Geschäftsbericht 2006 - Tierpark Hellabrunn
Geschäftsbericht 2006 - Tierpark Hellabrunn
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Erläuterungen zum Tierbestand<br />
Neuzugänge<br />
Für den Kindertierpark haben wir uns mit der Übernahme<br />
von 3 Murnau-Werdenfelser Kühen für eine altbayerische<br />
Rinderrasse entschieden, die von Rassen der modernen<br />
Hochleistungsrinder verdrängt wurde und heutzutage vom<br />
Aussterben bedroht ist. Ursprünglich stammen diese<br />
sehr genügsamen und widerstandsfähigen Rinder aus Südtirol,<br />
die dann über das Kloster Ettal und andere Klöster<br />
im Alpenvorraum heimisch geworden sind. Genetisch gesehen<br />
ist es wichtig, derartige alte Haustierrassen zu<br />
erhalten, da eine Unmenge züchterisches Potential in<br />
ihnen steckt, dessen Wert wir heute noch gar nicht abschätzen<br />
können. Früher lieferte das Murnau-Werdenfelser<br />
Rind schwere, belastbare Zugochsen, die mit ihren harten<br />
Klauen und ihrem sicheren Tritt auch in steilen Berglagen<br />
zur Feld-, Wald- und Transportarbeit eingesetzt<br />
wurden. Heute sind nur noch 129 Kühe und sechs Bullen<br />
im Zuchtbuch notiert. Aus diesem Grunde wird dieses<br />
Rind in der „Roten Liste der bedrohten Nutztierrassen in<br />
Deutschland“ geführt und ist als „Gefährdete Nutztierrasse<br />
2007“ deklariert.<br />
Im Urwaldhaus zogen azurblaue Baumsteiger-Fröschchen<br />
ein, die mit ihrer auffälligen Signalfarbe möglichen<br />
Fressfeinden drohen: Finger weg von mir, ich bin giftig!<br />
Interessanterweise nehmen diese Pfeilgiftfröschchen,<br />
deren Gift von einem Tier für 20 Menschen ausreichen<br />
würde, die giftigen Substanzen übers Futter mit Bakterien<br />
auf. Deren Stoffwechselprodukte zählen zu den giftigsten<br />
organischen Wirkstoffen, die wir überhaupt kennen.<br />
Wie das Fröschchen es nun schafft, selbst an den Giftstoffen<br />
nicht zu sterben, sondern diese geschickterweise<br />
in den Schleimdrüsen der Haut einzulagern, ist bisher<br />
nicht bekannt. In Menschenhand nachgezogene Pfeilgiftfröschchen<br />
bleiben ungiftig, da ihnen die giftigen Bakterien<br />
aus dem natürlichen Umfeld ihrer Heimat fehlen.<br />
Die Übernahme einer Wolfsgruppe von einem anderen<br />
Zoo, die wir in unserem Fall dankenswerterweise vom<br />
<strong>Tierpark</strong> Berlin kostenlos eingestellt bekommen haben,<br />
ist tiergärtnerisch gesehen zweifellos kein extremes<br />
Highlight. Dennoch ist die Geschichte, die sich um den<br />
Neuzugang unserer Wölfe rankt, von hohem tiergärtnerischen<br />
Interesse, da die Beobachtungen unserer Tierpfleger<br />
und Besucher viele Fragen aufwerfen.<br />
Im Januar wurden unsere Tierpfleger und mehrere Besucher<br />
Zeugen eines sehr merkwürdigen Verhaltens bei unseren<br />
beiden Wolfsrüden, die als Geschwister seit 12 Jahren<br />
friedlich zusammengelebt hatten. Wie aus heiterem Himmel<br />
kam es zu einem kurzen Kampf, der mit einem tödlichen<br />
Kehlbiss endete. Getötet wurde dabei der in der<br />
Rangordnung höher stehende Rüde von seinem Bruder,<br />
ohne dass zuvor ernsthafte Rivalitätskämpfe oder Beißereien<br />
beobachtet werden konnten. Für Rivalitätsverhalten<br />
