoch muss man einfach<br />
ein bisschen improvisieren. Aus<br />
nichts oder wenig etwas zaubern.<br />
Und vor allem zum rechten Augenblick<br />
servieren. Oliven (aus dem<br />
Glas) und Schafskäse (aus der Salzlake)<br />
zum Sundowner, frisches Fladenbrot<br />
(Wasser, Backpulver, Mehl)<br />
mit Sardinen-Dip (Dose, Tube) zu<br />
Mittag. Und abends natürlich Pasta<br />
mit viel … wie schon oben besprochen.<br />
Ja, und nie vergessen: das<br />
Auge isst mit, die Auswahl der zum<br />
Dinner passenden Ankerbucht liegt<br />
natürlich beim Skipper.<br />
Übrigens: Rinds-Geschnetzeltes koche<br />
ich noch immer nicht. Dann schon<br />
lieber schnelle Spaghetti, garniert mit<br />
Erinnerungen an die Südsee! <br />
Alexandras Sturm-Spaghetti<br />
Zutaten<br />
4 EL Olivenöl<br />
1 große Zwiebel<br />
1–3 Knoblauchzehen<br />
1 kleine Sardine in Öl (nur für den salzigen Geschmack)<br />
2 Dosen Tomaten (in Stückchen)<br />
1 EL Kapern<br />
1 EL Oliven (entkernt, in Scheiben)<br />
Salz<br />
Pfeffer<br />
Oregano<br />
Zubereitung<br />
Topf mit Wasser zum Kochen bringen (halb Salz-, halb<br />
Süßwasser). Zwiebel und Knoblauch kleinschneiden, in Öl<br />
anbraten, alle weiteren Zutaten dazugeben, zuletzt die<br />
Tomaten. 15 Minuten köcheln lassen.<br />
Parmesan reiben. Spaghetti oder Penne bissfest kochen.<br />
Spaghetti und Tomatensauce mischen, noch einmal mit<br />
Salz und Pfeffer abschmecken, mit Parmesan bestreuen.<br />
Luxus<br />
Käse ist in den Tropen schwer zu bekommen. Eingeführten<br />
amerikanischen Parmesan gibt es jedoch überall – und diesen<br />
bereits gerieben. Ist zwar besser als kein Käse, aber<br />
der erste Parmiggiano vom Farmers Market in Neuseeland<br />
nach drei Jahren war einfach ein Genuss!<br />
Mit frischer Petersilie bestreuen – frische Kräuter sind auf<br />
See höchst selten!<br />
Tipp<br />
1/3 des Kochwassers mit Meerwasser ersetzen. Spart auf<br />
dem Schiff kostbares Süßwasser.<br />
OCEAN WOMAN <strong>2018</strong> 17
Oh, mein AUSGABE 2/2016<br />
XX<br />
XX<br />
Brot!<br />
Weihnachten vorbei, Ostern naht und wann ist<br />
das nächste Geburtstagsfest? Partys an Bord –<br />
die gibt es immer und nicht nur zu den<br />
Feiertagen. Da ein Potluck, dort ein Sundowner.<br />
Eines wird an Bord fast immer angeboten:<br />
Selbstgebackenes. Zumindest bei uns!<br />
Mein erstes Brot wäre durchaus<br />
als Dingi-Anker durchgegangen.<br />
Die Konsistenz<br />
war die eines Ziegels. Nein, ich begann<br />
nicht erst als Seefrau zu backen,<br />
sondern als ich Mutter wurde. So<br />
in der Art: Jetzt wird es Zeit, mein<br />
Kind, meine Familie zu nähren.<br />
Archaisch und gesund, vollkornig<br />
und händisch. Brotbackmaschine,<br />
von einer guten Freundin vorgeschlagen,<br />
ging und geht nach wie vor<br />
gar nicht. War gut so, denn als ich einige<br />
Jährchen später an Bord ging,<br />
um dort längere Zeit zu bleiben, war<br />
Brotbacken kein großes Thema mehr.<br />
Inzwischen hat es sich unter<br />
Segler Innen herumgesprochen, dass<br />
frisches Brot oder gar ein Schokoladenkuchen<br />
so manches Sturmtief<br />
neutralisiert. Allein der Duft, der<br />
sich aus der Kombüse ins salzwasserverkrustete<br />
Cockpit schleicht, kann<br />
Crew und SkipperIn zu Entspan-<br />
So sah der „kleine Imbiss“<br />
aus, den uns Tiroler See -<br />
frau Edith“ auftischte.<br />
Vielen Dank!<br />
18 OCEAN WOMAN <strong>2018</strong>
nung und dennoch Höchstleitung<br />
anspornen.<br />
BACKEN AN BORD<br />
IST ANGESAGT<br />
Unter Fahrtenseglern kann es dabei<br />
durchaus zu Konkurrenzspielchen<br />
kommen. Schweiz gegen Österreich<br />
gegen Deutschland. Aus diesen Ländern<br />
kommen die meisten maritimen<br />
BäckerInnen.<br />
Französische Crews schaffen es<br />
fast immer, irgendwo in Baguette -<br />
nähe zu segeln oder verzichten ganz<br />
auf Brot. Amerikanische Crews verstehen<br />
den Brotehrgeiz gar nicht, da<br />
sie am Morgen ihre gut lagerbaren<br />
Lieblingflocken in Milch einweichen.<br />
Englische BlauwasserseglerInnen<br />
haben Toastbrot an Bord, das mindestens<br />
drei Jahre haltbar ist und<br />
auch so schmeckt. Cookies sind bei<br />
fast allen SeglerInnen aus Nordamerika<br />
Nummer eins. Niederländische<br />
Crews essen kein Brot – zumindest<br />
die nicht, die wir trafen. Italiener-<br />
Innen kreuzten nicht unsere Seewege<br />
und die einzigen Süd afrikaner auf<br />
unserer Strecke waren ein ausgewandertes<br />
Paar aus Wien Ottakring –<br />
also Schwarzbrot-Bäcker.<br />
SCHWARZBROT AUF GOMERA<br />
Schwarzbrot – das klingt in Fahrtenseglerohren<br />
verheißungsvoll. Vor allem,<br />
wenn man schon viele Seemeilen<br />
auf dem Buckel hat und irgendwo<br />
in den tropischen Breiten segelt.<br />
Kaufen kann man Schwarzbrot zumindest<br />
auf der Barfußroute nur bis<br />
zu den Kanarischen Inseln – auf Gomera<br />
bietet eine netten Schweizerin<br />
auf dem Markt verschiedene Vollkornbrotarten<br />
an. Mit dem Sprung<br />
zu den Kapverden ändert sich die<br />
Brotsituation schlagartig. Und noch<br />
ein Stück weiter in der Karibik sollte<br />
man sein Roggen- und Vollkornmehl<br />
bereits eingelagert haben.<br />
Wobei glücklicherweise die französischen<br />
Inseln wunderbare Supermärkte<br />
haben, um den Mehlvorrat<br />
noch einmal so richtig aufzustocken.<br />
Andererseits schließt man sich ge -<br />
rade dort den französischen Segler -<br />
Innen an und genießt goldene Baguettes<br />
vom Feinsten!<br />
Die bei uns üblichen Brotbackmischungen<br />
finden sich immer seltener<br />
in den karibischen Regalen und es<br />
wird Zeit, selber ans Mischen zu gehen.<br />
Roggenmehl wird ab dann wie<br />
Gold gehandelt und Körndl wie Sonnenblumen,<br />
Nüsse oder gar Kürbiskerne<br />
sind Platingold für ambitionierte<br />
BäckerInnen.<br />
Auf Bali, in Neuseeland und auf<br />
Tonga konnte ich Vollkornmehl direkt<br />
beim Bäcker um teures Geld erwerben<br />
– gratis dazu gab es Mehlwürmer<br />
und anderes Getier, wobei<br />
ich meinen Jungs nichts von den<br />
Mitbewohnern erzählte und wie zu<br />
Omas Zeiten aussiebte!<br />
Auf dem Weg zum Bäcker auf Vava‘u, Tonga.<br />
Blauwasser-Erbeertorte mit Kakaopulver<br />
zum Geburtstag in Singapur.<br />
Glücks-Krapfen von der Südsee (Bora Bora)<br />
bis in die Adria (Ilovik).<br />
Risho Maru-Brot<br />
500 g Weizenmehl<br />
21 g Trockenhefe<br />
300 ml Wasser<br />
etwas Salz<br />
Rosmarin/Basilikum/grobes Meersalz zum Bestreuen<br />
Und natürlich viel Back-Leidenschaft!<br />
Sollte es nicht gleich auf Anhieb klappen: Einen Reserveanker<br />
kann man immer brauchen!<br />
Interessant waren auch die Ein-<br />
Kilo-Trockenhefe-Pakete! Es dauerte<br />
einige ungewöhnliche Brotkreationen,<br />
bis die Mischung stimmte …<br />
Leichter ist es da schon mit dem<br />
weißen Mehl, das gibt es überall.<br />
Kuchen, Palatschinken, Fladenbrote<br />
– was für eine erfreuliche Ergänzung<br />
des Seglerspeiseplans!<br />
BLAUWASSER-FOCACCIA<br />
Und da komme ich wieder zu den<br />
Partys und Jahresfesten. Lebkuchenhaus<br />
auf den Guna Yala Inseln bei<br />
Panama (Lebkuchengewürz aus der<br />
Heimat eingelagert), Krapfen auf den<br />
Las Perlas, Geburtstagstorte in Curaçao/Samoa/Singapur/Bora<br />
Bora<br />
(meist mit Kakaopulver und ein einziges<br />
wunderbares Mal mit frischen<br />
Erbeeren!), Osterpinze auf Barbuda,<br />
Vanillekipferl auf den thailändischen<br />
Krabi Islands (Öl statt Butter – ein<br />
Grauen …), und immer und überall<br />
für unsere Sundowner-Gäste das berühmte<br />
Risho Maru-Brot – eine Art<br />
adaptierte italienische Focaccia mit<br />
getrockneten Kräutern (genau die,<br />
die noch in der Kombüse zu finden<br />
sind).<br />
Heute an Land, in der Stadt, gibt’s<br />
unser Risho Maru-Brot regelmäßig<br />
und selbst wenn gar nix mehr an<br />
Bord – pardon, im Haus – ist, diese<br />
Ingredienzien sind immer da! <br />
OCEAN WOMAN <strong>2018</strong> 19
Kaffeesegeln –<br />
what else?<br />
XX<br />
XX<br />
AUSGABE 1/2016<br />
FOTO: FOTOLIA<br />
Das Wort Kaffeesegeln hörte ich<br />
das erste Mal in der Karibik,<br />
als wir bei stürmischer See<br />
und strahlendem Himmel nach Martinique<br />
aufkreuzten. Dies sei nun<br />
wirklich kein Kaffeesegeln, berlinerte<br />
unser Segelfreund Michi in die morgendlichen<br />
Funkrunde. Doch – für<br />
mich schon, denn ich wusste, diese<br />
Segelei würde mich zum ersten französischen<br />
Café au lait seit langer Zeit<br />
bringen!<br />
Kaffee und Segeln. Nicht nur eine<br />
Wortkreation, um Schönwettersegeln<br />
zu beschreiben, sondern ein Team par<br />
excellence! In Seglerforen rund um<br />
die Welt finden sich außergewöhnlich<br />
viele Meinungen zum perfekten Kaffee-zubereiten<br />
an Bord. Das übertrifft<br />
beinahe die Diskussionsbeiträge zum<br />
Thema Wassermacher, den ich persönlich<br />
völlig überbewertet finde.<br />
Ohne Wasser macher um die Welt?<br />
Sofort! Ohne Kaffee-Ausstattung –<br />
niemals!<br />
Was noch lange nicht heißt, dass<br />
mein Skipper-Ehemann wegen mir<br />
eine neue Solarzelle auslegen muss,<br />
um diverse Kaffeemaschinen zu<br />
versorgen. Wobei viele Seefrauen<br />
und Seemänner darüber ganz anders<br />
denken. Erst neulich freute sich eine<br />
Segelfreundin über den neuen Generator,<br />
der jetzt die „What else“-Maschine<br />
großzügig mitfütterte!<br />
In der Sailnet Community schrieb<br />
oceanbuddy1, dass er jeden Morgen<br />
den Dieselmotor zum Frühstück mitlaufen<br />
lässt, um die sieben Kaffee-<br />
Pads sorgfältig auspressen zu können.<br />
Da freuen sich sicher die Nachbarn,<br />
dachte ich mir und versuchte, die Diesel-Kaffeemischung<br />
aus der Nase zu<br />
kriegen.<br />
Was tun, wenn man keinen Strom<br />
für das Kaffeekochen aufwenden<br />
will?<br />
Vor allem Blauwassersegler sind<br />
ja besonders geizig, was ihre Stromreserven<br />
angeht – zu Recht, müssen<br />
doch der Autopilot, das Radar, Kartenplotter,<br />
der Bordstrom, Positionslichter<br />
und dergleichen ausreichend<br />
versorgt sein. Und das nicht nur bis<br />
zum nächsten Fischrestaurant oder<br />
in die Nachbarmarina, sondern über<br />
den Atlantik oder zur nächsten Insel<br />
in drei Tagen.<br />
Löslicher Kaffee ist für manche die<br />
schnellste und für mich grausigste<br />
Methode, aber was tun, will man in<br />
der Hundswache etwas Koffeinhaltiges<br />
trinken? Eine Thermoskanne mit<br />
Kaffee irgendwann am späten Nachmittag<br />
bereitstellen und den Kaffee<br />
langsam vor sich hindämmern lassen?<br />
Was ist das gegen frischen Kaffee?<br />
Zeit hat man viel auf dem Schiff<br />
und segelt man nicht gerade in einer<br />
Sturmnacht, ist es durchaus aufmunternd,<br />
einen Kaffee machen zu gehen.<br />
FRENCH PRESS ODER ITALIE-<br />
NISCHE ESPRESSOMASCHINE?<br />
Ich habe beides probiert und muss sagen,<br />
bei Wellengang ist beides nicht<br />
ungefährlich. Wobei man an Bord mit<br />
der Zeit Taktiken ent wickelt – sei es<br />
nun beim Segel einstellen, Sturm ablaufen<br />
oder bei der Handhabung von<br />
heißem Wasser. Man lernt, wo man<br />
was einklemmen muss, um nichts zu<br />
verschütten.Meine knallrote French<br />
Press aus Tahiti ist bezaubernd schön,<br />
aber aus Glas. Glas und Segeln hat<br />
wenig Zukunft, wie ich bei meinem<br />
Glasdeckel für die Bratpfanne auf<br />
20 OCEAN WOMAN <strong>2018</strong>
Italienisch oder Griechisch?<br />
Flat White in Auckland.<br />
dem Weg nach Neuseeland festellen<br />
musste. Glasscherben auf dem Boden in<br />
der Koje/Bilge/überall – und das bei<br />
Wellengang – sind sehr unangenehm,<br />
vor allem wenn man sie auf allen vieren<br />
zusammenkehren muss. Und natürlich<br />
für ein paar Tage barfuß auf die besonders<br />
kreativ verstreuten Scherben tritt.<br />
Meine italienische Espressokanne aus<br />
feinstem Alu hielt lange durch und ich<br />
war froh, mindestens drei Reservedichtungsgummis<br />
mitgenommen zu haben,<br />
denn in der Karibik bzw. Südsee gelten<br />
diese also genauso selten wie frische<br />
Kuhmilch. Deshalb auch die Freude auf<br />
den Café au lait in Martinique!<br />
Überzeugen konnte mich auch der<br />
türkische Kaffee eines Einhandseglers<br />
aus Istanbul, traditionell zubereitet mit<br />
viel Zucker. Mein dafür nötiges kupfernes<br />
Ibrik-Kännchen kriegte ich aber erst<br />
fast am Ende der Weltum segelung in<br />
der Südtürkei. Wie auch immer – ein<br />
Cappuccino mit geschäumter Milch aus<br />
Milchpulver war natürlich bei uns an<br />
Salzluft verbessert den<br />
Geschmack von Kaffee.<br />
Bord immer zu haben, auch in<br />
den abge legensten Atollen. Ritual<br />
ist Ritual!<br />
Mein batteriebetriebener Milchschäumer<br />
schaffte den Atlantik bis<br />
nach Panama, dann kapitulierte er vor<br />
dem Flugrost und ein mechanischer<br />
Italo-Schäumer nahm seinen Platz in<br />
der Kombüse ein, wo er auch heute<br />
noch steht. Importiert von einem enthusiastischen<br />
Neapolitaner nach Panama<br />
und von dort mit uns wieder<br />
nach Italien gesegelt. Kleiner Rat für<br />
zukünftige Fahrtensegler: Gleich den<br />
Schäumer aus Italien mitnehmen! In<br />
jedem Fall langlebiger als so manches<br />
Wassermacher-Ersatzteil.<br />
Zurück zum Kaffee. Noch eine Gemeinsamkeit<br />
gibt es mit dem Segeln:<br />
das Salz! Ein Hauch von Salz in den<br />
frisch gemahlenen Kaffee (Handmühle!)<br />
lässt ihn weniger bitter schmecken.<br />
Angeblich. Wissenschaftlich ist<br />
das nicht erwiesen, jedoch in Schweden,<br />
Sibirien, der Türkei und Ungarn<br />
ist es Tradition, und dunkel erinnere<br />
ich mich, dass meine Oma auch diese<br />
Angewohnheit hatte. Was jedoch belegt<br />
ist, dass Kaffee im letzten Jahrhundert<br />
mit Schiffen transportiert wurden,<br />
da die salzige, feuchte, warme<br />
Luft die Kaffeebeere schneller altern<br />
ließ und den Geschmack dadurch sehr<br />
positiv beeinflusste.<br />
Heute wird in Indien die Methode<br />
des Monsoonigs angewandt, die die<br />
Kaffeebeeren der salzig-feuchten Luft<br />
des Monsoons aussetzt, um den besten<br />
Geschmack zu erzielen. Vielleicht<br />
war deshalb einer der besten Kaffees<br />
für mich auf unserer Weltumsegelung<br />
der auf Bali, als wir uns vor dem<br />
Monsoonregen in einer kleinen Kaffeerösterei<br />
versteckten? Auch der aus<br />
dem Hochland in Papua-Neuguinea<br />
schmeckte vorzüglich, unvergesslich<br />
der brühheiße Espresso in Kolumbien<br />
und der aus der hauseigenen Rösterei<br />
in Neuseeland. Oder der Kaffee mit<br />
frischer Vanille aus Tahaa!<br />
Doch nichts konnte nach diesen<br />
viereinhalb Jahren um die Welt den<br />
Espresso aus Italien toppen. Der ist<br />
der beste. Sorry Wien! So, ich brauch’<br />
jetzt ein Schälchen …<br />
<br />
è blog.khymos.org<br />
è www.sailawaygirl.com<br />
OCEAN WOMAN <strong>2018</strong> 21
FOTO: SHUTTERSTOCK<br />
Segelurlaub mit Freun<br />
Wer zahlt den Schinke<br />
Sie planen segeln zu gehen –<br />
gemeinsam mit Freunden?<br />
Ich denke, es ist nötig, dieses<br />
Thema nun – mitten in der<br />
Vorbereitung zur Segelsaison –<br />
anzusprechen.<br />
Sie waren noch nie mit Freunden<br />
segeln? Und Sie träumen<br />
schon lange davon? Diese Ge -<br />
mütlichkeit, einfach Zeit füreinander<br />
zu haben, gut zu essen, Karten zu<br />
spielen, ein bisschen Abenteuer,<br />
ein bisschen verstopfte Toilette reparieren?<br />
Ups – da ist mir etwas dazwischen<br />
gerutscht. Kann nicht sein.<br />
Da ein paar schöne Sonnenuntergänge,<br />
dort ein stiller Abend in der<br />
Traumbucht, hier ein bisschen Bora<br />
und eine über die Reling reiernde<br />
beste Freundin. Da schau her –<br />
schon wieder.<br />
Mit dem eigenen Boot unterwegs?<br />
Wie schön. Den Traum vom Segeln<br />
teilen, stolz sein schwimmendes Zuhause<br />
zeigen, die kleine Küche, der<br />
leere Süßwassertank? Was, schon<br />
wieder kein Süßwasser nach ein -<br />
einhalb Tagen?<br />
JEDER MAG KAPITÄN SEIN<br />
Na gut, es führt kein Weg vorbei – wir<br />
müssen reden. Vielleicht haben sie<br />
sich ja gerade mit ihrem -<br />
Magazin irgendwo auf dem Boot verschanzt<br />
und wollen nur ihre Ruhe!<br />
Es ist nämlich so – meint mein Charter-erprobter<br />
Ehemann und Skipper.<br />
Eine Woche Gäste – perfekt. Zwei<br />
Wochen an der Grenze, drei Wochen<br />
Albtraum. Warum ist das so?<br />
Stellen sie sich doch vor, sie würden<br />
mit ihren besten Freunden zwei<br />
22 OCEAN WOMAN <strong>2018</strong>
den oder:<br />
nspeck?<br />
XX<br />
XX<br />
AUSGABE 3/2011<br />
Wochen in einer 40-Quadratmeter-<br />
Wohnung verbringen. Ein Klo –<br />
klein, eng und heiß. Die Dusche im<br />
Kleiderkasten und die Küche mit<br />
Vorratsraum, so groß wie ihr Flat-<br />
Screen-Fernsehapparat. Ginge das<br />
wirklich gut?<br />
Mögliche Verschärfung: Das ist<br />
ihre eigene Wohnung und keine gemietete<br />
Ferienwohnung. Das sind<br />
ihre Sachen, die ihre Freunde benützen<br />
und besetzen. Sie haben nicht<br />
vor, an Bord zu kochen? Na ja – ein<br />
Frühstück wird es schon werden.<br />
Oder sieben in einer Woche. Und da<br />
gibt es dann eine Bordkasse und vielleicht<br />
eine beste Freundin, die nicht<br />
versteht, warum sie den Schinkenspeck<br />
mitbezahlen soll, wenn sie<br />
doch nur Müsli und Orangensaft in<br />
der Früh zu sich nimmt. Und warum<br />
denn immer das Obst weggefressen<br />
wird? Wer holt denn heute das Brot?<br />
Warum ist denn schon wieder kein<br />
Brot da? Müssen wir heute noch lange<br />
segeln? Gibt es irgendwo einen<br />
Sandstrand? Der dort drüben wäre<br />
schön! Was heißt, da kann man nicht<br />
ankern? Auflandiger Wind? So<br />
schlimm kann es doch nicht sein.<br />
Es ist nicht ganz einfach, mit<br />
Freunden oder mit Bekannten segeln<br />
zu gehen. Gut ist auch, wenn klar ist,<br />
wer der Kapitän ist. Was beim eigenen<br />
Schiff klar sein sollte, aber so<br />
manchem Mitsegler ein Dorn im<br />
Auge ist. Jeder mag Kapitän sein,<br />
oder? Warum kann man bei starker<br />
Bora nicht raussegeln? Können<br />
schon, aber …<br />
Kein Aber! Let’s go! Da kann es für<br />
die Eigner recht einsam werden, weil<br />
dann nämlich die Mannschaft einige<br />
Stunden flach liegt und sich im nächsten<br />
Hafen so unwohl fühlt, dass sie<br />
lieber mit dem Bus zum Ausgangs -<br />
hafen zurückfahren möchte, als noch<br />
einmal ein Schiff zu besteigen. Für die<br />
Gesamtstimmung ist das vielleicht<br />
nicht so gut. Was soll denn das für<br />
ein Urlaub sein? Segelurlauber wollen<br />
baden, essen, gemütlich im Cockpit<br />
plauschen – so wie es im Prospekt<br />
gezeigt wird!<br />
Man sollte ihnen aber vielleicht<br />
auch sagen, Frühstückgeschirr wegräumen,<br />
einkaufen, Wassertank füllen,<br />
am Wind segeln, Gewitter in der<br />
Nacht stehen ebenfalls auf dem Plan.<br />
Natürlich gibt es die Segelurlauber, die<br />
Rauschefahrt wollen, möglichst viele<br />
Meilen, viele verschiedene Ankerbuchten<br />
und Inseln, ein bisserl Sturm<br />
– und dann einen einsamen Strand<br />
mit Bar und Restaurant.<br />
Was kann dann aber wer dafür,<br />
wenn Flaute angesagt ist? Oder die<br />
Rauschefahrt in die andere Richtung<br />
zurück, gegen den Wind, nur halb so<br />
lustig und schnell ist, aber gemacht<br />
werden muss? Und dann: ein einsamer<br />
Strand mit netter Bar und gutem<br />
Restaurant. Das gibt es nicht. Nicht<br />
in der Karibik, nicht in der Südsee,<br />
nirgends.<br />
Denn entweder gibt es auf dem<br />
einsamen Strand kein Restaurant –<br />
wer macht schon eines auf, wenn<br />
keiner hinkommt? Eine nette Bar –<br />
detto. Und wenn dort ein schöner<br />
Strand ist, wie kann er einsam sein,<br />
wenn jemand dort ein nettes Restaurant<br />
aufmacht? Weiters, ein nettes<br />
Restaurant, eine nette Bar könnten<br />
Lärmbelästigung beinhalten. Dann<br />
ist es vorbei mit der stillen Bucht.<br />
LASSET SIE AN DER<br />
ALLTAGSROUTINE TEILHABEN<br />
Natürlich ist Segeln mit Freunden<br />
schön, aber ich muss sagen, als Fahrtenseglerin<br />
bin ich skeptisch. Da gibt<br />
es den Spruch: Mach bloß nichts anderes<br />
als sonst, wenn du Gäste hast!<br />
Mach, was du sonst auch machst, iss,<br />
was du sonst auch isst, lass sie an der<br />
Alltagsroutine teilnehmen. Sie sind<br />
da, weil sie sehen wollen, wie du<br />
lebst. Sie wollen deinen Traum mit<br />
dir teilen.<br />
Ich denke, die besten Gäste sind<br />
die, die keine Ahnung vom Segeln<br />
haben. Blöd ist dann halt nur, wenn<br />
keiner auf dem Schiff Ahnung vom<br />
Segeln hat – eine Tatsache, die mir<br />
beim Sommersegeln immer schon<br />
auffiel. Schwarze Wand am Hori zont,<br />
wir auf dem Schiff bei der Ankerwache,<br />
Charterboot-Segler um uns<br />
gehen gemütlich zum Abendessen.<br />
Vielleicht ist es, weil unser Schiff<br />
eben unser Schiff ist und man auf<br />
seine eigene Wohnung einfach mehr<br />
aufpasst. Kann sein. Aber was nützt<br />
mir das, wenn mir dann ein anderes<br />
Schiff auf den Bug treibt?<br />
Ich geh’ jetzt einmal davon aus,<br />
dass das hier nur Segler lesen, Interessierte,<br />
die Ahnung haben und auch<br />
schon einmal die Bordtoilette entstopfen<br />
mussten. Allen anderen hoffe<br />
ich, jetzt nicht den Urlaub völlig vermiest<br />
zu haben.<br />
Mein Tipp? Umsichtig sein, tolerant<br />
und stets hilfsbereit. Dann kann ja<br />
eigentlich nix mehr schiefgehen – und<br />
dazu braucht man nicht einmal einen<br />
Segelschein! <br />
<br />
OCEAN WOMAN <strong>2018</strong> 23
See you, miss you, love you!<br />
XX XX<br />
AUSGABE 2/2011<br />
Canadier Ian und<br />
Schweizerin Catharina<br />
– Völkerverständigung<br />
paarweise!<br />
Laura und Mark lernten wir<br />
kennen, als sie uns in Galapagos<br />
das Taxiboot wegschnappten.<br />
Da lässt man nämlich sein Dingi zu<br />
Hause – pardon, zu Schiff –, wegen<br />
der Stinkrobben, die es sonst belagern,<br />
und leistet sich die 20 Cent für<br />
das Taxi. Zuerst ließ also der Taxler<br />
die Amerikaner einsteigen und erbarmte<br />
sich dann doch noch unser.<br />
Laura war mir gleich sympathisch<br />
und streitet heute noch vehement ab,<br />
dass sie den Taxiraub geplant hätte.<br />
Zwei Tage später trafen wir sie wieder.<br />
Auf Isla Isabella – immer noch<br />
Galapagos – hatten wir gerade den<br />
Hafenkapitän bestochen und durften<br />
illegal eine Woche bleiben, als Laura<br />
und Mark ums Eck bogen, ihre legale<br />
400-Dollar-Ankererlaubnis vorwiesen<br />
– und den Hafenkapitain trotzdem<br />
bestechen mussten. Laura ärgert sich<br />
heute noch, dass sie so blöd war, diese<br />
Erlaubnis zu kaufen. Am Abend saßen<br />
wir dann gemeinsam im illegalen<br />
Grilllokal am Strand und wussten,<br />
dass es auch mit Mitte dreißig noch<br />
möglich ist, Freunde fürs Leben zu<br />
finden. Eine Beobachtung, die sich<br />
über all diese Reisejahre hinweg fortsetzen<br />
würde. Auf den Marquesas trafen<br />
wir Britta und Michael von der<br />
Vera aus Berlin – mit denen wir nun<br />
zurück in Österreich bereits zwei Skiurlaube<br />
verbracht haben. Zuvor in der<br />
Karibik waren wir in einer Runde von<br />
Engländern, Franzosen und einigen<br />
Schweizern zu finden. Sicher auch<br />
wegen der Kinder, aber vielleicht auch<br />
nicht.<br />
Neuseeland schließlich wurde unvergesslich<br />
durch Schelmi, den Tischler,<br />
seine französische Frau Isabelle<br />
und Antonio, den italienischen Millio<br />
när, der uns am liebsten adoptiert<br />
hätte. Dort trafen wir auch wieder auf<br />
unsere Espis’ – Ilse und Helmut wohnen<br />
jetzt praktisch bei uns ums Eck.<br />
Und schließlich der Red Sea-Konvoi –<br />
Skandinavien und Nachbarländer und<br />
die Rishos. Große Aufregungen, tiefe<br />
Freundschaften. Und das alles zu einem<br />
Zeitpunkt in unserem Leben, an<br />
dem man denkt, tja, so, mein Freundeskreis<br />
ist komplett. Nix da. Und was<br />
ist nun der Schlüssel dazu? Natürlich<br />
das Segeln – eh klar. Man sitzt sozusagen<br />
in einem Boot, hat gleiche Erfahrungen,<br />
gleichen Mut bewiesen, alle<br />
sind irgendwie Träumer, Abenteurer,<br />
Fantasten.<br />
DER TON MACHT DIE MUSIK<br />
Noch ein Schlüssel? Ja. Englisch. Wir<br />
wunderten uns immer etwas über die<br />
abschätzigen Bemerkungen einiger<br />
deutsch- bzw. österreichisch-beflaggten<br />
Schiffe Amerikanern gegenüber.<br />
Ein Schiff behauptete sogar, nicht zu<br />
den Marchesas zu segeln, weil dort ja<br />
alle „Amis“ seien. Wir waren auch<br />
dort, mit gezählten vier österreichischen<br />
Schiffen, drei Franzosen, zwei<br />
Australiern und unseren einzigen<br />
Amerikanern weit und breit – Laura<br />
und Mark – in der großen Bucht bei<br />
Nuku Hiva. Das erwähnte Schiff war<br />
aber tatsächlich zu den abgelegenen<br />
Gambier-Inseln gesegelt und hing<br />
dort bald in der Flaute. 16 Tage ohne<br />
Wind und ohne Amerikaner.<br />
Ich wunderte mich schon damals.<br />
Da segelt einer in die Welt und will<br />
vor allem nur deutschsprechende<br />
Leute treffen, da kann man doch<br />
gleich in Deutschland oder Österreich<br />
bleiben.<br />
Des Rätsels Lösung brachte Laura.<br />
Eines Tages am Ankerplatz in Papete,<br />
dort wo sich wieder sehr viele Nationen<br />
mischen, da jeder zum Carrefour-<br />
Supermarkt einkaufen gehen will,<br />
motorte Laura mit ihrem Dingi auf<br />
ein deutsches Schiff zu, das sie schon<br />
mehrmals gesehen, dessen Crew sie<br />
aber nie kennengelernt hatte. Das besagte<br />
„Ich-segel-nicht-zu-den-Marchesas<br />
wegen-der-Amis“-Schiff. Davon<br />
wusste Laura nichts. Ich beobachtete<br />
das Treffen aus der Ferne – naja, ein<br />
bisschen Schrebergarten darf doch<br />
sein. Die Konversation war kurz und<br />
unterkühlt, erzählte mir Laura.<br />
ENGLISCH ALS ZWEITSPRACHE<br />
Die Leute konnten kein Wort Englisch!<br />
Das war es also! Sprachbarriere,<br />
nicht Vorurteil! Laura und ich tranken<br />
einen Cappuccino und ich vergaß<br />
ganz, dass wir Englisch sprachen.<br />
Peter begann englisch zu träumen,<br />
und für Finn war Englisch irgendwann<br />
eine Zweitsprache geworden.<br />
Wie schön.<br />
Und wie schön vor wenigen Wochen,<br />
als Laura und Finn an unserem<br />
Küchentisch in Wien die Köpfe zusammensteckten<br />
und über einer Partie<br />
Mancala grübelten. Oder Peter<br />
Mark die Ingredienzien von Scheiterhaufen<br />
auf englisch zu erklären versuchte.<br />
Und als wir dann wieder<br />
Adieu winkten, wussten wir einfach:<br />
Egal, wie viele Jahre wir uns vermissen<br />
würden, unsere Freundschaft<br />
würde standhalten. Bye-bye, see you,<br />
miss you, love you. Und nach den<br />
viereinhalb Jahren mit der Risho<br />
Maru weiß Finn eines ganz sicher:<br />
Englisch lernt man nicht nur für die<br />
Schule – sondern für das abenteuerliche,<br />
aufregende Leben da draußen! <br />
24 OCEAN WOMAN <strong>2018</strong>
Das Crowhurst-Syndrom<br />
XX XX<br />
AUSGABE 1/<strong>2018</strong><br />
Da brachten die Jungs zehn Kilo Shrimps vom Fischtrawler, was blieb anderes übrig,<br />
als die Elchkeule aus der Tiefkühle zu räumen …? Nichts ist schöner als an einem<br />
gewöhnlichen Dienstagabend in Wien Segelfreunde nach einigen Jährchen wiederzusehen.<br />
Der Abend war wirklich großartig.<br />
Die Gastgeber-Weltumsegler<br />
servierten selbst -<br />
fabrizierte Wildschweinwürste. Dazu<br />
Pecorino, Polenta und Wein – mitgebracht<br />
aus Italien, aus der Latteria<br />
hinter der Werft bzw. dem kleinen<br />
Alimentari-Laden neben dem Weinbauern.<br />
Die Gäste langten ordentlich zu.<br />
Hungrig, denn die letzten Monate<br />
waren fordernd gewesen. Die einen<br />
hatten die Nordwestpassage passiert,<br />
die anderen waren die Nordwest -<br />
passage in die andere Richtung und<br />
anschließend nonstop weiter von<br />
Grönland nach Galicien, Spanien, um<br />
dort die Großmutter der beiden Segelkinder<br />
zu besuchen, gesegelt.<br />
Die Gespräche drehten sich um<br />
Packeis, Eisbären und die Probleme,<br />
bei tiefen Wassertemperaturen<br />
Fische zu fangen. Karl – der mit der<br />
Schwiegermutter in Galicien – schilderte<br />
die Möglichkeiten, einen Heilbutt<br />
mit ordentlich Blei und einem<br />
Plastik-Squid zu fangen. Seine Frau<br />
Ali erzählte, während sie ihre Strickjacke<br />
ablegte, dass es der ganzen Familie,<br />
seit sie in Europa gelandet waren,<br />
überall zu überheizt vorkam.<br />
Die Jahresdurchschnittstemperatur<br />
in Nuuk (Grönland) beträgt –1,4 °C.<br />
Die höchsten Temperaturen werden<br />
im Juli erreicht mit 10,6 °C. Also<br />
kein Wunder. Die Seenomaden zeigten<br />
