Geschäftsbericht 2006 - Tierpark Hellabrunn
Geschäftsbericht 2006 - Tierpark Hellabrunn
Geschäftsbericht 2006 - Tierpark Hellabrunn
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Bildung, Forschung und Wissenschaft<br />
Da bei Fischen die Leidensfähigkeit im Sinne des deutschen<br />
Tierschutzgesetztes inzwischen nachgewiesen ist,<br />
müssen sie aus zahlreichen Indikationen betäubt werden,<br />
um den Stress und die Verletzungsgefahr für Mensch und<br />
Tier so gering wie möglich zu halten.<br />
Narkosen bei Fischen werden üblicherweise im Tauchbad<br />
durchgeführt. D. h., dass das jeweilige Narkotikum im<br />
Wasser aufgelöst und verteilt wird, in das der Fisch anschließend<br />
verbracht wird (durch Kescher, Becher oder<br />
Rutschen). Im Gegensatz zu einer Immobilisation durch<br />
Injektionsanästhetika bedeutet dies für die Tiere wesentlich<br />
weniger Stress, da eine massive Fixation des unbetäubten<br />
Fisches nicht notwendig ist.<br />
Das einzige derzeit zugelassene Arzneimittel zur Immobilisation<br />
von Fischen ist Tricainmethansulfonat<br />
(MS 222®), das aber nur aus Großbritannien bezogen<br />
werden kann.<br />
Daher sollte die Einsetzbarkeit der „<strong>Hellabrunn</strong>er Mischung“<br />
(HM), deren Inhaltsstoffe Ketamin und Xylazin<br />
in Deutschland erhältliche und gängige Arzneimittel<br />
sind, bei der Immobilisation von Fischen im Rahmen<br />
einer Dissertation untersucht werden. Beide in der HM<br />
enthaltenen Substanzen sind zudem in der Tierarzneimittelrückstände-Höchstmengen-Verordnung<br />
VO (EWG)<br />
2377/90 unter Anhang II „Verzeichnis der Stoffe, für<br />
die keine Höchstmengen für Rückstände gelten“ aufgeführt.<br />
Ihr Einsatz ist bei Lebensmittel liefernden Tieren<br />
zulässig. Ein weiterer Vorteil der HM gegenüber MS 222®<br />
ist ihre lange Haltbarkeit, während das labile Tricainmethansulfonat<br />
unter Lichteinfluss relativ schnell zu<br />
toxischen Produkten zerfällt.<br />
Häufige Indikationen für eine Immobilisation von Fischen<br />
sind z. B. Transporte, Handling, Diagnostik (Biopsien,<br />
Abstriche, Tupfer etc.), Herausfangen aus Großaquarien,<br />
medizinische Therapie (Injektion, Behandlung lokaler<br />
Erkrankungen der Haut und Kiemen), chirurgische Eingriffe<br />
(z. B. Tumorentfernung), Impfung durch Injektion,<br />
Kennzeichnen, im Lebensmittelsektor zur Gewinnung<br />
von Ei- und Samenzellen in Fischzuchtbetrieben und bei<br />
der Kaviargewinnung, sowie zum Messen und Markieren<br />
von Zuchttieren.<br />
18<br />
„<strong>Hellabrunn</strong>er Mischung“ bei Fischen<br />
Kurzzusammenfassung Dissertation Christina Geiger<br />
Prof. Dr. Henning Wiesner und Prof. Dr. Rudolph Hoffmann<br />
Versuchsdurchführung:<br />
Münchener <strong>Tierpark</strong> <strong>Hellabrunn</strong> & Klinik für Fische und Reptilien der<br />
Ludwig-Maximilians-Universität München<br />
Aufgrund ihres angeborenen Verhaltens tendieren die<br />
meisten Fische stets zur Flucht, weshalb eine Ruhigstellung<br />
selbst bei einfachen Maßnahmen nötig ist.<br />
Bereits leichte Abwehrbewegungen können nämlich den<br />
Verlust der schützenden Schleimschicht und von Schuppen<br />
zur Folge haben. Bei gefährlichen oder stachelbewehrten<br />
Tieren dient die Immobilisation zugleich dem<br />
Schutz des Personals.<br />
In der Literatur finden sich verschiedene Angaben über<br />
die Anwendung der beiden Substanzen Ketamin und<br />
Xylazin bei Fischen, auch in Kombination, jedoch in<br />
anderen Mischungsverhältnissen als bei der HM. Zudem<br />
wurde bisher nur die Anwendung als Injektion beschrieben,<br />
was als invasive Methode wesentlich mehr Stress<br />
als ein Tauchbad für die Fische bedeutet. Die Verwendbarkeit<br />
von Injektionsanästhetika für andere Tierarten<br />
zur Tauchbadnarkose bei Fischen hat sich immer wieder<br />
bestätigt. So wurde z. B. bis 1997 erfolgreich das als<br />
injizierbares Hypnotikum für Schweine zugelassene Hypnodil-Janssen®<br />
(Wirkstoff Metomidathydrochlorid) zur<br />
Immobilisation von Fischen im Narkosebad gebraucht.<br />
Seit dem 1.1.1997 darf es jedoch in der Europäischen<br />
Gemeinschaft nicht mehr hergestellt werden.<br />
Ziel der Untersuchungen war die Etablierung eines einfachen,<br />
sicheren und nicht invasiven Narkoseverfahrens<br />
bei Fischen, als Alternative zu MS 222®. Dazu wurde versucht,<br />
eine geeignete Dosis der sog. HM zu finden, mit<br />
der Fische im Tauchbad effektiv sediert bzw. narkotisiert<br />
werden können. Die durchgeführten Untersuchungen bezogen<br />
sich dabei auf Kurzzeitnarkosen, Langzeitversuche<br />
wurden nicht durchgeführt. Um die Wirkung der HM bei<br />
mehreren Fischarten überprüfen zu können, wurden drei<br />
verschiedene Spezies herangezogen, die zudem als Vertreter<br />
für unterschiedlichste Haltungsbedingungen dienten.<br />
Für den aquaristischen Warmwasserbereich wurden Kaiserbuntbarsche<br />
(Aulonocara stuartgranti mbenji) als<br />
repräsentative Vertreter ausgewählt, bei kälterem Wasser<br />
wurden die Koikarpfen (Cyprinus carpio carpio) untersucht.<br />
Diese Fischart diente außerdem als Beispielorganismus<br />
für die Speisekarpfen, sodass diese Tierart nicht<br />
nur Ergebnisse für die Aquaristik, sondern auch für die<br />
Speisefischproduktion lieferte. Als dritte Spezies wurden<br />
Regenbogenforellen (Oncorhynchus mykiss) einbezogen,