25.12.2012 Aufrufe

Geschäftsbericht 2006 - Tierpark Hellabrunn

Geschäftsbericht 2006 - Tierpark Hellabrunn

Geschäftsbericht 2006 - Tierpark Hellabrunn

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Erläuterungen zum Tierbestand<br />

Neuzugänge<br />

Für den Kindertierpark haben wir uns mit der Übernahme<br />

von 3 Murnau-Werdenfelser Kühen für eine altbayerische<br />

Rinderrasse entschieden, die von Rassen der modernen<br />

Hochleistungsrinder verdrängt wurde und heutzutage vom<br />

Aussterben bedroht ist. Ursprünglich stammen diese<br />

sehr genügsamen und widerstandsfähigen Rinder aus Südtirol,<br />

die dann über das Kloster Ettal und andere Klöster<br />

im Alpenvorraum heimisch geworden sind. Genetisch gesehen<br />

ist es wichtig, derartige alte Haustierrassen zu<br />

erhalten, da eine Unmenge züchterisches Potential in<br />

ihnen steckt, dessen Wert wir heute noch gar nicht abschätzen<br />

können. Früher lieferte das Murnau-Werdenfelser<br />

Rind schwere, belastbare Zugochsen, die mit ihren harten<br />

Klauen und ihrem sicheren Tritt auch in steilen Berglagen<br />

zur Feld-, Wald- und Transportarbeit eingesetzt<br />

wurden. Heute sind nur noch 129 Kühe und sechs Bullen<br />

im Zuchtbuch notiert. Aus diesem Grunde wird dieses<br />

Rind in der „Roten Liste der bedrohten Nutztierrassen in<br />

Deutschland“ geführt und ist als „Gefährdete Nutztierrasse<br />

2007“ deklariert.<br />

Im Urwaldhaus zogen azurblaue Baumsteiger-Fröschchen<br />

ein, die mit ihrer auffälligen Signalfarbe möglichen<br />

Fressfeinden drohen: Finger weg von mir, ich bin giftig!<br />

Interessanterweise nehmen diese Pfeilgiftfröschchen,<br />

deren Gift von einem Tier für 20 Menschen ausreichen<br />

würde, die giftigen Substanzen übers Futter mit Bakterien<br />

auf. Deren Stoffwechselprodukte zählen zu den giftigsten<br />

organischen Wirkstoffen, die wir überhaupt kennen.<br />

Wie das Fröschchen es nun schafft, selbst an den Giftstoffen<br />

nicht zu sterben, sondern diese geschickterweise<br />

in den Schleimdrüsen der Haut einzulagern, ist bisher<br />

nicht bekannt. In Menschenhand nachgezogene Pfeilgiftfröschchen<br />

bleiben ungiftig, da ihnen die giftigen Bakterien<br />

aus dem natürlichen Umfeld ihrer Heimat fehlen.<br />

Die Übernahme einer Wolfsgruppe von einem anderen<br />

Zoo, die wir in unserem Fall dankenswerterweise vom<br />

<strong>Tierpark</strong> Berlin kostenlos eingestellt bekommen haben,<br />

ist tiergärtnerisch gesehen zweifellos kein extremes<br />

Highlight. Dennoch ist die Geschichte, die sich um den<br />

Neuzugang unserer Wölfe rankt, von hohem tiergärtnerischen<br />

Interesse, da die Beobachtungen unserer Tierpfleger<br />

und Besucher viele Fragen aufwerfen.<br />

Im Januar wurden unsere Tierpfleger und mehrere Besucher<br />

Zeugen eines sehr merkwürdigen Verhaltens bei unseren<br />

beiden Wolfsrüden, die als Geschwister seit 12 Jahren<br />

friedlich zusammengelebt hatten. Wie aus heiterem Himmel<br />

kam es zu einem kurzen Kampf, der mit einem tödlichen<br />

Kehlbiss endete. Getötet wurde dabei der in der<br />

Rangordnung höher stehende Rüde von seinem Bruder,<br />

ohne dass zuvor ernsthafte Rivalitätskämpfe oder Beißereien<br />

beobachtet werden konnten. Für Rivalitätsverhalten<br />