dann ein Filmchen von einem<br />
Ankerplatz irgendwo in der Nähe der<br />
Beringsee. Dagegen ist die Bora-Welle<br />
in der Kvarner im Juli Flachwasser.<br />
Diese Abenteuer wurden alle im<br />
gemütlichen Plauderton dargebracht.<br />
Kein Aufschneiden – einfach Erzählungen<br />
aus dem Alltag des Fahrten -<br />
segelns. Das Gute, das Besch…, das<br />
absolut Grandiose.<br />
Wir waren gerade aus dem Einwinterungs-Wochenende<br />
gekommen.<br />
Und nein, ich erzählte nicht,<br />
dass mir auf dem Schiff bei fünf<br />
Grad kalt gewesen war. Wenigstens<br />
gab es dort keine Eisbären – dafür<br />
aber einige mit dem Crowhurst-Syndrom<br />
behaftete Schiffsbesitzer.<br />
EINE IRRE GESCHICHTE<br />
Donald Crowhurst war ein Geschäftsmann,<br />
der in den 1960er-Jahren<br />
ein Navigationssystem erfand<br />
und um es populär zu machen beschloss,<br />
beim Sunday Time Golden<br />
Globe Race – einmal nonstop um die<br />
Welt – teilzunehmen. Allenfalls ein<br />
Wochenendsegler, schaffte er es dennoch,<br />
Sponsoren für den Bau eines<br />
Trimarans zu finden und segelte los –<br />
das Schiff unfertig, leckend, chaotisch.<br />
Im südlichen Atlantik wurde<br />
ihm klar, dass dieses Unterfangen<br />
eine Nummer zu groß war. Doch er<br />
musste gewinnen, da er das Geld und<br />
den Ruhm brauchte. Und so beschloss<br />
Crow hurst, seine Logbücher<br />
und Funksprüche zu fälschen, um<br />
vorzutäuschen, ganz vorn zu sein.<br />
England glaubte ihm, bis man seinen<br />
Trimaran im Nordatlantik treibend<br />
fand. Crowhurst war nicht an Bord,<br />
dafür seine Aufzeichnungen, die da -<br />
rauf schließen ließen, dass er verrückt<br />
geworden war.<br />
Eine irre Geschichte, aber für mich<br />
so wertvoll, weil ich endlich eine Diagnose<br />
gefunden habe für Menschen,<br />
die ohne Ahnung Schiffe bauen,<br />
wahnwitzige Segelreisen ohne je gesegelt<br />
zu sein planen, überzeugt sind<br />
von sich, ihrem Können und ihrem<br />
Schiff – selbst noch, wenn alles schon<br />
den Bach, pardon, Ozean runtergeschwommen<br />
ist. Manche enden (immerhin)<br />
in der Karibik. Andere been-<br />
den wegen kaputter Motoren (Segeln,<br />
was ist das?), nicht vorhandener Stürme<br />
und Haiattacken. Alles meist<br />
medien wirksam in den sozialen<br />
Netzwerken präsentiert.<br />
Das Crowhurst-Syndrom. Eine<br />
Mischung aus Ehrgeiz, Selbstüberschätzung,<br />
Nichtwissen und Überheblichkeit.<br />
An diesem außergewöhnlichen<br />
Abend in Wien? Nichts<br />
von alldem! Sondern vor allem Leidenschaft,<br />
Mut, Respekt, Lebensfreude<br />
und Humor.<br />
Und wie war die Elchkeule? „Sehr<br />
gut, aber bei zwei Wochen Sturm<br />
schmeckt selbst der beste Elch nicht<br />
besonders.“<br />
<br />
+<br />
+<br />
The first drink on the other side of the ocean<br />
… sagen die amerikanischen Yachties, wenn sie über das<br />
beste der Atlantiküberquerung sprechen. Karla Schenk<br />
mochte diese Weisheit. Karla blieb Karla, egal, wie oft sie<br />
wo drübergesegelt oder -geflogen ist. „Prahlerei ist Bullshit“<br />
sagen die Australier und Karla pflichtete dem bei.<br />
Ich sah Karlas Ankunft in der Karibik mit dem letzten<br />
„Büchsenlicht“. Es war Heiliger Abend.<br />
Das Cockpit der Thalassa, Karla die Haare raspelkurz,<br />
Shorts, die extravaganten Sonnenbrillen über die Stirn geschoben<br />
– sie genoss die tropische Landschaft, die Wärme,<br />
die Gesellschaft der Segelfreunde. Ein köstliches Dinner<br />
an Land in frischer Luft, die romantischen Klänge der<br />
Steelband. Sie erinnerte sich mit blitzenden Augen an das<br />
Erwachen am ersten Morgen. „Wir waren aus dem tiefblauen<br />
Meer in Las Palmas gestartet und hier in einer<br />
helltürkisfarbenen Lagune vor Anker gegangen. Um uns<br />
herum ein weißer Sandstrand, umrahmt von dunkelgrünen<br />
Palmenwäldern. Man denkt, man ist im Märchen. Was<br />
kann es Schöneres geben?“. Ruhe in Frieden, Karla.<br />
Crowhursts vorgetäuschte<br />
und tatsächliche<br />
Position während<br />
des Golden Globe Race<br />
am 10. April 1969.<br />
OCEAN WOMAN <strong>2018</strong> 25
What shall we do with<br />
Es war auf Tahiti. Wir hatten gerade den Anker fallen lassen nach einer<br />
rauschenden Nachtfahrt von den Tuamotos. Vor uns ein uns nicht bekannter<br />
Katamaran. Österreichische Flagge. Die Besitzer grüßten freundlich und riefen<br />
schließlich: „Griaß’ eich! Kummt’s uma auf a Bier?“ Es war neun Uhr. Am Morgen.<br />
Die Geschichte des Segelns ist<br />
durchtränkt von Alkohol.<br />
Nicht ohne Grund. Je weiter<br />
sich die britisch/französisch/spanischen<br />
Fregatten auf die Ozeane wagten,<br />
um neue Welten zu erschließen<br />
und in Folge zu kolonialisieren, desto<br />
wichtiger wurde es, Lebensmittel<br />
haltbar zu machen. 50 bis 100 Mann<br />
galt es zu versorgen.<br />
Ein Hauptproblem war das Wasser,<br />
das schnell verrottete und nicht nur<br />
ungenießbar wurde, sondern die<br />
ganze Schiffsmannschaft außer Gefecht<br />
setzte. So kam man auf die Idee,<br />
Alkohol in Form von Wein und Bier<br />
zu lagern. Jedoch auch da erwies<br />
sich, das die Haltbarkeit äußerst<br />
begrenzt war. Eine Atlantiküber-<br />
querung z. B. dauerte damals 40 Tage<br />
– wenn man schnell war. Cook segelte<br />
auf der Suche nach einem neuen<br />
Kontinent 117 Tage durch. Fast vier<br />
Monate! Die Lösung war Rum.<br />
WASSER MIT RUM<br />
Durch die Erzeugung von Rum in<br />
den karibischen Kolonien setzte eine<br />
Wende ein. Die Engländer und Franzosen<br />
bauten im 17. Jahrhundert Zuckerrohr<br />
auf den karibischen Inseln<br />
an, Europa verlangte nach Süßigkeiten.<br />
Bei der Herstellung wurde ein<br />
Teil der Molasse zur Erzeugung von<br />
Rum verwendet. Zahllosen Fässer<br />
konnten jedoch nicht in den Mutterländern<br />
angebracht werden, da dort<br />
Einfuhrverbot für Rum galt – man<br />
wollte sich wohl den Whiskey-Markt<br />
nicht ruinieren! Ein Kommandant<br />
der Royal Army hatte dann die zündende<br />
Idee: Man schenkte Matrosen<br />
ab sofort ein halben Pint Rum pro<br />
Tag aus. Gemischt mit zwei Teilen<br />
Wasser war die Truppe zwar etwas<br />
beduselt, aber der Durst war gelöscht,<br />
die Haltbarkeit sensationell.<br />
Und die Laune gut. Was bei den Lebensbedingungen<br />
für Matrosen in<br />
dieser Zeit nicht schaden konnte. Die<br />
Mannschaften waren zufrieden, denn<br />
mit etwas Alkohol im Blut stieg der<br />
Mut, feindliche Schiffe zu entern<br />
oder im Sturm um Kap Hoorn ans<br />
Ende des Bugsprits zu balancieren.<br />
Abgeschafft für die Tradition der<br />
Royal Navy 1970. Man fand, dass<br />
man die inzwischen höchst technisierten<br />
Navigationsgeräte und andere<br />
Tätigkeiten an Bord ohne Alkohol im<br />
Blut besser und genauer bewältigte.<br />
In Neuseeland durften Matrosen<br />
Top-Location für Sun -<br />
downer: Das Ankerfeld<br />
auf den Marchesas.<br />
26 OCEAN WOMAN <strong>2018</strong>
the drunken sailor? AUSGABE 4/2015<br />
XX<br />
XX<br />
noch bis 1990 ihre Ration verlangen!<br />
Das bringt mich zurück zum morgendlichen<br />
Bierchen in Tahiti. Wir<br />
baten um Kaffee. Und saßen im<br />
knallheißen Cockpit auf Plastikbänken<br />
von Bierdunst umhüllt. Fast wie<br />
auf der alten Donau im Freibad, das<br />
wir vom Jollensegeln kannten.<br />
Die Crew des Katamarans machte<br />
den Anschein, als würde sie auch im<br />
Freibad gerne zu langen, wenn’s um<br />
alkoholische Genüsse geht. Unterschied<br />
dabei: Sie sitzen im Freibad<br />
nicht auf einem Gefährt in der<br />
Schwere eines Lkw, das sie jederzeit<br />
manövrieren können sollten …<br />
APROPOS MANÖVER<br />
Manöverschluck, Auslauf-Bierchen,<br />
Anlege-Schnäpschen. Oder Wende-<br />
Stamperl, Anker-Viertel, Panik-Achtel<br />
(bei Bora!), Zwei-Meter-Wellen-<br />
Enzian, Drei-Meter-Wellen-Wodka<br />
… die Liste lässt sich unendlich fort-<br />
Genussvoll: Pastis mit<br />
italienischen Spezereien.<br />
Ein Manöverschluck muss<br />
nicht hochprozentig sein.<br />
setzen. Und wird auch eventuell gerne<br />
vorgeschoben, um die zahllosen<br />
kalten Biere im Kühlschrank anzukriegen.<br />
Erst kürzlich war mein Skipper-Ehemann<br />
zu einem Bootsausflug<br />
geladen und wunderte sich nicht<br />
schlecht, als es „vor dem Ablegen“<br />
gleich einmal Alkoholika gab. Es war<br />
zehn Uhr morgens – immerhin. Auf<br />
Nachfrage, er hätte lieber Wasser,<br />
waren die Organisatoren irritiert.<br />
Wasser war keines eingekauft worden.<br />
Nur Bier. Sonst nix.<br />
Die Matrosen im 16. Jahrhundert<br />
hätten es hingenommen und sich<br />
gestärkt, um trotz 40 Knoten Wind<br />
ungesichert 30 Meter in die Takelage<br />
zu klettern und danach ihre Essensration<br />
inklusive Madenbefall runterzuschlucken.<br />
Und das für die nächsten<br />
Monate oder Jahre.<br />
Beim Bootsausflug gab es Wurstsemmeln<br />
(ohne Maden) und die Reise<br />
war nach einigen Stunden vorbei.<br />
Die Stimmung war mehr feucht als<br />
fröhlich. Mein Skipper grummelte<br />
grantig: „Was hat das denn noch mit<br />
Seemannschaft, Schifffahrt und Genuss<br />
daran zu tun?“ Nun ja, vielleicht<br />
haben die Seefrauen gefehlt, die ausdrücklich<br />
nicht eingeladen waren.<br />
Ich versuchte, ihn mit einem Shantey<br />
aus Stevensons Schatzinsel aufzumuntern.<br />
„Fifteen men on the dead man‘s<br />
chest Yo-ho-ho and a bottle of rum,<br />
drink and the devil had done for the<br />
rest.“<br />
Womit ich wieder beim Rum lande.<br />
Die Tres Hombres segeln ihn aus<br />
der Karibik nach Europa und es<br />
spricht nichts dagegen, ein paar Pints<br />
dieses vollmundigen Rums von Kroatien<br />
nach Griechenland zu segeln<br />
und zu genießen. Aber eben mit<br />
Maß. Und Stil. Denn Traditionen<br />
sind schön. Solange sie nicht ausarten<br />
und grölende Männercrews in<br />
Buchten zurücklassen. Oder Yachten<br />
What shall we do with a drunken sailor<br />
Drunken Sailor ist ein traditionelles Shanty (Arbeitslied der<br />
Seefahrer) im dorischen Modus. Die Melodie wurde ursprünglich<br />
dem traditionellen irischen Tanz- und Marschlied<br />
„Oró Sé do Bheatha ’Bhaile“ entnommen.<br />
Publiziert wurde der Liedtext erstmals 1891 unter dem<br />
Titel What to Do With a Drunken Sailor?, wobei die Melo -<br />
dien bereits 1824–1825 in Cole‘s Selection of Favourite<br />
Cotillions in Baltimore herausgegeben wurden. Eine andere<br />
Version schrieb Richard Runciman Terry, die im Liederbuch<br />
The Shanty Book, Part I, Sailor Shanties abgedruckt.<br />
Liedtext:<br />
What shall we do with a drunken sailor,<br />
What shall we do with a drunken sailor,<br />
What shall we do with a drunken sailor,<br />
Early in the morning?<br />
Refrain:<br />
Way hay and up she rises,<br />
Way hay and up she rises,<br />
Way hay and up she rises,<br />
Early in the morning<br />
Traditionelle Verse:<br />
1. Put him in the long boat till he‘s sober,<br />
2. Put him in the scuppers with a hose-pipe on him.<br />
3. Shave his belly with a rusty razor.<br />
4. Put him in bed with the captain‘s daughter.<br />
5. Take him and shake him and try to awake him.<br />
Zusätzliche Verse:<br />
6. Have you seen the captain‘s daughter?<br />
7. Put him in the bilge and make him drink it<br />
8. Truss him up with a runnin‘ bowline.<br />
9. Give ‚im a dose of salty water.<br />
10. Stick on ‚is back a mustard plaster.<br />
11. Send him up the crow‘s nest till he falls down,<br />
12. Tie him to the taffrail when she‘s yardarm under,<br />
13. Soak ‚im in oil ‚til he sprouts a flipper.<br />
14. Put him in the guard room ‚til he‘s sober.<br />
15. That‘s what we‘ll do with the drunken sailor.<br />
16. Keel haul ‚im ‚til he‘s sober.<br />
17. Put him in a hole with an angry weasel.<br />
18. Scratch his back with a cat o‘ nine tails.<br />
Variationen:<br />
a. Keep him there and make ‚im bale ‚er.<br />
b. Pull out the plug and wet him all over,<br />
c. Shave his balls with a rusty razor.<br />
d. Give ‚im a taste of the bosun‘s rope-end.<br />
e. Heave ‚im by the leg with a runnin‘ bowline.<br />
auf kroatischen Felsen parken. Oder<br />
Ausflugsschiffe zu Heurigen umgestalten.<br />
Die Katamaran-Segler aus Tahiti<br />
luden wir dann im Gegenzug zum<br />
Kaffee ein. Mit selbstgebackenen<br />
Brownies. Sie fühlten sich wohl,<br />
glaub’ ich. Es war zwei Uhr. Am<br />
Nachmittag. <br />
<br />
OCEAN WOMAN <strong>2018</strong> 27
Kapitän, ich bin im Kino!<br />
XX<br />
XX<br />
AUSGABE 4/2011<br />
(Gesungen:) „Ta, ta, tataaaa … tatat … tatatatatatat … tatataaaaaaaat tatata“.<br />
Na? Haben Sie es erkannt? Natürlich!<br />
Die Kennmelodie der<br />
„Onedin Linie“. Peter Gilmore<br />
– etwas brummiger, aber genialer<br />
rothaariger Kapitän Onedin in Dauerkonkurrenz<br />
mit einer anderen<br />
Schiffslinie. Was für ein Kapitän!<br />
Was für grandiose Segelboote, gleich<br />
zur Eröffnung. Damals, als ich die<br />
Serie sah, war ich noch ein unerfahrenes<br />
Segelkücken. Aber heute, wenn<br />
sie mir zwischen die Finger kommt,<br />
sehe ich den hohen nautischen Anspruch.<br />
Und dass auf Originalschiffen<br />
gedreht wurde!<br />
SEGELN UND FILME<br />
Ist man wie ich mit einem Seemann<br />
verheiratet, kommt man an diesen<br />
Filmen nicht vorbei. Sobald ein<br />
Fetzchen Segel auftaucht – auch wenn<br />
nur in einer alte Columbo-Folge, in<br />
der der Mörder auf dem Schiff lebt –<br />
heißt es sogleich: „Ahh, schönes<br />
Schiff, schlecht gesetzte Segel, die<br />
Schauspieler haben echt keine Ahnung.“<br />
Als gelernte Schauspielerin verteidige<br />
ich dann meine Zunft und sage: „Na,<br />
eigentlich sagen ja die Regisseure, was<br />
zu tun ist? Und der Kameramann<br />
filmt!“. Egal. Es kommt ja nicht so oft<br />
vor, dass Nicole Kidman ein 47-Fuß-<br />
Segelboot allein aufriggt und dabei<br />
auch noch mit wallenden Gewändern,<br />
toll geschminkt und perfekt frisiert<br />
auf dem Vordeck steht. Bei 25 Knoten,<br />
von der Seite. Immerhin muss sie<br />
im Streifen „Todesstille“ ihren Mann<br />
vor einem irren Massenmörder retten.<br />
Es ist eben bei den Segelfilmen<br />
genauso wie bei den Arztserien oder<br />
Polizeithrillern: Wer Ahnung von<br />
diesem Metier hat, sieht die kleinen<br />
bis großen Ungereimtheiten, aber<br />
sieht eben auch darüber hinweg.<br />
Und dann ist es natürlich schon<br />
besonders toll, wenn einer wie Jeff<br />
Bridges das Kommando übernimmt!<br />
Auch wenn er sein Schulschiff leider<br />
in einem „White Squall“ versenkt. So<br />
auch der Titel des Filmes.<br />
Schade nur um seine hübsche,<br />
tolle, coole Frau und Skipperin. Sie<br />
wird mitversenkt und vielleicht liegt<br />
es daran, dass ich mir den Film bis<br />
heute nicht besonders gern anschaue.<br />
Ein Freund schenkte uns in der Karibik<br />
„Captain Ron“, Kurt Russell als<br />
vertrottelter Charterkapitän. Sehr<br />
blöd, sehr oberflächlich, sehr lustig.<br />
Familie muss zwecks Erbe altes, verrottetes<br />
Segelboot von der Karibik<br />
nach Florida überstellen. Aus dem<br />
faden Familienvater, der Tussen-<br />
Mama und den beiden verwöhnten<br />
Kids wird ein richtig tolles Team!<br />
Na, wenn das nicht ein Ansporn ist,<br />
mit der Familie segeln zu gehen!<br />
Oder zum Beispiel Russell Crowe<br />
in „Master and Commander“. Meine<br />
Seemänner lieben diesen Film, Seeschlachten<br />
ohne Motor – alles Taktik!<br />
Und ich muss zugeben, Russell<br />
Crowe passt die Frisur meines Mannes<br />
sehr gut. Ja, auch mein Mann<br />
hätte die Franzosen so gekonnt seglerisch<br />
ausgetrickst – nur dafür sicher<br />
den Oskar gewonnen, was Russell<br />
Crowe nicht gelungen ist!<br />
Aber es gibt auch Kapitäne, die ins<br />
Wasser müssen – wie Kevin Costner<br />
in „Message in a bottle“. Ein Schiffsbauer<br />
an der amerikanischen Ostküste,<br />
Holzschiffe natürlich, traumhaft<br />
schön und dazu eine Liebesgeschichte.<br />
Aber ohne Happy End!<br />
In „Waterworld“ hingegen schafft<br />
es der Kevin, dass alles gut ausgeht.<br />
Auf einem heißen Trimaran übrigens.<br />
Der Mann kann wirklich segeln<br />
– oder er spielt es gut!<br />
Bei Johnny Depp ist sie erwiesen –<br />
die Schwäche zum Segelsport. Hat er<br />
doch schon an einigen Regatten<br />
teilgenommen, sein eigenes Schiff<br />
ist aber eine Motoryacht aus den<br />
1930er-Jahren. Ansonsten genial:<br />
„Captain Sparrow“. Wankend, mit<br />
Seemannsbeinen. Und natürlich zerfetzten<br />
Segeln.<br />
ABER BITTE WO SIND DENN DIE<br />
FRAUEN IN DEN SEGELFILMEN?<br />
Bis auf eine versenkte Skipperin ist<br />
das Aufkommen rein seglerisch gering.<br />
Selbst in „Seewolf “ – egal, ob<br />
mit Kartoffel oder ohne.<br />
Frauen an Bord sind schmückendes<br />
Beiwerk. Da bin ich ja froh, dass<br />
Geena Davids es doch schafft, in<br />
„Die Piratenbraut“ den Säbel und die<br />
Segel auszupacken. Blöderweise einer<br />
der größten Kinoflops der Filmgeschichte.<br />
Ach, dieses Hollywood! Gut, dass<br />
im wirklichen Leben alles ganz anders<br />
ist, oder?<br />
„… Tatatatata … tatata … tatataaaaaaaaaaaa<br />
…“ (Geigen). <br />
28 OCEAN WOMAN <strong>2018</strong>
I am sailing …<br />
Musik an Bord!<br />
Nicht nur Herr Rod Stewart mag Segeln und Musik. Auch wir,<br />
mein Skipper und ich, musizieren an Bord und wenn nicht<br />
anders möglich an Land – dann natürlich mit <strong>Band</strong>.<br />
XX<br />
XX<br />
AUSGABE 1/2013<br />
Skipper und Ehemann<br />
Peter, die Gitarre<br />
und das Meer.<br />
Manchmal ist die Beschallung<br />
an Bord auch unfreiwillig,<br />
zum Beispiel letztes Jahr an<br />
der Küste Istriens von Veruda bis<br />
Umag. In jeder Bucht gab es ab 21<br />
Uhr Disco, Techno, Schlager, Volkslied.<br />
Gegen keine dieser Musik arten<br />
wäre etwas einzuwenden, nur die<br />
Ausführung ist bisweilen Ohren zerstörend.<br />
Laut, schlecht und endlos.<br />
Viel kann man dabei aber über Physik<br />
und den Schall lernen. In welches<br />
Eck der Bucht verhole ich mich, um<br />
doch ein bisschen schlafen zu können?<br />
Besonders schwierig war es in<br />
einer bekannten istrischen Bucht mit<br />
einem Wasserski-Lift. Das Hotel dort<br />
spielte Disco und im Tanzschuppen<br />
in der Nebenbucht gab es ein Rave.<br />
Der Mix traf sich genau über unserem<br />
Schiff. Um drei in der Früh waren<br />
wir sicher, dass nun ein Ende in<br />
Sicht war – doch nach der Pause ging<br />
es beschwingt hämmernd weiter und<br />
der letzte Ton entschwand um sieben<br />
Uhr mit dem Morgendunst.<br />
Unfreiwillige Beschallung kann<br />
auch vom Nachbarschiff kommen:<br />
Entweder wenn es dort eine Party zu<br />
feiern gibt, oder wenn Segler ihr<br />
Song-Repertoire auspacken. Bei österreichischen<br />
Crews wird oft „Schifoan“<br />
zum Höhepunkt der musikalischen<br />
Darbietung, was auf einer<br />
Yacht seltsam ist, außer vielleicht in<br />
der oben genannten Wasserski-<br />
Bucht. Glück hat man, wenn unser<br />
segelnder Tiroler Karli am Ankerplatz<br />
ist, da ertönt meist nach der<br />
Mittagsschlafzeit die „Quetschn“<br />
über das Ankerfeld. Karli übt fleißig<br />
und macht super Fortschritte, findet<br />
auch Sissi, sein Hund, der gern mitjault<br />
– sorry, singt.<br />
HARFENKLANG IM PAZIFIK<br />
Auf unserer Weltumsegelung trafen<br />
wir vor allem irische Segler, die zu<br />
drei Gitarrenakkorden circa 200 ähnlich<br />
klingende irische Folksongs anstimmten.<br />
Je später die Abendstunde,<br />
desto melancholischer, weil meist der<br />
Biervorrat zu diesem Zeitpunkt ex -<br />
trem geschrumpft war.<br />
Die englischen Crews haben selten<br />
Instrumente dabei, dafür lernten wir<br />
durch sie ein Gesellschaftsspiel kennen,<br />
das wahrscheinlich wegen der<br />
hysterischen Lachsalven an Bord die<br />
anderen Boote im Umkreis auch auf<br />
die Palme brachten. Man teilt Kärtchen<br />
aus, auf denen berühmte Songs<br />
aus allen Sparten stehen, die man<br />
nachpfeifen muss und die anderen<br />
müssen draufkommen, welcher Song<br />
es sein könnte. Versuchen Sie mal „I<br />
Can’t Get No Satisfaction“ zu pfeifen!<br />
Selbst mit größter Leidenschaft vorgetragen,<br />
kann das Erraten unmöglich<br />
sein.<br />
Für Überraschung sorgte eine<br />
Amerikanerin. Die Harfenistin Gail<br />
schleppte ihr Instrument auf jede pazifische<br />
Insel, dort wartete bereits die<br />
coole Dorfjugend, um mit Ukulelenklängen<br />
mitzu jammen. Auf Suwarow<br />
trafen wir John, den Ranger des<br />
Atolls, der sich als geschmeidiger<br />
Rocksänger entpuppte. John hatte<br />
etwas von Jack Johnson, dem singenden<br />
Surfer, der sämtliche Charts<br />
anführt und auch die Favorite-Song-<br />
Liste auf unserer Risho Maru.<br />
MUSIK UND SEGELN PASSEN<br />
EINFACH ZUSAMMEN<br />
Einerseits, weil man als segelnder<br />
Musiker an wunderbare Plätze<br />
kommt und Musiker trifft, anderseits,<br />
weil man auch wieder schnell<br />
abhauen kann, wenn der Musikgeschmack<br />
der Nachbarn schmerzt.<br />
Wer jetzt Lust auf ein Instrument<br />
an Bord bekommen hat, dem sei die<br />
allseits beliebte Gitarre empfohlen.<br />
Das Triangel ist für Übfaule durchaus<br />
eine Möglichkeit.<br />
Seefrau Laura hatte ihr Yamaha-<br />
Keyboard dabei und spielte Bach auf<br />
Tonga. Eve aus Australien liebte ihre<br />
Klarinette auch in Neuseeland. Beat,<br />
der Geiger aus der Schweiz, spielte<br />
auf den San Blas Inseln Weihnachtslieder.<br />
Für kleine Boote empfiehlt<br />
sich die Maultrommel – weil Mundharmonika<br />
ist so was von out.<br />
Wer gar nix kann, gönnt sich einen<br />
iPod mit ordentlichen Segelsongs.<br />
Vorschläge unten, Lautstärke mittel –<br />
außer bei müden Nachtfahrten mitten<br />
auf dem Ozean. Delfine mögen<br />
übrigens balinesische Flötenklänge,<br />
dazu passend wären Spinnaker und<br />
tausend Sterne. Segeln – und alles ist<br />
möglich!<br />
<br />
Songlist der Risho Maru<br />
Jack Johnson/In between dreams:<br />
Am Ankerplatz nach dem Surfen<br />
Pat Metheny/Missouri Sky: Blister Sailing bei flacher See<br />
Marcos Valle: Zum Wachbleiben in langen Nachtfahrten<br />
PAF/Wellenzeit: Für alle Fälle, einmal um die Welt!<br />
OCEAN WOMAN <strong>2018</strong> 29
Gefangen im<br />
Und da war ich mal wieder. Auf<br />
der Boot Tulln. ocean<br />
woman wurde ja einst dort<br />
aus der Taufe gehoben. Die erste Kolumne<br />
ging damals erfolgreich, wenn<br />
auch „bootsmessenkritisch“ über die<br />
Seebühne. Es war der kritische Blick<br />
einer Seefrau, die zwar gern segelt,<br />
aber Hallen mit aufgebockten Plastik -<br />
yachten, schlechter Luft und noch<br />
schlechterem Kaffee definitiv nichts<br />
abgewinnen konnte. Und daran hat<br />
sich bis heute nichts geändert.<br />
Aber dennoch, irgendwie bedeutet<br />
die Bootsmesse in Tulln immer: Die<br />
Segelsaison rückt näher! Ich setzte<br />
mich an diesem Samstag auf eine<br />
knallorange Plane unter einer großen<br />
Yacht irgendeiner Marke – sorry, keine<br />
Ahnung, welche – während meine<br />
Seemänner eine drei Meter hohe Leiter<br />
bestiegen, um sich in eine Menschenschlange<br />
ohne Schuhe einzureihen.<br />
Vor mir lag ein Hund und blickte<br />
mich erwartungsvoll an. Vielleicht<br />
wegen der typischen Bootmessen-<br />
Snacks, die sich auf einem Kaffeehaustisch<br />
neben mir türmten? Soletti,<br />
Zuckerl, Chips, Speckbrotreste.<br />
Der Yachtvertreter und Hundebesitzer<br />
steuerte freudenstrahlend auf<br />
mich zu. Ich schenkte dem Hund<br />
meine Chips und flüchtete. Meine<br />
Seemänner winkten mir fröhlich von<br />
Deck und verschwanden im Polyesterbauch<br />
der Yacht. Einige Meter<br />
weiter stoppte ich abrupt, da ich –<br />
oh Schreck – ein iPhone in einem<br />
Aquarium versinken sah.<br />
Braucht es Internet an<br />
Bord? Im Urlaub? Nein.<br />
Bei uns nicht. Nicht auf<br />
dem Schiff. Wenn unbedingt<br />
nötig, frequentieren<br />
wir ein Internetcafé,<br />
dies aber auch eher aus<br />
nostalgischen Gründen.<br />
menge, einer von ihnen warf sein iPad<br />
dem iPhone nach. Mit Kondom natürlich.<br />
„Toll, praktisch, perfekt, cool, genial<br />
– wozu?“ fügte ich der Lobeslitanei<br />
leise zu. Zu leise, keiner beachtete<br />
mich. „Jederzeit einsteigen ins Netz,<br />
überall Wetter runterziehen, Mail<br />
checken, absolute Freiheit.“ Etwas abseits<br />
stellte ich mir diese begeisterten<br />
Messebesucher im Sommer auf ihren<br />
Charter yachten vor, wie sie gerade<br />
online ihr Handy im Bora-aufgewühlten<br />
Adria-Gewässer versenkten und<br />
die neueste Wetterkarte auf dem nassgespritzten,<br />
salzkrustigen iPad-Gehülse<br />
nicht entziffern können. „Scotty, es<br />
könnte sein, dass wir eine Bora kriegen,<br />
beam uns hier weg!“<br />
Der Artikel „Life without the Web“<br />
vom amerikanischen Comiczeichner<br />
James Sturm rückte in mein Gedächtnis.<br />
Der hatte sich freiwillig vier Monate<br />
ohne Internet verschrieben. Das<br />
Handy hatte er zwar eingeschaltet,<br />
aber nur, um zu telefonieren und<br />
sonst nix.<br />
LEBEN OHNE INTERNET?<br />
Wäre das möglich? Wäre das lebbar?<br />
Wäre das sinnvoll? Ich erinnere mich<br />
an meine erste Bekanntschaft mit Facebook.<br />
Wir waren gerade vier Tage<br />
von Sri Lanka zu den Malediven gesegelt.<br />
Ein Minidorf ganz im Norden<br />
der Inselgruppe, Häuser mit hohen<br />
Lehmmauern, Männer die sich allesamt<br />
als Agents, Tourist guides oder<br />
Ship Chandler ausgaben.<br />
Nach einigen Tagen lernten wir die<br />
Menschen etwas näher kennen. Die<br />
unverheirateten Mädels waren mitten<br />
im Geschehen, fröhlich und mit Handys<br />
ausgestattet, die in selbstgenähten<br />
funkigen Täschchen an ihren Hälsen<br />
baumelten. Als wir so ins Plaudern<br />
TRAGÖDIE? NEIN, WERBUNG!<br />
Das iPhone trug eine Art Handy-Plastikkondom<br />
und schwebte langsam auf<br />
den falschen Sandgrund seines Wassergrabes<br />
zu. Rund um das Becken<br />
stand eine staunende Messebesucher-<br />
30 OCEAN WOMAN <strong>2018</strong>
Netz<br />
XX<br />
XX<br />
AUSGABE 3/2013<br />
kamen, fragten mich die Girls, ob ich<br />
denn Michael Ballack kenne. Sorry,<br />
keine Ahnung. The Soccer Star! German<br />
guy, very good looking! Und<br />
schon zückten sie ihre Handys, stiegen<br />
ins Netz ein und Facebook erleuchtete<br />
vor meinen erstaunten Fahrtenseglerinnenaugen.<br />
Heute bin ich selber dabei. Klar. Ich<br />
weiß, natürlich könnte ich hier schreiben,<br />
dass mich so etwas gar nicht interessiert<br />
– aber ehrlich: So stimmt das<br />
nun auch wieder nicht.<br />
Aber dafür im Sommer auf dem<br />
Schiff einen kroatischen Internetstick<br />
kaufen? Sicher nicht. Auch mein Skipper<br />
pfeift auf Internet auf dem Schiff,<br />
wenn wir drei Wochen durch die kroatische<br />
Inselwelt zuckeln. Wenn unbedingt<br />
nötig, frequentieren wir ein Internetcafé,<br />
dies aber auch eher aus<br />
nostalgischen Gründen. Auf unserer<br />
Weltumsegelung war dies nun mal die<br />
beste Verbindung nach Hause. Und ich<br />
spreche hier von Weltumsegelung. Mit<br />
fernem Pazifik, wildem Jemen, indonesischem<br />
Dschungel. Nicht von Mali<br />
Lošinj, Korcula und Murter.<br />
Braucht es Internet an Bord? Im Urlaub?<br />
Nein. Bei uns nicht. Nicht auf<br />
dem Schiff. Wetter gibt es auch im Radio<br />
oder noch besser: Schaut euch die<br />
Wolken an, riecht die Luft und sucht<br />
einen sicheren Hafen (in Kroatien gibt<br />
es den wahrscheinlich alle zehn Seemeilen).<br />
Und was ist mit meinen Mails,<br />
Blogs, Jobs, Networks, Google, Twitter,<br />
WhatsApp …?<br />
Ok., bei der nächsten Weltum -<br />
segelung sind wir wieder online beim<br />
Segeln, aber sonst: Vielen Dank für<br />
Ihre Nachricht! Ich bin am TT.MM.JJJJ<br />
ab hh:mm Uhr wieder erreichbar. Ihre<br />
Nachricht wird nicht weitergeleitet!<br />
Mit den allerbbesten Grüßen, Ihre<br />
oceanwoman. <br />
<br />
Wellenzeit – Drei<br />
segeln um die Welt<br />
In viereinhalb Jahren umsegelten<br />
Peter, Alexandra und Sohn Finn<br />
(heute 18 Jahre alt) auf ihrem Katamaran<br />
Risho Maru die Welt!<br />
Sie trafen „Jungle Man“ in der Karibik,<br />
entdeckten die glücklichen Inseln<br />
der Südsee, auf denen auch Polizisten<br />
Blüten hinterm Ohr tragen, und verliebten<br />
sich in die süßen, aber furchtbar<br />
stinkenden Seehunde auf den<br />
Galapagos-Inseln. Und sie stellten<br />
fest, dass der Erzherzog-Johann-<br />
Jodler auch den Leuten im Insel -<br />
archipel Vanuatu im Pazifik gefällt!<br />
Und Sohn Finn?<br />
Möchte nach der Matura mit<br />
seiner Risho Maru um Kap Hoorn<br />
segeln und wird dabei seine<br />
E-Gitarren nicht zu Hause lassen.<br />
