25.12.2012 Aufrufe

Mäuse, Maden, Maulwürfe. Zur Thematisierung von Ungeziefer im ...

Mäuse, Maden, Maulwürfe. Zur Thematisierung von Ungeziefer im ...

Mäuse, Maden, Maulwürfe. Zur Thematisierung von Ungeziefer im ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

3. ÖKONOMISCHE KONTEXTUR<br />

rakterisiert werden, lässt sich zumeist nur <strong>im</strong>plizit erschließen. Es finden sich allerdings<br />

Beispiele, in denen die individuellen oder kollektiven Wertmaßstäbe, die die Schadensbe-<br />

schreibung beeinflussen, einen expliziten Ausdruck erhalten. Hieran wird deutlich, wie Be-<br />

urteilungen zustande kommen: So unterscheidet RÖSEL Raupen danach, ob sie wirtschaftli-<br />

che Aktivitäten befördern oder beeinträchtigen. Er differenziert somit zwischen Raupen,<br />

die dem Menschen ‚nutzen’ – dies sei ausschließlich be<strong>im</strong> Seidenwurm der Fall –, Raupen,<br />

„aus deren Gegenwart kein merklicher Schade erwachsen kann“ 89 – dies gelte für die meis-<br />

ten Arten – und „den schädlichen Raupen“ [Herv. i. O.]. Letztere zeichne aus, dass sie<br />

„sich nicht nur weit stärker, als andere, vermehren; sondern auch sich <strong>von</strong> dergleichen Gewächsen<br />

nähren, die entweder zum Unterhalt der Menschen und des Viehes ganz und gar unentbehrlich, oder<br />

doch <strong>von</strong> sonderbarer Nutzbarkeit sind. Die auserordentlich-starke Vermehrung solcher Creaturen<br />

bleibet inzwischen der vornehmste Grund ihrer Schädlichkeit, indem derselben eine grosse Menge<br />

vorhanden seyn muß, wenn wir den Schaden da<strong>von</strong> merklich empfinden sollen.“ 90<br />

RÖSEL kennt demnach keine Raupen, die nicht entweder ‚schaden’ oder ‚nutzen’. Der Au-<br />

tor knüpft die Bewertung <strong>von</strong> Tieren als schädlich an zwei Kriterien: Sie verursachten ers-<br />

tens, bedingt durch ihre Fortpflanzungsstärke, einen deutlich sichtbaren Schaden, der sich<br />

zweitens auf diejenigen Pflanzen erstrecke, die für den Lebensunterhalt des Menschen<br />

wichtig seien. Indem RÖSEL die Gewächse nach ihrer wirtschaftlichen Bedeutung unter-<br />

scheidet, legt er zugleich den Bewertungsmaßstab für die Raupen fest. Für ökonomisch<br />

bedeutsame Pflanzen erhebt er nämlich einen exklusiven Nutzungsanspruch. Insekten, die<br />

sich <strong>von</strong> diesen Pflanzen ernähren, beeinträchtigten deshalb seines Erachtens menschliche<br />

Verwertungsinteressen. Vor diesem Hintergrund sind alle Insekten, auf die diese beiden<br />

Kriterien nicht zutreffen, nicht schädlich. Hier wird explizit, dass ökonomische Interessen<br />

die Wahrnehmung der Tiere best<strong>im</strong>men.<br />

Von einer unterschiedlich intensiven Schädlichkeit eines Tieres gehen auch BECHSTEIN<br />

und SCHARFENBERG in ihrer Vollständigen Naturgeschichte der schädlichen Forstinsekten aus. Sie<br />

machen hierfür aber nicht die sich verändernden Nutzungsinteressen verantwortlich – die<br />

Verwertungsabsicht ist gesetzt –, sondern die Vermehrung der Tiere. Für sie steht der<br />

Schaden einer Art grundsätzlich in einer proportionalen Beziehung zur Individuenzahl.<br />

Weil die Entwicklung der Fortpflanzung nicht abzusehen sei, halten es beide Autoren für<br />

essentiell, dass sich die Forstbediensteten auch mit denjenigen Insekten beschäftigen, die<br />

89 Rösel <strong>von</strong> Rosenhof 1746, Der Nacht-Vögel zweyte Classe. N. XXI. Die gesellige, braune, roth-haarige,<br />

schädliche Baum-Raupe und derselben Verwandlung zum Papilion, S. 137-141, 137.<br />

90 Ebd., S. 137.<br />

- 47 -

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!