gab Juni 2022
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22 STUTTGART<br />
BÜHNE<br />
AUF<br />
GEHT`S<br />
MIT Frl. Wommy<br />
FOTO: FERDINANDO IANNONE<br />
Mit schöner Regelmäßigkeit stellt<br />
Frl. Wommy Wonder im Sommer ihre<br />
neue Revue vor. Im Interview erklärt Wommy,<br />
um was es geht: Auf geht’s!<br />
Wonder<br />
Frl. Wommy, dein neues Programm<br />
heißt „Auf geht’s“ – ein positives Signal<br />
in ungemütlichen Zeiten?<br />
Aber natürlich. Positives Denken ist wichtig,<br />
Motivation auch, vor allem momentan - und<br />
es gilt nach wie vor meine Devise „Lachen<br />
ist die letzte Waffe, die uns bleibt, wenn wir<br />
alles andere zum Heulen finden!“ Insofern<br />
lasse ich mich nicht unterkriegen, grundsätzlich<br />
nicht und jetzt erst recht nicht. Ich<br />
versuche, mich an allem zu erfreuen, ich<br />
freue mich auch, wenn’s regnet, denn wenn<br />
ich mich nicht freue, regnet es trotzdem.<br />
Ich freue mich, wenn ich in der Bahn sitze<br />
und der Zug länger braucht, da habe ich<br />
mehr Fahrtzeit fürs Geld. Ich frage mich<br />
nicht, ob das Glas halb voll ist oder halb<br />
leer, ich trinke einfach aus, was drin ist und<br />
ordere bei Bedarf nach. Und man darf nicht<br />
vergessen, dass es immer Menschen gibt,<br />
denen es schlechter geht als einem selber.<br />
Ich habe zum Beispiel in meinem Umfeld<br />
eine Hardcoreveganerin – und jetzt kriegt<br />
sie Wurstfinger. Das sind Schicksale, neben<br />
denen vieles verblasst.<br />
Neben Kollegin Schwester Bärbel ist<br />
auch dein Alter Ego Elfriede Schäufele<br />
mit dabei. Was kann die Schäufele,<br />
Do., 23.06. – So., 17.07.22<br />
AUF GEHT‘S!<br />
Friedrichsbau-Varieté<br />
Stuttgart<br />
www.friedrichsbau.de<br />
Infos: www.wommy.de<br />
was die Wonder<br />
nicht kann?<br />
Wenn man mich<br />
fragt: Nichts.<br />
Wenn man sie<br />
fragt: Alles.<br />
Die Wahrheit<br />
liegt wohl auf<br />
halber Strecke.<br />
Sie kommt beim<br />
Putzen in die<br />
kleinsten Ritzen, die<br />
ich meide, um mir<br />
nicht die Nägel zu<br />
ruinieren. Dafür ist sie so direkt und frech,<br />
wie ich es mich nicht zu sein traue, weil<br />
mir der eigene Intellekt dabei in die Quere<br />
kommt. Oder meine exquisite katholische<br />
Erziehung. Oder mein Harmoniebedürfnis.<br />
Irgendwas ist immer. Wahrscheinlich brauchen<br />
wir uns gegenseitig, um die Qualitäten<br />
des anderen herauszustellen.<br />
Drag erlebt seit einigen Jahren einen<br />
echten Boom. Beeinflusst das auch<br />
auf dein künstlerisches Schaffen?<br />
Nein, ganz und gar nicht, weil ich mit Drag<br />
eigentlich nichts zu tun habe, obwohl ich<br />
schon viermal Dragqueen des Jahres war.<br />
Das war zugegeben sehr schmeichelhaft,<br />
insofern unterdrücke ich da nur zu gerne<br />
den Reflex, den Leuten den Unterschied<br />
zwischen Drag und Travestie und dem,<br />
was ich mache, zu erklären. Ich bin von<br />
klassischer Travestie so weit entfernt wie<br />
Transit von Transport und von Drag so weit<br />
entfernt wie Transport von Transponder.<br />
Aber egal, Schubladen gibt’s für mich nicht.<br />
Im Prinzip mache ich auf der Bühne nicht<br />
das, was man sich unter Travestie vorstellt,<br />
sondern eigentlich „Kabarett im Fummel“,<br />
wo ich durch meine Bühnenfigur Rollenklischées<br />
aufhebe und Geschlechtergrenzen<br />
sprenge und dadurch nach allen Seiten<br />
gleichzeitig austeilen kann. Ich bin zwar<br />
durchaus politisch und betreibe „Unterhaltung<br />
mit Haltung“, aber eher bei gesamtgesellschaftlichen<br />
Themen. Drag ist für<br />
mich eher szenebasierte politische Arbeit,<br />
wo Phantasiewesen mit einem ungeheuren<br />
Talent für Maske und Kostüm durch ihre<br />
Präsenz für Toleranz sorgen. Mir fehlt die<br />
Phantasie für kreatives Make-up und überbordende<br />
Kostüme (Hut ab, wer’s kann), ich<br />
war noch nie eine Partymaus, und ich kann<br />
in mir keinen Drang entdecken, mich länger<br />
als nötig in High Heels zu wuchten, insofern<br />
nötigt mir jede Dragqueen Respekt ab. Gott<br />
sei Dank hab ich zu den Kolleg*innen aus<br />
der Dragszene ein sehr kollegial-freundschaftliches<br />
Verhältnis und kenne Stutenbissigkeiten<br />
nur aus den Erzählungen<br />
anderer. Vielleicht bin ich auch nur zu doof,<br />
sie wahrzunehmen …<br />
In den vergangenen Jahren haben uns<br />
alle mit unumgänglichen Veränderungen<br />
im Alltagsleben auseinandersetzen<br />
müssen – das wird wahrscheinlich<br />
weiterhin so bleiben. Was kann man<br />
tun (bzw. was tust du), um damit gut<br />
zurecht zu kommen?<br />
Stoisch gelassen bleiben und die Dinge<br />
akzeptieren, die man eh nicht ändern kann.<br />
Und sich keinen Illusionen hingeben, dass<br />
es (zumindest in meinem künstlerischen<br />
Bereich) in absehbarer Zeit auch nur annähernd<br />
wieder so werden wird wie vor zwei<br />
Jahren. Und das ist nicht allein dem Virus in<br />
die Schuhe zu schieben, sondern leider auch<br />
einer weltfremden Politik, die aus einem gut<br />
alimentierten Elfenbeinturm heraus den<br />
Bezug zu der Realität verloren hat, die für<br />
viele Alltag ist. Allein der Hass darauf sollte<br />
Ansporn genug sein, sich nicht unterkriegen<br />
zu lassen und weiterzumachen. Auf geht’s!<br />
*Interview: Björn Berndt<br />
23.6. bis 17.7., „Auf geht’s“ von und<br />
mit Frl. Wommy Wonder, Friedrichsbau-<br />
Varieté, Siemensstr. 15, Stuttgart,<br />
Spieltage: Mittwoch bis Sonntag,<br />
www.wommy.de