Alexandra Schöler-Haring/Peter<br />
Schöler: Wellenzeit – Drei segeln um<br />
die Welt. E-Book, 294 Seiten,<br />
52 Fotos, Aequator Verlag, ISBN-13<br />
9783957370150, € 9,99<br />
Ankunft in Italien nach<br />
4,5 Jahren Weltumsegelung.<br />
OCEAN WOMAN <strong>2018</strong> 31
Sport an Bord<br />
Oder: Hit the trail, Jack<br />
XX<br />
XX<br />
AUSGABE 5/2011<br />
Es gibt Leute, die nicht segeln wollen, weil sie nicht genug Bewegung dabei<br />
finden. Den ganzen Tag auf dem Boot sitzen. Die tägliche Routine des Joggens<br />
im Park, des Fitnesscenterbesuchs, die Laufmaschine im eigenen Wohnzimmer<br />
missen zu müssen. Das scheint unvorstellbar. Auch im Urlaub.<br />
Ich spreche hier nicht vom anstrengenden<br />
Regattasegeln, nein, ich<br />
spreche vom fröhlichen Zwei-Wochen-Chartertörn<br />
oder auch dem Leben<br />
auf dem Schiff als Fahrtensegler.<br />
Hier kommt die gute Nachricht für<br />
Betroffene: Es gibt sie, die Trainingsprogramme<br />
für Yachties! Ideenführend<br />
dabei – die amerikanischen Fitnessgurus.<br />
Im Internet. Natürlich.<br />
„Use Steps!“, stand da fett auf einer<br />
sportlich gelayouteten Yachting-Web -<br />
site. Stufen? Ich überlegte einmal<br />
stark, wo wir denn auf unserem<br />
Schiff Stufen hätten. Der Niedergang!<br />
In unserem Fall eine Leiter. Fünf<br />
Sprossen. Ich las weiter. „Stop at the<br />
gym“. Was? Beim Tipp „Order smart“<br />
hatte ich’s kapiert. Die Yacht stand in<br />
diesem Fall für Kreuzfahrtschiff –<br />
hochhaushoch – da leuchtet das Stufen-Training<br />
natürlich ein und das<br />
Fitnesscenter und das Küchenservice.<br />
Ich war aber auf der Suche nach einem<br />
Fitnessprogramm für Segelboote!<br />
Nicht unbedingt für mich selbst,<br />
denn als Fahrtenseglerin war mir der<br />
Gedanke an mehr Bewegung selten<br />
gekommen. Selbst die 21-tägige Pazifiküberquerung<br />
ließ bei mir keine<br />
Fitnesslust aufkommen – ich war<br />
damals von den Nachtwachen derart<br />
übermüdet, dass das Setzen der Genua<br />
mich so erschöpfte, als hätte ich<br />
soeben 100 Liegestütze gemacht.<br />
Aber ich wollte endlich argumentieren<br />
können, wenn das Thema „Zu<br />
wenig Bewegung an Bord“ angesprochen<br />
wurde.<br />
Und so lernte ich Jack kennen. Im<br />
Internet. Natürlich.<br />
Jack ging mit seinen Freunden an<br />
der Westküste Amerikas segeln und<br />
Jack wollte fit bleiben und sogar noch<br />
ein bisschen fitter werden. Und er ist<br />
Vegetarier. Jack wusste auf all meine<br />
Fragen eine Antwort. Ich hatte keinen<br />
Ahnung, wie Jack aussah – was<br />
im Netz eher unüblich ist –, aber ich<br />
kriegte nach und nach beim Lesen<br />
seiner Fitness-Yachties-Tipps eine<br />
Idee davon.<br />
PRACTICE YOGA<br />
Wo genug Platz zum Sonnenliegen,<br />
da auch genug Platz zum Trainieren!<br />
Ich höre gerade sämtliche Chartercrews<br />
erschrocken die Luft anhalten<br />
bzw. den Bauch einziehen. Dort vorne<br />
am Bug, wo wir so gerne rösten,<br />
sollen wir trainieren?<br />
Jack schlug den „Sonnengruß“ vor.<br />
Eine Kombination mehrerer Yogaübungen.<br />
Und meinte, wenn es sehr<br />
rau wird beim Segeln, hält er sich<br />
beim Vorsegel fest, um die stehenden<br />
Yogapositionen entspannt durchführen<br />
zu können. Der Tänzer. Der<br />
Krieger oder das Triangel. Der Seegang,<br />
die Schräglage oder die Welle<br />
ins Gesicht. Willkommen beim<br />
Segel yoga. Vielleicht sollte ich da<br />
Kurse anbieten? Aber sicher gibt es<br />
das schon. Im Internet. Natürlich.<br />
Ich gebe zu, das mit dem Yoga hab’<br />
ich auch bei uns an Bord probiert.<br />
Auf dem Katamaran mit viel Decksfläche.<br />
Trotzdem hab ich mich bei<br />
Winschen, Lukdeckeln und Wasserkanistern<br />
angehauen, bin in Sonnendächern,<br />
Seitenwanten und Relingstangen<br />
hängengeblieben. Keine<br />
Ausrede für Jack. In der Ankerbucht<br />
geht’s an den Strand – mit Handtuch,<br />
Matte oder der Bereitwilligkeit, etwas<br />
sandig zu werden. Dazu Sonne, Meeresrauschen<br />
und einige glotzende Strandgäste<br />
– perfekter Friede für Körper und<br />
Geist.<br />
MEDITATE – MEDITIERE<br />
Egal, ob quengelnde, seekranke, sich<br />
lustig machende Mannschaft, „sei ganz<br />
in dir, fühl’ die Bewegung der Wellen<br />
und verbinde dich mit der großartigen<br />
Energie rund um dich“. Und schlaf ’ dabei<br />
nicht ein – das ist mein Tipp dazu.<br />
HIT THE TRAIL<br />
Übersetzt: „Geh’ joggen“. Ich hab’ das<br />
mehrmals beobachtet. Vorwiegend bei<br />
Chartergästen. Beim Fahrtensegeln<br />
praktizierte ich das einmal. Auf den San<br />
Blas-Inseln bei Panama. Wir waren drei<br />
Tage wegen Starkwinds auf dem Schiff<br />
eingeschlossen. Und das Inselchen, hinter<br />
dem wir uns versteckt hatten, war<br />
nach 20 Minuten zu Fuß gemütlich umrundet.<br />
Also ging ich laufen. Aber nur<br />
einmal – die Einheimischen schauten<br />
mich an, als wäre ich nicht ganz bei<br />
Trost.<br />
WALK ON THE BEACH<br />
Aber wehe, einer bleibt stehen um Muscheln<br />
zu sammeln oder glaubt, ein<br />
Besuch der Strandbar ist auch Training!<br />
No way!<br />
GO FOR A SWIM<br />
Das bietet sich doch an. Zehnmal ums<br />
Schiff. Blöd ist nur, wenn man gerade<br />
wie meine Freundin Laura in Australien<br />
segelt. Nun, dann kann man es sich aussuchen:<br />
Krokodile oder Speckröllchen.<br />
32 OCEAN WOMAN <strong>2018</strong>
Kanutin Alexandra<br />
auf Huhaine.<br />
SEA KAYAKING<br />
Die Gegend ohne Motorlärm erforschen<br />
und dabei gegen wabbelige<br />
Oberarme arbeiten. Kein Platz für<br />
Boote am Boot? Es gibt aufblasbare<br />
Kajakvarianten – da ist dann das<br />
Aufblasen selbst schon ein Sport.<br />
FIND SOME WAVES<br />
Ok. Jetzt wusste ich, wie Jack aussah<br />
– trainiert, braungebrannt und wahrscheinlich<br />
Mitte zwanzig. Surfer.<br />
Und was tun als Nicht-Surfer? No<br />
Problem. Probieren Sie einmal, auf<br />
einem Surfbrett bei Flachwasser zu<br />
stehen. Das zirka eine Stunde lang<br />
und man kann sich sämtliche Fitnesscenter,<br />
Push up, Klappmesser et<br />
cetera sparen. Und Farbe kriegt man<br />
auch. Klingt gut!<br />
EAT LOCAL<br />
Lieber Jack, ich weiß inzwischen, du<br />
segelst in der Baja California, bist<br />
Skipper Peter<br />
surfing Bonaire.<br />
Kiten auf den Los<br />
Roques, Venezuela.<br />
Surfer und gehst mexikanisch essen<br />
– vegetarische Tapas, Mangos, Papayas,<br />
Ananas. Einmal Mittagessen – so<br />
um die fünfzig Cent. Aber wir sind<br />
hier zum Beispiel in Kroatien und<br />
essen gehen kann ziemlich teuer<br />
werden. Ich empfehle wieder meine<br />
allseits bewährte Portion Spaghetti<br />
mit Knoblauch, Chili und Olivenöl –<br />
herrlich. Im Cockpit mit Kerzenlicht.<br />
Und da kann man dann auch darüber<br />
nachdenken, wie wichtig dieses<br />
Fitnesstraining nun wirklich ist. Ob es<br />
nicht wichtiger wäre, einfach einmal<br />
dazusitzen und nichts zu tun. Zu<br />
schauen und zu denken und vielleicht<br />
sogar miteinander zu reden. Denn das<br />
kann man auf dem Schiff wirklich gut.<br />
Vor allem wohl deshalb, weil man auf<br />
dem Schiff etwas schwieriger vor sich<br />
selbst und anderen davonjoggen kann.<br />
Was meinst du Jack?<br />
Jack? … Wo bist du? … Oh – alles<br />
klar … im Internet. Natürlich. <br />
OCEAN WOMAN <strong>2018</strong> 33
Seekrank<br />
AUSGABE 4/2014<br />
Von Pflastern, Kübeln und anderen Geheimmitteln.
Auf Kats wird man<br />
nicht seekrank –<br />
zumindest wir nicht!<br />
Wie jedes Jahr schleppte ich<br />
mich auch dieses Jahr auf<br />
der Boot Tulln von Halle<br />
zu Halle. Meine Männer waren wie<br />
jedes Jahr voller Freude und Glück!<br />
Ich fühlte mich ermattet, etwas<br />
schwindlig, leichte Kopfschmerzen<br />
pochten in meinen Schläfen, mein<br />
Mund war trocken. Da stoppte<br />
ich vor einem Stand, der all diese<br />
Symptome großartig auf einem<br />
Video ankündigte.<br />
Interessiert blieb ich am Bildschirm<br />
hängen und da erschien es:<br />
das Pflaster. Hinter ein braungebranntes<br />
Ohr geklebt, das unter einer<br />
Seglerkappe an einem Seglerkopf<br />
angewachsen war. Der Segler lachte.<br />
Die Seglerin staunte. Ich war also<br />
tatsächlich zum ersten Mal seekrank<br />
geworden. Auf der Tullner Bootsmesse.<br />
SEEKRANKHEIT, SEASICKNESS,<br />
MAL DE MER, NAUSEA, BEWE-<br />
GUNGSKRANKHEIT, KINETOSE<br />
Egal, wie man es dreht, wendet oder<br />
nennt: Seekrank zu sein ist übel.<br />
Zuerst hat man Angst zu sterben,<br />
schließlich wünscht man sich nichts<br />
sehnlicher.<br />
Ich spreche nicht aus Erfahrung,<br />
denn bislang hatte ich an den ersten<br />
Segeltagen höchstens etwas Kopfweh<br />
und weniger Appetit. Natürlich, unter<br />
Deck würde ich bei Seegang nicht<br />
gerade Marmeladen einkochen und<br />
Scrabble spielen. Unser Sohn Finn<br />
hätte selbst damit kein Problem. Er<br />
spielte schon als Kleinkind in seiner<br />
FOTO: SHUTTERSTOCK<br />
Koje kopfüber Lego oder las begeistert<br />
Asterix und Obelix, während der<br />
Rest der Crew dem Neuseeland-<br />
Sturmtief trotzte.<br />
Der Kapitän fütterte nur einmal<br />
die Fische, als ich zwischen Lanzarote<br />
und Teneriffa Backsoda statt Salz<br />
in den Kartoffelauflauf getan hatte.<br />
Interessant dabei: Den etwas seltsamen<br />
Geschmack hatten wir uns mit<br />
den ersten schaukeligen Seemeilen<br />
nach einigen ruhigen Marina-Wochen<br />
erklärt. Was ich stets vor längeren<br />
Passagen machte, war vorzukochen.<br />
Sagen wir mal so: Ein Topf<br />
Chilli für drei Tage. Reicht völlig,<br />
weil viel Appetit hat sowieso keiner.<br />
Außer unser Sohn. Aber Ausnahmen<br />
bestätigen die Regel.<br />
Was sich bei uns in der Speisekoje<br />
weiters türmt, sind Salzgebäck,<br />
Grissini und Cracker. Das Segelessen<br />
par ecellence! Erstens soll man ja –<br />
von vielen Seiten bestätigt – immer<br />
etwas im Magen haben und zweites<br />
schmeckt es gut. Dazu das obligatorische<br />
Cola und alle Anflüge von Seekrankheit<br />
sind auf unserem Katamaran<br />
eingedämmt.<br />
Ahhhh … Katamaran! Der immer<br />
sprühende Blauwassererzähler Bobby<br />
Schenk ließ es sich auch diesmal<br />
nicht nehmen, am<br />
-Messestand<br />
die Vorzüge des Katamarans<br />
zu beschreiben. Das mit dem Schiffsbewegungen<br />
stimmt, anderseits entsteht<br />
Seekrankheit nicht bloß durch<br />
Schwankungen, sondern ebenso<br />
durch Angst, zuviel Party am Vorabend<br />
oder zuviel Kaffee in der Früh.<br />
Das mit der Angst lässt sich vermindern,<br />
indem man genau weiß, was<br />
vor einem liegt – sofern das beim<br />
Segeln möglich ist.<br />
Wetter, Seemeilen, Revier. Der<br />
Rest liegt bei einem selbst. Nur eines<br />
sei geschrieben: Ein Kater an Bord ist<br />
nur in tierischer Form zu empfehlen.<br />
WAS PASSIERT EIGENTLICH,<br />
Der Kapitän<br />
fütterte nur<br />
einmal die Fische.<br />
WENN MAN SEEKRANK WIRD?<br />
Das Gleichgewichtsorgan macht<br />
verärgert Meldung an das Gehirn,<br />
welches bereits vom Auge wegen der<br />
verrückten Schaukelei ebenso angeschnauzt<br />
wurde. Histamin wird ausgeschüttet<br />
und so enden viele Seemänner<br />
und Seefrauen an der Reling.<br />
Wobei, auf einem amerikanischen<br />
Blog wird vor der Reling gewarnt –<br />
wegen Mann/Frau-über-Bord-<br />
Gefahr. Nicht wenige Betroffene<br />
wünschen sich nichts mehr als den<br />
Sprung ins erlösende Nass und so<br />
mancher Kapitän musste schon<br />
Crew-Mitglieder unter Deck ein -<br />
sperren oder fesseln. Da bleibt dann<br />
nur der Kübel und hoffentlich geht<br />
nichts daneben. Denn man muss<br />
wohl auch sagen, als Nicht-<br />
Betroffene/r ist man dann zu diversen<br />
Putzarbeiten verdammt.<br />
Was vielleicht noch zum Thema<br />
anzumerken ist, ist der Hang vieler,<br />
ihre Seekrankheit herunterzuspielen.<br />
Bloß nicht auffallen. Das ist nicht<br />
klug, denn nicht viel später wird man<br />
ganz gewaltig auffallen und kann<br />
sich eventuell sogar selbst auf You -<br />
Tube beim Erbrechen zusehen. Ein<br />
Markt scheint dafür da zu sein, die<br />
Videos kriegen bis zu 5.000 Klicks!<br />
Wer sich das ersparen will, gibt<br />
sich zu erkennen, bevor das die<br />
Gesichtsfarbe für einen erledigt.<br />
Am besten ist ran ans Steuer, fester<br />
Blick zu Horizont und vielleicht ein<br />
Ingwerzuckerl im Mund oder ein<br />
lösliches Aspirin im Thermohäferl.<br />
Und wenn gar nix mehr geht, schlafen<br />
gehen – aber bitte mit Kübel.<br />
Ich denke, mir würde das alles das<br />
Segeln ziemlich vergällen. Nicht so bei<br />
anderen Seglern. Ja, sogar Seenomadin<br />
Doris ist darunter. Sie leidet lieber ein<br />
paar Tage, als sich den Traum vom<br />
Segeln entgehen zu lassen.<br />
Ich kaufte mir das Seglerpflaster<br />
dann doch nicht. Schleppte mich zurück<br />
zum<br />
-Stand und<br />
tunkte ein bisschen köstliches Olivum<br />
Kobas-Olivenöl bei Sandra.<br />
Und siehe da: Genau das entpuppte<br />
sich als absolutes Anti-Seekrankheits-Geheimmittel!<br />
<br />
<br />
OCEAN WOMAN <strong>2018</strong> 35
FOTO: SHUTTERSTOCK<br />
Aua!<br />
Über das Leben auf dem Segelboot.<br />
Schön, wenn die untergehende<br />
Sonne den Großbaum küsst<br />
und nicht der eigene Kopf.<br />
XX<br />
XX<br />
AUSGABE 5/2017<br />
Hier sitze ich nun mit der<br />
kalten Wasserflasche in der<br />
Hand und drücke sie auf meine<br />
Stirn. Ja, ich bin auf dem Segelboot<br />
und nein, nicht irgendwo auf<br />
einem der großen Ozeane dieser<br />
Welt. Vielmehr sitze ich in der Werft,<br />
unter mir keine blauen Wogen,<br />
sondern Schotter und Beton. Antifouling-Dünste<br />
liegen in der Luft, der<br />
Bootskran macht die Musik dazu<br />
und irgendwo surren die Wespen,<br />
die es sich im Surfbrett cover seit<br />
Ostern gemütlich gemacht haben.<br />
Und dieses tiefe Brummen? Mein<br />
Schädel, der heute zum dritten Mal<br />
den Baum geküsst hat. Der Schmerz<br />
lässt langsam nach, die Beule legt<br />
rasch zu. Da ich gerade unfähig bin,<br />
meinen Skipper beim Auswintern<br />
des Bootes zu unterstützen, denke<br />
ich nach – sofern es mein geprelltes<br />
Gehirn erlaubt, über die unzähligen<br />
Schmerzen, die ich auf diesem Boot<br />
schon erdulden musste. Und nicht<br />
nur ich. Aber dazu später.<br />
Mein Blick fällt auf meinen kleinen<br />
Zeh – verkrümmt, seit ich damals in<br />
Griechenland als Frischling an Bord<br />
selig zum Bug rennen wollte, weil<br />
dort Delfine sprangen. Eine in der<br />
Ägäis-Sonne glänzende Klampe<br />
stoppte meinen Anlauf rapide und<br />
renkte die Zehe aus. Sie ähnelte kurz<br />
drauf und für die nächsten Wochen<br />
einer reifen Zwetschke. Danke<br />
Modewelt für die Erfindung der<br />
FlipFlops! Im selben Sommer versuchte<br />
ich, ein ausrauschendes Tau<br />
festzuhalten – ja eh: Anfängerfehler<br />
–, unvergesslich dafür das glasklare,<br />
griechische Glitzerwasser und da rin<br />
schön kontrastreich meine verbrannten,<br />
roten, wunden Finger.<br />
Im Jahr darauf war ich fast schon<br />
Skipperprofi und stand einem schreienden<br />
Chartergast zur Seite, der<br />
seinen Fuß in ein Bodenbrett eingeklemmt<br />
hatte und mit dem anderen<br />
auf demselben Brett stand. Die<br />
gesuchte Rumflasche in der Bilge<br />
diente gleich zur Des in fektion.<br />
Kurz vor unserer Weltumseglung<br />
kam es dann zu einigen Renovierungen<br />
an Bord. Neue Winschen da und<br />
dort, neue Verletzungen hie und da.<br />
Dann in der Karibik ein Abgang in<br />
den Niedergang – kopfüber. Eigentlich<br />
wollte ich nur das Fernglas vom<br />
Navigationstisch holen, aber mich<br />
nicht wirklich bewegen. Dass gerade<br />
in diesem heiklen Moment eine fette<br />
Atlantikwelle seitlich an die Bordwand<br />
klatschte und ich mich gerade<br />
noch durch Festhalten an den Stufen<br />
vorm Schlimmsten bewahren konnte,<br />
rechne ich meiner damaligen<br />
Weltumseglerinnen-Fitness hoch an.<br />
Zwar spürte ich das gezerrte Handgelenk<br />
noch einige Zeit, aber ich ließ<br />
es mir nicht anmerken und lachte<br />
fröhlich mit, wenn meine Geschichte<br />
zur Unterhaltung bei diversen<br />
Sundownern herhalten musste. In einer<br />
dieser fröhlichen Runden erzählte<br />
dann jemand von der Frau, deren<br />
Haare beim Wendemanöver in die<br />
Winsch eingeklemmt wurden und<br />
sie erst bei der nächsten Wende wieder<br />
befreit werden konnte. Auch<br />
wenn diese Story an den Haaren herbeigezogen<br />
klang: Ich blieb auf weiteres<br />
bei meinem Kurzhaar-Schnitt.<br />
Kurze Verletzungsstatistik auf<br />
Segelbooten: Aua am Schädel durch<br />
Großbaum-Attacken ist gleich hinter<br />
den fast schon üblichen Finger/<br />
Hand-Verletzungen gereiht. Gleich<br />
gefolgt von den Ausrutsch-, Stolper-,<br />
„ins-Leere-treten“-Vorfällen.<br />
ICH HASSE GROSSBÄUME<br />
Nein, ich werde jetzt nicht die Geschichte<br />
vom Segler zum Besten geben,<br />
dessen Daumen sich in einem<br />
Tau verhedderte und über Bord gespült<br />
wurde. Der Daumen, mein ich.<br />
Vielmehr fällt mir gerade ein, was<br />
einer Segelgästin bei uns auf dem<br />
Wharram-Kat auf der Toilette wiederfuhr.<br />
Dazu muss man erläutern:<br />
Bei uns steigt man von oben in die<br />
Toilette ein und sitzt dann gemütlich<br />
getrennt von allen wie in einem<br />
Häuschen mit Blick in den Himmel.<br />
Wie auch immer: Sie saß dort und<br />
unser Hund Bärli rutschte an Deck<br />
aus, als ich „Futter!“ aus der Kombüse<br />
rief und die Gier ihn übermannte.<br />
Was geschah? Der Hund fiel in die<br />
Toilette und landete auf der Segelgästin,<br />
die sich eigentlich schon<br />
längst ins Buch der Rekorde ein -<br />
tragen sollte für die erste und einzige<br />
Frau der Welt, der beim Sch... ein<br />
Hund auf den Kopf fiel.<br />
So, das reicht für heute. Ich geh’<br />
wieder auswintern. Aua! Ich hasse<br />
Großbäume!<br />
<br />
36 OCEAN WOMAN <strong>2018</strong>
FOTO: SHUTTERSTOCK<br />
What’s up Doc?<br />
XX XX<br />
AUSGABE 1/2012<br />
Das leerste Krankenhaus bisher<br />
hab ich auf Vanuatu gesehen.<br />
Auf Erromango, einer kleinen<br />
Insel in diesem zauberhaften Südseearchipel,<br />
gibt es eine Krankenstation.<br />
Von einem selbsternannten Guide<br />
bekamen wir eine Führung durch<br />
den ebenerdigen, langgestreckten<br />
Betonbau mit Blick auf die Lagune.<br />
Niemand war zu sehen. Ein Behandlungszimmer<br />
war mit medizinischen<br />
Utensilien aus den 1940er-Jahren<br />
ausgestattet.<br />
Dann ums Eck, in einem offenen<br />
Türausgang zum Garten, saß eine<br />
hochschwangere Frau mit ihrer<br />
Freundin und kaute an einer Zuckerrohrstange.<br />
Und was ist bei einem<br />
medizinischen Notfall? Dann kommt<br />
das Flugzeug von der Hauptinsel und<br />
bringt einen ins Hospital. Dauer:<br />
eine Stunde. Schön war auch die<br />
Krankensta tion auf Fatu Hiva auf<br />
den Marchesas. „Ferme! Bis auf weiteres<br />
geschlossen“.<br />
Sicherheitshalber absolvierte ich<br />
vor unserer Reise den Kurs „Medizin<br />
an Bord“ – das Schwierigste daran:<br />
das Vernähen der Schweinshäute.<br />
Nähen war nie meine Stärke (siehe<br />
auch Seite 78). Und ich hoffte, keiner<br />
würde anstelle der Schweinshäute<br />
treten müssen. Interessant auch die<br />
Beatmung einer unterkörperlosen,<br />
als Fahrtensegler verkleideten Puppe.<br />
Und natürlich der richtige Griff, um<br />
jemanden aus dem Wasser zu retten.<br />
Meine Frage: „Was macht man, wenn<br />
man mitten auf dem Pazifik eine<br />
Blinddarmentzündung hat?“, wurde<br />
nur vage beantwortet. Antibiotikum<br />
essen und auf einen Tanker mit Spitalstation<br />
innerhalb der nächsten<br />
zwei Tage hoffen. Oh mein Gott!<br />
Panisch stellte ich eine Bordapotheke<br />
zusammen, die ungefähr soviel<br />
kostete wie ein Privathelikoper ins<br />
nächste Spital. Aber egal. Ich war<br />
gerüstet. Wespe in der Kehle oder<br />
Schock durch Steinfisch? Meine<br />
Adrenalinspritzen lagen bereit. Daumen<br />
abgetrennt durch blödes Tau?<br />
Einige Anti-Schmerz-Drogen waren<br />
schon drauf auf meiner Liste, die verfeinert<br />
war mit lateinischen Medizinfachausdrücken,<br />
um Wirkstoffe für<br />
alle Sprachen verständlich zu machen.<br />
Ich kaufte mir auch ein Yachtie-Medizinbuch<br />
für alle Fälle.<br />
Geburt an Bord. Epileptische Anfälle.<br />
Trombosen. Verlust des Auges.<br />
Gesplittertes Schienbein. Das mit<br />
den Zähnen hatten wir aber voll im<br />
Griff. Denn wenn etwas mehr weh<br />
tun kann als alles andere, dann ein<br />
kaputter Zahn. Peter hatte nicht lange<br />
gefackelt und eine Tasche Zahnzangen<br />
zusammengestellt. Allein der<br />
Anblick der kalt-glänzenden Instrumente<br />
jagte einem den kalten Schauer<br />
durch die Zahnwurzeln.<br />
WIR WAREN NIE GESÜNDER<br />
Antibiotika hatten wir für alle mög -<br />
liche und unmögliche Fälle und<br />
brauchten keine. In Neuseeland waren<br />
die meisten auch abgelaufen und<br />
so kaufte ich neue, die ich dann im<br />
ersten Winter zu Hause in Wien bei<br />
einer schweren Grippe einsetzte. Die<br />
Salzlösungsinfusion liegt heute noch<br />
auf der Risho Maru mitsamt allen<br />
Nadeln. Kristallisiert und ungebraucht.<br />
Glücklicherweise! Und die<br />
vielen Einwegspritzen für was auch<br />
immer verwenden wir gerne beim<br />
Epoxy-abmischen. Sehr nützlich.<br />
Einen Engpass hatten wir aber<br />
dann doch. Die Aspirin C-Brause.<br />
Diese gibt es nämlich nur bis zu den<br />
Kanarischen Inseln und dann nicht<br />
mehr. Und irgendwie wirkte sie perfekt<br />
bei kleinen Schwächeanfällen<br />
nach extensiven Nachtwachen oder<br />
Sundownern. Die Verwandtschaft in<br />
der Heimat gewöhnte sich daran, uns<br />
Aspirin C-Brause, Manner-Schnitten<br />
und Elmex-Zahncreme an diverse<br />
Plätze dieser Erde zu schicken (Tipp:<br />
Diese drei Produkte sind absolut<br />
unverzichtbare Bestandteile jeder<br />
Bordapotheke – und beiweitem die<br />
preisgünstigsten!).<br />
Und waren wir krank? Ich denke,<br />
wir waren nie gesünder als in den<br />
viereinhalb Jahren. Ein Fieber bei<br />
Sohn Finn, ein Ohrenpolyp beim<br />
Skipper (gibt es laut Yachtie-Medizinbuch<br />
nicht einmal), eine Fischvergiftung<br />
bei der Skipperin.<br />
Und die anderen Segler um uns?<br />
Detto. Und irgendwie sind diese informierten,<br />
auf sich gestellten Fahrtensegler<br />
auch ziemlich gefürchtet.<br />
Holländische Freunde stellten nach<br />
Lektüre des Klassikers „Where there<br />
is no Doctor“ von David Werner einen<br />
möglichen <strong>Band</strong>wurm bei ihrem<br />
Sohn fest. Der australische Arzt war<br />
richtig beleidigt, als sie seine Dia -<br />
gnose Bronchialhusten widerlegten<br />
und recht behielten. What’s up doc?<br />
Aspirin C-Brause gefällig? <br />
Was macht man, wenn<br />
man mitten auf dem<br />
Pazifik eine Blinddarmentzündung<br />
hat? Antibiotikum<br />
schlucken und<br />
auf einen Tanker mit<br />
Spitalstation innerhalb<br />
der nächsten zwei Tage<br />
hoffen …?<br />
OCEAN WOMAN <strong>2018</strong> 37
Am schnellsten.<br />
Am langsamsten.<br />
Am glücklichsten.<br />
XX<br />
XX<br />
AUSGABE 2/2012<br />
In Zeiten wie diesen unglaublich beliebt: die Superlativen! Auch beim Segeln!<br />
In fünfundvierzig Tagen segelte ein<br />
Franzose mit dreizehn Mannen<br />
auf dem Trimaran BAnQuE PoPu-<br />
LAIrE um die Welt. Der Preis dafür:<br />
die Jules Verne Trophy – die Trophäe<br />
für den schnellsten Weltumsegler!<br />
Was hätte Jules Verne wohl dazu gesagt.<br />
Für seine Zeitgenossen waren<br />
achtzig Tage um die Welt schon der<br />
glatte Wahnsinn.<br />
„Der glatte Wahnsinn“, stammelte<br />
auch mein Skipper-Ehemann in<br />
den letzten Wochen jedes Mal,<br />
wenn er die Franzosen anklickte.<br />
„Achtundvierzig Knoten Spitzen -<br />
tempo!“<br />
„Cool“, meinte der Skipper-Sohn<br />
beim Anblick der über das Wasser<br />
fliegenden Dreirumpf-Rennziege.<br />
„Urgs“ dachte die Skipper-Seefrau,<br />
die gerade in der Küche stand und<br />
wieder einmal das schnellste, beste,<br />
einfallsreichste Abendessen des Jahres<br />
zusammenwarf.<br />
KEINE TOILETTE. AM WIND.<br />
Nein danke. Obwohl. Von Gibraltar<br />
auf ein Abendessen nach Teneriffa.<br />
In zwei Tagen in der Karibik.<br />
In Panama traf ich Alexandra, die<br />
mit einem Renn-Katamaran und ihrem<br />
KTM-Mechaniker-Ehemann<br />
unterwegs war. Zum Speed-Segeln<br />
meinte sie damals: „Schnell ist super,<br />
aber man fühlt sich wie in einer<br />
Waschmaschine und da können zwei<br />
Stunden auch lang sein.“ Heute segelt<br />
38 OCEAN WOMAN <strong>2018</strong>
auch anmerken, der nervigsten Song<br />
des Jahrhunderts. Superlativen, wo<br />
man hinschaut!<br />
sie mit zwei Kindern und Hund in<br />
Alaska. Und auf einem langsamen,<br />
schweren Stahlschiff. Aber die Abenteurer<br />
sind mit größter Wahrscheinlichkeit<br />
die nördlichste Familiencrew<br />
Österreichs!<br />
Ich schob das Essen in den Ofen,<br />
setze mich vor den Computer und<br />
ging auf Segler-Superlativen-Suche.<br />
AM LANGSAMSTEN<br />
Die langsamste Weltumsegelung. Da<br />
schau her! Zweitausendfünfhundert<br />
Tage – bisher. Neville und Catherine<br />
starteten vor sechs Jahren ihre Weltumsegelung<br />
von New York aus und<br />
segeln gerade in der Südsee. Als in<br />
New York die Anker hochgingen,<br />
dauerte der erste Schlag ihrer epischen<br />
Reise genau zwei Stunden. Erstes<br />
Ziel: die Nachbarbucht. „Oyster<br />
Bay ist einfach einer unserer Lieblingsankerplätze<br />
– wir blieben eineinhalb<br />
Wochen“.<br />
Finn fischt nach Slow-Food<br />
auf Tuao in der Südsee.<br />
AM KLEINSTEN<br />
Das kleinste Weltumseglerboot unserer<br />
Reise ankerte auf Sri Lanka neben<br />
uns. Aron Meder mit seiner Sloop Carina.<br />
Diese Sechs-Meter-Nussschale<br />
hob und senkte sich im Schwell vor<br />
der Hafeneinfahrt von Galle, als wir<br />
gemeinsam auf den Zoll warteten. Auf<br />
unserem Schiff kaum zu spüren, warf<br />
der sanfte Schwell den Ungarn und<br />
sein Boot hin und her. Was das draußen<br />
auf See bedeutete, wollte ich mir<br />
nicht ausmalen.<br />
Auf das geringe Freibord seines<br />
Schiffes angesprochen, antwortete<br />
Aaron philosophisch: „Ich kann die<br />
See streicheln, während ich steuere.<br />
Das ist mehr als körperliche Nähe.“<br />
Heute ist Aron einer der größten Segelhelden<br />
seines Landes.<br />
AM GLÜCKLICHSTEN<br />
Um nicht melancholisch zu werden,<br />
suchte ich nach der glücklichsten<br />
Weltumrundung. Und fand sie! Im<br />
Disneyland in LA fährt man per<br />
Boot in circa zehn Minuten zum<br />
Song „It’s a small world (after all)“<br />
(YouTube) einmal um die Welt. Puppen<br />
tanzen und zelebrieren die Einheit<br />
der Welt in sämtlichen Sprachen.<br />
Angeblich der populärste Disney-<br />
Song weit und breit. Man könnte<br />
AM BILLIGSTEN<br />
Fröhlich vor mich herpfeifend fand<br />
ich zufällig Tipps für die billigste<br />
Weltumsegelung. Ganz einfach,<br />
meint die Schöpferin dieses Postings:<br />
Man segelt auf dem Schiff eines anderen<br />
mit.<br />
Warum die eigene Ersparnisse aufbrauchen?<br />
Rund um die Welt werden<br />
große Segelyachten schneller gebaut<br />
als gelangweilte Angestellte ihre<br />
sicheren Jobs verlassen können,<br />
um qualifizierte Crew zu werden.<br />
Es gibt mehr Schiffe als vorhandene<br />
Crews! Selbst mit wenig Ahnung<br />
vom Segeln kann man rasch einen<br />
Platz auf einem Segelboot kriegen,<br />
wenn man nicht gerade wie ein Kettensägenmörder<br />
aussieht.<br />
Reid Stowe, der Mann, der es 1.157<br />
Tage auf einem Segelboot auf offener<br />
See aushielt – freiwillig – sah nach<br />
drei Jahren ohne Land ein bisschen<br />
aus wie ein Kettensägenmörder. Lag<br />
wohl auch daran, dass man da draußen<br />
vielleicht doch ein bisschen verrückt<br />
werden kann, wie schon Bernhard<br />
Moitessier anmerkte. Reid<br />
Stowes Frau Soyana verließ das Boot<br />
nach einem Jahr. Nicht, weil sie es<br />
hasste, nie an Land gehen zu können,<br />
sondern weil sie schwanger wurde.<br />
„Du darf nicht den Traum deines<br />
Partners zerstören.“<br />
Urgs. Mein Essen brannte beinahe<br />
an. Als ich meine beiden Skipper am<br />
gegenüberliegenden Schreibtisch am<br />
Bildschirm kleben sah, die flotten<br />
Franzosen bewundernd, fragte ich<br />
mich, ob auch in den beiden vielleicht<br />
ein bisschen etwas von Reid<br />
Stowe oder Jules Vernes steckte.<br />
Wahrscheinlich. Aber solange ich die<br />
schnellste, knusprigste Lasagne des<br />
Jahrtausends zaubern kann, brauche<br />
ich mir darüber wohl keine Gedanken<br />
zu machen!<br />
<br />
