ERF Medien Magazin Oktober 2022
Gutes Leben
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THEMA <strong>ERF</strong> MEDIEN MAGAZIN ı 10.<strong>2022</strong> ı 13<br />
fügung stehenden Zeit erreicht hätten. Doch das hat sich<br />
manchmal schon stressig angefühlt. Ich wäre an manchen<br />
Orten lieber länger geblieben, wäre gerne tiefer eingetaucht<br />
oder hätte eine Situation oder Begegnung verlängern<br />
wollen.<br />
Du kennst das Gefühl offenbar gut, dass du etwas verpassen<br />
könntest. Wie wirkt sich das bei dir aus, wie merkst du<br />
das? Was löst das bei dir aus?<br />
Dadurch, dass ich oft viele Möglichkeiten und Optionen<br />
abwäge, merke ich, dass ich ja gar nicht alles machen kann<br />
und dass ich wählen muss. Oder etwas vielleicht auf später<br />
verschieben muss. Das führt manchmal zu einem Gefühl<br />
von Verlust. Denn eigentlich würde ich jeweils<br />
gerne die beste, die tollste aller Möglichkeiten wählen.<br />
Wie gehst du damit um, dass du gefühlt ständig zu wenig<br />
Zeit hast, um all die tollen Sachen zu machen, zu erleben,<br />
zu geniessen? Stresst dich das im Alltag?<br />
Ja, das stresst mich tatsächlich. Besonders im Sommer<br />
und bei schönem Wetter. Ich wohne in der Stadt und<br />
könnte rund um die Uhr etwas Tolles erleben und mich<br />
mit Freunden treffen. Und gerade in diesem Sommer nach<br />
der Covidzeit ist es extrem: Es gibt zig Veranstaltungen,<br />
Konzerte, Kunstausstellungen etc. Das möchte ich sehen,<br />
eintauchen, erleben und Teil davon sein!<br />
Wie hast du diesbezüglich die Coronazeit erlebt? War das<br />
für dich eine starke Einschränkung oder hatte es auch<br />
positive Seiten?<br />
In der Zeit des Lockdowns war es ja gar nicht möglich,<br />
etwas zu verpassen. Das Einzige, was stattgefunden hat,<br />
waren die Kontakte mit meinen WG-Kollegen. Wir haben<br />
viel zusammen gekocht, gespielt, geredet, TV geschaut. Es<br />
war befreiend, einfach mal Zeit zu haben. Die Covidzeit hat<br />
mich gelehrt, weniger zu machen.<br />
Setzt du dir auch manchmal Grenzen und schränkst dich<br />
bewusst ein in deinen Aktivitäten?<br />
Das mache ich tatsächlich: Ich halte mir, wenn immer möglich,<br />
einen Tag unter der Woche und einen am Wochenende<br />
frei, den ich nicht verplane. Ich notiere mir in der Agenda<br />
jeweils mit blauer Farbe Optionen, entscheide oder verplane<br />
aber nichts. So bleibt freie Zeit für Spontanes und es gibt<br />
mir das Gefühl, am Sonntag nichts tun zu müssen und den<br />
Tag einfach so geniessen zu können.<br />
Und eine weitere Einschränkung habe ich mir auferlegt:<br />
Wenn spontan Zeit frei wird, zum Beispiel durch eine Absage,<br />
dann gehe ich nicht auf Social Media. Denn dort sehe<br />
ich, was ich alles verpasst haben könnte. Lieber will ich<br />
die frei gewordene Zeit geniessen und schauen, was für<br />
Begegnungen daraus entstehen. So habe ich das kürzlich<br />
erlebt, als am Tag vor meinem Geburtstag niemand<br />
erreichbar war und kein Treffen zu klappen schien. Zuerst<br />
war ich frustriert, doch dann entschied ich mich, den Tag<br />
allein zu geniessen. Es war ein schöner Sommertag und ich<br />
ging alleine baden. Es wurde ein toller Nachmittag mit Begegnungen<br />
und Gesprächen, die ich niemals hätte planen<br />
können. Zufällig traf ich auch noch eine Freundin und der<br />
Tag endete mit einem spontanen Konzertbesuch.