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"AUGENBLICK, BITTE!"

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Barrieren in der<br />

digitalen Welt<br />

FOTO: DBSV/LAUTENSCHLÄGER<br />

Text Christiane Möller<br />

MIT EINEM BLINDENSCHRIFT-DISPLAY KÖNNEN SICH BLINDE MENSCHEN INHALTE AUS DEM<br />

INTERNET ANZEIGEN LASSEN – WENN DIE WEBSEITEN BARRIEREFREI PROGRAMMIERT SIND.<br />

Auf der Arbeit zwei Videokonferenzen,<br />

in der U-Bahn<br />

nach Hause ein bisschen<br />

Online-Shopping, abends eine<br />

Übung aus der AntiStress-App von der<br />

Krankenkasse und dann noch die neue<br />

Streaming-Plattform installiert – unser<br />

Alltag wird immer digitaler. Leider jedoch<br />

haben nicht alle gleichermaßen Zugang<br />

zur digitalen Welt. Für Menschen mit<br />

Seheinschränkungen gibt es zwar entsprechende<br />

Hilfsmittel, wie zum Beispiel<br />

eine Bildschirmvergrößerung oder eine<br />

spezielle Software, die den Bildschirminhalt<br />

vorliest, aber wir stoßen auf digitale<br />

Barrieren. Und die sind für uns genauso<br />

real wie Stufen für jemanden, der im<br />

Rollstuhl sitzt.<br />

Digitale Barrieren sind zum Beispiel<br />

fehlende Bildbeschreibungen auf Webseiten<br />

und in den sozialen Medien oder<br />

digitale Anwendungen, auf die man mit<br />

den oben genannten Hilfsmitteln nicht<br />

zugreifen kann. Seit Jahrzehnten gibt<br />

es einen internationalen Standard für<br />

den Zugang zu digitalen Informationen<br />

im Web – die Web Content Accessibility<br />

Guidelines (WCAG). Auf dieser Basis<br />

wurden auch Anforderungen an die<br />

barrierefreie Gestaltung von Apps,<br />

digitalen Dokumenten oder Desktop-<br />

Programmen formuliert.<br />

Es wird höchste Zeit, diese Standards<br />

auch anzuwenden, denn der Bedarf ist<br />

riesig. In Deutschland leben über eine<br />

Million Menschen mit Blindheit oder<br />

einer Sehbehinderung. Fast zehn Millionen<br />

Menschen haben eine Augenerkrankung,<br />

die zu einer Sehbehinderung<br />

führen kann. Aber auch viele Menschen<br />

mit Einschränkungen des Gehörs, der<br />

Motorik oder der Kognition sind auf<br />

Barrierefreiheit in der digitalen Welt<br />

angewiesen. Übrigens profitieren auch<br />

Menschen ohne Beeinträchtigungen von<br />

Barrierefreiheit, weil dadurch beispielsweise<br />

Webseiten klarer strukturiert und<br />

besser lesbar sind.<br />

Barrierefreiheit ist kein Selbstläufer. Der<br />

Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband<br />

sieht deshalb folgenden<br />

Handlungsbedarf:<br />

Bisher sind nur öffentliche Stellen<br />

1. wie Behörden verpflichtet, ihre digitalen<br />

Angebote barrierefrei zu gestalten.<br />

Hier gilt es, Strukturen und Prozessabläufe<br />

für die Herstellung digitaler<br />

Barrierefreiheit zu entwickeln und einzuhalten.<br />

Vor allem aber müssen endlich<br />

auch alle privaten Anbieter von digitalen<br />

Produkten und Dienstleistungen zur<br />

Barrierefreiheit verpflichtet werden.<br />

Ein erster Schritt ist das sogenannte<br />

Barrierefreiheitsstärkungsgesetz, das ab<br />

2025 für bestimmte Bereiche wie E-Books<br />

und digitales Banking eine solche Pflicht<br />

vorsieht. Auf diesem Weg muss es weiter<br />

gehen.<br />

Es bedarf einer Sensibilisierung<br />

2. für den Nutzen digitaler Barrierefreiheit.<br />

Damit digitale Barrierefreiheit<br />

umgesetzt wird, muss sie Thema in<br />

den Ausbildungs- und Studienplänen,<br />

Prüfungsordnungen, Weiterbildungsprogrammen<br />

und Schulungsmodulen aller<br />

Berufssparten werden.<br />

Bei öffentlichen Ausschreibungen<br />

3. wie auch bei Wirtschafts- und<br />

Forschungsförderungen im Digitalbereich<br />

muss Barrierefreiheit konsequent<br />

zur Bedingung gemacht und dann auch<br />

wirklich durchgesetzt werden. Wir<br />

fordern zudem gezielte Förderprogramme<br />