è www.zeroXtE.com<br />
è www.meder.hu/meder_en.htm<br />
è www.escapeartist.com<br />
è www.1000days.net<br />
OCEAN WOMAN <strong>2018</strong> 39
Oje Boje<br />
Sommersegeln! Nach einem entspannten Törn über<br />
den kroatischen Kvarner landeten wir in Premuda<br />
an der Boje. Es ist schön dort, das Wasser türkis,<br />
das Dörfchen fein, die Zikaden fröhlich …<br />
XX<br />
Wir waren guter Dinge,<br />
kramten die verstaubten<br />
Tauchsachen aus der Bilge<br />
und wollten gerade ins Wasser springen,<br />
als ein Motorboot mit Vollgas<br />
neben unserem Schiff abbremste.<br />
„Wie lang?“, waren die Begrüßungsworte,<br />
die uns entgegenschossen wie<br />
tödliche Blitze. Der Mann, der uns<br />
durch spiegelnde Brillen anstarrte,<br />
wäre absolut als Nachfolger von Marlon<br />
Brando in „Apocalypse Now“<br />
durchgegangen, nur noch dicker und<br />
humorloser. Als er sich behäbig über<br />
die Reling beugte, unsere zwölf Meter<br />
notierte und die Rechnung ausstellte,<br />
tropfte sein Schweiß auf die ausgestellte<br />
Rechnung. Der Betrag hätte<br />
für ein schönes Hotel inklusive Spa,<br />
Swimmingpool und Abendessen<br />
gereicht. Ich musste instinktiv kurz<br />
an Jack denken. Wir hatten Jack, den<br />
neuseeländischen Fahrtensegler, in<br />
der Veruda Bucht Soline getroffen.<br />
Er meinte, nirgends auf der Welt sei<br />
Segeln so teuer wie in Kroatien. Und<br />
er überlegte, ein Bojenfeld in der zauberhaften<br />
Bay of Islands zu eröffnen<br />
oder – noch besser – gleich für den<br />
eigenen Anker zu kassieren.<br />
Auf die Frage, warum wir doppelt<br />
so viel zahlen sollten wie sonst wo,<br />
verzog Colonel Kurtz 2 den Mund zu<br />
einem verächtlichen Grinsen: „Catamarano<br />
‒ more big ‒ more money.“<br />
Da explodierte mein Skipper. Die 20<br />
Tonnen-Motoryacht hinter uns, mit<br />
dem seit unserer Ankunft stinkenden<br />
und lärmenden Generator, zahlte<br />
„Catamarano ‒ more big ‒<br />
more money.“ Da<br />
explodierte mein Skipper.<br />
XX<br />
AUSGABE 6/2012<br />
gleich viel wie wir mit sechs Tonnen?<br />
Hat vielleicht bei einer Boje das Gewicht<br />
etwas mit der Bojenabnützung<br />
zu tun? Oder werden Leinen durchgescheuert,<br />
weil ein Schiff breiter ist<br />
als ein anderes? Wortlos besserte der<br />
Colonel den Betrag aus, nahm das<br />
Geld und fuhr zur nächsten Yacht.<br />
Den ausladenden Gesten des italienischen<br />
Besitzers nach zu schließen,<br />
verrechnete er dort das Dreifache.<br />
NÄCHSTE STATION CRES<br />
Die Bucht war traumhaft. Circa 15 Bojen,<br />
alle ganz neu. Auch das Schild am<br />
Strand, das bestätigte, dass dieses Gebiet<br />
Nationalpark war, glänzte neu in<br />
der Sonne und ließ den Verdacht aufkommen,<br />
dass die Ernennung zum<br />
Nationalpark eventuell etwas mit den<br />
Bojen zu tun haben könnte. Egal.<br />
Wir saßen zum Sundowner an Deck,<br />
als eine österreichische Motoryacht mit<br />
Vollgas ins Ankerfeld einfuhr. Alle<br />
Schiffe schwankten, Schwimmer und<br />
Schwimmerinnen erlangten ihre persönliche<br />
Bestzeit beim Davonschwimmen.<br />
Der Skipper stand ‒ nackt ‒ am<br />
Steuer, seine weibliche Begleitung mit<br />
Schiffshaken auf dem Vordeck. Er<br />
bremste circa einen Meter vor der Boje<br />
ab, die Frau schaffte das Unmögliche<br />
und fing die Boje mit dem Haken. Sie<br />
hielt so gut es ging fest, versuchte, sich<br />
gegen die 25 Tonnen Schiffsgewicht zu<br />
stemmen, verzerrte das Gesicht, kegelte<br />
sich fast die Schulter aus und – platsch!<br />
– lag der Schiffshaken im Wasser. Die<br />
Frau wendete sich geknickt zum Mann,<br />
der entnervt schrie: „Geh bitte, wieso<br />
lasst du los?“ Warum müssen immer<br />
die Frauen die Bojen fangen? Zu 99<br />
Prozent beobachteten wir diese Rollenaufteilung!<br />
Die Motoryacht machte einen zweiten<br />
Versuch, die Frau hing über die<br />
Reling und tastete nach der Boje, dabei<br />
hatte aber die gesamte Crew nicht bemerkt,<br />
dass eine weitere Boje knapp<br />
hinter dem Schiff Aufmerksamkeit verlangte.<br />
Trotz heftiger Zurufe unsererseits<br />
flutschte die Boje in die Schraube.<br />
Es krachte. Dann herrschte gespenstische<br />
Stille. Das Schiff war an der Boje,<br />
wenn auch nicht ganz wie gewollt.<br />
Stumme Verzweiflung machte sich<br />
an Bord der Yacht breit. Mein Skipper<br />
mit Sohn hüpfte ins Dingi, sammelte<br />
den Schiffshaken ein, den die Bora<br />
schon fest im Griff hatte. Der italienische<br />
Segler vor uns packte seine<br />
Tauchflasche (!) und folgte meinen<br />
Männern. Doch bevor beide die Yacht<br />
erreichten, hatte dort der inzwischen<br />
bekleidete Kapitän panisch einen Anker<br />
ausgeworfen. Der Tauchskipper<br />
schnitt die Boje aus der Schraube,<br />
mein Mann befestigte das Schiff an<br />
einer freien Boje und eine Boranacht<br />
senkte sich über das Drama.<br />
Die nächsten Tage sollten ruhig verlaufen.<br />
In Rab gab es nur einen verschlafenen<br />
Ankerplatz, den noch niemand<br />
als Geldquelle entdeckt hatte,<br />
und in Osor standen interessante Kanalmanöver<br />
im Vordergrund. Vor allem<br />
ein Motorbootfahrer, der die Kanalzeit<br />
verpasst hatte und glaubte,<br />
unter der Brücke durchzukommen,<br />
sorgte für einigen Trubel. Es tut immer<br />
weh, wenn Schiffe ruiniert werden.<br />
Es blieb noch Ilovik, der nette Ort<br />
mit Ankerfeld vor dem Franziskanerkloster<br />
auf der Insel Petar. Wohl von<br />
der franziskanischen Nächstenliebe erfüllt<br />
freuten sich die Bojenmänner, begrüßten<br />
uns freundlich und nahmen<br />
wenig Geld und den Mistsack mit.<br />
Nach einer Eiscreme in der zweiten<br />
Reihe mit Spaziergang im Olivenhain<br />
kamen wir gerade rechtzeitig auf unser<br />
Schiff, um einen Segler zu beobachten,<br />
der mitten im Bojenfeld ankerte. Auch<br />
schön. Als er zuerst rechts touchierte,<br />
dann links, dann hinten und schließlich<br />
vorne wurde ihm klar, dass er da<br />
wohl etwas im Segelkurs überhört hatte.<br />
Auch dass man Bojen nicht mit dem<br />
Wind fängt, scheint sich noch nicht herumgesprochen<br />
zu haben. Und immer<br />
die viel zu hohe Geschwindigkeit bei<br />
den Manövern. Ich glaube, mit ihren<br />
Autos würden die Freizeitkapitäne niemals<br />
so rasant einparken. Der Schwell<br />
der vorbeirasenden Motoryachten<br />
wiegte uns in den Schlaf, die Bora pfiff.<br />
Auch egal ‒ das beste an einem Bojenfeld<br />
ist, dass kein Schiff slippen kann<br />
und dabei unseres rammen! <br />
40 OCEAN WOMAN <strong>2018</strong>
Ankergebühr - ein Einakter<br />
XX XX<br />
AUSGABE 6/2017<br />
Da war sie, die Löwin in mir. „No way!“, meine Stimme schallte in bester Burgtheater-Manier<br />
über die Uvala Soline-Bucht. Dass der Skipperin der Kragen platzte, war eine Premiere.<br />
Mein Publikum – zwei kaum<br />
volljährige kroatische Marineros<br />
in einem alten Holzboot –<br />
starrte mich erstaunt an. Ebenso mein<br />
Mann und Sohn an Deck – auf den<br />
oberen Rängen sozusagen. Dass der<br />
Skipperin der Kragen platzte, war eine<br />
Premiere.<br />
Die alten Griechen banden ihre<br />
Schiffe einfach an Unterwasserfelsen<br />
fest. Oder füllten Säcke mit Steinen, die<br />
sie nach Bedarf versenkten. Erst mit<br />
der Entdeckung des Eisens ent wickel -<br />
ten sich Anker so wie wir sie heute<br />
kennen. Der Stockanker wirkte, weil er<br />
mindestens dreimal so schwer war wie<br />
ein Muringblock in einem kroa tischen<br />
Bojenfeld. Danach folgten die uns bekannten<br />
Ankermodelle, die je nach<br />
Skipper/ Schiff/Ankergrund/Geschmack/Erfahrung/Preis<br />
mehr oder<br />
weniger beliebt sind.<br />
Unser Bügelanker hielt rund um die<br />
Welt und wir taten viel für ihn. Wir<br />
pflegten und hegten Schaft und Flunke,<br />
kontrollierten die Imbusse des Ankerkettenwirbels<br />
regelmäßig. Die Kette<br />
wurde bei jedem Werftaufenthalt komplett<br />
ausgelegt und Glied für Glied<br />
kontrolliert, gesäubert, gesprayed. Der<br />
Skipper winschte die 26 Kilo regelmäßig<br />
an Deck. Fitnesscenter an Bord<br />
ohne Jahresgebühr. Kurz, wir verwöhn(t)en<br />
unseren Anker, wenn möglich<br />
auch mit einer Süßwasserdusche.<br />
Nur eines machten wir auf der ganzen<br />
Reise nie: für ihn zahlen. Das wird<br />
auch meines Wissens nach nirgends<br />
auf dieser Welt eingefordert – außer in<br />
Kroatien. Bestätigung holte ich mir aus<br />
dem Netz.Frage: Zahlen für den eigenen<br />
Anker? Mehrere Seiten zu Brot<br />
und Gebäck öffneten sich. Ich wechselte<br />
in den englischen Sprachraum.<br />
Für den eigenen Anker bezahlen zu<br />
müssen kommt in absoluten Ausnahmefällen<br />
vor und wird besonders in<br />
(Kosten-)Frei Ankern<br />
außerhalb Kroatiens:<br />
San Blas/Panama.<br />
England einfach boykottiert. User Mermaid<br />
schreibt im cruising forum: „There<br />
is something wrong with fees when<br />
no service is provided.“ Ein andere Seahorse<br />
fragt: Wieviel kostet das und<br />
was ist inkludiert? Internet, Pumpout,<br />
Dingy dock, Duschen, Wasser?“ „16<br />
Euro und das Müll sackerl wird mitgenommen“.<br />
Zumindest in Kroatien.<br />
WAR COOK IN KROATIEN?<br />
Ganz sicher musste Odysseus nicht für<br />
seinen Anker zahlen oder der alte<br />
Cook, wenn er in irgendwelchen Buchten<br />
zwischen seinen Ozean abenteuern<br />
haltmachte. War Cook eigentlich in<br />
Kroatien? Natürlich hätte er das Jahrespermit<br />
bezahlt – ist absolut ok.,<br />
mussten auch wir in Vanuatu oder<br />
Guadeloupe. Die Leuchtturmsteuer<br />
wäre ihm auch einleuchtend erschienen<br />
und die Bojenfelder wären ganz<br />
nach seinem Geschmack gewesen,<br />
denn Stockanker bedeuteten wie erwähnt<br />
ganz schön viel Arbeit. Besonders<br />
hätte er die Bojen vor den Konobas<br />
gemocht. Ein gegrillter Fisch übersteigt<br />
zwar jede Bojengebühr um ein<br />
Vielfaches, dafür ist es entspannter,<br />
wenn während des Abendessens die<br />
Bora auffrischt. Doch hätte Cook für<br />
seinen Anker bezahlt?<br />
Neuseeländer, die wir vor einigen<br />
Jahren in besagter Veruda Bucht trafen,<br />
überlegten, eine neue Geschäftsidee in<br />
der Bay of Island umzusetzen. „I have<br />
never heard of such an absurd fee!“ So<br />
wie auch in manchen Bojenbuchten<br />
Katamaran-Gebühren eingehoben werden.<br />
Als ob sich die Breite eines Schiffes<br />
in irgendeiner Weise auf die Muring<br />
auswirkt! Cook hätte sich gefreut, seine<br />
Endeavour so easy festzumachen, wäre<br />
aber Seemann genug gewesen um zu<br />
wissen, dass keine Muring die 350 Tonnen<br />
seines Lieblings stemmen würde.<br />
Im Gegensatz zum 30-Meter-Motor -<br />
yacht-Besitzer, der im Bojenfeld in<br />
Molat lustig festmachte. Ohne Widerspruch<br />
der Bojenmänner – sie nahmen<br />
den Müll mit. In Wahrheit sind die<br />
Griechen die Erfinder der Bojenfelder,<br />
mit ihren Felsen, die schon Odysseus<br />
so praktisch fand. Nur dass sie bis heute<br />
kein Geschäft daraus machen.<br />
Die Typen vor mir im Holzkahn<br />
strecken mir einen Ausweis entgegen.<br />
Irgendeine Port Autority, die besagt,<br />
dass in der Uvala Soline für den Anker<br />
bezahlt wird. 16 Euro. Nie wieder. Es<br />
gibt ja noch andere „freie“ Buchten in<br />
Kroatien. Noch. Haben wir eigentlich<br />
das aktuelle Griechenland-Hafen-<br />
Handbuch?<br />
<br />
OCEAN WOMAN <strong>2018</strong> 41
FOTO: SHUTTERSTOCK<br />
I’m sailing<br />
in the rain<br />
AUSGABE 1/2015<br />
.<br />
Dass ich in diesem Sommer in Kroatien meinen Opposum-<br />
Fleecepullover aus den Tiefen unseres Segelbootes kramen würde,<br />
war nicht vorauszusehen. Gut, dass ich ihn trotz bester Vorsätze<br />
in meiner Putz-Kolumne vom letzten Mal nicht ausgemistet habe!<br />
42 OCEAN WOMAN <strong>2018</strong>
Auch hatte ich schon lange<br />
nicht mehr unter meinem<br />
blitzblauen Südwester hervorgeblinzelt.<br />
Kleine Schiffskunde so nebenbei:<br />
Südwester sind wasserdichte<br />
Hüte mit einer breiten Krempe, die<br />
hinten weit überhängt, damit Regenwasser<br />
nicht in die Kleidung laufen<br />
kann. Die Benennung nach der Himmelsrichtung,<br />
aus der der meiste Regen<br />
kommt, kommt vielleicht ebenso<br />
wie der Hut selbst aus dem Norwegischen.<br />
Ich hatte das gute Stück zuletzt<br />
in Neuseeland aufgesetzt – lange<br />
her, wie sich auch am Geruch und<br />
Zerknitterungsgrad ablesen ließ.<br />
Und weil wir gerade dabei sind:<br />
Ölzeug (engl. Oilskin) bezeichnet<br />
wetterfeste Oberbekleidung in der<br />
Seefahrt, die den Träger vor Nässe<br />
und Wind schützen soll. Ja, soll! Wie<br />
undicht mein uraltes Ölzeug war,<br />
war mir auf den letzten Kroatientörns<br />
nie aufgefallen. Wahrscheinlich,<br />
weil ich es nicht brauchte.<br />
Ahh! Kroatien: Das Segelparadies<br />
im Mittelmeer, voller Naturschönheiten<br />
und spannenden Urlaubs-Möglichkeiten.<br />
Nicht einmal zuviel versprochen,<br />
denn schön ist es dort<br />
allemal und spannend konnte man<br />
es an Land, Wasser, Campingplatz in<br />
diesen Sommer wirklich haben. Und<br />
ich meine jetzt nicht den Motorschaden,<br />
den wir in der zwölfstündigen<br />
Totalflaute mitten in der Kvarner<br />
Bucht hatten!<br />
Unsere Regenplane versagte uns<br />
den Dienst, just als es wie aus Kübeln<br />
schüttete. Erinnerungen an den Monsoonregen<br />
damals in Indonesien stiegen<br />
hoch wie das Wasser in unserem<br />
Mittelcockpit. In Indonesien waren<br />
wir selig am Vordeck gestanden und<br />
hatten uns die Haare gewaschen und<br />
sämtliche Flaschen und Wannen mit<br />
dem kostbaren Süßwasser gefüllt. All<br />
das war so unendlich erfrischend<br />
nach den heißen, windlosen Tagen<br />
auf See. Nun standen wir pitschnass<br />
unter Deck, fröstelten und trockneten<br />
uns die Haupthaare mit den seit<br />
Tagen feuchten Handtüchern.<br />
Durch die Luken sahen wir verschwommen,<br />
was Mali Lošinj im<br />
November sein könnte: leere Strände,<br />
leere Bojenfelder, ins Leere blickende<br />
Chartersegler. Die Chartercrew neben<br />
uns beschloss in einer Regenpause<br />
mutig einen Ausflug an Land<br />
zu wagen. Sie trugen Badehosen<br />
kombiniert mit um die Schultern geknoteten<br />
Badetüchern, auf dem Kopf<br />
hatte jeder einen kleinen Müllsack.<br />
Die Erfindung von Müllsäcken<br />
wird auf die Kanadier Harry Wasylyk,<br />
Larry Hansen und Frank Plomp<br />
zurückgeführt, die den Müllsack in<br />
den 1950er Jahren erfunden haben<br />
sollen. Ob die Herren Segler waren?<br />
Später, als wir übersetzten, um wenigstens<br />
gut essen zu gehen, trafen<br />
wir die Truppe bei der zweiten Nachspeise.<br />
„Frustessen“ sagt der Salzburger<br />
Skipper. Seine Frau murrte: „Am<br />
Attersee hat’s 25 Grad!“<br />
Wobei, das dürfte auch nicht angehalten<br />
haben, Freunde flüchteten aus<br />
dem sieben Grad kalten Salzkammergut<br />
nach Grado, um sich dort<br />
aufzuwärmen. 15 Grad plus und leider<br />
hatten sie die warmen Sweater<br />
nicht dabei.<br />
Dieser Regen! Wir landeten in der<br />
Veruda Soline Bucht und mein Bruder<br />
filmte uns beim Ankommen von<br />
Land aus. Es sieht aus, als würden<br />
wir gerade Neufundland im Sturm<br />
ansteuern …<br />
UND DANN KAM DIE BORA<br />
Würde sich gut bei einem Diavortrag<br />
machen und da fallen mir gleich<br />
die Naturschönheiten Kroatiens ein.<br />
In den wenigen Sonnenstunden<br />
strahlte die kroatische Inselwelt in<br />
einem saftigen Grün, wie ich es seit<br />
der letzen Schwammerlsuche in der<br />
Steiermark nicht mehr gesehen hatte.<br />
Die Tomaten in den kleinen Gärten<br />
der Blumeninsel Illovik zeigten sich<br />
in Höchstform und auf Olib spazierten<br />
wir über grüne Wiesen. Nach<br />
dem allabendlichen Gewitter froren<br />
wir kurz im Cockpit und verzichteten<br />
dann doch aufs Kartenspielen.<br />
Der Wind war einfach zu kalt und<br />
ich hatte vergessen, Tee einzulagern.<br />
Und dann der erste traumhaft<br />
schöne Tag! Sonne schon am Morgen,<br />
wir segelten ums Eck und – kein<br />
Wind! Aber was soll’s! Wir sahen den<br />
blauen Himmel weit gespannt ohne<br />
kleinste Anzeichen irgendwelcher<br />
Schlechtwetterfronten. Das Schicksal<br />
wendete sich also doch, dachte ich<br />
freudig und wollte mich gerade ausnahmsweise<br />
mal in die Sonne legen!<br />
Ein Knall und unser Dieseloutborder<br />
beschloss, nach 25 Jahren erstmals zu<br />
streiken.<br />
So hingen wir in der Flaute und<br />
ich versuchte nicht zu verzagen: Hey!<br />
Wenn uns das damals in Indonesien<br />
passiert wäre, weit und breit so ziemlich<br />
gar nix! War doch viel besser<br />
hier! Eine Motoryacht nach der anderen<br />
zog an uns vorbei, Segelboote<br />
Erinnerungen an den<br />
Monsoonregen damals<br />
in Indonesien stiegen<br />
hoch wie das Wasser in<br />
unserem Mittelcockpit.<br />
schaukelten wie wild im Schwell derselben.<br />
Wir standen. Bis es dunkel<br />
wurde.<br />
Und dann kam die Bora. Und<br />
mein Südwester und das undichte<br />
Ölzeug. Und wir segelten wie damals<br />
nach Neuseeland sehr flott bei<br />
schlechtem Wetter drauf los, Richtung<br />
Italien, bis in die Marina. Im<br />
Zickzack durch die Lagune, den<br />
Fluss Stella hinauf.<br />
Irgendwie war es schön und das<br />
Beste war: Ich hatte in einer vagen<br />
Vorausahnung ein großes Glas Nutella<br />
eingepackt. Für die Nachtfahrt.<br />
Mit meinen Sommersöckchen in den<br />
Schlechtwetter-Gummistiefeln. Links<br />
Wetterleuchten, rechts die leuchtende<br />
kroatische Küste, vor uns leuchtende<br />
Fischerboote.<br />
Und auf einmal war es wieder da.<br />
Das Abenteuer. Und wenn ich nicht<br />
hätte steuern müssen, hätte ich doch<br />
glatt vor Aufregung einen kleinen<br />
Stepptanz an Deck hingelegt.<br />
I am sailing in the rain ... <br />
OCEAN WOMAN <strong>2018</strong> 43
FOTO: SHUTTERSTOCK<br />
Sturm im<br />
Segelboot<br />
AUSGABE 5/2012<br />
.<br />
Segelsaison! Endlich!<br />
Oder doch mit Vorsicht zu genießen?<br />
Erst kürzlich las ich im Segelreport,<br />
das Wetter würde sich<br />
mehr und mehr verändern und<br />
wir müssten mit massiven Stürmen<br />
ozeanweit rechnen. Und das genau<br />
zwei Wochen vor dem Segelurlaub.<br />
Bin ja nur froh, dass wir unsere Weltumsegelung<br />
schon geschafft haben!<br />
Obwohl – auch damals prophezeite<br />
man uns nichts Gutes. Natürlich<br />
starteten wir in einem El Niño-Jahr<br />
(wie irgendwie fast jeder). Das bedeutet<br />
laut erfahrener Seebären viel,<br />
sehr viel Wind aus ganz falschen<br />
Richtungen. Gleich unter den Sturmprognosen<br />
der Seglerplattform gab es<br />
einen YouTube-Link über den letzten<br />
Orkan im Ionischen Meer.<br />
In einer Segelclubzeitung sah ich<br />
passend zum Thema eine auf einem<br />
Felsen geparkte Yacht.<br />
„Wie wäre es heuer einmal mit Urlaub<br />
in den Bergen?“, fragte ich meinen<br />
Skipper. Er reagierte nicht und<br />
zog sich im Internet Sturmsegelberichte<br />
rein. Mein Skipper ist eher im<br />
praktischen Bereich zu Hause. Stürme<br />
findet er lästig und sie bedeuten<br />
für ihn immer mögliche, noch lästigere<br />
Reparaturen.<br />
Ich wandte mich meinem Computer<br />
zu und klickte auf den stür-mischen<br />
Link. Nach dem „Orkan im Ionischen<br />
Meer“-youtube- Filmchen<br />
fand ich den „Segelboot im Tsunami<br />
Desaster“-Mitschnitt und schließlich<br />
das „Tanker gegen Monsterwelle“-Video.<br />
Interessant auch der Trailer zum<br />
Surf einer kleinen Yacht zwischen<br />
Klippen in den sicheren Hafen an<br />
der französischen Küste.<br />
Warum schauen sich Leute solche<br />
Filme an? Sind das alles Segler auf<br />
der Jagd nach Informationen? Oder<br />
fanatische Nicht-Segler auf der Suche<br />
nach Bestätigung? Dass ich nicht als<br />
einzige die Filmchen anklickte, ist<br />
klar ‒ 30.000 Besucher sind die untere<br />
Grenze.<br />
WIE SIEHT ES DENN NUN WIRK-<br />
LICH AUS MIT DEN STÜRMEN?<br />
Vielleicht ist man als Segler auch einfach<br />
sensibler bei Nachrichten dieser<br />
Art ‒ so wie man überall Schwangere<br />
sieht, wenn man schwanger ist.<br />
Den schlimmsten Sturm hatten wir<br />
auf der Fahrt von Neuseeland nach<br />
Neukaledonien, da ging es echt zur<br />
Sache und ich erinnere mich, dass ich<br />
mir zwei Gläser Nutella genehmigte,<br />
ohne zuzunehmen. Nerven-beruhigend<br />
und wachhaltend. Denn wenn<br />
ein Sturm etwas ist, dann ermüdend.<br />
Außer für unseren Sohn. Die Neuseelandfahrt<br />
begeisterte ihn: „Mama<br />
schau, die Welle ist cool, was meinst<br />
du, sechs oder sieben Meter? Und die<br />
werden immer höher! Yippii!“<br />
Oder die dreijährige Tochter eines<br />
befreundeten englischen Segelpaares,<br />
die sich bei 40 Knoten von der Seite<br />
in die Koje stemmte und fröhlich jubelte:<br />
„More, more, more!“<br />
Also ich gestehe hier jetzt frei herraus,<br />
ich bin eine „15–20 Knoten von<br />
achtern bei flacher See und Sonnen -<br />
schein“-Seglerin. Hab mir aber von<br />
ganz anderen Naturellen erzählen lassen<br />
von befreundeten Skippern, die<br />
auf Wunsch der Chartercrew bei richtig<br />
schlechtem Wetter raussegelten.<br />
Zwar dauerte der Törn keine 20 Minuten<br />
und sie kehrten mit bleicher<br />
44 OCEAN WOMAN <strong>2018</strong>
Crew wieder heim, aber wer nicht hören<br />
will, muss fühlen ...<br />
Es gibt ja im Internet auch Angebote<br />
zum Sturmsegeln oder dem Schwerwettertraining.<br />
Was ja prinzipiell eine gute<br />
Idee ist, aber dennoch: freiwillig in<br />
schlechtes Wetter segeln? Urgs!<br />
Natürlich ist ein Filmbeweis schon toll,<br />
um die Heldenhaftigkeit eines Sturmseglers<br />
zu verewigen. Wir aber schafften es<br />
nie, während eines Sturms auch noch zu<br />
filmen. Und alle ernsthaften Segler, die<br />
ich kenne, auch nicht.<br />
Auch kommt dazu, dass Stürme auf<br />
Video selten stürmisch rüberkommen.<br />
Das Meer schaut immer flacher aus als in<br />
Wirklichkeit und wenn die Sonne dabei<br />
scheint, wirkt alles ganz gemütlich. Einmal<br />
sah ich einen Dia-Vortrag über<br />
Sturmsegeln in Süd-Georgien, nach der<br />
15. Welle mit wackeliger Möwe musste<br />
ich gähnen. Ja, wahrscheinlich war es eh<br />
rau, aber wen interessieren 50 Wellenfotos<br />
aus allen Blickwinkeln? Den besten Beweis<br />
für die Wackelei an Bord brachten<br />
wir in einer Szene unserer Multivisionsshow,<br />
als unser Sohn Finn mich am<br />
Funkgerät filmte. Was uns damals völlig<br />
normal schien, sieht mit Abstand doch<br />
ziemlich unruhig aus. Würden wir dabei<br />
nicht blöde Witze machen und in die<br />
Kamera grinsen, hätten wir dies spektakulärer<br />
in den Vortrag einbauen können.<br />
EIN STURM KANN AUCH<br />
ETWAS GUTES HABEN<br />
Ein Eintrag in unserem Website-Gästebuch<br />
lautet: „Ihr könntet aber schon auch über<br />
die schlechten Dinge eurer Reise, zum Beispiel<br />
über Stürme, erzählen!“<br />
Ok. Also einmal in Indonesien riss es<br />
bei 40 Knoten am Ankerplatz meinen<br />
Lieblingsbikini von der Leine. Unrettbar<br />
verloren. Ein andermal ‒ bei Martinique ‒<br />
leerte Sohnemann den Pinkelkübel gegen<br />
den Wind aus. Die Hinterluke war dabei<br />
leider offen. Darunter die Speisekammer.<br />
Auf dem Weg nach Tonga vergaßen wir<br />
auf einem Am-Wind-Kurs, die Vorderluke<br />
zu schließen. Die Vorschiffskoje war<br />
nass und die Gitarre unter dem Fenster<br />
mit Salzwasser gefüllt. Aber seither klingt<br />
sie noch besser als früher.<br />
Da sieht man wieder: Ein Sturm kann<br />
auch etwas Gutes haben.<br />
<br />
Karla Schenk<br />
Abenteurerin, Weltumseglerin,<br />
Kap Hoorniere, Pilotin, verrücktes Huhn!<br />
Ein kleiner, feiner <strong>Band</strong> über Karla<br />
Schenk, eine der letzten großen<br />
Vertreterinnen einer Abenteurergeneration,<br />
die mutig, entschlossen und<br />
voller Neugier die Welt abseits ausgetretener<br />
Pfade für sich erobert hatte.<br />
Karla, diese außergewöhnliche Persönlichkeit,<br />
war mit Seglerlegende<br />
Bobby Schenk verheiratet. Alexandra<br />
Schöler-Haring traf Segelpionierin<br />
Karla Schenk erstmals auf Malaysien.<br />
Das Ergebnis vieler weiterer Begegnungen<br />
und Gespräche zwischen den<br />
beiden Weltumseglerinnen ist diese<br />
erfrischende, sehr modern geschriebene<br />
Biografie einer großartigen Frau,<br />
die in keiner Segler-Bibliothek fehlen<br />
sollte.<br />
Karla Schenk – Abenteurerin, Weltumseglerin,<br />
Kap Hoorniere, Pilotin,<br />
verrücktes Huhn! Ein ocean7-Buch,<br />
Taschenbuch, 96 Seiten, zahlreiche Fotos,<br />
14,8 x 21 cm, 9,99 Euro zzgl. Versand.<br />
Bestellungen: buch@ocean7.at<br />
Auch als E-Book erhältlich unter<br />
è www.ocean7.at/specials<br />
28.5.1932–15.2.<strong>2018</strong><br />
Karla mit vier Männern – aber ohne<br />
Bobby Schenk – auf dem Weg über<br />
den Atlantik (1995).<br />
OCEAN WOMAN <strong>2018</strong> 45
So ein Mist.<br />
AUSGABE 2/2013<br />
Volle Windeln sind mistmäßig<br />
wohl das Schlimmste, was<br />
einem auf einem Segelboot<br />
passieren kann. Unser Sohn Finn<br />
war von Baby an mit uns segeln.<br />
Unvergesslich: der süßlich, grausige<br />
Duft aus dem festverschlossenen<br />
Müllsack, der sich, wenn der Wind<br />
die richtige Richtung einschlug, im<br />
Cockpit bemerkbar machte. Diesen<br />
Geruch bekam ich auf unserer Weltumsegelung<br />
noch einmal in die Nase,<br />
als wir im Konvoi unseren holländischen<br />
Segelfreunden auf der Antares<br />
Richtung Jemen folgten. Ihr Sohn<br />
Marein, gerade zwei, schaffte es noch<br />
nicht aufs Töpfchen. Vorteil: Antares<br />
konnte man auch orten, wenn wegen<br />
der Piratengefahr die Positionslichter<br />
ausgeschaltet waren.<br />
Das Bordleben zeigt einem noch<br />
deutlicher vor Augen, wie viel Dreck<br />
man in seinem Leben produziert. Als<br />
Fahrtensegler ist eben der nächste<br />
Müllkübel nicht im Hof zwei Stockwerke<br />
tiefer. An Land gibt einem<br />
das tägliche Müllsackerl nicht das<br />
Gefühl, dass es gar so schwer ins Gewicht<br />
fällt. Oder? Anders beim Fahrtensegeln.<br />
Nach einer Woche sitzt<br />
meist ein riesiger Müllsack im Cockpit<br />
und stinkt. In Thailand erwischte<br />
ich einmal Müllsäcke mit Erdbeer-<br />
Kunst? Müllbaum in Premuda, Kroatien.<br />
46 OCEAN WOMAN <strong>2018</strong>
duft. Die Mischung aus künstlichem<br />
Erdbeeraroma und Mist ist wirklich<br />
einzigartig und fördert den Brechreiz<br />
enorm, was auf einem Segelboot ja<br />
nun wirklich gar nicht sein muss.<br />
DAS EINZIGE, WAS BEIM MÜLL-<br />
PROBLEM HALF UND HILFT:<br />
WENIGER DRECK PRODUZIEREN<br />
Plastik an Bord zu nehmen wurde<br />
für uns zum absoluten No-Go.<br />
Einkaufen gingen wir ab sofort mit<br />
Stoff säcken und Körben. Trinkwasser<br />
kauften wir in wiederbefüllbaren<br />
20-Liter-Gallonen. Kartons und anderes<br />
Verpackungsmaterial wurden<br />
noch im Hafen bzw. Bucht ordnungsgemäß<br />
entsorgt.<br />
Und dann trafen wir auf Tonga unsere<br />
Surferboys. Vier junge Kanadier<br />
auf der Suche nach der perfekten<br />
Welle, allesamt Riffforscher im<br />
Auftrag ihrer Universität. Auf jeder<br />
kleinen Insel, die die Jungs anliefen,<br />
säuberten sie den Wetterstrand vom<br />
Plastikmüll, verstauten ihn an Bord<br />
und segelten damit in den nächstgrößeren<br />
Hafen – in der Hoffnung, dort<br />
auf Mülltrennung zu stoßen. Auch<br />
wir entdeckten auf den entlegensten<br />
Inseln Strände, die mit Computerbildschirmen,<br />
Fischerbojen, zerborstenen<br />
Bierkisten und Kühlboxen<br />
übersät waren.<br />
An Bord hämmerten wir sauber<br />
ausgewaschene Konservendosen<br />
flach, Papier und Plastik trennten<br />
wir in Säcken, aber es blieb uns nicht<br />
erspart, den Müll an unseren Zielorten<br />
zu entsorgen.<br />
Am einfachsten war es noch mit<br />
dem Biomüll, den warf ich ohne<br />
So einfach geht Mülltrennung.<br />
Plastic Planet.<br />
schlechtes Gewissen über Bord.<br />
Nur auf dem Atoll Suwarrow, einem<br />
National park, wurden wir vom Ranger<br />
darauf hingewiesen, in keinem<br />
Fall Fischreste über Bord zu werfen –<br />
wegen der Haie! Die waren trotzdem<br />
da, selbst wenn höchstens ein schim -<br />
m liges Gurkenscheibchen die Reling<br />
überflog!<br />
Unsere Welt ist schön –<br />
sorgen wir dafür, dass<br />
sie so bleibt.<br />
Interessant war aber auch beim<br />
Biomüll, dass an Bord fast nichts<br />
weggeworfen wurde, weil es eben begrenzt<br />
zu haben war. Voller Geiz hütete<br />
ich meine letzte Zwiebel auf der<br />
Atlantiküberquerung und schaffte es<br />
sogar, noch mit einem Viertel davon<br />
in Tobago anzukommen. Zweieinhalb<br />