Katta<br />

war auch insofern kein Anlass, weil die beiden Tiere<br />

seit Jahren alleine auf der Anlage lebten, so dass Gründe<br />

für diese tödliche Aggression wie Kampf um Weibchen<br />

bzw. Rudelvorherrschaft absolut fehlten. Der Vorgang<br />

konnte von einem unserer Besucher fotografisch gut<br />

dokumentiert werden und seiner Aussage gemäß und<br />

auch der Bilderfolge nach war es ganz offensichtlich,<br />

dass sich der getötete Wolf so gut wie überhaupt nicht<br />

gewehrt hatte. Eher schien es, als habe er sich willig<br />

seinem Schicksal gefügt.<br />

Die Sektion des toten Rüden im Institut für Pathologie<br />

der Tiermedizinischen Fakultät der LMU München ergab<br />

bei diesem Tier nun einen hochgradigen Tumor, der einen<br />

größeren Teil der Brusthöhle, beide Lungenflügel und<br />

sogar die Brustwand nach außen durchdrungen hatte,<br />

was im Winterpelz aber nicht sichtbar war. Die Tatsache,<br />

dass todkranke Tiere wie dieser Wolfsrüde von ihren<br />

eigenen Familienmitgliedern oder Tieren aus einem Rudel<br />

sogar gemeinsam getötet werden, ist uns nach eigenen<br />

Erfahrungen bei verschiedenen Wildtieren, wie Steinbock,<br />

Gams, Mhorrgazelle etc. sowie beim Hausschwein bekannt.<br />

Wie es aber zu dieser eigenartigen Verhaltensweise<br />

kommt, ist bisher ungeklärt. Sicher ist nur, dass der finale<br />

Zustand des Opfers auf eine für uns bisher ungeklärte<br />

Weise von den anderen Tieren wahrgenommen wird. Sehr<br />

wahrscheinlich sind für uns Menschen nicht wahrnehmbare<br />

Hormonstoffe, die über Schweiß, Atemluft oder<br />

Hautoberfläche abgegeben werden (sog. Pheromone)<br />

als Ursache dafür zu sehen. Die von Konrad Lorenz bei<br />

Wölfen in rituellen Kämpfen beschriebene Beißhemmung,<br />

demzufolge der Angreifer reflexartig am Zubiss gehindert<br />

wird, wenn der Unterworfene in Demutshaltung seinen<br />

Hals zum Biss frei anbietet, trifft für einen kranken Wolf<br />

offenbar nicht zu.<br />

Einige Monate später trat ein analoger Fall in unserer Elefantengruppe<br />

auf. Unsere 36jährige Elefantenkuh „Kathi“<br />

mussten wir schweren Herzens wegen einer sehr schmerzhaften<br />

Entzündung des rechten Ellbogengelenkes einschläfern.<br />

Noch in dem Zeitraum von etwas mehr als zwei<br />

Jahren zuvor war sie als gleichwertiges soziales Mitglied<br />

der Elefantengruppe ohne Probleme geduldet worden.<br />

Danach war sie in mehrere Raufereien mit den anderen<br />

Gruppenmitgliedern verwickelt worden. Die Sektion im<br />

obigen Institut ergab nun den nach der Wolfsgeschichte<br />

nicht mehr überraschenden Befund, dass sich im rechten<br />

Uterushorn ein 45 kg schwerer Tumor gebildet hatte. Der<br />

Beginn der Wachstumsdauer eines solchen Tumors, der<br />

ohne Störung des vom Menschen wahrnehmbaren Allgemeinbefindens<br />

des Tieres zu einer solchen Masse herangewachsen<br />

war, stimmt gut überein mit dem ersten sichtbar<br />

gewordenen aggressiven Mobbing durch die anderen<br />

Elefanten ca. zwei Jahre zuvor. Dabei war es offenbar<br />

auch zu einer von außen nicht sichtbaren inneren Verletzung<br />

des Ellbogengelenkes gekommen, die letztlich zu<br />

7

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!