Download Pdf [2,31 MB] - MTU Aero Engines
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Big Brother am Flügel<br />
Dienstagmorgen, acht Uhr: Pünktlich hebt<br />
der Boeing 747-Frachter der amerikanischen<br />
Atlas Air von der Startbahn in Hannover ab.<br />
Besondere Vorkommnisse: keine. Auch der<br />
Rückflug am nächsten Tag verläuft problemlos.<br />
Trotzdem muss der Flieger zu einem<br />
außerplanmäßigen Triebwerkscheck. Die<br />
<strong>MTU</strong>-Experten vermuten einen Schaden an<br />
der Leitschaufelverstellung im Verdichter.<br />
26 REPORT<br />
Odilo Mühling<br />
Ständig unter Beobachtung: Mit einem neuen innovativen System der <strong>MTU</strong> werden bei der Maintenance-Tochter in<br />
Langenhagen Triebwerksdaten aus der Luft kontinuierlich verfolgt. Das Engine Trend Monitoring vergleicht die Daten<br />
vom Flügel mit einem Referenztriebwerk und liefert dadurch wichtige Hinweise auf den Gesundheitszustand eines<br />
Triebwerks. Präzise Prognosen und frühe Fehlerdiagnosen verhindern so kostspielige Folgeschäden.<br />
Bei der Inspektion bestätigt sich der Verdacht.<br />
Das Teil ist tatsächlich beschädigt.<br />
Das Problem kann noch an Ort und Stelle<br />
behoben werden. „Wäre der kleine Schaden<br />
unentdeckt geblieben, könnte das einen<br />
kapitalen Triebwerksfehler nach sich ziehen.<br />
Und diesen zu beheben, wird dann richtig<br />
teuer“, sagt Ivaylo Krastev, Triebwerksingenieur<br />
der <strong>MTU</strong> Maintenance Hannover.<br />
Dieser Schaden eines abgebrochenen Hebels am Verdichterleitkranz eines V2500 konnte frühzeitig entdeckt<br />
werden – dadurch ließ sich ein größerer Schaden verhindern.<br />
Dass Defekte in dieser frühen Phase entdeckt<br />
werden, ist dem so genannten Engine Trend<br />
Monitoring (ETM) zu verdanken, einem neuen<br />
und innovativen Baustein des Maintenance-<br />
Konzepts der <strong>MTU</strong>. „Unter ETM versteht man<br />
die Überwachung einer Triebwerksflotte<br />
mittels eines PC-basierten Systems vom<br />
Boden aus“, erklärt Dr. Andreas Kreiner, ETM-<br />
Projektleiter bei der <strong>MTU</strong>. Während Start und<br />
Reiseflug zeichnet der Flugzeugcomputer die<br />
wichtigsten Triebwerksdaten wie die Parameter<br />
Druck, Temperatur oder Vibrationen<br />
auf. Diese Werte werden per Funk oder<br />
Satellit in ein Netzwerk am Boden gespeist.<br />
Das ETM-System holt sich die Daten aus dem<br />
Netz und vergleicht sie mit Berechnungen<br />
aus einem entsprechenden Triebwerksmodell.<br />
Abweichungen von der Normalkurve<br />
sind auf diese Weise rasch erkennbar. Wird<br />
ein Defekt festgestellt, können entsprechende<br />
Maintenance-Aktionen organisiert werden.<br />
Größere Folgeschäden und kostspielige<br />
Reparaturen bleiben aus.<br />
Damit die wertvolle Präventionsarbeit sicher<br />
funktioniert, sind die Anforderungen an das<br />
System hoch: Es muss rund um die Uhr an<br />
sieben Tagen in der Woche verfügbar sein.<br />
Ausfälle sind tabu. Die Zuverlässigkeit muss<br />
über 98,5 Prozent liegen. Und das System<br />
arbeitet im Dauerbetrieb: Maximal vier Stunden<br />
lang darf es ausgeschaltet sein. Auch in<br />
puncto Genauigkeit gibt es wenig Toleranzen:<br />
Präzise Prognosen erfassen die geringsten<br />
Abweichungen zum Modell.<br />
Im September 2005 wurde ETM bei der <strong>MTU</strong><br />
Maintenance Hannover gestartet. „Im Rahmen<br />
des Technologieprojektes ,Fortschrittliches<br />
Monitoring‘ haben wir den Bedarf in<br />
Hannover erkannt“, sagt Kreiner. Damals war<br />
am <strong>MTU</strong>-Standort ein ähnliches System im<br />
Einsatz. „Allerdings vermissten die Anwender<br />
einige wichtige Funktionen“, so Kreiner.<br />
Aus diesem Grund tüftelte ein interdisziplinäres<br />
Projektteam an einer eigenen Lösung.<br />
Ein deutliches Plus für den Kunden: Die CF6-<br />
Triebwerksflotte von Atlas Air und die V2500-<br />
Ein Techniker von JetBlue Airways inspiziert ein V2500 am Boden.<br />
Antriebe von JetBlue Airways können damit<br />
noch effizienter überwacht und instand<br />
gehalten werden.<br />
Wie das System ruhen auch die <strong>MTU</strong>-Experten<br />
nicht und haben sich bereits an eine<br />
Weiterentwicklung gemacht. ETM soll mit<br />
zusätzlichen Funktionalitäten ausgestattet<br />
werden. „Je nach Kundenwunsch wollen wir<br />
weitere Funktionen kurzfristig realisieren.<br />
Geplant ist auch die Möglichkeit einer Datenauswertung<br />
via Internet“, sagt Dr. Christian<br />
Zähringer, der die Weiterentwicklung leitet.<br />
Auch bei den Diagnose-Fähigkeiten soll ETM<br />
noch leistungsfähiger werden und zukünftig<br />
noch mehr Daten, wie zum Beispiel die des<br />
Ölsystems, verarbeiten können. „Außerdem<br />
wollen wir ETM auf andere Triebwerkstypen<br />
erweitern“, so Zähringer.<br />
Das Einsatzgebiet soll auch auf andere <strong>MTU</strong>-<br />
Standorte wie Ludwigsfelde ausgedehnt werden.<br />
In München profitiert man bereits von<br />
der ständigen Überwachung. Zähringer: „Wir<br />
gewinnen damit zu den Triebwerken wertvolle<br />
Erfahrungswerte aus der Praxis. Diese Informationen<br />
können wir gut in der Entwicklung<br />
einsetzen.“<br />
Ihr Ansprechpartner zu diesem Thema:<br />
Dr. Christian Zähringer<br />
+49 89 1489-6796<br />
Interessante Multimedia-Services zu<br />
diesem Artikel unter:<br />
http://www.mtu.de/107ETM<br />
REPORT 27