Knoblauchzehen hatte ich noch<br />
nach der Neuseelandüberfahrt. Und<br />
eine halbe Limette schaffte es auf die<br />
Marchesas. Seltsame Vorstellung,<br />
wenn ich heute den Kühlschrank<br />
aufmache und die welken Frühlingszwiebeln<br />
und etwas angegatschen<br />
Tomaten entsorgen will.<br />
Zu selten denke ich hier, mitten in<br />
der Stadt, an den im Nordpazifik<br />
treibenden gigantischen Teppich aus<br />
Kunststoffabfall. Auch im Nordatlantik<br />
gibt es eine solche schwimmende<br />
Deponie, drei weitere werden in den<br />
Ozeanen der Südhalbkugel vermutet.<br />
David Rothschild, ein Abenteurer<br />
und Öko-Aktivist, wollte darauf mit<br />
seinem Plastiki-Projekt aufmerksam<br />
machen. Einem Katamaran, gebaut<br />
aus 12.000 Plastikflaschen. Er wollte<br />
ein Zeichen gegen die Verschmutzung<br />
der Weltmeere und für Recycling<br />
setzen. Gegen das qualvolle Sterben<br />
der Meerestiere, gegen die<br />
Ignoranz der zivilisierten Welt. Und<br />
was tu ich? Ich mach’ aus den angegatschten<br />
Tomaten ein Sugo und die<br />
Zwiebel schneide ich auch hinein.<br />
Vielleicht würde es etwas helfen,<br />
wenn im Hof bei den Müll tonnen<br />
ein paar Haie herumschwimmen<br />
würden?<br />
<br />
OCEAN WOMAN <strong>2018</strong> 47
Der stille<br />
Ort an Bord<br />
.<br />
AUSGABE 3/2012<br />
Denke ich an meinen ersten Segeltörn<br />
als fröhlicher Teenager<br />
mit den Eltern der besten<br />
Freundin auf einer 12-Meter-Monoyacht<br />
vor der kroatischen Küste,<br />
steigt mir dieser Geruch sofort wieder<br />
in die Nase. Derselbe Geruch,<br />
den auch die Toiletten des alten<br />
Turnplatzes meines steirischen Heimatortes<br />
umwehte. Der Turnplatz<br />
war damals schon 50 Jahre alt und<br />
genauso rochen die Toiletten und<br />
genauso roch dieses Segelboot.<br />
Ich möchte damit nicht sagen, dass<br />
Turnplatz beziehungsweise Segelboot<br />
ungepflegt waren. Gar nicht. Da wie<br />
dort war alles picobello! Nur trotzdem<br />
– es roch nach Klo. Dann noch<br />
eng und heiß – und schon litt ich an<br />
den Symptomen einer häufig auftretende<br />
Chartersegler-Erkrankung.<br />
Obstipation. Verstopfung.<br />
Das kann einem den Urlaub verderben.<br />
Trauben essen, eine Zigarette,<br />
schwarzer Kaffee – nichts half, gar<br />
nichts. Nur das erlösende Klo zu<br />
Hause in Österreich.<br />
Was tröstend ist: Ich war nicht die<br />
einzige. Heute mit eigenem Boot und<br />
Klo und Familiencrew sind diese<br />
Probleme Vergangenheit. Für mich.<br />
Im Hafen sehe ich immer noch<br />
Crews direkt nach dem Anlegemanöver<br />
in alle Himmelsrichtungen ausströmen<br />
Richtung Taverne, Bar, Café.<br />
Zum Kaffeetrinken? Möglich, aber<br />
nicht nur.<br />
Zusammenzwicken, verschieben<br />
oder schwimmen gehen – das sind<br />
für viele die Tücken des Segelurlaubs.<br />
Haben Sie nicht auch schon öfters<br />
Schwimmer in stillen Buchten weit<br />
hinauskraulen sehen?<br />
Schön, denkt man sich. Wie friedlich.<br />
Doch dann machen dieselben<br />
ein Kehrtwende und man hat das<br />
Gefühl, sie würden verfolgt. Denn<br />
ängstlich blicken sie immer nach<br />
hinten, beschleunigen, schwimmen<br />
im Zickzack – so als würden sie irgendetwas<br />
abschütteln wollen, vor<br />
etwas versuchen zu entkommen, das<br />
sie hartnäckig verfolgt.<br />
KENNT MAN SICH GUT<br />
AN BORD, IST DAS ALLES<br />
HALB SO SCHLIMM<br />
Aber wehe, wenn es nicht so ist!<br />
Nach dem Frühstück muss man zusehen,<br />
als erster die Toilette zu stürmen,<br />
denn der Mini-Schlitz des Lukenfensters<br />
kann kaum der Entlüftung<br />
dienen.<br />
Worst case: Man ist nicht der Erste,<br />
sondern vielleicht sogar der Letzte.<br />
Und et voilá – Obstipation. Schon<br />
sitzt man gezwungenermaßen sogar<br />
länger als gewollt auf dem Klo, die<br />
Yachtzeitungen des Eigners bis zu<br />
den kleinsten Annoncen lesend. Als<br />
Erinnerung für den Rest des Tages<br />
den Abdruck der Klobrille am Hintern.<br />
DER STILLE ORT AN BORD<br />
Nun kommt aber zum Geruchsfaktor<br />
auch noch den Geräuschfaktor. Ein<br />
Boot ist klein. Ein Charterboot meist<br />
aus dünnem Plastik und das lässt<br />
wirklich alles durchschallen.<br />
Wie peinlich. Man kann nur hoffen,<br />
dass man seine Klositzungen an<br />
den feucht-fröhlichen Cockpitabenden<br />
vollzieht, während draußen die<br />
Beatles ertönen, dröhnen drinnen …<br />
Wie auch immer.<br />
FOTO: NOUVELLE-CALÉDONIE TOURISME POINT SUD<br />
Nach einer Umfrage meinerseits<br />
stellte sich heraus, dass die meisten<br />
weiblichen Crew-Mitglieder vor allem<br />
die Bedienung der Toilette abschreckend<br />
finden. Mädels, das kann<br />
doch nicht war sein! Da checken wir<br />
praktisch bereits alles selber, vom Ölkontrollstab<br />
bis zur Programmierung<br />
der Waschmaschine und dann das?<br />
Die Hauptangst ist – wie ich nach<br />
einigen Umfragen bestätigt fand –,<br />
dass das „Geschäft“ den engen Ausgang<br />
nicht passieren kann und man<br />
pumpt und pumpt und es tut sich gar<br />
nix und man muss dann unter größter<br />
Peinlichkeit irgendjemanden einweihen,<br />
der dann möglicherweise einen<br />
Blick auf das private Stoffwech-<br />
48 OCEAN WOMAN <strong>2018</strong>
selprodukt werfen könnte. Abhilfe<br />
naht! Nehmt eure iPads mit aufs Klo<br />
und googelt auf YouTube „How to<br />
use a head“.<br />
Wie man seinen Kopf benützt?<br />
Nein. Im Englischen heißt das Bordklo<br />
Head. Früher, bei den großen<br />
Schiffen, war die Freilufttoilette ganz<br />
vorne neben dem Bugspriet, praktisch<br />
neben dem Kopf der Gallionsfigur<br />
am Bug. Dort, wo alles schön<br />
sauber von den Meereswogen umund<br />
abgewaschen wurde.<br />
Das mit der Freilufttoilette finde<br />
ich nun nicht wirklich so schlimm.<br />
Natürlich, im Hafen eher nicht, aber<br />
draußen auf See? Ein Kübel und die<br />
Sache hat sich! Ohne Chemie, ohne<br />
Gestank, ohne Kloputzen. Man sollte<br />
nur darauf achten, in welchem Kübel<br />
man später das Geschirr wäscht.<br />
Aber das ist auch schon alles.<br />
ELEKTRISCHE TOILETTEN<br />
Natürlich höre ich da so manche:<br />
„Was ist mit den elektrischen Toiletten?“<br />
Ein Knopfdruck und die Sache<br />
hat sich. Das sagen nur Leute, die<br />
noch nie verstopfte Bordtoiletten<br />
säubern oder elektrische Pumpen<br />
warten durften.<br />
Und ja, auch die elektrischen Toiletten<br />
stinken. Auch die neuen Kompostierklos,<br />
auch die Porto Pottis<br />
und selbst die Vakuum-Toiletten.<br />
Das teuerste Bordklo kostet übrigens<br />
10.000 Dollar und ist aus Fiber<br />
Carbon. Schaut elegant aus – solange<br />
keiner reinsch… alles klar, schon<br />
wieder das.<br />
Aber ist Ihnen denn nicht auch<br />
schon aufgefallen, dass Gespräche an<br />
Bord immer irgendwann um dieses<br />
Thema kreisen? Das hängt dann<br />
wohl damit zusammen, dass man auf<br />
dem Schiff zu sich findet und über<br />
sein Leben nachdenkt. Eng verbunden<br />
mit der Natur lebt, dem Wind,<br />
der Sonne, dem Wasser.<br />
Man öffnet sich und lässt los, außer<br />
natürlich, außer, naja man hat …<br />
Verstopfung.<br />
Sorry! Aber irgendwer muss das<br />
doch ansprechen!<br />
<br />
Stille Bucht, aber kein<br />
stilles Örtchen: Baie<br />
d’Upi, Neukaledonien.<br />
OCEAN WOMAN <strong>2018</strong> 49
Noch Platz, Noah?<br />
Von Seehunden, Meereskatzen und anderen Bordgefährten.<br />
AUSGABE 6/2011<br />
.<br />
Schon Noah nahm einst Tiere<br />
mit an Bord seiner Arche und<br />
rettete damit die Welt. Sein<br />
Vorteil war, dass damals zum Beispiel<br />
Neuseeland auch unter Wasser war<br />
und die Einwanderungsbehörde andere<br />
Probleme hatte, als Hygienebestimmungen<br />
zu überprüfen. Diese<br />
waren nämlich der Grund dafür, dass<br />
Koka per Flugzeug nach Canada<br />
heimgeschickt wurde – von Tonga<br />
aus. Aber alles der Reihe nach.<br />
Während unseres Kroatien-Segeltörns<br />
hatten wir an einem Tag in einer<br />
Bucht vier Segelboote mit Hun-<br />
den getroffen. Warum auch nicht?<br />
Unter den Seglern dürften die Hundeliebhaber<br />
genauso zahlreich vertreten<br />
sein wie überall sonst. Warum man<br />
sich natürlich auf beengtem Raum,<br />
der meist kleiner ist als zu Hause<br />
Rumpelkammer und Badezimmer zusammen,<br />
auch noch einen Vierbeiner<br />
einquartiert – sei es auch nur für zwei<br />
Ferienwochen – ist nicht logisch zu<br />
erklären. Muss man auch nicht. Die<br />
Beziehung zwischen Mensch und Tier<br />
ist eben nicht logisch – wie auch so<br />
manch anderes Liebesgefühl. Die<br />
Tiroler neben uns paddelten fröhlich<br />
Gassi um sechs in der Früh und<br />
Karli, der Skipper, meinte, er brauche<br />
den Auslauf genauso wie seine<br />
Sissi. Außerdem entdecke er so<br />
manchen neuen Landstrich auf<br />
seinen Wanderungen mit Hund.<br />
Neben uns die Salzburger schickten<br />
ihr Hundsvieh auf das Katzenklo<br />
vorne am Bug. Burli, muss man<br />
dazu anmerken, hat Katzengröße<br />
und ist uralt. Schlecht wird ihm nie,<br />
er schläft meist. Die Italiener mit<br />
dem kaputten Dingimotor trieben<br />
an uns vorbei und ihr Hund (Giovanni?)<br />
wirkte etwas unrund, sprang<br />
50 OCEAN WOMAN <strong>2018</strong>
Schweindl in Vanuatu.<br />
Wo ist das Sackerl fürs<br />
Gackerl? San Blas-Inseln<br />
ca. zwei Meter vor dem Strand ins<br />
Wasser und kackte mitten zwischen<br />
die Sonnenanbeter am Strand.<br />
Schien niemand besonders zu stören,<br />
was mich echt wunderte, aber<br />
vielleicht bin ich einfach schon zu<br />
zivilisiert und kann gar nicht mehr<br />
ohne Sackerl fürs Kackerl.<br />
Wir hatten übrigens auch einen<br />
Hund. Jahrelang segelte er mit uns vergnügt<br />
durchs Mittelmeer. Keine besonderen<br />
Vorkommnisse. Außer vielleicht<br />
der samt Angelhacken verschlungene<br />
Köderfisch, ein Beinah-Tod durch Rattengift<br />
und ein Riesenhaufen auf einer<br />
tunesischen Kaimauer. Beim Beinah-<br />
Tod versuchten wir verzweifelt, einen<br />
Tierarzt auf einer griechischen Mini -<br />
insel zu finden. Keine Chance. Der<br />
Menschenarzt behandelte schließlich<br />
den Hund heimlich im Stiegenhaus<br />
und rettete sein Leben.<br />
Der Angelhaken wurde restlos verdaut<br />
und in Tunesien herrscht jetzt<br />
Revolution. Die Ankerlieger in der<br />
kroatischen Buch schienen mir alle<br />
sehr entspannt. Kein Wunder, hier<br />
kümmerte sich niemand um das Getier<br />
– ganz im Gegenteil zum Rest<br />
der Welt.<br />
Fragt sich, wo die Tiere auf<br />
Noahs Arche Gassi gegangen sind.<br />
TIERE AN BORD<br />
Wir trafen auf unserer Weltumsegelung<br />
so manchen Tierliebhaber.<br />
Nicht nur Hunde tummeln sich da<br />
auf Segelbooten! Katzen sind sehr<br />
beliebt – wie Koka, die dicke, weiße<br />
Perserkatze unseres Segelfreundes<br />
Ian aus Kanada.<br />
Früher, zur Zeit der Großsegler,<br />
wäre Kokas Job das Ratten- und<br />
Mäuse-fangen gewesen. Nicht so bei<br />
Ian. Hier lag sie faul über dem Niedergang<br />
unter der Sprayhood und<br />
starrte uns mit Riesenaugen an. Sie<br />
ging nie von Bord. Uninteressant.<br />
Dennoch, in Neuseeland verlangt<br />
man bei Ankunft eine geimpfte, entseuchte<br />
Katze. Ian hatte zu spät geimpft<br />
– eine Woche zu spät – in Neuseeland<br />
durften nur Katzen einreisen,<br />
die genau sechs Wochen vor Ankunft<br />
geimpft waren oder so höchst kompliziert<br />
und mühsam. Koka bekam<br />
ein Flugreiseticket und flog 1. Klasse<br />
von Tonga nach Hause. Als Ian Koka<br />
zwei Jahre später wiedersah, pisste<br />
sie ihm in die Schuhe. Dann war alles<br />
wieder ok. Tierliebe.<br />
Auch in der Karibik und in der<br />
Südsee kämpften viele Segler mit den<br />
Hygienebestimmungen, einige Hunde<br />
durften das Land nur vom Schiff<br />
aus sehen. Gassiverbot. So manches<br />
Herrl oder Frauerl schlich sich dann<br />
mit ihrem Liebling natürlich in der<br />
Nacht an Land. Die Karibik steht<br />
heute noch und die Südsee auch.<br />
Vor allem muss man dazu sagen,<br />
dass wohl die einzig geimpften Tiere<br />
auf diesen Inseln die Hunde der Segler<br />
waren. Einmal trafen wir in Panama<br />
Segler, die ein Aquarium an Bord<br />
hatten plus Goldfischen. Die Wasserhöhe<br />
so abgestimmt, dass bei Schräglage<br />
kein Malheur passierte.<br />
So mancher Fahrtensegler fand<br />
sein Tier erst auf der Strecke, wie<br />
Hugo Wehner seinen Honigbären<br />
Taugenichts. Auf dem Cover seines<br />
Buches „Tagedieb und Taugenichts“<br />
springt ihm die Bärenliebe geradezu<br />
aus dem Gesicht.<br />
Ansonsten kamen uns keine Tiere<br />
unter – außer die ungeliebten, nicht<br />
eingeladenen wie Kakerlaken und<br />
Rüsselkäfer. Dass ich Rüsselkäfer aus<br />
Sri Lanka über den Indischen Ozean<br />
durchs Rote Meer nach Italien einführte<br />
– per Lasagnepackung –, das<br />
interessierte keinen Hygiene- und<br />
Seuchenbeamten dieser Welt.<br />
Aber Noah hätte es gefreut! Auf<br />
seiner Arche fand jedes Tier Platz –<br />
egal wie grauslich! Fragt sich nur, wo<br />
die alle auf der Arche Gassi gegangen<br />
sind. Von Sackerln ist im alten Testament<br />
nichts überliefert, oder? <br />
Liebes Tagebuch …<br />
Kenutu, Nr. 30, Tonga<br />
Wal gesehen! Oder besser die exorbitant riesige Walflosse!<br />
Das Segeln hier ist herrlich, wie auf dem Neusiedler See.<br />
Ich mag dableiben. Morgen ist Kinderparty. Ronnie hat das<br />
organisiert. Alle im Kostüm! Anchorage 13!<br />
OCEAN WOMAN <strong>2018</strong> 51
Chill, Mama …<br />
Oder: Wespen-Alarm!<br />
AUSGABE 6/2013<br />
.<br />
Es passierte kurz nach der Kvarner in einer türkisen Ankerbucht der<br />
lieblichen Insel Mali Lošinj. Wir freuten uns, denn schon von weitem<br />
war klar – wenige Schiffe! Kein Bojenfeld! Yippiie!<br />
Der Anker war kaum gefallen,<br />
als ich schon wild um mich<br />
wedelte. Wespen! Rat des kundigen<br />
Skippers und zahlreicher allwissender<br />
Segler in internationalen<br />
Foren: Nicht schnell bewegen, ruhig<br />
bleiben. Und den Anker lichten,<br />
würde ich beifügen.<br />
Doch wir blieben, denn irgendwie<br />
hoffte ich, dass die Wespen mit der<br />
Sonne schlafen gingen. Ich tauchte<br />
ins Glitzerwasser, erfreute mich der<br />
karibisch-kroatischen Wassertemperaturen<br />
und wedelte mich trocken.<br />
Ich hasse diese Viecher!<br />
Glücklicherweise verfügen wir<br />
über zahlreiche Moskitonetze, die<br />
gut zum Einsatz gekommen waren in<br />
der Südsee, Indonesien, überall auf<br />
der Welt, wo Moskitos ihr Unwesen<br />
treiben. Wespen trafen wir übrigens<br />
nirgends auf unsere Weltumsegelung.<br />
Außer in Kroatien.<br />
„Wir gehen an Land. Hier kann<br />
man gut essen.“ Der Skipper hatte<br />
immer die besten Ideen, wobei ich<br />
mir sicher war, wir würden sofort<br />
wieder aufs Schiff flüchten nach einer<br />
desaströsen Wespeninvasion im Restaurant,<br />
die Finn mit seinem aktuellen<br />
Lieblingsfilm vergleichen würde.<br />
World War Z, Invasion der Zombies<br />
– pardon, Wespen.<br />
Auf dem Weg zum Restaurant –<br />
durch den Fahrtwind im Dingi von<br />
der akuten Gefahr befreit – überlegten<br />
wir, warum diese Insekten überhaupt<br />
existierten. Warum vor allem<br />
so viele und warum dieses Jahr und<br />
nicht letztes Jahr, da hatten wir nämlich<br />
einen der entspanntesten Abende<br />
hier verbracht. Man muss aber<br />
dazu sagen, die Ankerbucht platzte<br />
damals vor Schiffen fast aus den<br />
Nähten. „Wohl, weil es keine Wespen<br />
gab“ fügte Sohnemann Finn seemännisch<br />
hinzu.<br />
Uns wurde ein besonders schöner<br />
Tisch auf der Terrasse des Restaurants<br />
zugeteilt. Angespannt beäugte<br />
ich die Gäste rechts und links. Niemand<br />
schien von Wespen belästigt<br />
zu werden.<br />
„Chill, Mama“, beruhigte mich unser<br />
Teenager-Sohn, um kurz danach<br />
ein „Boah, grindig!“ von sich zu geben.<br />
Vor uns auf dem lieblichen<br />
Dattelbaum hingen nicht nur reife<br />
Früchte, sondern auch Plastikflaschen,<br />
die zur Hälfte mit einer bräun -<br />
lichen Flüssigkeit gefüllt waren. Die<br />
Flüssigkeit schien vom Gestrampel<br />
der sterbenden Wespen zu brodeln.<br />
Verzweifelt versuchten sie sich aus<br />
dieser Apokalypse zu befreien. Nichts<br />
da. Wespen können offensichtlich nur<br />
nach oben fliegen, der Flaschenhals,<br />
durch den sie geflogen waren, war<br />
aber in die Flasche gedrückt und so<br />
zur Falle geworden.<br />
WOZU WESPEN?<br />
Das Internet behauptet, sie fressen<br />
Moskitos und Fliegen. Also echt, jede<br />
Fliege ist mir da lieber!<br />
Bei nächster Gelegenheit googelte<br />
ich die Wespen und siehe da, in fetten<br />
Lettern sprang mir Folgendes ins<br />
Auge: „Wespen-Angriff – Segelboot<br />
versinkt“. Eine Seglerin war mit dem<br />
Schiff in die Ufer böschung gekracht,<br />
weil eine Wespe sie während des<br />
Steuerns attackierte. Hatte sie vergessen,<br />
an Deck alles zu vermeiden, was<br />
süß ist und vielleicht sogar einen Saft<br />
getrunken, vielleicht ungeschickterweise<br />
aus der Dose? Höchst gefährlich<br />
bei Wespengefahr! Die Seglerforen<br />
strotzten vor guten Tipps!<br />
Wespen mögen kein Kaffeepulver –<br />
wenn man es entzündet! Hatte es<br />
deswegen in der hübschen Bucht auf<br />
Cres gebrannt? Sie lehnen Schokolade<br />
ab. Aber nicht im Ernst?<br />
Auch Marzipan scheint ihnen unangenehm.<br />
Wer bitte nimmt aufs<br />
Segel boot Marzipan mit?<br />
Aber sie stehen unter Naturschutz<br />
– die Wespen. Nur bei akuter Gefahr<br />
solle man ein Nest entfernen, zum<br />
Beispiel in der Nähe des Kinderzimmers.<br />
Was, wenn ich eines nach dem<br />
Winterlager unter der Dingiplane<br />
entdecke?<br />
Wespen mögen<br />
keine Bora.<br />
Wir fanden am Ende des Urlaubs<br />
doch raus, was die Quälgeister nicht<br />
besonders mögen.<br />
Die Bora. Als wir wieder auf dem<br />
Rückweg in derselben Mali Lošinj-<br />
Bucht einkehrten, zeigte die Bora,<br />
was sie von Wespen hielt. 30 Knoten<br />
direkt auf die Nase. Oder hinter den<br />
Stachel. Die Tage waren windig, aber<br />
wespenfrei.<br />
Übrigens waren auch da nur wenige<br />
Segelboote vor Anker. „Wohl wegen<br />
der Bora“ meinte Seemann Finn.<br />
Da sieht man es wieder: Nichts wirkt<br />
auf Kroatien-Segler abschreckender<br />
als Wespen und viel Wind. Ich nahm<br />
mir ein Stück Marzipan und tat das<br />
einzig Richtige: Ich chillte. <br />
Quellen:<br />
è www.insidersegeln.com/Tipps/Wespen.php<br />
è skippertricks.de/crew/crewbriefing.html<br />
52 OCEAN WOMAN <strong>2018</strong>
Von großen und<br />
kleinen Fischen<br />
Spricht man über Segeln bzw. Weltumsegeln, ist das Thema Meerestiere,<br />
vor allem Haie, kaum zu vermeiden. Für manche Menschen ist nämlich die<br />
Vorstellung, im satten Meeresblau zu schwimmen, sichtbar für unsichtbare<br />
Seemonster, Riesenkraken und anderes Getier, schier unerträglich.<br />
Urlauber dieser Art buchen<br />
prinzipiell „All-inklusive“-<br />
Schwimmbecken mit Meeresblick,<br />
exklusive Haie. Urlaubsdestinationen,<br />
will man meinen, sind<br />
dann Thailand, die Malediven oder<br />
Tunesien. Aber wo! Wir sprechen<br />
vom lieblichen Kroatien!<br />
Im Internet-Forum Kroatien<br />
schreibt Herr K. besorgt, ob was an<br />
den immer wieder kursierenden Haigeschichten<br />
dran ist, denn er würde<br />
vom 7.7.–13.7. auf der Insel Rab weilen.<br />
Internetschreiber „diggerfisch“<br />
antwortet: „Ja, es gibt dort Haie,<br />
bevorzugt auf der Speisekarte!“<br />
Im breitmaschigen Internetz geistern<br />
Haivideos aus aller Herren Länder<br />
herum, mehr oder weniger grauselig<br />
oder undefinierbar. Haie aus der<br />
Mittelmeergegend sehen dabei verdächtig<br />
nach Rochen, Delfinen oder<br />
Plastiksackerln aus. Da hilft auch raffiniert<br />
eingefügte Weiße-Hai-Musik<br />
nicht. Unsere Weltumsegelungs-Haigeschichten<br />
packen wir manchmal<br />
aus, um verängstigte angehende Blauwassersegler<br />
oder Atlantikbezwinger<br />
zu beruhigen.<br />
Hai Numero Eins. Straße von Messina,<br />
blöder Gegenwind, sinnloses<br />
Aufkreuzen. Da! Ein flott gegen Wind<br />
und Strömung schwimmender Hai.<br />
Nur Rückenflosse sichtbar. Angst?<br />
Nein! Neid!!! Ich hasse Aufkreuzen,<br />
der Hai war wohl immun dagegen.<br />
Hai Numero Zwei ging mir auf die<br />
Nerven. Wir hatten mitten auf dem<br />
Atlantik diesen Riesen-Thunfisch an<br />
der Schleppangel. Letztendlich holten<br />
wir nur einen Riesen-Thunfisch-Kopf<br />
an Bord. Den Rest ließ sich wahr-<br />
scheinlich ein Riesen-/Weiß-/Hammer-<br />
oder Sichelhai – in jedem Fall<br />
ein verfressener Hai – schmecken!<br />
Hai Numero Drei knallte auf dem<br />
Atoll Tuao an das Schienbein unseres<br />
damals achtjährigen Sohnes. Er war<br />
mit wenigen Zentimetern Körperlänge<br />
ein Babyhai, der vor dem Inselhund<br />
Balu flüchtete. Balu, ein dicker<br />
Schäfersüdseemischling, liebte es,<br />
Haie im flachen Riffwasser zu jagen,<br />
so wie seine Artgenossen gerne Tennisbällen<br />
apportieren.<br />
Hai Numero Vier. Tauchen am Außenriff<br />
in Bora Bora. Türkises Wasser,<br />
auf dem Meeresgrund ein Grauhai.<br />
Meine Mutter, damals zu Besuch,<br />
meinte: „Naja, nicht besonders groß,<br />
vielleicht zwei Meter.“ Sie hatte die 15<br />
Meter Wassertiefe nicht eingerechnet.<br />
Als mein Skipper ihr dies erklärte und<br />
den Hai auf acht Meter schätze, sah<br />
mein Sohn seine Oma so schnell wie<br />
noch nie ins Dingi hechten.<br />
Hai Numero Fünf. Suwarow. Ankerplatz.<br />
Glasklares Wasser. Ich will<br />
meine morgendlichen Schwimmrunden<br />
ums Boot machen. Stehe auf der<br />
Badeleiter, hab’ so ein Gefühl, setze<br />
die Taucherbrille auf und sehe einige<br />
Blacktip Riffhaie filmreif auf dem<br />
Meeresgrund kreisen und zu mir<br />
raufschielen. Fünf Meter mindestens!<br />
Da kann mir das Internet tausendmal<br />
argumentieren, dass Riffhaie nicht<br />
mehr als zwei Meter groß werden! Ich<br />
entschied, an diesem Tag lieber am<br />
Atoll joggen zu gehen.<br />
Warum immer Haie? Ich liebe Delfine!<br />
Und sie lieben unseren Katamaran,<br />
düsen mit ungeheurem Tempo<br />
zwischen den Rümpfen durch, drehen<br />
AUSGABE 3/2014<br />
Hai Numero Zwei ging<br />
mir auf die Nerven.<br />
Wir hatten mitten auf<br />
dem Atlantik diesen<br />
Riesen-Thunfisch an der<br />
Schleppangel. Letzt -<br />
endlich holten wir nur<br />
einen Riesen-Thunfisch-<br />
Kopf an Bord.<br />
FOTO: SHUTTERSTOCK<br />
.<br />
sich auf den Rücken, blinzeln mit<br />
neugierigen Augen und pfeifen noch<br />
dazu. Säugetiere wie wir, doch ohne<br />
Angst vor dem großen Hai! Kompliment!<br />
Dann die vielen Thunfische, die<br />
wir kennenlernten – roh, gedünstet,<br />
gebraten, paniert. Die güldenen Doraden<br />
– besonders willkommen mit<br />
Kokos reis, als Fischsuppe, als Sushi<br />
mit scharfem Wasabi.<br />
SCHNAPP’ DIR DEN SNAPPER<br />
Meine Favoriten sind bis heute die<br />
Kofferfische von den Los Testigos, einer<br />
Inselgruppe vor Venezuela. Sohnemann<br />
fischte vom Ankerplatz aus<br />
eines dieser süßen Geschöpfe, die ihrem<br />
Namen alle Ehre machen. Sie<br />
sehen aus wie ein Rollkoffer mit<br />
Flossen. Für Barbiepuppen wohlgemerkt.<br />
Wir schenkten ihm die Freiheit.<br />
Wenig später versammelte sich<br />
die gesamte Kofferfischfamilie um<br />
den erneut ausgeworfenen Angelhaken.<br />
Offensichtlich um sich zu bedanken.<br />
Da soll einer noch sagen, Fische<br />
sind kalte, unpersönliche Wesen!<br />
Nett waren auch eine Dorfgemeinschaft<br />
von roten Rifffischen, die uns<br />
allmorgendlich zum Tauchen begleitete.<br />
Red Snapper, lasen wir im Fische-Lexikon<br />
– und machten draus<br />
am Abend Fish and Chips. Sorry<br />
Snapper, manche Säugetiere sind eben<br />
schlimmer als Haie! <br />
<br />
OCEAN WOMAN <strong>2018</strong> 53
Wer geht an<br />
die Leinen?<br />
Oder: Warum Leonardo<br />
diCaprio sterben musste.<br />
AUSGABE 4/2013<br />
Als ich kürzlich eine kleine Reise als Crewmitglied antrat, fiel<br />
es mir wie Schuppen von den Augen. Was bei mir, auf dem<br />
eigenen Boot, im Leben, ganz selbstverständlich ist, scheint<br />
so gar nicht im Wertesystem andere verankert zu sein.<br />
Seemannschaft – eine vergessenen Tugend?<br />
.<br />
Wikipedia sagt über „Seemannschaft“,<br />
dass man<br />
darunter „die Fertigkeiten<br />
versteht, die ein Seemann zur praktischen<br />
Handhabung eines Wasserfahrzeuges<br />
beherrschen muss“.<br />
Zwei Negativ-Beispiele: Wenn ich<br />
wegen überhöhtem Tempo gegen einen<br />
Eisberg knalle oder zu nahe am<br />
Ufer mit meinem Kreuzfahrschiff ein<br />
Riff ramme, nennt man das schlechte<br />
Seemannschaft.<br />
Was ist nun aber, wenn eine Crew<br />
die immense Kapazität von Außenlautsprechern<br />
am Ankerplatz testet?<br />
Jemand ganz schnell den Motorhebel<br />
auf Anschlag drückt, wenn er/sie das<br />
letzte Plätzchen an der Kaimauer erspäht?<br />
Wenn es regnet und niemand<br />
an die Leinen gehen will, weil man<br />
sonst nass werden könnte und der<br />
Kapitän das eh freiwillig macht?<br />
Oder was ist mit FKK-Ankermanövern?<br />
Oder Leuten, die mit der<br />
Badehose zum Hafenkapitän spazieren?<br />
Würden Sie in ihrer Heimatgemeinde<br />
oben ohne beim Bürgermeister<br />
antanzen? Und warum verführt<br />
manche das Schiffsleben dazu, Frauen<br />
auf die Venus und Männer auf<br />
den Mars zu schicken?<br />
Auf meinem letzen Trip drückte<br />
ich einem bekennenden Hausmann<br />
und Crewmitglied am dritten Tag<br />
charmant lächelnd das Geschirrtuch<br />
in die Hand und musste beifügen:<br />
„Jeder macht einmal die Küche.<br />
Auch auf dem Schiff!“ Und ich war<br />
nicht einmal die Kapitänin. Oder<br />
vielleicht doch?<br />
GUTE SEEMANNSCHAFT<br />
Seemannschaft war früher neben der<br />
Überlebensfrage auch eine Charakter-<br />
und Stilfrage.<br />
Im Yacht Club de Monaco gibt es<br />
eine Charta, in der wichtige Leitbegriffe<br />
verankert sind, wie zum Beispiel:<br />
Die Beachtung der nautischen<br />
Etikette; die gegenseitige Unterstützung;<br />
die beiderseitige Hilfe; würdiges<br />
Verhalten an Land und auf See;<br />
Achtung vor der Umwelt.<br />
Mhm. Das klingt alles sehr nobel,<br />
klar, aber alles ist auch auf dem<br />
stinknormalsten Charterboot mach-<br />
54 OCEAN WOMAN <strong>2018</strong>
Früher war Seemannschaft auch eine Frage des Charakters<br />
bar. Dazu braucht es kein klassisches<br />
Rigg, keine Segel aus feinstem Tuch<br />
oder blitzblank polierte Messingbeschläge.<br />
Es reicht, die Vorrangregeln neben<br />
das Steuer zu kleben, zu schauen,<br />
ob man vielleicht doch zu nahe ge -<br />
ankert hat, den Müllsack nicht in<br />
einer Bucht zu „vergessen“.<br />
Und ja – anzupacken, wenn es<br />
nötig ist. Zum Beispiel die Leinen zu<br />
nehmen und danach wieder aufzuschießen.<br />
Oder einfach das Cockpit trockenzuwischen.<br />
MIT ANPACKEN<br />
Vielleicht ächzt jemand da draußen:<br />
Meine Güte, wie altmodisch, wie<br />
langweilig, wie unentspannt. Aber<br />
hey, wer hat mehr zu erzählen? Die<br />
SonnenliegerInnen auf dem Vordeck<br />
oder die AbenteurerInnen am Steuer<br />
nach einem gelungenen Ankermanöver?<br />
Kann natürlich sein, dass es Leute<br />
gibt, die nichts erleben wollen. Aber<br />
vielleicht nur deshalb, weil sie noch<br />
nie etwas erlebt haben.<br />
Und mit Abenteuer ist nicht gemeint,<br />
mit Vollgas an anderen Seglern<br />
vorbeizudonnern, um als erstes<br />
die letze Boje zu kriegen. Sicher –<br />
man wird deswegen wohl nicht mit<br />
einem geschichtsträchtigen Untergang<br />
bestraft werden wie die Besatzung<br />
der Titanic, aber man trägt<br />
dazu bei, Höflichkeit, Hilfsbereitschaft,<br />
Respekt und Verantwortung –<br />
eben Seemannschaft – zu zeigen. Ein<br />
solches Verhalten „adelt“ den Seemann<br />
und es adelt die Mannschaft.<br />
Außerdem: wäre doch schön gewesen,<br />
wenn Leonardo DiCaprio nicht<br />
wegen schlechter Seemannschaft<br />
hätte erfrieren müssen, oder? <br />
OCEAN WOMAN <strong>2018</strong> 55
Auf der Liste: da steht sie. Im Kopf: da formiert<br />
sie sich. Die Frau will meist nichts davon wissen<br />
und die Kinder hält man bei der Stange mit<br />
den aufregenden Piratengeschichten in diversen<br />
Pixie-Büchern. Für manche ist die Route schon<br />
klar und für die Fortgeschrittenen ist die außergewöhnliche<br />
Umrundung durch besonders unbekannte<br />
Gewässer gegen den Wind, gegen die<br />
Hurrikan-Saison, gegen alle, Pflicht.<br />
56<br />
Ich wollte nie eine Weltumsegelung<br />
machen. Mein Mann schon.<br />
Risho Maru vor Vanuatu.
