23.11.2022 Aufrufe

Kinder- & Jugendgesundheit

Je gesünder unsere Kinder, desto gesünder sind die Erwachsenen der Zukunft! Im Rahmen dieser Ausgabe sprechen Expert:innen und junge Eltern über die aktuelle Gesundheitsversorgung von Kindern und Jugendlichen in Österreich, den Mangel an pädiatrischen Kassenfachärzt:innen und den österreichischen Impfplan.

Je gesünder unsere Kinder, desto gesünder sind die Erwachsenen der Zukunft!

Im Rahmen dieser Ausgabe sprechen Expert:innen und junge Eltern über die aktuelle Gesundheitsversorgung von Kindern und Jugendlichen in Österreich, den Mangel an pädiatrischen Kassenfachärzt:innen und den österreichischen Impfplan.

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EINE THEMENZEITUNG VON MEDIAPLANET<br />

Lesen Sie mehr unter www.dergesundheitsratgeber.info/kindergesundheit<br />

KINDER- & JUGEND-<br />

GESUNDHEIT<br />

FOTOS: SHUTTERSTOCK<br />

Vorsorgemedizin<br />

Warum diese so wichtig ist<br />

& welche Rolle der Impfplan<br />

dabei spielt<br />

Je gesünder unsere<br />

<strong>Kinder</strong>, desto<br />

gesünder sind die<br />

Erwachsenen der<br />

Zukunft!


2 Lesen Sie mehr unter www.dergesundheitsratgeber.info/kindergesundheit/<br />

Themenzeitung von Mediaplanet<br />

IN DIESER AUSGABE<br />

06<br />

Kein <strong>Kinder</strong>spiel für das<br />

Gesundheitssystem<br />

Die Gesundheitsversorgung von <strong>Kinder</strong>n<br />

und Jugendlichen steht in Österreich<br />

vor großen Herausforderungen. Die<br />

Verantwortlichen sind daher gefordert,<br />

zeitnah gesundheitspolitische Lösungen<br />

zu finden.<br />

07<br />

Verena Maria Greillinger<br />

Die Mama-Bloggerin spricht darüber,<br />

wie sie mit dem Thema Impfen bei ihren<br />

eigenen <strong>Kinder</strong>n umgeht.<br />

Die Erstellung dieser Sonderbeilage<br />

wurde von GSK unterstützt.<br />

Die redaktionelle Verantwortung für<br />

alle Beiträge liegt bei Mediaplanet.<br />

Verantwortlich für den Inhalt<br />

dieser Ausgabe:<br />

FOTO<br />

: NIEV ES SI M O N<br />

Sophia Rüscher-<br />

Fussenegger, MBA<br />

Industry Managerin<br />

Mediaplanet GmbH<br />

FOTO: SHUTTERSTOCK FOTO: SHUTTERSTOCK<br />

Je gesünder<br />

unsere <strong>Kinder</strong>,<br />

desto gesünder<br />

sind die Erwachsenen<br />

der Zukunft<br />

<strong>Kinder</strong> stellen die gesündeste Bevölkerungsgruppe<br />

dar, was erfreulich ist. Dennoch darf dabei nicht<br />

vergessen werden, was es alles braucht, um<br />

langfristig gesund zu bleiben.<br />

Mag.a Dr.in<br />

Caroline Culen<br />

Klinische und<br />

Gesundheitspsychologin<br />

Geschäftsführerin<br />

Österreichische<br />

Liga für <strong>Kinder</strong>- und<br />

<strong>Jugendgesundheit</strong><br />

FOTO: LUIS HARMER<br />

In den Gesundheitszielen Österreichs<br />

ist unter Ziel 6, das da lautet „Gesundes<br />

Aufwachsen für <strong>Kinder</strong> und<br />

Jugendliche bestmöglich gestalten“,<br />

folgendes nachzulesen: „In der ersten<br />

Lebensphase wird die Grundlage für eine<br />

gesunde Lebensweise und lebenslange<br />

Gesundheit gelegt. Ungleichheiten in der<br />

frühen Kindheit können sich im Erwachsenenalter<br />

fortsetzen. Daher ist es wichtig,<br />

dem Aufwachsen von <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen<br />

