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UNSERE ATEMWEGE

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Lesen Sie mehr auf gesunder-koerper.info<br />

Beschwerdefrei trotz<br />

schwerem Asthma:<br />

Geht das heutzutage?<br />

Text Prof. Dr. Marek Lommatzsch<br />

Eosinophiles Asthma -<br />

Wenn einem plötzlich die Luft wegbleibt.<br />

Arnaud Paciel hat eine schwere Form von Asthma.<br />

Wie er damit lebt und was er Betroffenen rät,<br />

lesen Sie im Interview.<br />

Text Franziska Manske<br />

Es gibt verschiedene Formen von<br />

Asthma. An welcher leiden Sie?<br />

Prof. Dr. Marek Lommatzsch<br />

Sprecher des Deutschen Lungentages und stellvertretender Klinikdirektor,<br />

Abteilung für Pneumologie im Zentrum für Innere Medizin,<br />

Universitätsmedizin Rostock<br />

Ich habe eosinophiles Asthma. Eosinophile<br />

sind eine Untergruppe von weißen Blutzellen<br />

und somit Teil des Immunsystems.<br />

Bei Asthmatikern, die eine erhöhte Anzahl<br />

von eosinophilen Granulozyten im Blut aufweisen,<br />

können sie schwere Entzündungen<br />

im Lungengewebe auslösen.<br />

Asthma ist eine der häufigsten<br />

Atemwegs- und Lungenkrankheiten<br />

weltweit, in<br />

Deutschland leiden über<br />

fünf Millionen Menschen an dieser<br />

Erkrankung. Etwa vier Prozent dieser<br />

Patientinnen und Patienten leiden<br />

an einem schweren Asthma: Hier kommt<br />

es trotz intensiver Behandlung oft zu<br />

starken Beschwerden, wiederholten<br />

Krankenhausaufenthalten und in einigen<br />

Fällen sogar zur Berufsunfähigkeit.<br />

Zu den häufigsten Asthmasymptomen<br />

gehören Luftnot, das Gefühl der Brustenge<br />

und Husten (oft nachts), meist begleitet von<br />

einem charakteristischen Atemgeräusch<br />

(„Giemen“). Typisch für die Erkrankung<br />

ist, dass die Intensität und Häufigkeit der<br />

Beschwerden sehr wechselhaft sind und<br />

von äußeren Faktoren (u.a. Wetterlagen,<br />

Reizstoffe, Stress, Allergene) stark beeinflusst<br />

wird. Die beiden häufigsten Asthmaformen<br />

sind das allergische Asthma,<br />

welches typischerweise in der Kindheit<br />

und Jugend erstmals auftritt und oft mit<br />

Allergien vergesellschaftet ist, und das<br />

nicht allergische („intrinsische“) Asthma,<br />

welches oft erst im Erwachsenenalter<br />

(relativ abrupt) auftritt und häufiger<br />

zu schweren Verläufen neigt: hierzu<br />

gehört auch das sogenannte „eosinophile<br />

Asthma". Beiden Asthmaformen<br />

liegt eine chronische Entzündung der<br />

Atemwege ursächlich zugrunde, welche<br />

zu einer Überempfindlichkeit der Atemwege<br />

und zu immer wiederkehrenden<br />

(und potenziell lebensbedrohlichen)<br />

Verengungen der Atemwege führt.<br />

Bis weit in das 20. Jahrhundert bestand<br />

die Asthmadauertherapie aus Medikamenten,<br />

welche nur kurzfristig<br />

Beschwerden lindern konnten oder<br />

sehr nebenwirkungsreich waren. Bis<br />

heute hält sich daher die Mär, dass<br />

das immer wiederkehrende Auftreten<br />

von Symptomen bei Asthma (insbesondere<br />

bei schwerem Asthma) schicksalhaft<br />

zu akzeptieren sei und dass die einzige<br />

Alternative zur häufigen Nutzung<br />

des „Asthmasprays“ nebenwirkungsreiche<br />

Kortisontabletten seien.<br />

Die Therapiemöglichkeiten von Asthma<br />

haben sich in den letzten 50 Jahren aber<br />

grundlegend gewandelt. Es gibt heute<br />

hochwirksame Medikamente, welche<br />

gezielt und nebenwirkungsarm (teils<br />

sogar nebenwirkungsfrei) in die zugrunde<br />

liegende Entzündung nachhaltig eingreifen,<br />

und somit das Auftreten von Symptomen<br />

verhindern können. Daher sind<br />

Symptomprävention und langfristige Beschwerdefreiheit<br />

heutzutage sogar bei<br />

schwerem Asthma ein realistisches Ziel<br />

geworden. Zu den antientzündlichen,<br />

symptompräventiven Medikamenten<br />

zählen insbesondere drei Gruppen:<br />

(1) Die sogenannten inhalativen Steroide,<br />

welche oft gepaart mit atemwegserweiternden<br />

Substanzen inhaliert werden<br />

und zu einer effektiven Kontrolle der<br />

Asthmaerkrankung führen.<br />

(2) Die Allergenimmuntherapie („Hyposensibilisierung“:<br />

entweder als Spritze<br />

oder Sublingualtablette), welche bei<br />

Patienten mit allergischem Asthma die<br />

zugrunde liegenden Allergien langfristig<br />

reduzieren kann.<br />

(3) Die sogenannten Biologika (meist<br />

als Pen oder Spritze zur Selbstgabe alle<br />

zwei bis acht Wochen zu Hause), welche<br />

gezielt und hocheffektiv in die Entzündung<br />

