40 | RATGEBER zu erziehen. Sie verfolgen mit dem Einsatz von Strafen vermutlich vordergründig das Ziel, Fehlverhalten zu minimieren und zu verändern. Das Trügerische ist, dass Strafen für einen gewissen Zeitraum Wirkung zeigen und Kinder ihr Verhalten anpassen. Nicht aber, weil sie verstehen, sondern vielmehr aus Angst und Stress. Kinder erfahren dadurch nicht, wie sie sich sozial verhalten, vielmehr erleben sie, wie mit Macht der Wille eines Menschen durchgesetzt werden kann. Ein Vorgehen, das Fachkräfte sich bei Konflikten unter Kindern anders wünschen. Strafen sind eine Form der Gewalt und Gewalt erzeugt immer Gegengewalt. Und damit sind körperliche, seelische Strafen ebenso gemeint wie die Bindungsstrafe, wie es die Sozialpädagogin Corinna Scherwath in ihrem Buch „Liebe lässt Gehirne wachsen“ nennt, also Ausschluss aus Gruppen oder Ignorieren. Der Schmerz brenne sich im Aggressionsgedächtnis ein, beschreibt der deutsche Arzt und Psychiater Joachim Bauer in seinem Buch „Schmerzgrenze“, und hinterlasse eine emotionale Erinnerungsspur, die den Aggressionsimpuls für einen eventuellen späteren Gebrauch wie eine Konserve aufbewahrt. Zudem wird durch den Einsatz von Strafen automatisch die Schwäche der Kinder in den Vordergrund gerückt und die Fachkraft tritt in die mächtige, autoritäre Position. Wenn die Fachkraft Demütigungen des einzelnen Kindes oder der Kindergruppe in Kauf nimmt, wird sie ihrem Bildungs- und Erziehungsauftrag nicht gerecht. Überforderung ansprechen, Verantwortung übernehmen <strong>Kita</strong>-Fachkräfte stehen täglich im Rampenlicht und werden unabhängig von der eigenen Verfassung und Befindlichkeit stark gefordert. Es ist ratsam mit Ängsten, Gefühlen der Überforderung und Zweifeln offen umzugehen und diese selbst zu benennen. Fallen Fachkräften Übergriffe untereinander auf, so gilt es auch diese anzusprechen. Für die Psyche des Kindes ist es von großer Bedeutung, dass Erwachsene die Verantwortung für ihr Handeln tragen. Das Kind trägt keine Schuld oder Verantwortung für die Reaktion und die Fachkraft muss in der Lage sein, Stressfaktoren zu erkennen und sich selbst zu regulieren, bevor sie überreagiert. Bei Überreaktionen kann die Fachkraft das eigene Verhalten bedauern, um Verzeihung bitten und über die Situation, über die eigenen Gefühle und Bedürfnisse sprechen. Im Nachhinein sollte sie die Auslöser notieren, die Situation reflektieren und bestenfalls besprechen. Externe Unterstützung, beispielsweise Supervision, kann hilfreich sein oder im vertrauten Team gemeinsam nach Veränderungen und Lösungen zu suchen, um Handlungsalternativen einzuspielen. Wichtig ist auch, sich bewusst zu machen, dass die Fachkraft immer die Verantwortung für ihr Verhalten und ihre Reaktionen trägt. Sie darf diese nicht an das Kind übertragen. Statt zu sagen „Leon ist selbst schuld, dass er in der Garderobe sitzt, wenn er sich so benimmt“, sollte es heißen: „Ich bin gerade erschöpft und brauche Ruhe. Leon, stoppe bitte das Geschrei im Raum.“ Dadurch erlebt der Junge eine Grenzsetzung und erfährt von der Bezugsperson, wie sie fühlt und was sie braucht. Vorbild sein Kinder achten viel stärker auf das, was ihnen vorgelebt wird, als auf das, was ihnen gesagt wird. Wird von ihnen erwartet, sich in gefühlsstarken konfliktreichen Situationen gewaltlos und empathisch zu verhalten, ist es am wichtigsten, ihnen dieses Verhalten vorzuleben. Auch wenn für Fachkräfte ein kindliches Verhalten nicht nachvollziehbar ist, darf kein Kind herabgewürdigt oder gedemütigt werden. Die Fachkraft sollte ihren Standpunkt für das Kind verständlich und klar formulieren. Werden seine Grenzen und Bedürfnisse gewahrt, achten sie auch auf die der anderen. * Namen geändert Zum Weiterlesen: Kathrin Hohmann Augenhöhe statt Strafe Herder Verlag 2<strong>02</strong>2 Kathrin Hohmann Gemeinsam durch die Wut. Wie ein achtsamer Umgang mit kindlichen Aggressionen die Beziehung stärkt. Edition claus Verlag. 2<strong>02</strong>1
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