Von Träumen,<br />
Schäumen und<br />
AUSGABE 5/2013<br />
.<br />
Weltumsegelungen<br />
Blöd nur, wenn die Weltumsegelung<br />
in der Karibik endet.<br />
Oder noch blöder auf den<br />
Kanaren. Oder ganz blöd in Griechenland.<br />
Vielleicht wundert mich<br />
das alles nur so, weil ich nie eine<br />
Weltumsegelung machen wollte.<br />
Mein Mann schon. Der plante unsere<br />
Reise ab seinem ersten Segelausflug<br />
mit einem Autoreifen als Boot, Paddel<br />
als Mast und Handtuch als Segel<br />
– mit sieben Jahren.<br />
Aber mein Mann sprach es nie aus,<br />
machte es nie zum einzigen Thema,<br />
Ziel, Listenpunkt. Als wir lossegelten,<br />
war die Karibik das Ziel und danach:<br />
Schau’ ma mal. Davor waren wir jahrelang<br />
im Mittelmeer gesegelt, das<br />
Schiff schon lange bereit für diesen<br />
großen Schritt.<br />
Und nun treffe ich immer öfter auf<br />
Leute, die in einem halben Jahr losfahren<br />
und noch kein Boot gefunden<br />
haben. Ehefrauen, die ängstlich an<br />
meinen Lippen hängen und hoffen<br />
zu hören, dass das alles eh gut<br />
ausgeht und eh ok. ist. Und Kinder,<br />
denen das alles wurscht ist, Hauptsache,<br />
die Eltern, Omas, Opas, Tanten<br />
streiten deswegen nicht mehr<br />
miteinander. Wegen der Weltumsegelung,<br />
meine ich.<br />
Vielleicht hat sich das so entwickelt,<br />
weil eine Weltumsegelung<br />
eigentlich heutzutage nichts Besonderes<br />
ist – wie mir ein Veranstalter<br />
einmal mitteilte. Das machen ja<br />
schon 14-Jährige, oder? Das sollte<br />
doch jeder hinkriegen! Also rauf auf<br />
die Liste, rüber über die Weltmeere<br />
und alle müssen mit.<br />
BESSER ALS IM<br />
STURM ZU HEULEN<br />
Ein guter Bekannter ist erst kürzlich<br />
von seiner Weltumsegelung, die in<br />
der Karibik endete, zurückgekommen.<br />
Das ist nichts für ihn, zu einsam.<br />
Aber er hat’s probiert und seinen<br />
Traum zumindest zum Teil<br />
gelebt. Und er hat’s allein gemacht,<br />
weil seine Frau diesen Lebensstil<br />
nicht teilen wollte. Diese Entscheidung<br />
fand ich von Frauenseite her<br />
übrigens toll. Besser als dann heulend<br />
im Sturm zu sitzen und alles<br />
und jeden zu verdammen, der sie je<br />
auf ein Schiff geschleppt hat. Nur leider<br />
– die meisten machen es so nicht.<br />
Da werden alle Leinen gekappt, auch<br />
wenn Frau/Kind/Partner/Partnerin<br />
zuvor nie segeln waren.<br />
Ich glaub’, beim Träumen von einer<br />
Weltumsegelung ist es für manche<br />
wie beim Träumen von gemeinsamen<br />
Kindern mit seinem geliebten<br />
Partner. Oh, wie romantisch, wie<br />
lieb, wie perfekt – und dann schlaf -<br />
lose Nächte, entnervte Schreiduelle,<br />
alles anders als im Babymagazin,<br />
pardon, Segelmagazin.<br />
SCHREIBT DENN KEINER,<br />
WIE DAS WIRKLICH IST?<br />
Ich schon! Hab’s in meinem Buch<br />
„Wellenzeit“ mehr als deutlich dokumentiert<br />
und dafür viel Lob von Seefrauen<br />
und Seemänner bekommen!<br />
„Meine Güte, wenn ich gewusst hätte,<br />
dass es dir auch so geht!“ Wichtigster<br />
Rat zur Ausführung einer<br />
Weltumsegelung: Partner, die nicht<br />
auf Teufel komm raus ihr Ding<br />
durchziehen wollen! Beide sollten an<br />
einem Strang oder Tau ziehen, dann<br />
lassen sich die Hochs und Tiefs<br />
(nicht nur die der Wetterkarte) gut<br />
abwettern. Eine Weltumsegelung ist<br />
kein Punkt auf der Liste der Dinge,<br />
die Mann/Frau im Leben angeblich<br />
schaffen sollte, gleich neben einem<br />
Häuschen am Land/Mont Everest-<br />
Besteigung/Tiefseetauchen im Mariannen-Graben.<br />
Eine Weltumsegelung<br />
macht man für sich selbst.<br />
So wie Simon, der unser Buch las<br />
und aus der Schweiz nach Wien flog,<br />
um mit uns essen zu gehen. Er hätte<br />
ein kleines Segelboot, er liebt das Segeln,<br />
er wird das irgendwann machen,<br />
mit seinem Sohn, aber er<br />
braucht noch Zeit. Nächster Schritt<br />
nach dem Wochenende bei uns:<br />
Simons überstellt sein 8-Meter-Segelboot<br />
vom Genfer See ins Mittelmeer.<br />
Mal sehen, wie es ihm, seiner abenteuerlustigen,<br />
aber noch nicht see -<br />
festen Freundin und dem Teenager<br />
wirklich dabei geht.<br />
Ich fand das beeindruckend. Ich<br />
denke, Simon wird einer von denen<br />
sein, die einfach mal losfahren und<br />
sagen werden: Weltumsegelung, keine<br />
Ahnung, probieren wir es mal mit<br />
der Karibik. Und außerdem: Wer<br />
braucht schon Listen? Ich nicht einmal<br />
zum Einkaufen. Fair Winds! <br />
OCEAN WOMAN <strong>2018</strong> 57
FOTO: SHUTTERSTOCK<br />
Quo vadis,<br />
Albatros?<br />
AUSGABE 1/2014<br />
.<br />
Ein Schiffsname gibt viel über die Eigner preis, über ihren Intellekt, ihre Weltoffenheit, ihren Humor.<br />
Also dann: Bumsti2. Hurricane.<br />
Carpe Diem. Alimente. Wet<br />
Dreams. OMG! Apropos: Die<br />
alten Griechen waren die ersten, die<br />
ihren Schiffen Namen gaben – Götter<br />
standen Pate: der Meeresgott Poseidon,<br />
der Gott der Winde Aiolos.<br />
Die antiken Seefahrer wollten die<br />
Chefs im Olymp gnädig stimmen<br />
und erhofften sich, so Unheil und<br />
Untergang zu ersparen. Nach der Legende<br />
ist jedes Schiff nach seinem<br />
Namen in „The Ledger of the Sea“<br />
eingetragen – dem Hauptbuch des<br />
Meeres und somit fest eingebrannt in<br />
Poseidons Gedächtnis. Bei den Römern<br />
war es genauso, Neptun ließ da<br />
auch nichts durchgehen.<br />
Bis heute hält sich der Aberglaube,<br />
dass eine Schiffsumbenennung Unglück<br />
bringe. Dieses Gerücht machte<br />
sich schon die britische Admiralität<br />
zu Nutze, um die extrem abergläubischen<br />
Piraten daran zu hindern<br />
Schiffe umzubenennen, denn so<br />
konnten gestohlene Schiffe leichter<br />
ausfindig gemacht werden.<br />
HA, DIE RISHOS KOMMEN!<br />
Was würde Poseidon eigentlich zu<br />
Schiffen mit dem Namen Boatox, Biopsea,<br />
Aquaholic, Bin Baden und<br />
Männertraum sagen? Ich denke, er<br />
hätte sich das nie träumen lassen.<br />
Und am Funk? Darüber sollte man<br />
sich wirklich Gedanken machen, will<br />
man ein Schiff benennen. … Mayday,<br />
Maday, this is sailingboat Quitschentchen<br />
calling. We are sinking … Sailingboat,<br />
sailingboat, please spell<br />
your name ... Je weiter man sich vom<br />
Mittelmeer entfernt, desto nötiger<br />
wird der Funk. Klar, im Sommer in<br />
Kroatien kann man immer noch per<br />
Handy gerettet werden, weil wahrscheinlich<br />
keiner weiß, wo die Handfunke<br />
liegt. Und die meisten Charterboote<br />
unverfängliche Namen wie<br />
Antares, Azzuro, Aquarius tragen. Ab<br />
Gibraltar gelten jedoch andere Gesetze.<br />
Zum Einklarieren, auf sich aufmerksam<br />
machen, um im schlimmsten<br />
Fall einen Notruf auszulösen,<br />
wäre ein genehmer Schiffsname nicht<br />
so übel.<br />
Wobei – ich sollte vorsichtig sein.<br />
Mit unserer Risho Maru sind wir<br />
auch nicht gerade leicht zu verstehen.<br />
Aber der Name im Funkalphabet<br />
steht bis heute über der Funke, auch<br />
wenn wir ihn inzwischen im Schlaf<br />
buchstabieren können. Beim Fahrtensegeln<br />
übrigens verschmilzt die<br />
58 OCEAN WOMAN <strong>2018</strong>
Nomen est Omen: Schiffe auf dem Neusiedler See und auf anderen Wassern in aller Welt.<br />
eigene Person mit dem Schiffsnamen!<br />
Ha, die Rishos kommen! Grüß euch,<br />
Esperanzas, habt ihr die Sabaticals gesehen?<br />
Nein, die Veras haben gestern<br />
mit ihnen gesprochen, schau, die<br />
Symis! Huhu, Afriki!<br />
Stellen Sie sich einmal vor, Sie machen<br />
eine epische Weltumsegelung<br />
und alle erinnern sich an Sie als die<br />
Seezicken, Rumpelstilzchens, WTFs,<br />
Piece of Ships?<br />
Angeblich gibt es Leute, die ihr<br />
Schiff Mayday nennen, ich finde Taifun<br />
schon etwas vermessen, weil –<br />
naja, Nomen est Omen?<br />
NAMEN, NICHT ZAHLEN<br />
Ich bin nicht sehr abergläubisch, denn<br />
Frauen an Bord bringen ja angeblich<br />
Unglück, doch unsere Weltumsegelung<br />
ging gut aus. Auch der großartige<br />
Herr Wilfried Erdmann meint, der<br />
Name sein nun mal nicht so wichtig,<br />
als ein wirklich seetüchtiges Boot zu<br />
finden. Wobei: Auch er hat seine Kathena<br />
nicht umgetauft, aber Nui drangehängt<br />
– in der polynesischen Sprache<br />
gleichbedeutend mit unerschrocken,<br />
stark –, um sich Mut für seine<br />
Reisen zu machen. Zahlen, findet er,<br />
haben hinter dem Namen nichts zu<br />
suchen – denn unser Leben ist sowieso<br />
schon von Zahlen bestimmt. Danke,<br />
Herr Erdmann!<br />
Wobei Frauennamen mit Zahlen<br />
hinten immer wieder zu finden sind.<br />
Susi 2 zum Beispiel. Piraten wiederum<br />
nannten ihre Schiffe gerne nach<br />
Frauen – wahrscheinlich, weil sie auf<br />
See selten welche zu Gesicht bekamen.<br />
Aber im Ernst: Was soll man tun,<br />
findet man wirklich sein Traumschiff<br />
und es heißt Jürgen? Es gibt im Internet<br />
einige Webseiten, die das Ritual<br />
der Umbenennung anführen. Am allerwichtigsten<br />
dabei: Alle Gegenstände,<br />
auf denen der jetzige Name des<br />
Bootes steht, müssen von Bord und<br />
einige Flaschen Wein müssen an<br />
Bord, um die Götter umzustimmen.<br />
Dazu kommen viele Ansprachen an<br />
diverse Gottheiten … und da bin ich<br />
dann ausgestiegen. Zu kompliziert<br />
und aufwändig. Ich bin froh, dass<br />
unser Schiff so heißt, wie es heißt.<br />
Risho Maru. Aus dem Japanischen<br />
und bedeutet „Das Schiff verlässt<br />
den Hafen und kehrt wieder sicher<br />
zurück“.<br />
Naja, vielleicht bin ich ja doch<br />
ein klein bisschen abergläubisch? <br />
Quellen:<br />
è www.bootsbeschrifter.de/bootsnamenschiffsnamen-yachtnamen<br />
è www.thechive.com<br />
è www.themonkeysfist.blogspot.co.at<br />
è www.wilfried-erdmann.de<br />
è www.frugal-mariner.com<br />
OCEAN WOMAN <strong>2018</strong> 59
Segelfrauen,<br />
Männer-Latein<br />
AUSGABE 5/2014<br />
.<br />
Roger. Treffen uns in der Marina, direkt bei der Einklarierungsmole. Können danach frei<br />
ankern, wenn der Wind nicht auflandig dreht. Vor dem Ablegen müssen wir aber noch die<br />
Bilge mit Getränkevorräten füllen! Haben Netze an der Reling, also keine Sorge wegen der<br />
Kinder! Over and out.<br />
Dies sind klare Worte für Segler,<br />
jedoch Rätsel für Chartergäste,<br />
Bordgreenhorns, Inselhüpftouristen.<br />
Ja, es gibt Mitmenschen,<br />
die über ein Regal voller<br />
nautischer Bücher und frisch gedruckter<br />
-Magazine nicht<br />
entzückt nach Luft schnappen! Gerade<br />
jetzt in der schönen Feriensegelzeit<br />
sollte besondere Rücksicht auf<br />
sie genommen werden.<br />
Wenn mich jemand danach fragt,<br />
wo sich unser Schiff gerade befindet<br />
und ich drauf sage, auf dem Trockendock<br />
in der Werft und der jemand<br />
dann meint, hey, ich bin da ganz in<br />
der Nähe, wann seid ihr dort, ich<br />
schau mal vorbei. Ja, dann ist Vorsicht<br />
geboten!<br />
Trockendock heißt, beim Pipi gehen<br />
mitten in der Nacht zur Marina-<br />
Toilette eine steile Leiter runter- und<br />
raufkraxeln zu müssen, in der heißen<br />
Koje schmachten mit (wahrscheinlich)<br />
Antifouling-Geruch in der<br />
Nase. Eine Freundin, Musikschul-<br />
Direktorin, beneidete mich kürzlich,<br />
als ich ihr erzählte, wir hätten Pfingsten<br />
auf dem Schiff in der Werft verbracht.<br />
Sie sah uns segelnd bei sanfter<br />
Brise, dann im Sonnenuntergang<br />
einen schönen Hafen anlaufend, direkt<br />
vor dem Fisch lokal über die<br />
Nacht festgemacht. Ja – so etwas gibt<br />
es natürlich!<br />
Aber wir hatten zu Pfingsten das<br />
Mittelcockpit geschliffen und den<br />
Mast gelegt, damit er sich nicht selbst<br />
zu einem sicher ungünstigen Zeit-<br />
FOTO: SHUTTERSTOCK<br />
60 OCEAN WOMAN <strong>2018</strong>
punkt legt. Die Freundin schaute<br />
mich sichtlich verwirrt an. Dachte<br />
aber wahrscheinlich insgeheim, na,<br />
so schlimm kann dieses Werftgelände<br />
nicht sein, wenn man davon derart<br />
gut gebräunt heimkommt.<br />
HEAD IST NICHT IMMER KOPF<br />
Natürlich – Relingstützen polieren<br />
kommt einem Besuch im Sonnenstudio<br />
sehr nahe. Relingstützen?<br />
Als ich mein erstes Mal auf unserer<br />
Risho Maru segelte, war ich extrem<br />
verwirrt von Ausdrücken wie aufschießen,<br />
fieren, wenden und besonders<br />
gefährlich klang auslaufen. Was würde<br />
wo wie sehr auslaufen und könnte das<br />
meine Gesundheit gefährden?<br />
Nach einem Sommer mit dem geduldigsten<br />
Kapitän von allen wusste<br />
ich, dass die „Schnürdln“ Taue heißen<br />
und hatte ohne deswegen extra<br />
die Toilette zu besuchen gelernt, was<br />
ein Bootsmannsstuhl ist. Zur Toilette<br />
fällt mir der „Pützkübel“ ein. Den<br />
Ausdruck hörte ich das erste Mal von<br />
deutschen Fahrtenseglern, die mit<br />
ihrem (randvollem) Pützkübel jeden<br />
Morgen zur Marina-Toilette gingen.<br />
Wir waren am Trockendock, eh klar!<br />
Übrigens brauchte ich lange, um zu<br />
kapieren, dass das Klo an Bord bei<br />
den Engländern als „Head“ bezeichnet<br />
wird. Warum „Kopf “ für genau<br />
das Gegenteil? Weil früher auf den<br />
alten Segelbooten das Klo ganz vorne<br />
angebracht war, über dem Wasser,<br />
um alles gleich sauber zu entsorgen.<br />
Und diese Bezeichnung gilt bis heute.<br />
Viele dieser nautischen Ausdrücke<br />
stammen aus alten Zeiten und scheinen<br />
Segelneulingen etwas altmodisch.<br />
Dabei sind sie einfach präzise und<br />
sorgen für Klarheit und Sicherheit.<br />
Es ist nun mal wesentlich klarer, wenn<br />
der Kapitän die Anweisung „Großsegel<br />
fieren“ gibt als zu beschreiben,<br />
man soll doch das Seil rechts von<br />
einem, das um diesen Metalltopf<br />
gewickelt ist, etwas locker lassen.<br />
Ein Boot im Trockendock ist kein<br />
Ort für einen Wellness-Urlaub.<br />
Klar, wenn’s gemütliches Flachwasser/Schönwetter<br />
Segeln ist, kann so<br />
eine Erklärung perfekt sein, doch<br />
wenn die Gewitterfront im Anmarsch<br />
ist, könnte es ungemütlich werden.<br />
ANKERN MITTEN IM ATALNTIK<br />
Immer wieder fragten mich Nichtsegler,<br />
wie es denn sei, mitten auf<br />
dem Atlantik zu ankern.<br />
Die Vorstellung, wie lange eine Ankerkette<br />
sein müsste, um den Ozeanboden<br />
zu erreichen, dringt in nicht<br />
nautisch geprägte Gehirne nicht ein.<br />
Das hat aber nichts mit Dummheit zu<br />
tun. Es ist doch in jedem Interessensgebiet<br />
so. Ich komme vom Theater und<br />
ein Durchlauf bedeutet nichts Medizinisches,<br />
sondern die Anweisung,<br />
einmal das Theaterstück im Ganzen<br />
durchzuspielen. Mein Sohn erzählt<br />
mir, ein gewisser Typ hat den Swag,<br />
was nicht bedeutet, dass er an einer<br />
gefährlichen Infektionskrankheit leidet,<br />
sondern einfach, dass er cool ist.<br />
Oder mein Mann greift gerne zum<br />
Ruder und meint damit nicht das alte<br />
Plastikruder in unserem Dingi, sondern<br />
seine Stratocaster E-Gitarre.<br />
Swag? Strat? Dingi? Man kann immer<br />
und überall dazulernen, oder?<br />
JETZT FUNKT‘S<br />
Und das war es, was mir schließlich unglaubliche<br />
Freude auf dem Schiff machte.<br />
Als ich plötzlich auch diese Sprache<br />
zu sprechen begann und Segel-Kataloge<br />
und -Magazine nicht verwirrend und<br />
irritierend auf mich wirkten. Und jetzt<br />
noch die Lösung des Sprachrätsels vom<br />
Beginn der Kolumne – extra für Segeleinsteiger<br />
und oceanwoman-<br />
Kolumnen-Neulinge: Alles verstanden<br />
(amerikanische Funkersprache). Ruft<br />
mich am Handy an, wenn ihr da seid,<br />
ich hol’ euch beim Eingang ab (Kurzfassung).<br />
Wenn alles passt, gehen wir<br />
heut noch Segeln (frei ankern lasse ich<br />
aus – kann man in Kroatien eh bald<br />
nicht mehr). Hoffe, ihr habt ihr die<br />
Kids bei der Oma gelassen! Ciao. <br />
Oben: Peter mit Flautenschieber (= Motor).<br />
Links: Pfingsten beim Schiff (nur auf dem Trockendock).<br />
Rechts unten: der Franzl (= unsere Windsteueranlage).<br />
OCEAN WOMAN <strong>2018</strong> 61
Der Kran kommt!<br />
AUSGABE 6/2015<br />
.<br />
Kürzlich kam in der Werft ein Seglerfreund vorbei und fragte, ob wir dabei sein könnten,<br />
wenn sein Schiff gekrant wird. Einfach so. Falls noch ein paar Hände benötigt würden.<br />
Zum x-ten Mal gekrant und immer noch nervös! Ziemlich typisch, finden Sie nicht?<br />
Ich erinnere mich gut, als ich das<br />
ersten Mal beim Kranen unserer<br />
Risho Maru dabei war. In Griechenland,<br />
in einer mittelgroßen<br />
Werft mit einer sehr kleinen Box, die<br />
für einen Katamaran mit einem Außenboder<br />
ohne Möglichkeit im Stand<br />
zu drehen, schnell zu klein wurde.<br />
Natürlich fegte ein starker Wind und<br />
natürlich drückte die Strömung auch<br />
noch von der Seite.<br />
Ich hatte mich nicht nur in den<br />
Skipper, sondern auch in dieses<br />
Schiff verliebt und konnte mir unmöglich<br />
vorstellen, wie unser Liebstes<br />
je an Land stehen könnte, vor<br />
allem jemals in diesem seltsamen<br />
Gefährt auf vier Rädern mit zwei<br />
Gurten hängen sollte – die mich an<br />
diverse Transporte meines Pianos<br />
in Wien erinnerten. Nur natürlich<br />
größer und viel stärker.<br />
Hoffentlich.<br />
Mein Skipper schien ruhig und<br />
konzentriert. Etwas sehr konzentriert<br />
für meinen Geschmack. Vielleicht<br />
doch nervös? Hatte er mir doch nicht<br />
alles über das Kranen erzählt? Gut<br />
nur, dass dieses erste Mal vor You<br />
Tube-Zeiten passierte. Ich hatte also<br />
keine Bilder vor mir von ins Wasser<br />
kippenden Schiffen, von Mobilkränen<br />
begraben, zerschmettert, zerhackt,<br />
auf Grund gesetzt.<br />
Immerhin schafften wir es unter<br />
Müh’ und Not in die Mini-Box.<br />
Heutzutage – das heißt seit diesem<br />
Sommer – blitzt unter unserem<br />
Schiff ein zweiter Außenborder und<br />
das Beste an diesem Ersatzmotor ist<br />
seine Fähigkeit, uns bzw. unser Schiff<br />
im Stand zu drehen und das Bauchweh<br />
vor dem Kranen um einige Prozent<br />
zu reduzieren.<br />
Damals lagen wir endlich in der<br />
Box und bevor sich mein bis zum<br />
Hals klopfendes Herz wieder beruhigen<br />
konnte, jagte mir ein Schauer<br />
62 OCEAN WOMAN <strong>2018</strong>
Wir fragten den Kranfahrer, wie oft denn der Kran gewartet<br />
wurde. Die Antwort: alle drei Monate – je nach Bedarf.<br />
über den Rücken, ausgelöst vom<br />
Lärm eines sich nähernden Gefährtes<br />
– auch Travel Lift genannt.<br />
Mein Skipper hatte mir am Vorabend,<br />
um mich zu entspannen, bei<br />
einem Gläschen griechischen Weins<br />
erzählt, dass er sein Schiff schon auf<br />
die abenteuerlichsten Arten in das<br />
und aus dem Wasser geschafft hatte.<br />
Höhepunkt war sicher in einer winzigen<br />
Marina im Ionischen Meer gewesen,<br />
mit einem Traktor, der das<br />
Schiff über eingeseifte Planken gezogen<br />
hatte.<br />
Als das Schiff wieder ins Wasser<br />
musste, wurden einfach die Kiele<br />
eingeseift und ab ging es die Rutsche<br />
runter! Auch ein Autokran war bereits<br />
zum Einsatz gekommen. Hätte<br />
der Kapitän damals eines dieser<br />
„Yacht fällt vom Kran“-Videos gekannt<br />
– lieber hätte er sein Schiff eigenhändig<br />
aus dem Wasser gezogen!<br />
GLÜCKLICH OHNE GURT<br />
Auf unserer Weltumsegelung waren<br />
uns natürlich auch einige Kranmethoden<br />
untergekommen.<br />
In Curaçao in der holländischen<br />
Karibik befand sich die Marina hinter<br />
der Ölraffinerie. Das Wasser hatte<br />
Farbe und Geruch derselben, nichtsdestotrotz<br />
erschien der Besitzer der<br />
Marina im Neoprenanzug und mit<br />
Taucherbrille und tauchte unter unserem<br />
Schiff in dieser Brühe, um es<br />
auf einer Art Anhänger richtig zu<br />
positionieren. Der wiederum wurde<br />
von einem traktorähnlichen Gefährt<br />
aus dem Wasser gezogen.<br />
In Neuseeland wurden wir auf einem<br />
hydraulischen Trailer bei strömendem<br />
Regen per Bagger aus der<br />
Box gezogen. Der Marina-Angestellte<br />
Cullum war in Ölzeug aus den<br />
1950er Jahren gekleidet und sah aus,<br />
als könne ihn nichts erschüttern.<br />
In Malaysia mussten wir glücklicherweise<br />
nicht aus dem Wasser, bewunderten<br />
aber die schönen Marinas<br />
und Werften und ein Fahrungetüm<br />
namens „Sea Lift“, das alle Yachtbesitzer<br />
glücklich machte, weil auf<br />
Gurte verzichtet wurde.<br />
Verständlich – die Geräusche, die<br />
ein Schiff von sich gibt, wenn es mit<br />
Gurten gehoben wird, sind angsteinflößend.<br />
Ein Quietschen, Knarzen<br />
und Raunzen, das selbst gestandene<br />
Seebär innen und Seebären erzittern<br />
lässt. Betrachtet man epische Kran-<br />
Desaster, sind es immer die Gurte,<br />
die versagen, oder besser die Gurtanleger,<br />
die nicht wissen, wo genau<br />
man denn so einen Gurt platzieren<br />
sollte.<br />
MACH’ DIR EIN BILD<br />
Ein durch Gurte rutschendes Schiff,<br />
ein in Gurten gefährlich schwingendes<br />
Schiff, ein von Gurten gezweiteiltes<br />
Schiff. Es gibt inzwischen an manchen<br />
Schiffen Plaketten, die darauf<br />
hinweisen, wo die Gurte liegen sollten.<br />
Eine bekannte Schiffsversicherung<br />
rät auf ihrer Website, das Schiff<br />
im Kran zu fotografieren und es dem<br />
Kranfahrer zu zeigen. Aber wer<br />
schafft schon bei all dieser Aufregung,<br />
den Fotoapparat oder das Handy<br />
nicht auf dem Schiff zu vergessen?<br />
Erstmals übrigens fragten wir diesen<br />
Sommer den Kranfahrer unserer<br />
Marina, wie oft denn der Kran gewartet<br />
wurde. Die Antwort: alle drei Monate<br />
– nach Bedarf. Nach Bedarf? Was<br />
muss denn passieren, damit Bedarf …<br />
Ach, lassen wir das Thema besser …<br />
All das wusste ich natürlich damals<br />
in Griechenland nicht. Ich hätte vor<br />
Freude springen können, als unser<br />
Schiff endlich an Land stand, fürchtete<br />
mich aber gleichzeitig vor dem ins-<br />
Wasser-Heben einige Monate später.<br />
Heute geht’s mir nicht anders, auch<br />
wenn ich inzwischen nach außen hin<br />
Contenance bewahre und seemänisch<br />
cool vor mich hinblicke.<br />
So wie die meisten Skipperinnen<br />
und Skipper – oder? <br />
<br />
Kran, Traktor, Bagger:<br />
Die Risho Maru<br />
in der Stella Marina/<br />
Italien, in der Curaçao<br />
Marina/Curaçao und in<br />
der Whangarei Marina/<br />
Neuseeland.<br />
OCEAN WOMAN <strong>2018</strong> 63
FOTO: SHUTTERSTOCK<br />
Im<br />
Das Schiff ist gut versorgt, neue Teile sind bestellt, alte Teile entrostet, im<br />
Schlafzimmer liegt der verzinkte Anker, im Jugendzimmerwandschrank<br />
die neuen, blaugestreiften Sitzpölster, im Abstellkammerl der reparierte<br />
Außen border. Chartersegler haben das Griechenland-/Italien-/Kroatien-/<br />
Türkei-Törn video rechtzeitig zum Allerseelenkaffee bei den Schwiegereltern<br />
präsentiert. Schön und gut. Es ist Winter. Auch für SeglerInnen.<br />
Winterlager<br />
AUSGABE 2/2015<br />
Die Segelsaison in der Karibik<br />
hat begonnen, leider<br />
haben die Online-Segelshop-Bestellungen<br />
das<br />
Konto leergeräumt und der Stille<br />
Ozean mit seinen Inselchen findet<br />
sich höchstens am stillen Örtchen<br />
mit seinen Yachtzeitungen. Nebensaison.<br />
Oder für die meisten grad<br />
gar keine Saison.<br />
Was tut ihr SeglerInnen jetzt gerade<br />
da draußen? Was ist euer Ventil?<br />
Denn einfach so abschalten, ausstecken<br />
lässt sich die Segelleidenschaft<br />
ja doch höchstens, wenn der letzte<br />
Kroatienurlaub sturmgepeitscht war.<br />
Und selbst dann denkt man dran,<br />
wie großartig die Erzählungen von<br />
der Windhose vor Dubrovnik im<br />
Freundeskreis angekommen sind.<br />
Und die Nachtfahrt bei Bora, als der<br />
Arbeitskollege über der Reling hing<br />
und versprach, sämtliche Fenstertage<br />
freiwillig zu übernehmen, wenn man<br />
nur endlich ...<br />
In meinem Seglerfreundeskreis<br />
geht man wandern oder – wenn’s<br />
Schnee gibt – auf Skitouren. Das ist<br />
sehr beliebt, vor allem weil man<br />
dann gleich das neue GPS testen<br />
kann.<br />
Manche finden sich in apfelverzierten<br />
Fachgeschäften vor flachen<br />
Narrenkasteln, die einem doch glatt<br />
64 OCEAN WOMAN <strong>2018</strong>
ausrechnen, wie lang man von Pula<br />
nach Kuba braucht. In Seemeilen.<br />
Oder von Lignano nach Tonga.<br />
Korfu–Tahiti. Rovinj–Neuseeland.<br />
Andere wiederum surfen nicht auf<br />
der Welle, sondern im Netz. Betrachten<br />
Promotion-Videos diverser Super-Klassikyachten,<br />
moderiert von<br />
einem Segeljournalisten, der sich vor<br />
Glück nicht mehr halten kann, weil<br />
die Inneneinrichtung sogar eine<br />
Werkstatt inklusive Drehbank bietet!<br />
Gar nicht zu reden von der Badewanne<br />
mit Messinggriffen und intarsienverziertem<br />
Handtuchwärmer.<br />
Der nächste Handgriff? Der zum<br />
Lottoschein. Es muss irgendwann<br />
doch klappen!<br />
Und was dann? Dann wird natürlich<br />
dieser Katamaran aus einem<br />
französischen Atelier erstanden! Das<br />
Prachtstück stellen wir erstmal nach<br />
Portugal. Für ein halbes Jahr. Und<br />
schauen uns die Gegend an. Danach<br />
über den Atlantik nach Belize. Nein,<br />
vorher New York.<br />
Dort leben wir in Maine, natürlich<br />
auf dem Schiff, deswegen wäre die<br />
18-Meter-Ausführung genau richtig.<br />
Aha, sag’ ich, und stolpere beim Wäsche<br />
aufhängen über die Ankerkette.<br />
MODELLBOOT-AUSSTELLUNG<br />
Das Handy läutet. Dran eine enthusiastische<br />
Segelfreundin, die<br />
eine Einladung bereithält. Modellboot-Ausstellung<br />
in Weidling bei<br />
Klosterneuburg.<br />
Der Nebel zieht durch den Wienerwald,<br />
drei Weltumsegler drücken<br />
die Tür zur ortsansässigen Galerie<br />
auf und flüchten in die maritim getränkte<br />
Atmosphäre. Schiffe! Alte<br />
Segler!<br />
Santa Maria, Endeavour, Kon Tiki,<br />
wunderschöne alte Yachten, Segeltuch<br />
– viele Quadratzentimeter feinstens<br />
verarbeitet, die verschiedenen<br />
Decks vorwiegend von Männlein in<br />