eingreifen und insbesondere bei<br />

schwerem Asthma zu einer erheblichen<br />

Symptomreduktion (teils bis zur Beschwerdefreiheit)<br />

führen können.<br />

Bis Ende des Jahres 2022 werden in<br />

Deutschland schon sechs verschiedene<br />

Biologika für die Behandlung von schwerem<br />

Asthma zugelassen sein. Diese Biologika<br />

können nicht nur Asthmasymptome verhindern<br />

(häufiger Satz der Betroffenen:<br />

„Ich habe ein neues Leben bekommen!“),<br />

sondern haben oft auch einen positiven<br />

Effekt auf typische Begleiterkrankungen<br />

wie z. B. eine chronische Nasennebenhöhlenentzündung<br />

mit Nasenpolypen.<br />

Voraussetzung für den Einsatz dieser<br />

modernen Therapien sind jedoch das<br />

Erkennen der genauen Asthmaform des<br />

Patienten und die Auswahl einer für den<br />

Patienten maßgeschneiderten Therapie:<br />

Eine Einheitsmedizin für Asthma gibt es<br />

nicht mehr.<br />

Fazit: Moderne Asthmatherapie kann<br />

mit nebenwirkungsarmen Medikamenten<br />

Symptome dauerhaft verhindern und<br />

ein angstfreies und normales Leben ermöglichen.<br />

Dauerhafte Beschwerdefreiheit<br />

trotz schwerem Asthma: Das ist<br />

heutzutage möglich.<br />

Die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und<br />

Beatmungsmedizin (DGP) bietet Fortbildungsformate für<br />

Ärztinnen und Ärzte und Gesundheitsfachberufe an. Es ist aber<br />

wesentlich, dass auch Patientinnen und Patienten mit Asthma<br />

die Symptome ihrer Erkrankung erkennen und über die<br />

modernen Behandlungsmöglichkeiten informiert sind.<br />

Der 25. Deutsche Lungentag findet<br />

online am 24. September 2022 (11-13 Uhr) statt<br />

und wird hier auch über die moderne Diagnostik und Therapie<br />

von Asthma bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen<br />

informieren. Eine Anmeldung ist kostenlos möglich unter<br />

www.lungentag.de.<br />

Umfangreiches und kostenfreies Infomaterial finden Patient:innen<br />

und Interessierte unter<br />

www.pneumologie.de und www.atemwegsliga.de.<br />

Der Grund, weshalb Menschen Asthma<br />

entwickeln, ist noch nicht vollständig<br />

geklärt, obwohl man weiß, dass<br />

sowohl Gene als auch Umgebungsfaktoren<br />

eine Rolle spielen. Können Sie<br />

sagen, was bei Ihnen der Auslöser war?<br />

Das weiß ich leider nicht. Bei mir ist das<br />

Asthma erst sehr spät ausgebrochen. Ich<br />

war schon 35 Jahre alt. Vorher hatte ich<br />

keinerlei Probleme – weder Allergien noch<br />

Probleme mit der Lunge oder der Atmung.<br />

Ich habe sehr viel Sport gemacht,<br />

bin Halbmarathon gelaufen.<br />

Wann und wie hat sich Ihr Gesundheitszustand<br />

verschlechtert?<br />

Das war 2015. Plötzlich konnte ich nachts nur noch sehr schwer<br />

atmen, ich habe kaum Luft bekommen. Es wurde immer<br />

schlimmer, ich hatte große Angst und bin zum Arzt gegangen.<br />

Der hat mich untersucht und mir Blut abgenommen. Anhand<br />

des Blutbildes, eines Lungenfunktionstests und einer<br />

Bronchoskopie wurde es dann diagnostiziert. Meine Lungenleistung<br />

war damals bei gerade noch 50 Prozent. Zum Glück<br />

war die Diagnose dann aber schnell da und mir konnte geholfen<br />

werden.<br />

Wie beeinflusst die Krankheit Ihren Alltag?<br />

Arnaud Paciel<br />

Patient mit Asthma<br />

Ich trage immer ein<br />

Notfallspray bei mir,<br />

aber ich musste es<br />

noch nie benutzen.<br />

Heute zum Glück kaum noch. Ich kann ein normales Leben<br />

führen. Natürlich trage ich immer mein Notfallspray bei mir,<br />

aber ich musste es noch nie benutzen. Ich kann sogar wieder<br />

Sport machen und eigentlich ein ganz normales Leben führen.<br />

Es gibt eine Vielzahl an therapeutischen Hilfen, um Asthma<br />

zu behandeln. Wie sieht Ihr Therapieplan aus und was hilft<br />

Ihnen am besten, um so gut wie möglich mit der Krankheit<br />

leben zu können?<br />

Da ich eine schwere Form von Asthma habe, spritze ich mir,<br />

zusätzlich zur täglichen inhalativen Therapie, alle zwei Wochen<br />

Medikamente. Das ist eine Antikörpertherapie. Das hilft mir<br />

sehr gut und ich bin sehr dankbar, dass es diese Therapien gibt.<br />

Es heißt, dass jeder dritte Asthmapatient die Therapie<br />

vernachlässigt. Wie ist das bei Ihnen und was raten Sie<br />

anderen Betroffenen?<br />

Es kommt vor, dass ich vergesse zu inhalieren, aber sehr selten<br />

(lacht). Ich rate jedem, glücklich zu sein – auch mit Asthma.<br />

Das Leben darf sich nicht um die Krankheit drehen, denn dafür<br />

ist es viel zu schön!

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