Katta<br />
war auch insofern kein Anlass, weil die beiden Tiere<br />
seit Jahren alleine auf der Anlage lebten, so dass Gründe<br />
für diese tödliche Aggression wie Kampf um Weibchen<br />
bzw. Rudelvorherrschaft absolut fehlten. Der Vorgang<br />
konnte von einem unserer Besucher fotografisch gut<br />
dokumentiert werden und seiner Aussage gemäß und<br />
auch der Bilderfolge nach war es ganz offensichtlich,<br />
dass sich der getötete Wolf so gut wie überhaupt nicht<br />
gewehrt hatte. Eher schien es, als habe er sich willig<br />
seinem Schicksal gefügt.<br />
Die Sektion des toten Rüden im Institut für Pathologie<br />
der Tiermedizinischen Fakultät der LMU München ergab<br />
bei diesem Tier nun einen hochgradigen Tumor, der einen<br />
größeren Teil der Brusthöhle, beide Lungenflügel und<br />
sogar die Brustwand nach außen durchdrungen hatte,<br />
was im Winterpelz aber nicht sichtbar war. Die Tatsache,<br />
dass todkranke Tiere wie dieser Wolfsrüde von ihren<br />
eigenen Familienmitgliedern oder Tieren aus einem Rudel<br />
sogar gemeinsam getötet werden, ist uns nach eigenen<br />
Erfahrungen bei verschiedenen Wildtieren, wie Steinbock,<br />
Gams, Mhorrgazelle etc. sowie beim Hausschwein bekannt.<br />
Wie es aber zu dieser eigenartigen Verhaltensweise<br />
kommt, ist bisher ungeklärt. Sicher ist nur, dass der finale<br />
Zustand des Opfers auf eine für uns bisher ungeklärte<br />
Weise von den anderen Tieren wahrgenommen wird. Sehr<br />
wahrscheinlich sind für uns Menschen nicht wahrnehmbare<br />
Hormonstoffe, die über Schweiß, Atemluft oder<br />
Hautoberfläche abgegeben werden (sog. Pheromone)<br />
als Ursache dafür zu sehen. Die von Konrad Lorenz bei<br />
Wölfen in rituellen Kämpfen beschriebene Beißhemmung,<br />
demzufolge der Angreifer reflexartig am Zubiss gehindert<br />
wird, wenn der Unterworfene in Demutshaltung seinen<br />
Hals zum Biss frei anbietet, trifft für einen kranken Wolf<br />
offenbar nicht zu.<br />
Einige Monate später trat ein analoger Fall in unserer Elefantengruppe<br />
auf. Unsere 36jährige Elefantenkuh „Kathi“<br />
mussten wir schweren Herzens wegen einer sehr schmerzhaften<br />
Entzündung des rechten Ellbogengelenkes einschläfern.<br />
Noch in dem Zeitraum von etwas mehr als zwei<br />
Jahren zuvor war sie als gleichwertiges soziales Mitglied<br />
der Elefantengruppe ohne Probleme geduldet worden.<br />
Danach war sie in mehrere Raufereien mit den anderen<br />
Gruppenmitgliedern verwickelt worden. Die Sektion im<br />
obigen Institut ergab nun den nach der Wolfsgeschichte<br />
nicht mehr überraschenden Befund, dass sich im rechten<br />
Uterushorn ein 45 kg schwerer Tumor gebildet hatte. Der<br />
Beginn der Wachstumsdauer eines solchen Tumors, der<br />
ohne Störung des vom Menschen wahrnehmbaren Allgemeinbefindens<br />
des Tieres zu einer solchen Masse herangewachsen<br />
war, stimmt gut überein mit dem ersten sichtbar<br />
gewordenen aggressiven Mobbing durch die anderen<br />
Elefanten ca. zwei Jahre zuvor. Dabei war es offenbar<br />
auch zu einer von außen nicht sichtbaren inneren Verletzung<br />
des Ellbogengelenkes gekommen, die letztlich zu<br />
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