Legoformat bevölkert, die stumm<br />
Befehle weiterleiten und noch stummer<br />
ausführen.<br />
Der Herr über diese Prachtstücke<br />
ist Heinz, ein stiller, etwas schüchtern<br />
wirkender Mittsechziger. Wir<br />
outen uns als Freunde von den<br />
Freunden, denen er als Tischler die<br />
Inneneinrichtung ihres Kats gezimmert<br />
hat, der vor uns am Austellungstisch<br />
als grandioses Model<br />
steht. Typisches Seglergeplauder.<br />
Und dann: „Nein. Segeln geh’ ich nie,<br />
das hat mich nie interessiert. Aber<br />
das Bauen im Miniformat schon.“<br />
Im Sommer, wenn das Bad offen ist,<br />
geht der Heinz lieber schwimmen,<br />
mit den Enkerln, aber sonst fließt<br />
alle Energie ins Bauen seiner Schiffe.<br />
Eines im Jahr oder zwei. Im Winter<br />
ist noch mehr Zeit vorhanden.<br />
„Segeln geh’ ich nie, das<br />
hat mich nie interessiert.<br />
Aber das Bauen im<br />
Miniformat schon.“<br />
„Und was ist an diesem Boot noch<br />
nicht fertig“, fragt unser Sohn, der<br />
15-jährige Weltumsegler, dabei auf<br />
einen wunderschönen Doppelmaster<br />
blickend? „Die cremefarbenen Taue<br />
müssen dringend ausgewechselt werden!<br />
Und die Ankerkette“.<br />
„Ich hätte eine im Schlafzimmer“,<br />
rutscht es mir fast heraus.<br />
Ein Segelfan, der nicht segelt und<br />
sich über Nebensaison, Winterlager<br />
und dergleichen noch nie den Kopf<br />
zerbrochen hat! Ich überlege kurz, ob<br />
das Modellbauen eine Ersatzreligion<br />
für mich wäre. Ein Blick auf die perfekte<br />
Naht des Hauptsegels einer<br />
Dschunke im Millimeterformat und<br />
schon löst sich dieser Gedanke ebenso<br />
schnell in Nichts auf wie der Novembernebel,<br />
der gerade noch über<br />
dem Wienerwald hing.<br />
Wir kehren heim, schön war’s:<br />
Schiffe, Segel und Menschen, die all<br />
das lieben, mitten in der Nebensaison.<br />
Passt doch, denke ich, als ich die<br />
Wohnungstür aufsperre und der<br />
schiffige Duft unseres Außenborders<br />
meine Nase umschmeichelt. Winterlager.<br />
Kann auch ganz schön gemütlich<br />
sein! <br />
<br />
OCEAN WOMAN <strong>2018</strong> 65
Krieg gegen<br />
den Rost<br />
AUSGABE 5/2016<br />
… und andere Arbeiten am Schiff<br />
„Jetzt hast du dir aber eine Menge Arbeit gekauft“, sagt der Verkäufer der Yacht<br />
zum Käufer. Dass dem tatsächlich so ist, weiß oceanwoman nur zu gut.<br />
Schreib’ doch einmal eine Kolumne<br />
über die Reling“, sagt<br />
mein Skipper, als er mein verbissenes<br />
Gesicht beim Entrosten der<br />
Relingstützen sieht. Ein altes Schiff<br />
ist wie ein altes Haus – man muss es<br />
andauernd pflegen, hegen, streicheln,<br />
ihm gut zureden und es entflugrosten.<br />
tisch in Wien und deswegen geht<br />
Abzählen gerade nicht. Der Skipper<br />
ist mit dem Jung-Skipper segeln auf<br />
der Alten Donau und wenn ich jetzt<br />
beginne, die Schiffsfotos zu sichten,<br />
werde ich nie mit dieser Kolumne<br />
fertig. Ich denke, es sind insgesamt<br />
zwölf. So viele?<br />
Die Reling! Ich möchte sie dennoch<br />
nicht missen. Der Name Reling<br />
kommt laut Wiki pedia entweder aus<br />
dem Neuenglischen – railing –, was<br />
soviel wie Geländer heißt oder auch<br />
aus dem Niederländischen – regeling<br />
–, was mit Riegel schön übesetzt ist.<br />
Es gibt die feste Reling oder die<br />
offene Reling. Bei der festen Reling<br />
findet sich in der Erklärung auch<br />
das Wort Schanzkleid.<br />
Oje, das Schanzkleid! Das wird<br />
mein nächster Job. Unser Schiff besitzt<br />
ein niedriges, hölzernes Schanzkleid,<br />
das gerne durch Hitze und<br />
Feuchtigkeit spröde bzw. rissig wird<br />
und eingeölt werden muss. Mach’<br />
ich im Herbst, versprochen!<br />
In früheren Zeiten zogen die<br />
Schiffsschreiner die Deckswand hoch<br />
und verbauten sie mit Holz oder<br />
Leinen. Dies diente zum Schutz vor<br />
flachfliegenden Kugeln im Gefecht<br />
oder eben Wind und Wasser.<br />
Heute sieht man die „festen“ Relings<br />
(ja, das ist die korrekte Plural-<br />
ENTROSTEN!<br />
Das ist mein Job und solange dieser<br />
Lieblingsjob nicht bei 40 Grad Mittagshitze<br />
auszuführen ist, hab’ ich<br />
mich damit abgefunden und muss<br />
gestehen, sogar fast etwas Meditatives<br />
darin zu sehen.<br />
Nachdem ich gedanklich die<br />
Schiffs-To-do-Liste durch- und übergangen<br />
bin, fällt mir, während ich den<br />
Reibeschwamm wieder und wieder in<br />
die Putzpaste drücke, ein, dass ich<br />
nicht vergessen sollte, meine Steuererklärung<br />
zu machen. Dieser Gedanke<br />
verflüchtigt sich rasch, und ich lande<br />
mitten in einem Rezept für Flammkuchen,<br />
das ich für einen Brunch in zwei<br />
Wochen unbedingt ausprobieren<br />
sollte. Wäre das nicht auch ein tolles<br />
Gericht an Bord zum Sundowner?<br />
Ich bin bei der dritten. Relingsstütze,<br />
mein’ ich. Von … wie vielen eigentlich?<br />
Ich gestehe: Natürlich entsteht<br />
diese Kolumne hier am Schreibform!)<br />
bei Ausflugsschiffen, Fischerbooten,<br />
Coastguarddampfern etc. –<br />
auf Segelbooten eher selten, außer sie<br />
stammen aus dem 18. Jahrhundert.<br />
„Die offene Reling besteht aus einer<br />
Reihe von senkrecht stehenden<br />
Stützen, über denen waagrecht das<br />
Relingprofil liegt.“ Einfach gesagt:<br />
Das, was so aussieht wie ein Zaun,<br />
rund ums Schiff.<br />
WOZU EINE OFFENE RELING?<br />
Zum Beispiel zum Wäsche aufhängen.<br />
Oder Festhalten, wenn man Poseidon<br />
opfern muss. Oder einfach,<br />
um ein Gefühl von Sicherheit an<br />
Bord zu haben. Netze, die zwischen<br />
die Relingstützen gespannt werden,<br />
bedeuten Kinder an Bord. Sehr oft<br />
aber auch Katzen bzw. Hunde. Finde<br />
ich nicht sehr sinnvoll, denn zur<br />
absoluten Sicherheit müsste man<br />
das ganze Schiff damit über- und<br />
umspannen. Da wäre es dann wohl<br />
besser, den nächsten Urlaub auf dem<br />
Bauernhof zu verbringen.<br />
Übrigens nennt man zusätzlich ans<br />
hohe Schanzkleid angebrachte Netze<br />
auf Hochseeschiffen Leichenfänger.<br />
Leichen fängt man doch erst, wenn<br />
sie schon im Wasser sind, oder?<br />
Unsere Relingstützen sind genau<br />
die vorgeschriebenen 90 cm hoch,<br />
auf Ausflugsschiffen müssen sie<br />
66 OCEAN WOMAN <strong>2018</strong>
FOTO: FOTOLIA<br />
xxxxx xxxx<br />
110 cm hoch sein. Was aber nach wie<br />
vor manch männliche Crew nicht<br />
daran hindert, darüberzupinkeln.<br />
Übrigens eine der unseemännischten<br />
Verhaltensweisen weit und breit. Ist<br />
bei uns an Bord absolut verboten.<br />
Weiters kann man an der Reling<br />
das Dingi festmachen, sich im Notfall<br />
hochziehen (meist erfolglos), und<br />
hat man einen Riesenfisch an der<br />
Angel, kann man sich mit aller Kraft<br />
dagegenlehnen. Vorausgesetzt, alle<br />
Einzelteile des Schiffszauns sind entrostet<br />
und gewartet. Und man kann<br />
Blumenkästen daran festmachen.<br />
Zuletzt gesehen auf dem Neusiedler<br />
See auf einem Schrebergartenfloß.<br />
Inzwischen putze ich Numero 10<br />
und mein Skipper unterbricht kurz<br />
das Motorservice. „Relingslogge –<br />
Ich liebe diese Arbeit –<br />
wenn sie fertig ist.<br />
das hab ich früher oft gemacht“, und<br />
verschwindet wieder im Dieselnebel.<br />
GUTE ANREGUNG!<br />
Man wirft ein kleines Hölzchen auf<br />
der Leeseite des Buges ins Wasser<br />
und misst die Zeit, die es braucht,<br />
um am Heck des Schiffes anzugelangen.<br />
Die folgende Division: Schiffslänge<br />
durch gestoppte Zeit und et voilà: die<br />
Fahrt in Knoten!<br />
Andere Division: Zeit der Entrostung<br />
durch zwölf Relingstützen ergibt<br />
bei großer Hitze Anzahl der zu<br />
trinkenden Wassergläser hoch Sommersprossen<br />
verursacht durch Sonneneinstrahlung.<br />
Ich liebe Mathematik. Und Relingstützen<br />
entrosten. Am meisten,<br />
wenn ich damit fertig bin. <br />
PS: Der Skipper sagt gerade, es sind<br />
20 Relingstützen … du meine Güte!<br />
Saubere Reling, saubere Wäsche.<br />
Immer schön schleifen …<br />
Skipperin mit Putztrupp.<br />
OCEAN WOMAN <strong>2018</strong> 67
FOTO: SHUTTERSTOCK<br />
xxxx<br />
FOTO: SHUTTERSTOCK<br />
Hin und wieder werde ich gefragt,<br />
ob Segeln nicht furchtbar langweilig<br />
wäre. Eine Bekannte beschwerte<br />
sich kürzlich über einen Chartertörn<br />
im Pazifik, weil es dort nichts zu tun gab.<br />
Keine Shops, keine Restaurants, keine<br />
Unterhaltung. Ich fragte, ob ihr die Atolle,<br />
Schnorchelausflüge, Sonnenuntergänge,<br />
Wolkenmalereien, Lesestunden, Inselerkundungen<br />
nicht gefallen hätten? Doch,<br />
aber für immer wäre das nichts für sie.<br />
Es sei einfach zu langweilig.<br />
Ich war etwas vor den Kopf gestoßen,<br />
denn fad war mir noch nie an Bord. Meinen<br />
Mann Peter fragte ich erst gar nicht,<br />
ihm war noch nie in seinem Leben langweilig<br />
und schon gar nicht auf seinem<br />
Wharram-Katamaran mit einigen Jährchen<br />
auf dem Buckel. Mein Sohn Finn<br />
sah mich irritiert an. „Langweilig auf dem<br />
Schiff? Nein, noch nie. Dann lese ich ein<br />
Buch oder schau’ in die Weite oder geh’<br />
ans Steuer.“ Nachsatz: „Tja, und wenn<br />
man dann irgendwo wieder einmal<br />
WLAN hat, freut man sich so richtig.“<br />
Also setzte ich mich hin und überlegte<br />
einmal, was SeglerInnen, die ich auf<br />
unserer viereinhalbjährigen Weltumsegelung<br />
kennengelernt hatte, so an Bord<br />
trieben. Bei den Männern waren die Aktivitäten<br />
klar und immer mit dem Schiff<br />
verbunden. Eine Gemeinsamkeit der<br />
Frauen: Die Männeraktivitäten gingen<br />
allen meist nach einiger Zeit auf die<br />
Nerven. Ja, ja – der Wassermacher ist ein<br />
Universum für sich und seine Pumpen<br />
ferne Galaxien. Aber deshalb drei Nachmittage<br />
lang diskutieren und beraten?<br />
Der Autopilot: Auch ich liebe einen,<br />
der funktioniert. Nur: Kann man ihn<br />
nicht einmal ein Wochenende vergessen?<br />
Warum Segeln<br />
AUSGABE 3/2015<br />
nicht langweilig ist<br />
Haben Sie schon einmal einem Harfenkonzert unter Palmen gelauscht, Bach auf<br />
Tonga genossen, Seeigelstachel als Schmuck getragen? Nein? Dann wird’s aber Zeit!<br />
68 OCEAN WOMAN <strong>2018</strong>
Vor allem, wenn man grad sicher in der<br />
Traumbucht liegt?<br />
Nicht Helmut. Ihm schenkten wir<br />
zum Geburtstag unseren alten Autopiloten.<br />
Er hat selbst einen funktionierenden<br />
und einen Ersatzpiloten, aber nichts<br />
konnte Helmut mehr erfreuen als die<br />
Aussicht auf eine langwierige, aussichtslose<br />
Reparatur. Sein Frau Ilse explodierte<br />
deshalb von Zeit zu Zeit. Als studierte<br />
Ägyptologin interessierte sie alles, was<br />
mit Geschichte zu tun hatte. Ob nun die<br />
uralten heiligen Marestätten auf Raiatea<br />
oder das Schifffahrtsmuseum in Ägypten.<br />
Aber auch die Tapa-Malereien auf<br />
Tonga im vergammeltsten Museum der<br />
Welt betrachtete sie voller Entzücken –<br />
ich an ihrer Seite nicht minder hingerissen.<br />
Bei uns zu Hause auf der Toilette<br />
hängt nun eine dieser Malereien und<br />
mehrmals täglich fühle ich mich nach<br />
Tonga zurückversetzt! Helmut hatte für<br />
so etwas selten Zeit …<br />
Architekt Michael aus Berlin wiederum<br />
hatte mehrere Computer mit Grafik-<br />
Planungsprogrammen an Bord, die ihm<br />
dazu dienten, sein perfektes Schiff zu<br />
planen. Wobei ich nichts mehr genoss<br />
als die köstlichen Sundowner auf seinem<br />
gemütlichen aktuellen Boot, zubereitet<br />
von seiner Frau Britta, die sich zum Ziel<br />
gesetzt hatte, Fische derart kreativ in<br />
Soja und Salz einzulegen, dass sie wie<br />
Tiroler Speck schmeckten. Britta war<br />
auch eine der Frauen, die über alles<br />
Technisch/Navigatorische/Nautische<br />
an Bord perfekt Bescheid wusste. Beide<br />
saßen stets am Morgen an Bord an den<br />
Mast gelehnt und tranken Schwarztee,<br />
den sie in der 100 Jahre alten Kanne<br />
von Brittas Uroma servierten.<br />
ARBEITE AN DIR SELBST!<br />
Laura aus Rhode Island mag keine Museen,<br />
es ermüdet sie, gestand sie mir<br />
einst. Anderseits ist sie Spezialistin, um<br />
perfekte Coffeeshops ausfindig zu machen,<br />
in welchem Hafen dieser Welt<br />
auch immer. Als wir völlig durchgerüttelt<br />
in Neuseeland ankamen, packte sie<br />
uns in ihr Leihauto und wir bekamen<br />
eine kulinarische Einführung zum Thema<br />
„Frühstücken in Neuseeland“. Flat<br />
white und Egg Benedict. Unvergesslich<br />
köstlich bis heute. Wenn Laura nicht das<br />
Land erforscht, spielte sie an Bord ihres<br />
Schiffes Bachmotetten auf ihrem E-Piano.<br />
Wie damals an diesem stürmischen<br />
Tag auf Tonga.<br />
Die Australierin Gail transportierte<br />
per Dingi sogar ihre Harfe auf das Atoll<br />
Suwarow und gab im Mondlicht unter<br />
Palmen „Heaven, I‘m in heaven“ zum<br />
Besten. Die ansässige Rangerfamilie und<br />
einige Segler lauschten verzückt. Der<br />
Kanadier Ian bastelte sein eigenes Kuhhandel-Kartenspiel,<br />
während er den<br />
Indischen Ozean überquerte. Lehrerin<br />
Hanne aus Dänemark unterrichtete freiwillig<br />
auf jedem Fleckchen dieser Erde –<br />
so auch unseren Sohn – in Weltreligionen.<br />
Ihr Mann Bo, Fotograf, hatte zum<br />
Thema ein Skript an Bord erstellt. Sam<br />
Menschen treffen,<br />
lesen, schreiben. Für<br />
mich ist Segeln nie<br />
langweilig.<br />
aus England kannte jede essbare Frucht<br />
auf dem Markt plus Rezept und Jack aus<br />
Neuseeland jedes essbare Getier aus dem<br />
Ozean plus Fangtechnik. Die Surferboys<br />
aus Vancouver Island hatten sich zum<br />
Ziel gesetzt, die besten Surfspots der<br />
Erde zu besuchen. Und gleichzeitig<br />
verschmutze Strände zu säubern.<br />
Und wir? Mein Mann Peter liebt jeglichen<br />
Wassersport, Inselwanderungen,<br />
Fischen und natürlich die Shipchandler<br />
auf der ganzen Welt. Meine Freude sind<br />
örtliche Märkte, die Menschen, das Lesen,<br />
das Planen eines Landausfluges und<br />
das Schreiben. Hätte ich damit nicht auf<br />
unserer Reise begonnen, gäbe es hier nix<br />
zu lesen! Segeln ist niemals langweilig.<br />
Eine befreundete Seglerin hatte zu<br />
diesem Thema eine interessante These.<br />
Sie erkannte eines Tages: Wenn etwas<br />
langweilig ist, dann sie selbst. Und so<br />
begann Ann an sich selbst zu arbeiten.<br />
Dafür ist auf einem Schiff nun wirklich<br />
viel Zeit vorhanden! Sie schenkte mir<br />
übrigens auf Samoa eine bezaubernd<br />
unstachelige Kette aus Seeigelstacheln.<br />
Schon einmal Brotfrucht Oil down gekocht?<br />
Oder Pandanus-Matten geflochten?<br />
Nein? Dann wird’s aber Zeit! <br />
Karla<br />
Schenk<br />
28.5.1932–15.2.<strong>2018</strong><br />
Wir waren auf unserer Weltumsegelung<br />
in Malaysien in der Telaga Marina angekommen,<br />
über die Stege gestrolcht und<br />
hatten den Katamaran der Schenks entdeckt.<br />
Wie spricht man solche Berühmtheiten<br />
an, ohne lästig zu wirken? Karla grinste<br />
mich an, ihre blauen Augen blitzten spitzbübisch.<br />
„Karla. So wie Karl, nur mit A“,<br />
sagte sie zu mir und streckte die Hand aus.<br />
Karl? Dass ich nicht lache – die Frau ist eine<br />
Mischung aus Meryl Streep, Piratenqueen<br />
Ann Bonny und einem Schiffsjungen!<br />
Ich hatte mir Karla größer vorgestellt.<br />
Kräftiger. Immerhin – eine Abenteurerin<br />
der Meere! Nicht nur, dass Karla den Atlantik<br />
mehrmals „übersegelt“ hatte, so hatte sie<br />
ihn auch überflogen – eigenhändig mit einem<br />
einmotorigen Flugzeugwinzling von<br />
Augsburg nach Feuerland in Argentinien.<br />
Bobby ist natürlich dabei gewesen. Anschließend<br />
ging man segeln am Kap Hoorn<br />
und flog dann gemütlich – natürlich eigenhändig<br />
– wieder über den Atlantik zurück.<br />
Das war 1989. In einem der vielen Bücher<br />
der Schenks sah ich ein Foto. Karla in Hotpants<br />
mit Riesensonnenbrille und big, big<br />
smile am Steuer der Thalassa. Die wilden<br />
Siebziger! Kein Wunder, dass Bobby dieser<br />
Frau zu Füßen gelegen ist. „Sportlich,<br />
schrill, mit Schmuck behängt wie ein<br />
Christbaum – das ist mein Stil!“ beschrieb<br />
Karla sich selbst. In der Telaga Marina in<br />
ihren letzen Segeljahren stellte sie sich gern<br />
aufs Achterschiff und pfiff durch die Finger<br />
– schon kamen die feschen Marinaboys dahergewieselt!<br />
„Alle Abenteuer wären nie<br />
passiert ohne Karla“, stellte Bobby damals<br />
klar. Sie wollte, er zog mit. Glaub’ ich sofort.<br />
Als ich Karla einige Jahre später auf einer<br />
Bootsmesse wiedertraf, tranken wir Espresso<br />
und redeten im Schatten der ausgestellten<br />
Superyachten über alles andere als<br />
Segeln. Karla liebte Storys, egal, ob wahr<br />
oder nicht. Nur gut erzählt mussten sie sein.<br />
Das was sie genauso wenig interessierte<br />
wie mich, waren schwachphilosophische<br />
Gespräche und Segelgeschwafel. Danke<br />
für die wunderbare Zeit mit dir, Karla!<br />
OCEAN WOMAN <strong>2018</strong> 69
xxxx<br />
Er: „Ich bin eher der Gewinnertyp“. Sie: „Ich eher<br />
die Fahrtenseglertypin.“ Damit war das Gespräch<br />
zwischen mir und einem Regattasegler eröffnet –<br />
und fast beendet. Das eine schließt das andere<br />
eben aus. Oder doch nicht?<br />
Auf die Plätze, fer<br />
Ich muss ganz ehrlich gestehen:<br />
Meine Regattaerfahrungen reduzieren<br />
sich auf eine abgebrochene Tall<br />
Ship-Regatta in Neuseeland auf dem<br />
Lastensegler Caliph unseres Freundes<br />
Antonio und eine wegen Starkwind<br />
abgesagten Clubregatta auf der Alten<br />
Donau. Beide Events verband bzw.<br />
unterschied der kulinarische Aspekt.<br />
An der Donau gab’s Würstel und Nudelsalat,<br />
in der Bay of Island Safran-<br />
Risotto und Champag ner. Antonio<br />
drehte sogar extra bei, damit auch der<br />
Steuermann gemütlich essen konnte.<br />
Womit man auch schon zusammenfassend<br />
sagen kann, was beim Regattasegeln<br />
besonderen Stellenwert hat:<br />
das gemeinsame Feiern nach dem<br />
Rennen!<br />
Bevor unser Gespräch völlig versickerte,<br />
merkte der Regattasegler<br />
noch an, das besonders Witzige am<br />
Regattasegeln sei: Am Abend machen<br />
alle gemeinsam Party, am<br />
nächsten Morgen sind alle Feinde.<br />
Klingt nach großem Spaß, finde ich.<br />
STREIT UM DIE HERRSCHAFT<br />
Das Wort Regatta schien erstmals in<br />
Venedig auf. Im Zuge eines Armbrusttrainings<br />
der adeligen Herren der<br />
Stadt hingen irgendwann im 13. Jahrhundert<br />
deren rudernde Chauffeure<br />
fadisiert in den Gondeln und beschlossen<br />
spontan, sich zu matchen.<br />
So wie ich die Italiener einschätze,<br />
war auch schon damals die Kulinarik<br />
nicht zweitrangig. Aus dem Venezianischen<br />
frei übersetzt, heißt „regata“<br />
soviel wie „Streit um die Herrschaft“.<br />
Im Duden steht zweifach erklärend:<br />
1. (Sport), auf einer markierten<br />
Strecke ausgetragene Wettfahrt<br />
für Boote.<br />
70 OCEAN WOMAN <strong>2018</strong>
AUSGABE 5/2015<br />
tig, los!<br />
2. (Textil), schmal gestreifter Stoff<br />
aus Baumwolle oder Zellwolle.<br />
Egal, ob in Baumwollstoff oder<br />
kratzigerem Material gekleidet: Zu<br />
Beginn wurde bei Regatten nur gerudert.<br />
Die Engländer brauchten ein<br />
bisschen länger, um Spaß am Wettkampf<br />
zu finden. Im 16. Jahrhundert<br />
wurde es den Fährschiffern auf der<br />
Themse langweilig, vielleicht wurden<br />
sie aber auch von ungeduldigen Passagieren<br />
dazu angefeuert, schneller<br />
zu sein als die anderen.<br />
Jedenfalls wurde 1715 mit Dogget‘s<br />
Coat and Badge das erste und bis heute<br />
älteste Wettrudern der Welt organisiert.<br />
Dogget war ein irischer Theaterkomödiant,<br />
der angeblich von einem<br />
Fährmann aus dem Wasser gerettet<br />
wurde. Auch hatte er eine weite<br />
Strecke zwischen seinem Wohnort<br />
und dem Theater zu bewältigen und<br />
was gibt es Peinlicheres, als zu spät ins<br />
Theater zu kommen – vor allem als<br />
Hauptdarsteller! Ein Grund mehr, die<br />
Fährmänner mit einer Rennparty bei<br />
Laune zu halten.<br />
Zur selben Zeit gab es in den Niederlanden<br />
die erste Yacht regatta zwischen<br />
zwei königlichen Schiffen Kathrine<br />
und Anne. Eines wurde vom<br />
englischen König Charles, dem Zweiten<br />
gesteuert. Der König verlor das<br />
Rennen blöderweise – dies war aber<br />
offensichtlich kein Grund, die Wettfahrt<br />
für immer abzusagen. Viele Regatten<br />
und 100 Jahre später gab‘s den<br />
ersten America‘s Cup!<br />
Bis heute gibt es dafür keine festgelegten<br />
Regeln, vielmehr bestimmt der<br />
Herausforderer die Regeln. 132 Jahre<br />
lang waren die Engländer die Herausforderer,<br />
dann übernahmen die Amerikaner<br />
die Führung, wenige Male<br />
unterbrochen von Schweizern und<br />
Neuseeländern. Eine einzige Regel<br />
ist in Schiffsplanken gemeißelt: Man<br />
braucht verdammt viel Geld, um dort<br />
überhaupt an den Start zu kommen.<br />
Das wiederum unterscheidet sich<br />
sehr vom Fahrtensegeln. Da kann jeder<br />
mitmachen, der Träume und<br />
handwerkliches Geschick beweist.<br />
Und selbst wenn ihm beides fehlt, ist<br />
er willkommen oder macht es trotzdem.<br />
Natürlich ist ein Schiff Voraussetzung<br />
– keine Frage –, aber wie dieses<br />
aussieht, ist mehr als indviduell!<br />
Bei Regatten sind solche Details<br />
festgelegt: Laser-Boote, Optimisten,<br />
Klassiker, Katamarane – whatever!<br />
Das gemeinsame Ziel für alle, allein<br />
im Ziel anzukommen!<br />
Beim Fahrtensegeln ist der Weg<br />
das Ziel und das Ziel meist bis auf<br />
einige Infos aus dem Hafenhandbuch<br />
unbekannt. Man braucht keine orange<br />
Boje, um zu wissen, dass man auf<br />
dem richtigen Kurs ist!<br />
Wobei – ganz unkompetitiv ist<br />
Fahrtensegeln natürlich auch nicht.<br />
Ich erinnere mich mit Vergnügen, als<br />
wir uns mit unseren amerikanischen<br />
Segelfreunden von der Sabbatical<br />
Three auf dem Weg nach Tonga<br />
matchten. Am-Wind-Kurs, die Amel<br />
46 Fuß legte sich ins Zeug und wir<br />
mit Katamaran kämpften vor uns<br />
hin. Dann in den frühen Morgenstunden<br />
Winddrehung achterlich,<br />
unsere Risho Maru flog dahin wie<br />
der magische Teppich und unsere<br />
rollenden Freunde winkten uns mit<br />
grünlichen Gesichtern nach. Angekommen<br />
sind wir alle und auch die<br />
anderen Stahl/Holz/Alu/Plastik-Gefährte<br />
in allen Größen und Designs.<br />
A VOYAGE FOR MADMEN<br />
Natürlich bleibt man vor dem Bildschirm<br />
hängen, wenn diverse Rennspinnen<br />
oder klassische Onedin-Linien-Vertreter<br />
über das Wasser jagen<br />
bzw. majestätisch schweben im Rahmen<br />
von Veranstaltungen, die gern<br />
nach Automarken, Uhrdesignern,<br />
berühmten Städten wie Hobart,<br />
Newport, Barcelona oder nach<br />
Schriftstellern benannt werden.<br />
Jule Verne zum Beispiel ist Namensvetter<br />
einer Regatta, die als einzige<br />
Regel hat, dass eine bestimmte<br />
Strecke unter 80 Tagen zu bewältigen<br />
sei. Oder man ist verrückt genug,<br />
macht bei einer Round the World<br />
Regatta mit und segelt dann statt ins<br />
Ziel einfach weiter – so wie Bernhard<br />
Moitessier.<br />
Diese legendäre „Voyage for Madmen“<br />
beendete nur einer von neun<br />
Seglern, nämlich der berühmte Sir<br />
Robin Knox-Johnson. Einer gab nach<br />
dem Kap Hoorn auf, ein anderer sank<br />
und einer names Crowhurst nahm<br />
sich das Leben, nachdem er ziemlich<br />
lange sein Logbuch gefaked hatte.<br />
Moitessier segelte lieber weiter in<br />
die Südsee mit der Begründung „Weil<br />
ich auf dem Ozean glücklich bin und<br />
vielleicht so meine Seele rette.“<br />
Möglich ist natürlich auch, dass<br />
man im Rahmen einer Regatta mit<br />
seiner dollarhoch gesponserten Superyacht<br />
einfach ein ziemlich großes<br />
Riff übersieht und gezwungenermaßen<br />
aufhören muss. Das sind dann<br />
die Geschichten, die sich die Fahrtensegler<br />
beim gemütlichen Zusammensitzen<br />
am Lagerfeuer am Strand<br />
erzählen. Einzige Regel beim Fahrtenseglen?<br />
Gut ankommen. In diesem<br />
Sinne: Fair Winds! <br />
Quelle: A voyage for Madmen<br />
Peter Nicols (2002)<br />
è www.britannica.com<br />
OCEAN WOMAN <strong>2018</strong> 71
Abendrot ist<br />
Seglers …<br />
AUSGABE 6/2016<br />
Und wieder einer dieser Sonnenuntergänge, die wohl nirgendwo sonst so herrlich zu<br />
betrachten sind wie vom Cockpit einer Segelyacht aus. Man genießt das Leben an Bord<br />
und den Sundowner in der Hand, lässt den Blick über die Bucht schweifen zu den<br />
sanften Hügeln der Insel vis-à-vis, zum Horizont – Farbenspiele!<br />
Und dann die beunruhigte<br />
Stimme der Skipperin:<br />
„Der Sonnenuntergang ist<br />
aber sehr rot. Gibt es da nicht diesen<br />
Spruch: ,Abendrot ist Seemanns Not‘<br />
– oder so ähnlich?“<br />
Auf der sich sanft in der Abendbrise<br />
wiegenden Segelyacht entfacht<br />
sich eine Diskussion, die erst enden<br />
soll, als sich die Dämmerung wie ein<br />
dunkelblaues Tuch über die Bucht<br />
gelegt hat. Und das allwissende Netz<br />
befragt wurde.<br />
„Abendrot und Morgenhell sind<br />
ein guter Wettergesell“, steht da zumindest<br />
im Bauernkalender und<br />
schließlich international: „Red sky<br />
at night, sailors delight.“ Red sky in<br />
the morning, sailor’s warning.<br />
Uff! Entspannt lehnt sich die Skipperin<br />
zurück und betrachtet die hell<br />
blitzenden Sterne am Himmelszelt.<br />
„Bei rotem Mond und hellen Sterne’<br />
sind Gewitter gar nicht ferne.“ Das<br />
neue Crew-Mitglied aus der Steiermark,<br />
erstmals per Schiff on Tour,<br />
hat nun mit dieser Weisheit aus dem<br />
Munde seines bäuerlichen Großvaters<br />
aus St. Stefan ob Stainz auch<br />
seine Wortspende zum nächtlichen<br />
Thema abgegeben.<br />
BLICK NACH OBEN<br />
Sind sie hell, die leuchtenden Sterne<br />
über uns? „Es gibt keinen Mond!“,<br />
streut der hungrige Teenager beiläufig<br />
ein und beginnt, das Dingi für<br />