für barrierefreie Innovationen<br />

im Digitalbereich.<br />

Christiane Möller<br />

Christiane Möller ist Justiziarin beim<br />

Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband<br />

(DBSV).<br />

Mehr Informationen und zwei kurze<br />

Erklärfilme unter:<br />

www.dbsv.org/digitalisierung<br />

Dieser Artikel ist in Zusammenarbeit mit der feelSpace GmbH entstanden.<br />

Orientierung für Blinde<br />

– unterwegs mit dem<br />

naviGürtel<br />

Text Dr. Julia Wache<br />

Tel.: +49 541 939356 90<br />

E-Mail: info@feelspace.de<br />

Mehr Informationen unter:<br />

www.feelspace.de<br />

Orientierungsprobleme bei Blindheit<br />

müssen nicht sein<br />

Unterwegs immer die Orientierung behalten<br />

– das ist für blinde und sehbehinderte<br />

Menschen oft eine Herausforderung.<br />

Anne K. (63) ist vor zwölf Jahren unerwartet erblindet.<br />

Im Alltag kommt sie mittlerweile gut<br />

zurecht, die Orientierung draußen machte ihr<br />

aber lange Zeit zu schaffen. Dank des Mobilitätstrainings<br />

kann sie mit dem Langstock Hindernisse<br />

umgehen. Trotzdem fiel es ihr stets schwer,<br />

eine Richtung ohne Leitlinie zu halten:<br />

„Ich habe mich immer unbewusst gedreht.<br />

Dadurch konnte ich z. B. keine breite Straße<br />

überqueren. Einmal bin ich schräg direkt in den<br />

Verkehr auf die Kreuzung gelaufen. Seitdem<br />

traute ich mir viele Wege alleine nicht mehr<br />

zu, schon gar nicht zu unbekannten Zielen.“<br />

FOTO: FEELSPACE<br />

Ihre Tochter machte sich deswegen große<br />

Sorgen: „Meine Mutter war immer ein sozialer<br />

Mensch, sie war ständig unterwegs und unternahm<br />

viel. Jetzt ist sie so unsicher, dass sie oft<br />

auf Hilfe angewiesen ist, um das Haus zu verlassen.<br />

Sie geht viel seltener raus, das tut ihr<br />

nicht gut.“<br />

Sicher und selbstbestimmt unterwegs<br />

Vor einem Jahr hat Anne K. dann bei einer<br />

Hilfsmittelausstellung den feelSpace navi-<br />

Gürtel kennengelernt. Nach einer Testphase,<br />

die die Firma feelSpace kostenlos anbietet,<br />

war sie davon überzeugt. „Es war tatsächlich<br />

noch mal etwas ganz anderes, den Gürtel<br />

selbst zu tragen und ihn zu Hause auszuprobieren!“,<br />

sagt sie. Dieser Gürtel zeigt per<br />

Vibration rund um den Bauch herum Richtungen<br />

auf eine leicht verständliche Weise an.<br />

Stefanie H., eine Mobilitätstrainerin<br />

für blinde Menschen, erklärt: „Der<br />

naviGürtel hat auch eine Straßenüberquerfunktion.<br />

Wenn sich Anne K. an<br />

der Bordsteinkante ausrichtet, vibriert<br />

der Gürtel per Knopfdruck am Bauchnabel.<br />

Wenn sie schief läuft, spürt sie das<br />

und kann sich wieder richtig ausrichten.<br />

Damit kann sie entspannt und vor<br />

allem sicher Straßen und große Plätze<br />

zielgerade überqueren!“ Anne K. hat<br />

den naviGürtel über ihre Krankenkasse<br />

bekommen. Mit der feelSpace-App kann<br />

sie auch Ziele per Sprache eingeben und<br />

Favoriten speichern, der Gürtel kann<br />

die Richtung dorthin und auch konkrete<br />

Wege anzeigen. „Jetzt habe ich keine<br />

Angst mehr vor unbekannten Orten und<br />

kann endlich neue Wege alleine gehen!“,<br />

freut sich Anne K. Auch ihre Tochter ist<br />

begeistert: „Endlich traut sie sich wieder<br />

etwas zu, sie ist richtig aufgeblüht!“<br />

Der naviGürtel ist ein anerkanntes<br />

Hilfsmittel, das von der Krankenkasse<br />

übernommen wird. Er kann unkompliziert<br />

und kostenlos zu Hause im Alltag<br />

getestet werden. Wenn Sie Interesse<br />

haben, melden Sie sich einfach bei<br />

feelSpace. Die Firma berät Sie gerne und<br />

unterstützt Sie beim Ausprobieren und<br />

der Beantragung über Ihre Krankenkasse.<br />

Auch das mobile Vorlesegerät OrCam<br />

und die Hinderniserkennungs-Schuhe<br />

InnoMake hat sie im Angebot.

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