PG-03-22
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Boris Hedde: Das ist aber ein Problem, mit<br />
dem alle zu kämpfen haben. Frau van Dorp<br />
hat die Perspektive des Handels skizziert. Was<br />
uns interessiert, ist die Sichtweise der Nachfrage.<br />
Und in diesem Punkt muss man sagen,<br />
dass die letzten beiden Jahre auch eine Menge<br />
ausgelöst haben. Wir haben gesehen, mit welcher<br />
Macht die Konsument:innen aufgrund der<br />
Rahmenbedingungen in die Onlinekanäle geflüchtet<br />
sind. Das hatte natürlich Auswirkungen<br />
auf das Kaufverhalten. Und das wird auch<br />
einen Effekt für die Zukunft unserer Branche<br />
nach sich ziehen. Gleichzeitig haben unsere<br />
Analysen gezeigt, dass der innerstädtische<br />
Fachhandel zwar verloren hat, aber eben auch<br />
nicht alle Händler gleichermaßen. Und das finde<br />
ich interessant. Es gab echte Gewinner und<br />
echte Verlierer. Der GPK-Fachhandel hat insofern<br />
profitiert, weil er eine Zielgruppe bedient,<br />
die nicht mehr im Restaurant essen konnte,<br />
zwangsweise zu Hause bleiben musste und<br />
das natürlich auch Treiber in der Pandemie<br />
für die Branche sind.<br />
P&G: Welche Schlussfolgerungen ziehen Sie<br />
daraus?<br />
Boris Hedde: Die Branche braucht einen<br />
Mindset-Wechsel. Sich nur noch über die Perspektive<br />
der Produkte zu profilieren, ist out.<br />
Stattdessen muss die Branche schauen, wie<br />
sie den verschiedenen Kundengruppen, die<br />
sich fürs Kochen, Backen oder Einrichten interessieren,<br />
jetzt folgen kann. Dahinter stecken<br />
enorme Potenziale, die es früher nicht gab,<br />
aber die sich auch mit den alten Geschäftsmodellen<br />
nicht heben lassen. Das ist die Aufgabe,<br />
vor der wir jetzt stehen.<br />
P&G: Aber das sind ja eigentlich Probleme,<br />
die nicht erst durch die Pandemie entstanden<br />
sind, oder?<br />
Boris Hedde: Ich würde es anders herum<br />
formulieren. Ich glaube, dass die Pandemie<br />
zu einer gewissen Wertorientierung der<br />
Zielgruppen geführt hat. Nachhaltigkeit<br />
hat beispielsweise einen Schub bekommen.<br />
Das Thema gab es zwar vorher auch schon,<br />
aber die Rahmenbedingungen auf Seiten<br />
der Verbraucher:innen führen dazu, dass<br />
sich jetzt neue Potenziale daraus ergeben.<br />
Christina van Dorp: Genau dieser Veränderungsdruck<br />
hat viele Händler dazu bewogen,<br />
den Weg schneller zu gehen.<br />
P&G: Das hört sich nach einer positiven<br />
Entwicklung an. Warum haben Sie trotzdem<br />
die Studie gerade zu diesem Zeitpunkt in<br />
Auftrag gegeben?<br />
Christina van Dorp: Wir sind an einem Punkt<br />
in der Pandemie angekommen, an dem uns<br />
klar ist, dass sich gerade jetzt sehr viel verändern<br />
wird. Aber wir kennen noch nicht mal<br />
unseren Status Quo. Die letzte große Studie<br />
unserer Branche war die Sinusstudie und<br />
die liegt ca. 20 Jahre zurück Natürlich gibt<br />
es Kennziffern, z. B. auch vom IFH, aber die<br />
haben nicht so eine starke Aussagekraft, als<br />
dass uns diese weiterhelfen könnten. Deshalb<br />
wollten wir wissen, wo wir stehen und wie wir<br />
als Verband unseren Mitgliedern Schützenhilfe<br />
leisten können. Wo sind die Stärken, auf die ich<br />
mich als Händler verlassen kann und wo muss<br />
ich mich vielleicht neu orientieren? Das sind<br />
die Fragen, auf die wir konkrete Antworten<br />
brauchen.<br />
P&G: Dafür sind Fakten unerlässlich...<br />
Christina van Dorp: Auf der einen Seite<br />
Fakten, aber auf der andern Seite auch eine<br />
qualitative Betrachtung mit Hilfe von Interviews<br />
in Fokusgruppen. Wir sind ja eine sehr<br />
emotional getriebene Branche sowohl in<br />
Bezug auf die Produkte, als auch in Bezug<br />
auf die Konsument:innen. Das ist gerade die<br />
Besonderheit dieser Studie.<br />
Boris Hedde: Zahlenreihen haben durchaus<br />
ihre Berechtigung.<br />
Christina van Dorp: Ich will diese auch nicht<br />
schlecht reden, aber ich brauche auch Szenarien<br />
und etwas mehr ,Fleisch am Knochen‘.<br />
Zahlen alleine reichen dafür nicht aus. Denn<br />
wenn wir unsere Zahlen in der Branche übereinander<br />
legen, liegen wir alle gar nicht so weit<br />
auseinander.<br />
P&G: Wie genau war die Methodik?<br />
Boris Hedde: Wir differenzieren zwischen der<br />
Markt-, der Kunden- und der Wettbewerbsperspektive.<br />
Aus der Marktsicht haben wir ein<br />
klares Verständnis über die Größe oder wie<br />
relevant sich dieser im Vergleich zu anderen<br />
Kategorien positioniert. Viel wichtiger aber ist,<br />
und das ist die Brücke zu ihrer Frage, dass wir<br />
auch verstehen müssen, was die Kund:innen<br />
wollen. Was sind die Wünsche, Anforderungen,<br />
Intentionen und vielleicht sogar Forderungen<br />
an die Branche, um das Geschäft der<br />
Zukunft neu zu gestalten? Und das war der<br />
Antrieb für uns, dieses Projekt gemeinsam mit<br />
dem GPK-Verband anzugehen. Der Wunsch<br />
bestand von vornherein, sich ergebnisoffen<br />
dem Thema anzunähern, wohl wissend, dass<br />
ein Erneuerungsprozess kommen muss. Darüber<br />
bestand ein Konsens. Aber man wollte die<br />
Veränderung nicht aufgrund eines Bauchgefühls<br />
erwirken, sondern auf empirischer Basis.<br />
Insofern haben wir zwei Ebenen betrachtet,<br />
eine rationale, und eine emotionale, die wir<br />
mit den Fokusgruppen abbilden. Was sind die<br />
Trigger, die nicht so offensichtlich sind? Beide<br />
Christina van Dorp, Präsidentin des<br />
GPK-Verbandes, glaubt, dass die<br />
gesamte Branche von einem veränderten<br />
Mindset profitieren kann. Boris<br />
Hedde, Geschäftsführer IFH Köln, setzt<br />
dabei auf gemeinsamen Konsenz aller<br />
Beteiligten in der Stadtplanung.<br />
P&G 3 | März 20<strong>22</strong> 23