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ASO! Augsburg Süd-Ost - November 2022

Stadtteilmagazin für Augsburg-Hochzoll, -Herrenbach, -Spickel, -Textilviertel und Friedberg

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12 <strong>ASO</strong>! <strong>November</strong> ‚22<br />

Den Gunzenlê,<br />

Tummelplatz der Mächtigen, riss der Lech fort<br />

Das Denkmal in der Meringer Flur<br />

Eine Säule aus Granit mit einer Tafel erinnert<br />

mit nachfolgendem Text an einen<br />

im Mittelalter bedeutenden Hügel. „Hier<br />

an der Gemeindegrenze Mering-Kissing<br />

stand der einst hochberühmte, viel besungene<br />

altgermanische Versammlungsort<br />

und Dinghügel Gunzenle. Seine Ankunft<br />

liegt im Dunkeln und ist zumindest vor<br />

700 n. Chr. anzusetzen. Um 1450 hatten<br />

Lechhochwasser das ehrwürdige Mal zerstört.<br />

An dem im ganzen Reich bekannten<br />

Gunzenle fanden Reichstage statt, Kaiser<br />

wie Fürsten versammelten sich an diesem<br />

geschichtlich so bedeutsamen Ort, um<br />

nach altem Rechtsbrauch über Jahrhunderte<br />

ihre Staatsgeschäfte, Gericht und<br />

vieles Andere abzuwickeln. Urkundlich<br />

belegt ist die Örtlichkeit auch als vielfach<br />

benutzter mittelalterlicher Heeressammelplatz<br />

für die Italienzüge.“<br />

Das Denkmal steht südöstlich des Weitmannsees<br />

in Höhe der Siedlung St. Afra.<br />

(Nicht zu verwechseln mit St. Afra im Felde!)<br />

Die Marktgemeinde Mering ließ es 2015<br />

aufstellen.<br />

Ob sich der Gunzenlê wirklich hier befand,<br />

ist nicht so sicher, wie es auf der Bronzetafel<br />

klingt. Davon später.<br />

High life am Lech<br />

Aus der Fülle der Treffen der Reichen,<br />

Schönen und Mächtigen vom 8. bis ins 15.<br />

Jahrhundert kann man nur die wichtigsten<br />

herausgreifen.<br />

Der Adel feierte hier rauschende Feste mit<br />

Beteiligung einer Heerschar von Musikanten,<br />

Gauklern und Händlern. Legendär<br />

sind die Pfingstfeste von Welf VI. an Pfingsten<br />

1173 und 1175.<br />

Ebenfalls an Pfingsten – im Jahr 1127 – fand<br />

an dem Hügel am Lech die Hochzeit des<br />

Bayernherzogs Heinrich der Stolze mit der<br />

Tochter des Kaisers Lothar von Supplinburg<br />

statt. Die Braut war zwölf Jahre alt.<br />

Mit 14 bekam sie ihren ersten Sohn, den<br />

späteren Herzog Heinrich der Löwe. 1197<br />

ging die Hochzeit des Herzogs von Schwaben<br />

und späteren Königs Philipp, Bruder<br />

Kaiser Heinrichs IV., und Irene, Tochter des<br />

oströmischen Kaisers, hier über die Bühne.<br />

Ebenso war der Gunzenlê Schauplatz<br />

wichtigster politischer Entscheidungen.<br />

Hier übergab im Jahr 787 der Bayernherzog<br />

Tassilo Land und Herrschaft an Karl<br />

den Großen. Drei Jahre vor der Lechfeldschlacht<br />

hielt König Otto, der spätere Kaiser,<br />

einen Reichstag am Gunzenlê ab. Im<br />

13. Jahrhundert werden hier die Weichen<br />

der bayerischen Geschichte gestellt. Über<br />

den Pfalzgrafen Otto VIII. von Wittelsbach<br />

wird die Reichsacht verhängt, weil er<br />

König Philipp von Schwaben in Bamberg<br />

ermordet hatte. Anschließend wird seine<br />

Burg in Oberwittelsbach bei Aichach<br />

(angeblich) geschleift. Von großer Bedeutung<br />

für Friedberg sind die Gunzenlêbeschlüsse<br />

von 1263/64. Bayernherzog<br />

Ludwig der Strenge verbrieft nach seiner<br />

Niederlage am Hammelberg bei Neusäß<br />

den <strong>Augsburg</strong>er Bürgern ihre Rechte.<br />

1264 stellt Konradin, der letzte Staufer,<br />

dann den <strong>Augsburg</strong>ern einen Schutzbrief<br />

aus und erwähnt die Gründung einer<br />

Stadt „Fridberch“.<br />

Vom Gunzenlê zieht er nach <strong>Süd</strong>italien zur<br />

Rückeroberung des Erbes seines Großvaters,<br />

Kaiser Friedrich II. In Neapel endet das<br />

junge Leben Konradins auf dem Schafott.<br />

Ab 1050 war das Lechfeld am Gunzenlê<br />

DER Sammelplatz für die Heere auf dem<br />

Weg nach Italien. Die Verhältnisse waren<br />

ideal. Die Heide bot Platz für ein Lager von<br />

tausenden Kriegern. Der Lech und Quellen<br />

spendeten Wasser für Mensch und<br />

Tier, Weiden und Feuerholz standen am<br />

Auwald zur Verfügung. Das sollen auch<br />

die Ungarn erkannt und hier ihr Lager<br />

aufgeschlagen haben, was natürlich nicht<br />

sicher ist. Noch weniger natürlich die Passage<br />

aus dem mittelhochdeutschen Heldenepos<br />

Biterolf und Dietleib, nach dem<br />

die Hunnen auf ihrem Zug nach Worms<br />

am Gunzenlê Rast machten. Dass Schlachten<br />

hier geschlagen wurden, ist dagegen<br />

verbürgt: 743 erleidet Odilo, bayerischer<br />

Herzog, eine Niederlage gegen die Franken.<br />

Ebenso Bischof Ulrich 910 auf dem<br />

Lechfeld „ad clivum dicitur Gunzen’le“- bei<br />

dem Hügel, der sich Gunzenlê nennt.<br />

Zum ersten Mal wird der Hügel im Jahr<br />

783 erwähnt. Der Forscher Eduard Wallner<br />

hat 68 dokumentierte Ereignisse am Gunzenlê<br />

aufgelistet.<br />

Dinghügel bei Arras, Nordfrankreich (Quelle: Barthel<br />

Eberl: Die Ungarnschlacht auf dem Lechfeld)<br />

Wo stand der Hügel ??<br />

Mit absoluter Sicherheit kann das niemand<br />

beantworten. Um 1440 hat ein Lechhochwasser<br />

den herühmten Hügel weggerissen.<br />

Die Quellen sind zwar zahlreich, aber<br />

zur Standortfrage bis auf eine Ausnahme<br />

nicht eindeutig und bedürfen der Interpretation.<br />

Und die fällt unterschiedlich<br />

aus. Zwei Theorien haben sich herausgebildet.<br />

1. Die „Meringer“ Theorie, nach der<br />

der Dinghügel an der Grenze Kissing-Mering<br />

auf Meringer Gebiet lag, eben dort,<br />

wo seit 2015 die Säule steht, und 2. die<br />

„Kissinger“Theorie, die von einem Standort<br />

am alten Lechlauf etwa in der Mitte<br />

zwischen Kuhsee und Auensee ausgeht.<br />

Lage des Gunzenlê nach Martin Schallermeir

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