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Thomas Söding: Das Evangelium nach Markus (Leseprobe)

Dieser große Kommentar erschließt das Markusevangelium historisch-kritisch und kanonisch als Erzählung an Jesus, die im Licht des Osterglaubens erstmals die Zusammenhänge zwischen dem Wirken und der Passion Jesu vergegenwärtigt. Jesus nimmt seine Sendung, das Reich Gottes zu vermitteln, als Gottessohn mitten unter den Menschen wahr – als Jude für alle Völker. Das Evangelium antwortet auf eine tiefe Krise der Gesellschaft und der Kirche, die durch den Jüdischen Krieg zugespitzt wird. Es führt die Aktualität der Verkündigung Jesu vor Augen: Der Glaube prägt alle Lebensbereiche, weil er in der Nachfolge Jesu die rettende Beziehung zu Gott mit der sozialen Verantwortung für die Nächsten vereint. Diese Orientierung entwickelt sich in einer lebendigen Gemeindetradition, die Markus zusammenfasst und weiterführt. Das Markusevangelium wird als grundlegendes Zeugnis personaler Christologie gedeutet, die das Bild Jesu nachhaltig geprägt hat und bis heute eine Auseinandersetzung mit ihm stimuliert.

Dieser große Kommentar erschließt das Markusevangelium historisch-kritisch und kanonisch als Erzählung an Jesus, die im Licht des Osterglaubens erstmals die Zusammenhänge zwischen dem Wirken und der Passion Jesu vergegenwärtigt. Jesus nimmt seine Sendung, das Reich Gottes zu vermitteln, als Gottessohn mitten unter den Menschen wahr – als Jude für alle Völker. Das Evangelium antwortet auf eine tiefe Krise der Gesellschaft und der Kirche, die durch den Jüdischen Krieg zugespitzt wird. Es führt die Aktualität der Verkündigung Jesu vor Augen: Der Glaube prägt alle Lebensbereiche, weil er in der Nachfolge Jesu die rettende Beziehung zu Gott mit der sozialen Verantwortung für die Nächsten vereint. Diese Orientierung entwickelt sich in einer lebendigen Gemeindetradition, die Markus zusammenfasst und weiterführt.
Das Markusevangelium wird als grundlegendes Zeugnis personaler Christologie gedeutet, die das Bild Jesu nachhaltig geprägt hat und bis heute eine Auseinandersetzung mit ihm stimuliert.

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Auslegung<br />

Die Überschrift (Mk 1,1) 1<br />

(1) Anfang des <strong>Evangelium</strong>s Jesu Christi, des Sohnes Gottes 2 .<br />

Mk 1,1 ist in die programmatische Überschrift des Werkes. 3 Der Vers kann zwar mit V. 2<br />

zusammengezogen und dann als Ankündigung der Täufergeschichte gedeutet werden. 4<br />

Die Gattungsparallelen sowohl aus alttestamentlichen und frühjüdischen Büchern 5 als<br />

auch aus hellenistischen Biographien 6 sprechen jedoch für einen Bezug auf das gesamte<br />

Buch. Der »Anfang« ist die Grundlage, auf der jede Predigt im Namen Jesu steht – weil er<br />

dieses Fundament gelegt hat, in seinem Wirken, seinem Leiden und seiner Auferstehung,<br />

1 A. Rademacher, Achtet, 56–64 (als Leseanleitung gedeutet); E. Lohse, Christuskerygma und Verkündigung<br />

Jesu im <strong>Markus</strong>evangelium, in: ZNW 101 (2010), 204–222 (als Grundlegung der Christologie<br />

gelesen); Chr. Rose, Erzählung, 77–83 (der den »Anfang« auf Mk 1,1–15 und durch den Passus vermittelt<br />

auf das gesamte Buch bezieht); J. Dechow, Gottessohn, 21–43 (der den Hoheitstitel fokussiert);<br />

H.-J. Klauck, Vorspiel, 27–30 (der die Komposition fokussiert); C. Ettl, Der »Anfang der … Evangelien«,<br />

in: S. Brandenburger; T. Hieke (Hg.), Wenn drei das Gleiche sagen – Studien zu den ersten drei<br />

Evangelien (Theologie 14), Münster 1998, 121–152 (der eine Komparatistik des Beginnens entwickelt);<br />

D. Dormeyer, Die Kompositionsmetapher »<strong>Evangelium</strong> Jesu Christi, des Sohnes Gottes« Mk 1.1. Ihre<br />

theologische und literarische Aufgabe in der Jesus-Biographie des <strong>Markus</strong>, in: NTS 33 (1987), 452–468<br />

(der die christologische Programmatik erhellt); G. Arnold, <strong>Markus</strong> 1,1 und Eröffnungswendungen in<br />

griechischen und lateinischen Schriften, in: ZNW 68 (1977), 123–127 (der Mk 1,1 als Überschrift liest).<br />

2 Der Genitiv »des Sohnes Gottes« ist textkritisch nicht voll gesichert, weil er zwar im Vaticanus und<br />

Cantabrigiensis steht, im Sinaiticus jedoch ursprünglich fehlt und später <strong>nach</strong>getragen wurde. Allerdings<br />

beweist Mk 8,29, dass B und D bei Hoheitstiteln zuverlässiger als א sind; für die Langfassung<br />

argumentiert M. Botner, The role of transcriptional probability in the text-critical debate on Mark 1:1,<br />

in: CBQ 77 (2015), 467–480; für die Kurzfassung H. Greeven, Textkritik, 41–46.<br />

3 R. A. Burridge, Gospels, 189. Eine Gattungsbezeichnung sieht D. Frickenschmidt, <strong>Evangelium</strong> als Biographie.<br />

Die vier Evangelien im Rahmen antiker Erzählkunst (TANZ 22), Tübingen/Basel 1997, 354f.;<br />

aber die Sprachentwicklung ist jünger.<br />

4 So P. Dschulnigg, Mk, 60.<br />

5 Vgl. Mt 1,1; ebenso Jes 1,1; Am 1,1; Spr 1,1; Koh 1,1; Hld 1,1; 1Makk 1,1; Tob 1,1; Jub 1,1; ApkMos 1,1;<br />

VitAd 1,1; Test XII; 1QS 1,1.<br />

6 Beispiele liefern die Biographien des Nepos, z. B. über Themistokles (1), Alcibiades (1), Thrasybulus (1)<br />

und Hannibal (1), des Plutarch über Alexander und Caesar sowie die Philosophenviten des Diogenes<br />

Laertius, z. B. über Antaximander (Vit II 1), Anaximander (Vit II 2), Xenokrates (Vit IV 1), Arkesilaos<br />

(Vit IV 6), Antisthenes (Vit VI 1), Diogenes von Sinope (Vit VI 2), Monimos (Vit VI 3), Krates (Vit VI<br />

4) und Metrokles (Vit VI 5).

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