den Aufbruch zum Strand-Restaurant<br />
klar zu machen.<br />
Kein Mond? Bringt Neumond nicht<br />
Schlechtwetter? „Neumond mit<br />
Wind ist zu Regen oder Schnee gesinnt“<br />
– das WLAN der Konoba<br />
funktioniert bestens an Bord. Zwar<br />
streicht gerade ein sanfter Windhauch<br />
über die kroatische Bucht, eines<br />
ist dennoch sicher: Mit Schnee<br />
ist nicht zu rechnen. Wobei ich mich<br />
gerade mit Schrecken an einen gar<br />
nicht lange zurückliegenden Sommer<br />
an Bord er innere: Ich verzehrte mich<br />
damals geradezu nach meinem Neuseeland-Fleecepullover.<br />
Du meine<br />
Güte, die Wolken formationen dieses<br />
Sommers hätten ganze Fotobände<br />
gefüllt!<br />
APROPOS WOLKEN<br />
Welche Wolken hatten wir denn heute,<br />
als wir die etwas stürmische Kvarner<br />
bezwangen? „Keine Wolken“,<br />
brummelt der Skipper und sucht<br />
seine Zigarillos im Schwalbennest.<br />
Keine Wolken? Autsch, das klingt gefährlich<br />
– so kann man ja überhaupt<br />
nichts voraussagen! „WeatherOnline<br />
spricht von einem stabilen Hoch“,<br />
ruft der Skipper aus der Kombüse auf<br />
der Suche nach einem Feuerzeug.<br />
„Wetter-Apps! Dass ich nicht lache!<br />
Sitzen die mit uns in einem Boot?“,<br />
denkt die nervöse Skipperin und erinnert<br />
die Mannschaft daran, dass<br />
irgendwann nach dem Einlaufen am<br />
Nachmittag am Himmel Cirren zu<br />
sehen waren.<br />
„Marestails and mackerel scales<br />
make tall ships carry low sails.“<br />
Unser steirisches Crew-Mitglied ist<br />
bereits eingetaucht in eine mit vielen<br />
Seglersprüchen gespickte britische<br />
Website. Wie bitte? Marestail heißt<br />
übersetzt Zinnkraut – und das hat in<br />
seiner Form eine Ähnlichkeit mit<br />
den Cirren. Die berühmten Cirrocumulus-Wolken<br />
ähneln hingegen den<br />
Schuppen der gemeinen Makrele.<br />
Da erhebt der Skipper seine Stimme:<br />
„Nun bleibt aber die Frage, ob diese<br />
Cirren am Nachmittag von SW nach<br />
NW gezogen sind? Das könnte<br />
Schlechtwetter ankündigen …“ „Oh<br />
nein!“, werfe ich ein. „… aber erst in<br />
zwei Tagen und nur, wenn sie sich<br />
verdichten“, ergänzt der Skipper und<br />
lächelt ganz fein.<br />
Kommt der Regen vor<br />
dem Wind, nimm die<br />
Segel weg geschwind.<br />
72 OCEAN WOMAN <strong>2018</strong>
Verdichtet haben sie sich nicht,<br />
der Sonnenuntergang war makellos.<br />
Aber rot. Ein sanfter Wind weht der<br />
Skipperin eine Locke ins Gesicht.<br />
Aus West, Ost, Nord oder Süd?<br />
„Landwind, es riecht nach gegrillten<br />
Calamares – ich hab’ Hunger“,<br />
ruft der 16-jährige Junior aus dem<br />
startklaren Dingi.<br />
Es riecht nach Fisch. Das hatten<br />
wir doch damals auch in der Megaflaute<br />
auf dem Atlantik, oder? Folgte<br />
dann nicht eine ausgewachsene Regenfront?<br />
„Kommt der Regen vor<br />
dem Wind, nimm die Segel weg geschwind.<br />
Kommt der Wind vor dem<br />
Regen, wirst bald Vollzeug setzen<br />
mögen.“<br />
„Der Spruch stimmt immer“,<br />
meint der Skipper und zieht genüsslich<br />
an seinem Zigarillo.<br />
Der Rauch zwirbelt sich senkrecht<br />
in die Höhe. „Steigt der Rauch ganz<br />
gerade in die Höh‘n, bleibt das Wetter<br />
lange schön“.<br />
„Bauernkalendersprüche sind beruhigender<br />
als jede Wetter-App!“,<br />
denkt sich die Skipperin, gönnt sich<br />
noch einen letzten Rundblick auf den<br />
klaren Abendhimmel und macht sich<br />
klar fürs Dingi. „Aber Vorsicht beim<br />
Anlegen am Steg“, ermahnt das steirische<br />
Crew-Mitglied und ergänzt:<br />
„Ist der Steg gespalten, hat der Skipper<br />
sich verschalten!“<br />
Gemächlich tuckern wir Richtung<br />
Konoba, hinter uns die immer kleiner<br />
werdende Segelyacht, deren Mast<br />
nach den Sternen zu greifen scheint.<br />
Gut so, denn: „Scheint die Sonne auf<br />
das Schwert, macht der Skipper was<br />
verkehrt!“<br />
<br />
„Bauernkalendersprüche sind<br />
beruhigender als jede Wetter-App“,<br />
denkt sich die Skipperin.<br />
„Abendrot und Morgenhell<br />
sind ein guter<br />
Wettergesell“, steht<br />
zumindest im Bauern -<br />
kalender.<br />
OCEAN WOMAN <strong>2018</strong> 73
FOTO: SHUTTERSTOCK<br />
xxxx<br />
(Lese)Ratten an Bord!<br />
Diesen Sommer waren es fünf in vier Wochen. Vorigen Sommer nur<br />
zwei in zehn Tagen. Auf der Weltumsegelung waren es zwei pro Woche.<br />
AUSGABE 1/2017<br />
Bei der Durchquerung des<br />
Mittelmeeres war man noch<br />
gut versorgt – der Kapitän<br />
zog zwar die Augenbrauen<br />
hoch, als auch die Vorschiffkoje um<br />
ein weiteres Regal zu bereichern war,<br />
aber die Seefrau an Bord hatte<br />
Durchsetzungsvermögen. Ab Gibraltar<br />
wurden die Bestände etwas mager,<br />
die deutschen Kolonien auf den<br />
Kanarischen Inseln hatten jedoch einige<br />
feine Shops mit erlesener Auswahl<br />
zu bieten. Ab der Karibik waren<br />
wir mit unseren deutschsprachigen<br />
Büchern am Ende.<br />
Nein, hier ist nicht die Rede von<br />
Törnplanungs-Ratgebern, Hafen-<br />
Handbüchern, Motorwartungs-Lektüre,<br />
Yachtelektronik-Fachbuch oder<br />
Literatur über Bootsbau und Refit<br />
von Segelbooten und Segelyachten.<br />
Es sind Bücher von Moitessier,<br />
Gebhard, Schenk, Slocum etc., die<br />
bei uns in der Navigationsecke stehen.<br />
„Medizin an Bord“, „Where there<br />
is no Doctor“ und „Die Proviant -<br />
fibel“ verstauben in zweiter Reihe,<br />
müssen aber einfach vorhanden sein.<br />
SCHWIERIG IN DER KARIBIK<br />
Erwähnte Sach- bzw. Pflichtliteratur<br />
wird ja meist schon in frühen Jugendtagen<br />
voller Abenteuerlust und<br />
Vorfreude auf Segelreisen verschlungen.<br />
Sie eignen sich aber auch hervorragend<br />
zur Überbrückung des<br />
graukalten Winters an Land. Hier ist<br />
jedoch von den tatsächlich an Bord<br />
gelesenen Büchern die Rede. Zwischen<br />
Kroatien, Griechenland und<br />
der Türkei beispielsweise. Nicht<br />
wenige auch auf Menorca, Mallorca<br />
oder Ibiza. Sommersegler präferieren<br />
Bestseller, Sommerhits oder Bücher,<br />
die nicht gerade zum Nachdenken<br />
animieren, sondern einfach verschlungen<br />
werden wie eine Handvoll<br />
Chips beim Sundowner.<br />
Blauwassersegler legen sich in der<br />
Regel ein ansehnliches Repertoire<br />
ausgewählter Bücher zu, bevor sie die<br />
Leinen lösen. Bücher, die sie immer<br />
schon einmal lesen wollten. Wälzer<br />
über Geschichte, Naturwissenschaft,<br />
74 OCEAN WOMAN <strong>2018</strong>
Jetzt habe ich einen E-Reader und<br />
verstehe, warum Segelfreundin Laura<br />
die ganze Zeit so davon schwärmte.<br />
Spannend entspannend:<br />
Liegen und Lesen an<br />
Bord der Risho Maru.<br />
Astronomie, Weltliteratur. Zur Auflockerung<br />
gibt’s zwischendurch spannende<br />
Fälle diverser Kommissare aus<br />
der Provence, Italien, Wales oder<br />
Schweden, die die Crew auf Nachtwache<br />
begleiten wie gute Freunde.<br />
Schwierig wird es wie schon gesagt<br />
in der Karibik, wenn man am Ende<br />
der Atlantiküberquerung sogar das<br />
Impressum der auf Lanzarote erstandenen<br />
„Zeit“ ganz genau studiert hat<br />
und auch den Wortlaut so mancher<br />
Traueranzeige wortgenau wiedergeben<br />
kann. Der englischen Sprache<br />
mächtig zu sein macht dann nicht<br />
nur Sinn, um sich mit anderen Leuten<br />
und Mitseglern in der Welt da<br />
draußen zu verständigen, sondern<br />
bereitet auch Freude, wenn man das<br />
„Book Swap“-Regal in so mancher<br />
Marina oder Seglerbar entdeckt.<br />
Dort hinterlassen Segler aller Nationen<br />
ihre gelesenen Bücher und nehmen<br />
sich im Austausch andere mit.<br />
Bei einer Weltumsegelung gelangt<br />
durch diesen regen Austausch einiges<br />
an Literatur an Bord, die man zu<br />
Hause eher links liegen gelassen hätte.<br />
Zum Beispiel die Geschichte der<br />
bodenständigen Giorgia, die sich im<br />
Jahre 1830 in einen guten Samariter<br />
verliebt, der unter Amnesie leidet<br />
und sich letztendlich als Landgraf<br />
entpuppt. Fünf Bände. Wunderschön!<br />
Vor allem, wenn man noch<br />
ein Monat warten muss, bis Besuch<br />
von zu Hause mit frischer Lektüre im<br />
Gepäck ankommt. Die „Mini Libreria“<br />
im kolumbianischen Cartagena<br />
fasst vier englischsprachige Bücher.<br />
Alle von Garcia Marquez, alle schon<br />
dreimal gelesen – denn Literatur einheimischer<br />
Autoren hat höchste Anziehungskraft.<br />
LIES, WO DU BIST<br />
Aber auch Bücher mit Schauplätzen,<br />
die man gerade durchsegelt – wie<br />
zum Beispiel die spannende Geschichte<br />
des Panamakanals in „The<br />
Path between the Seas“ von David<br />
McCullough. In einem Bookstore auf<br />
der Antilleninsel Bequia entdeckte<br />
ich V.S. Naipaul, den Literatur-Nobelpreisträger<br />
aus Trinidad, dessen<br />
Buch „A House for Mr. Biswas“<br />
weltberühmt wurde. In der Südsee<br />
schenkte mir ein Segler Kopien des<br />
Buches „An Island for myself “ von<br />
Tom Neal, dem verrückten Neuseeländer,<br />
der mehrere Jahre auf dem<br />
Atoll Suwarow lebte und sich mit einer<br />
Salzwasserente anfreundete. Was<br />
für ein Erlebnis, letztlich selbst in<br />
seinem Haus auf Suwarow zu stehen<br />
und sein Leben zu rekapitulieren.<br />
In Penang in Malaysien kaufte ich<br />
mir einige Kochbücher voller ungewöhnlicher<br />
Gerichte, die ich nie<br />
nachkochen werde, weil die Hälfte<br />
der Ingredienzien sonst nirgendwo<br />
auf der Welt zu kriegen ist. Auf Bali<br />
kam ich natürlich nicht an „Eat, Pray,<br />
Love“ von Elisabeth Gilbert vorbei.<br />
Auf dem Indischen Ozean las ich<br />
sämtliche damals erhältliche Dan<br />
Brown-Thriller. Dies lenkte von<br />
den unruhigen Gewässern vor dem<br />
Jemen etwas ab.<br />
Im Suezkanal zerstörte der grässliche<br />
Nordwind „Das große Praxisbuch<br />
der Traumdeutung“ von Klausbernd<br />
Vollmar, weil es leider unter<br />
einer schlecht verschlossenen Luke<br />
lag. Die Seiten zum Thema „Schulträume“<br />
kleben bis heute salzsauer ineinander.<br />
In der Setur Finike Marina<br />
in der Türkei durchforstete ich verzweifelt<br />
die kleine Bibliothek und<br />
vertiefte mich in eine Reihe von Romantic<br />
Novels einer auf dem Cover<br />
ausgewiesenen amerikanischen Bestsellerautorin,<br />
von der ich noch nie<br />
etwas gehört oder gelesen hatte.<br />
Durch die Ägäis begleitete mich Paul<br />
Theroux’s „In den Gestaden des Mittelmeers“,<br />
ab Kroatien kauften wir<br />
uns das Spiegel-Magazin.<br />
Heutzutage schlafe ich zu Hause im<br />
Alltagsleben nach zwei Seiten ein –<br />
egal wie toll, aufwühlend, spannend<br />
das Buch ist. Im Sommer auf dem<br />
Schiff habe ich seit letztem Jahr einen<br />
E-Reader und verstehe jetzt, warum<br />
unsere Segelfreundin Laura die ganze<br />
Zeit so davon schwärmte. Wie<br />
herrlich, zwischen 800 Büchern wählen<br />
zu können! Jaja, ich weiß schon:<br />
Nichts ist schöner als ein richtiges<br />
Buch zwischen den Fingern zu spüren.<br />
Aber keine Nachtwache mehr<br />
mit drückender Stirnlampe auf dem<br />
Kopf hat auch seinen Reiz – selbst<br />
die Lesebrille kann ich getrost im<br />
Schwalbennest belassen!<br />
Und Bücher, die in gedruckter<br />
Form längst vergriffen sind, werden<br />
Leseratten auf diesem digitalen Weg<br />
wieder zugänglich gemacht. So auch<br />
unser Buch „Wellenzeit – Drei segeln<br />
um die Welt“. Wobei ich mit nicht<br />
wenig Stolz sagen muss, dass unser<br />
Buch von einer deutschen Seglerin<br />
auf einem österreichischen Boot in<br />
Australien im Bücherregal gesichtet<br />
wurde – und dieses gedruckte Exemplar<br />
trotz aller Bitten nicht verborgt<br />
wurde. <br />
<br />
OCEAN WOMAN <strong>2018</strong> 75
See in Rot-<br />
„Treffen sich vier Yachten aus vier Bundesländern in einer abgelegenen Südsee -<br />
bucht …“ – ein Witz, möchte man meinen. Ist aber eine typisch österreichische<br />
Geschichte nach einer wahren Begebenheit auf einer Insel im Südpazifik.<br />
Der Horizont erstrahlt an<br />
diesem Abend fernab der<br />
Heimat in orange-gelb-türkiser<br />
Südseepracht. Eine Ankerbucht<br />
auf Nuku Hiva. Pazifischer Traum.<br />
Schwarzer Sand. Grüne Berge.<br />
Und dann Rot-Weiß-Rot. Österreicher<br />
laufen ein. Ein ungewohntes<br />
„Griaß enk!“ schallt von der Yacht<br />
Schatzi, als sie unseren Katamaran<br />
passiert.<br />
Unsere amerikanischen Segelfreunde,<br />
die genüsslich den Sundowner<br />
mit uns teilen, staunen nicht<br />
schlecht. Diese Austrians … Haben<br />
keinen Ozean zur Verfügung, sind<br />
aber wirklich überall auf den Weltmeeren<br />
anzutreffen! Vier Yachten<br />
aus vier Bundesländern in einer abgelegen<br />
Südseebucht. „Tyrol? The<br />
country of skiing and mountains?“<br />
„Yes“, antworte ich, und der Anker<br />
der Tiroler fällt klatschend vor<br />
uns ins Wasser.<br />
Nun springt der Außenborder<br />
der Wiener von links hinten an.<br />
Burli, der echte Wiener Dachshund,<br />
wird Gassi geführt mit kurzem<br />
Stopp bei den Neuankömmlingen.<br />
„Servus!“, ruft der Wiener<br />
Skipper Schurli. „Isch des bärig!“,<br />
antwortet der Tiroler. „Mei, schian!<br />
Ihr seid’s då!“<br />
Man kennt sich auf den Welt -<br />
meeren. Zumindest unter Öster -<br />
reichern ist das recht auffällig. Der<br />
Hang zum Schrebergarten wahrscheinlich.<br />
„Wuits auf a Bier rüberkommen?“,<br />
schallt es quer über die Bucht<br />
von links vorne. Steirischer Riesen-<br />
Katamaran. Skipper Ronnie unterwegs<br />
mit drei Ehepaaren aus Graz,<br />
die heute im Luxus-Ressort ein<br />
Candle-Light-Dinner verzehren.<br />
Risho Maru – irgendwo<br />
im Paradies auf Erden.<br />
76 OCEAN WOMAN <strong>2018</strong>
Weiß-Rot<br />
AUSGABE 2/2017<br />
DIE EX? A BLEDE FUNZEN!<br />
Ronnie – übrigens aus Bruck an der<br />
Mur – hat sich gestern bei uns ausgeweint.<br />
Viel lieber würde er die<br />
Welt alleine umsegeln, aber leider:<br />
Seit der Scheidung von seiner segelunwilligen<br />
Ehefrau muss er sich erst<br />
ein neues Schiff verdienen. „Blede<br />
Funzen.“ Unsere Berliner Segelfreunde<br />
von der Vera, die auch bei<br />
uns im Cockpit sitzen, verstehen<br />
kein Wort und denken kurz, der<br />
Typ spräche Fidschianisch.<br />
Alle freuen wir uns über die Ankunft<br />
der Burgenländer Gerhard<br />
FOTO: SHUTTERSTOCK<br />
und Veronika zwei Tage später. Sie<br />
segeln im Konvoi mit Holländern,<br />
deren Motor den Geist aufgegeben<br />
hat. Der steirische Skipper hat die<br />
passenden Ersatzteile en masse an<br />
Bord und mein Skipper plus der<br />
Wiener Schurli basteln, bis der<br />
Diesel wieder fröhlich brummt.<br />
Die Amerikaner kochen am Abend<br />
Fleischbällchen „for the austrians“<br />
und anwesende Kinder dürfen Pink<br />
Panther-Videos schauen.<br />
Der Wiener meint „Na bumm!“,<br />
als die Holländer einige Tage später<br />
zum Training unter Segeln ablegen,<br />
der Schurli ruft uns zu: „Baba und<br />
foid’s net!“ Und Burli kläfft. Die<br />
marquesianischen Flughunde<br />
würden sich wahrscheinlich für<br />
einige Wochen in die grünen Berge<br />
verziehen.<br />
Kurz habe ich die Vision einer<br />
österreichischen Kolonialinsel mitten<br />
im Pazifik. Irgendwo ein Eiland mit<br />
österreichischer Flagge und einem<br />
grantigem „Grüß Gott, de Papiere<br />
bitte!“ beim Einklarieren. Danach<br />
Wiener Schnitzel und Apfel strudel<br />
im Beisl unter Palmen. Aus dem<br />
Fensterchen mit den karierten Vor -<br />
hängen sieht man die orange-gelbtürkise<br />
Südsee. Schwarzer Sand.<br />
Grüne Berge. Und dann Rot-Weiß-<br />
Rot. Österreicher laufen ein. Oh, da<br />
war ich doch gerade …<br />
<br />
Spanish Water, die Fahrtensegler-Bucht<br />
auf Curaçao.<br />
Der Pazifik – in Rot-Weiß-Rot.<br />
Ein junger Österreicher chillt<br />
auf den Los Roques, Venezuela.<br />
„In Spanish Water, der<br />
Fahrtensegler-Bucht auf<br />
Curaçao herrschte<br />
Schrebergartenstimmung.<br />
Die Yacht vor<br />
uns ließ sich scheiden,<br />
der amerikanische<br />
Schoner hinter uns<br />
hatte eine 20 Jahre jüngere<br />
russische Freundin,<br />
der Belgier schräg<br />
vor uns kontrollierte<br />
täglich im Stringtanga<br />
seine Anker kette und<br />
die Holländer neben<br />
uns gingen nach dem<br />
Frühstück nackt im<br />
dreckigen Lagunenwasser<br />
schwimmen.<br />
Es wurde wirklich Zeit<br />
abzuhauen, sonst würde<br />
ich mich noch in den<br />
Yoga-Kurs der Sarifundi-Marina<br />
einschreiben<br />
oder Peter zu den<br />
Bingo-Nachmittagen<br />
schleppen.“<br />
Wellenzeit Seite 72, „Jedem Kap sein Hoorn“<br />
OCEAN WOMAN <strong>2018</strong> 77
Das<br />
Unheil Naht<br />
Mein Skipper hat ein neues Schiffshobby. Nein, nicht<br />
Dieselmotoren-Kosmetik oder Winschen-Wellness,<br />
Spinnaker-Beauty-Spa oder Solarzellen-Maniküre.<br />
Er ist auf die Nadel gekommen. Er näht!<br />
AUSGABE 2/<strong>2018</strong><br />
Wer oceanwoman<br />
schon länger kennt, weiß<br />
ob meiner tiefen Abneigung<br />
gegenüber allem, was mit Nähmaschine,<br />
Nähnadel und Zwirn zu<br />
tun hat. Eindringlich geschildert im<br />
Kapitel „Ich, Frau Lehman und der<br />
Spinnaker“ im Buch „Wellenzeit“.<br />
Frau Lehmann war meine Handarbeitslehrerin<br />
damals im Stiftgymnasium<br />
in der Steiermark und sie erkannte<br />
sofort, dass kein großes<br />
Talent in mir schlummerte: die<br />
Handarbeit.<br />
Nichts gegen Handarbeit im Allgemeinen.<br />
Ich backe, koche, produziere<br />
mit heller Begeisterung,<br />
aber sobald zwischen mir und dem<br />
zu Kreierenden eine Nadel Platz<br />
hat, ist’s vorbei. Meine Finger werden<br />
zu den verschwitzten Patschhändchen<br />
einer Neunjährigen, die<br />
verzweifelt versucht, eine Häkelnadel<br />
durch ein Wollfadenchaos zu<br />
würgen, Kreuzstiche nicht zu überkreuzen,<br />
singende Nähmaschinen<br />
nicht verstummen zu lassen.<br />
Unsere Nachbarin hatte alle<br />
Hände voll zu tun, um Faltenröcke,<br />
Tischdecken etc. rechtzeitig zum<br />
Schulschluss fertigzustellen, denn<br />
mein Talent hatte ich eindeutig von<br />
meiner Mutter geerbt, die Stoffe<br />
gerne statt zu nähen tackerte!<br />
Auch weiß ich nicht, ob mein<br />
erster Teenie-Schwarm je in den<br />
von mir produzierten Riesenstrickpulli<br />
hineingewachsen ist oder ob<br />
er ihn als Zelt verwendete. Mein<br />
Vater lächelte stets milde über die<br />
alljährlichen Geburtstagssocken,<br />
die auch hervorragend als Motorradabdeckung<br />
dienten.<br />
Damals – also mitten im Atlantik<br />
– nähte ich den zerissenen Spinnaker.<br />
Er riss wieder, ich nähte wieder<br />
– verzweifelt, weinend, mir schwörend,<br />
würde ich diese Überquerung<br />
überleben, nie wieder eine Nadel<br />
anzugreifen. Als wir heimkehrten<br />
nach Österreich, versuchte ich<br />
noch ab und zu, etwas fürs Schiff<br />
zu nähen. Glücklicherweise wohnte<br />
wieder eine nette Nachbarin einen<br />
Stock tiefer, die sich mit Freude der<br />
Abdeckungen für die Luken annahm<br />
und kommentarlos meine<br />
asymmetrischen Winschschutzbezüge<br />
um- bzw. neu nähte.<br />
Und nun näht also der Skipper.<br />
Wahrscheinlich reichte es ihm<br />
einfach, meine Schimpftiraden zu<br />
hören, sobald ich die alte Singer auf<br />
den Küchentisch stellte. Auch<br />
merkte er, dass mein Blick ins<br />
Leere abschweifte, wenn in Seglerrunden<br />
die Rede auf neue Sonnendächer<br />
kam. Verwundert stellte ich<br />
dann fest, dass viele Seefrauenrichtig<br />
gerne nähen. Maßgeschneiderter<br />
Steuerradschutz, Winterlager-<br />
Bespannungen, Relingstützenverkleidungen,<br />
abknüpfbare Cockpitverkleidungen.<br />
Also probierte ich<br />
es noch einmal und nähte einen<br />
Vorhang für das Kombüsenregal.<br />
Es krachte und die Nähmaschinennadel<br />
steckte in einem seltsamen<br />
Die perfekte Segel -<br />
wäsche näht der<br />
Mann – ich backe<br />
lieber Kuchen.<br />
Winkel im Fuß der alten Singer.<br />
Diese gab nur noch ein leises Wimmern<br />
von sich, um hernach beleidigt<br />
zu verstummen und nie wieder<br />
zum Leben zu erwachen.<br />
KEINE MASCHINE, KEIN NÄHEN<br />
Ich stellte meinen Skipper vor vollendete<br />
Tatsachen: keine Maschine,<br />
keine Näharbeiten. Zwei Tage später<br />
stand eine Pfaff-Indus trie-<br />
Nähmaschine auf dem Küchentisch.<br />
Davor saß mein Skipper und werkte<br />
beglückt an einem Sonnendach<br />
aus Spezial-Canvas. Auch eine<br />
Ösenpresse fand Einzug in den<br />
Haushalt. Und unter dem Christbaum<br />
lag „Canvas for Cruisers“<br />
von Julie Gifford. Nicht meine Idee<br />
– meine nähbegeisterte Schwägerin<br />
war Wichtel meines Mannes und<br />
hatte nun endlich jemand gefunden,<br />
mit dem sie über Ecken nähen,<br />
Nahtzugaben, Fadenlauf und<br />
Coverlocks fachsimpeln konnte.<br />
Ich fand wieder ein entspanntes<br />
Verhältnis zu Sprayhoods, Kuchenbuden<br />
und Persennings aller Art.<br />
Während mein Mann jetzt auf der<br />
Bootsmesse bei den Ösen, Segel -<br />
fäden und Spezialnadeln zu finden<br />
ist, kauf ’ ich einen neuen Tisch<br />
fürs Cockpit, damit unsere Segelgäste<br />
meine Kuchenvariationen gemütlich<br />
genießen können. <br />
78 OCEAN WOMAN <strong>2018</strong>
10 Jahre! Wo ist die Zeit hin?<br />
Wie bitte? Ich hab doch erst vor kurzem … – oder warte! Das waren doch<br />
höchstens …? Nein, nie im Leben! Doch. Unglaublich. Die Zeit rennt.<br />
Mein erste Geschichte für<br />
schrieb ich vor<br />
sieben Jahren, gerade frisch<br />
von der Weltumsegelung wieder an<br />
Land, auf der Suche nach einem Magazin,<br />
das eventuell Interesse an unserer<br />
Geschichte hatte. An den Geschichten<br />
einer Zeit, die mir noch so<br />
nah und doch schon so fern schienen.<br />
Was sollte ich schreiben, um die<br />
Aufmerksamkeit eines vielbeschäftigten,<br />
E-Mail-bedrängten Chefredakteurs<br />
zu erlangen? Etwas über die<br />
blauen Lagunen der Karibik? Über einen<br />
wilden Sturm im Atlantik? Über<br />
Südseeträume und Coconut-Stories?<br />
Piraten, Reparaturen oder doch die<br />
netten Neuseeländer? Hm. Ich saß da<br />
an meinem Schreibtisch im grauen<br />
Februar-Wien und dachte nach. Und<br />
kam zum Entschluss: Ich schreib’, wie<br />
es ist, wieder da zu sein. Über die<br />
Jetzt-Zeit. Wieder im Sog der Stadt<br />
mitgezogen zu werden, der Zeit nachzurennen,<br />
sie davonlaufen zu sehen.<br />
Schmerzlich wurde mir klar: Meine<br />
Güte, wie luxuriös waren die letzten<br />
viereinhalb Jahre gewesen! Wir hatten<br />
nämlich genau das gehabt, was wir<br />
hier nicht so schnell kriegen konnten:<br />
Zeit. Und wenn ich mir heute meine<br />
- Geschichte „You can<br />
have Papaya anytime” (Ausgabe<br />
7-8/2010) durchlese, dann merke ich:<br />
Mit der Zeit hat sich dieses Gefühl<br />
von viereinhalb Jahren Einzigartigkeit<br />
aber sowas von nicht verändert.<br />
Ganz oft denke ich darüber nach,<br />
wie lange die Tage und Nächte damals<br />
waren, erfüllt mit Abenteuern,<br />
mit Bildern, Menschen, Farben, Gerüchen.<br />
Eine Woche schien auf dem<br />
Schiff wie ein Monat. Oder mehr.<br />
Drei Monate.<br />
Dieses Gefühl ist sogar wissenschaftlich<br />
erklärt! Erleben wir immer<br />
das Gleiche – aufstehen, arbeiten,<br />
Mittagspause, arbeiten, Abendessen,<br />
schlafengehen –, braucht das Gehirn<br />
keine neuen Informationen aufzubereiten<br />
und umso schneller scheint die<br />
Zeit zu vergehen. Doch stürzen neue<br />
Eindrücke und Informationen auf<br />
uns ein – Nachtfahrt, Gewitterfront<br />
zum Frühstück, Zwei-Meter-Thunfisch<br />
zum Mittagessen, Land in Sicht<br />
am Nachmittag, Anker fällt in einer<br />
von Palmen umsäumten Südseebucht,<br />
hinter der sich massive grüne<br />
Berge erheben, rumgefüllte frische<br />
Kokosnüsse als Sundowner mit Segelfreunden<br />
am Strand, ein türkisrot-rosa-dunkelblauer<br />
Abendhimmel,<br />
Riesen-Leuchtkäfer im dampfenden<br />
dunklen Dschungel –, dann<br />
hat das Gehirn wirklich zu tun, um<br />
all dies für uns so aufzubereiten, damit<br />
wir nicht vor Glück verrückt<br />
werden. Und et voilà: Es scheint, als<br />
würde die Zeit stillstehen!<br />
Das ist das eine. Das andere ist die<br />
Frage: Was ist denn Zeit überhaupt?<br />
Dass der Wecker morgen wieder läutet<br />
und mir schmerzlich klarmacht,<br />
dass das lange Wochenende vorbei<br />
ist? Oder die Tatsache, dass man seine<br />
Papayas auf den Marchesas jederzeit<br />
holen kann, weil immer irgendwer<br />
da ist, um sie vom Baum zu<br />
schlagen? Oder man den Anker dann<br />
hochholt, wenn man will oder wenn<br />
es der Wind bestimmt – und nicht<br />
der Wecker? Wenn man sich treiben<br />
lässt mitten auf dem Ozean, weil<br />
Windstille herrscht und es doch egal<br />
ist, ob man einen Tag früher oder<br />
später ankommt? Die Freiheit, das zu<br />
tun, was man will und vor allem,<br />
wann man es will?<br />
Einzig der Wind bestimmt den<br />
Tages rhythmus, den Wochenplan,<br />
den Monatsablauf. Heute rauscht<br />
er fast lauter als die Autos auf der<br />
Straße vor dem Fenster der Stadtwohnung.<br />
Und das einzige, was er<br />
eventuell bestimmt, ist die Kleidungsauswahl.<br />
Ich muss auf die Zeit schauen,<br />
es ist spät. Oder sollte ich mir einfach<br />
Zeit lassen? Oder die Zeit lassen.<br />
Und eintauchen in das Leben.<br />
Und gemütlich mein<br />
-Magazin lesen? Das mach’ ich jetzt.<br />
Und übrigens: Gratulation zum<br />
10-Jahre-Jubiläum!<br />
<br />
ALEXANDRA SCHÖLER<br />
ist Weltumseglerin,<br />
Sängerin, Regisseurin,<br />
Buchautorin und seit<br />
2010 Ocean Woman.<br />
kolumne@ocean7.at<br />
Ich muss auf die Zeit schauen, es ist spät.<br />
Oder sollte ich mir einfach Zeit lassen? Oder<br />
die Zeit lassen. Und eintauchen in das Leben.<br />
FOTO: STEFAN HARING
Pension Schöler<br />
jazz/pop/chanson<br />
Alexandra Schöler-Haring · Peter Schöler · Florian Paul Ebner<br />
Unsere <strong>Band</strong> auf Facebook:<br />
www.facebook.com/Pension-Schöler-109581518355768