besondere Beachtung zu schenken.<br />

Bekommen alle <strong>Kinder</strong> und Jugendlichen<br />

in Österreich gerechte Gesundheitschancen<br />

und optimale Rahmenbedingungen,<br />

so ist dies von langfristigem Nutzen für die<br />

Einzelnen und die Gesellschaft insgesamt.“<br />

Es liegt also in unser aller Verantwortung,<br />

die Grundlagen für ein gesundes<br />

Aufwachsen unserer <strong>Kinder</strong> zu schaffen.<br />

<strong>Kinder</strong> und Jugendliche in Österreich<br />

erhalten im akuten Erkrankungsfall<br />

meist sehr gute und kostengünstige bzw.<br />

FOKUS<br />

IN DIESER AUSGABE:<br />

FOTO: SHUTTERSTOCK<br />

kostenfreie<br />

Behandlung,<br />

vor allem im<br />

Spitalskontext.<br />

Im niedergelassenen<br />

Bereich sieht<br />

das anders aus.<br />

Der Mangel an<br />

<strong>Kinder</strong>ärzt:innen<br />

ist dramatisch. Viele<br />

Eltern verzweifeln an den<br />

schier ewig langen Wartezeiten<br />

der kinderärztlichen Praxen. Die Folge<br />

der zu wenigen niedergelassenen <strong>Kinder</strong>fachärzt:innen<br />

und deshalb auch eingeschränkten<br />

Praxisöffnungszeiten war in<br />

den vergangenen Jahren eine Überfüllung<br />

der Spitalsambulanzen.<br />

Die gleichzeitige Zunahme<br />

der Wahlärztinnen und -ärzte erschwert<br />

mittlerweile wichtige Vorsorgetermine wie<br />

regelmäßige Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen<br />

oder zeitgerechte Impfungen, da<br />

diese für viele Eltern einfach nicht leistbar<br />

sind. Die Volkshilfe wertete im Jänner<br />

2022 Angaben von über 500 Familien aus,<br />

die ein Jahr lang an dem Projekt „Existenzsicherung<br />

für armutsbetroffene und<br />

armutsgefährdete <strong>Kinder</strong> und Jugendliche<br />

in der Pandemie“ teilgenommen hatten.<br />

Geplante Ausgaben im Bereich Gesundheit<br />

wurden von den wenigsten Familien (nur<br />

10 %) genannt. Erwähnt wurden allerdings<br />

sehr wohl Schwierigkeiten verbunden mit<br />

den Kosten für die dennoch notwendigen<br />

Behandlungen (Volkshilfe Österreich 2022).<br />

<strong>Kinder</strong> brauchen erwachsene Bezugspersonen,<br />

um überhaupt Zugang zu medizinischen<br />

oder therapeutischen Leistungen<br />

zu erhalten. Meistens sind das ihre Eltern,<br />

weshalb diese die wichtigsten Partner für<br />

das Gesundheitswesen darstellen, wenn es<br />

um <strong>Kinder</strong>- und <strong>Jugendgesundheit</strong> geht.<br />

Im eingangs genannten Ziel 6 der Gesundheitsziele<br />

Österreich ist festgehalten, dass<br />

Eltern von Anfang an, also ab der Schwangerschaft,<br />

vielfältig unterstützt werden<br />

müssen. Neben Hilfestellungen wie Betreuung<br />

durch Hebammen, Frühe-Hilfen-Netzwerk<br />

oder Erziehungsberatung bedeutet<br />

dies auch die Förderung von elterlicher<br />

Gesundheitskompetenz, also „dem Wissen,<br />

der Motivation und der Fähigkeit, gesundheitsbezogene<br />

Informationen zu finden, zu<br />

verstehen, zu bewerten und anzuwenden,<br />

um dadurch im gesamten Lebensverlauf<br />

die Gesundheit und Lebensqualität zu<br />

erhalten, sinnvolle präventive Maßnahmen<br />

in Anspruch nehmen und mit Krankheiten<br />

gut umgehen zu können“ (Definition<br />

Sozialministerium). Gesundheitskompetenz<br />

ist einer der wichtigsten Pfeiler, um<br />

gesund zu bleiben, Gesundheitsvorsorge zu<br />

leisten und die bestmögliche Gesundheit<br />

von <strong>Kinder</strong>n zu erhalten.<br />

In diesem Sinn trägt die vorliegende<br />

Mediaplanet-Ausgabe zur Gesundheitskompetenz<br />

bei.<br />

Viel Spaß bei der Lektüre!<br />

Gesundheitsversorgung von<br />

<strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen<br />

in Österreich sowie das<br />

Thema Impfplan.<br />

Zahlen und Gründe der pädiatrischen<br />

Mangelversorgung in Österreich<br />

Industry Managerin: Sophia Rüscher-Fussenegger, MBA;<br />

Sales Director: Florian Rohm, BA Lektorat: Sophie Müller,<br />

MA; Grafik & Layout: Daniela Fruhwirth; Journalistin:<br />

Magdalena Reiter-Reitbauer; Managing Director:<br />

Bob Roemké<br />

Medieninhaber: Mediaplanet GmbH · Bösendorferstraße<br />

4/23 · 1010 Wien · ATU 64759844 · FN 322799f FG Wien<br />

Impressum: mediaplanet.com/at/impressum/<br />

Distribution: Der Standard Verlagsgesellschaft m.b.H.<br />

Druck: Mediaprint Zeitungsdruckerei Ges.m.b.H. &<br />

Co.KG<br />

Kontakt bei Mediaplanet Tel: +43 1 236 34380<br />

E-Mail: hello-austria@mediaplanet.com<br />

ET: 23.11.2022<br />

Bleiben Sie in Kontakt:<br />

Mediaplanet Austria<br />

@DerGesundheitsratgeber<br />

@austriamediaplanet<br />

Bundesland Kassenarztstellen davon nicht besetzt: % nicht besetzt<br />

Burgenland 8 0 0<br />

Niederösterreich 43 8 19<br />

Wien 91 11 (16*) 12 (18)<br />

Steiermark 36 3 8<br />

Oberösterreich 40,5 7,5 19<br />

Kärnten 17 0 0<br />

Salzburg 19 2 11<br />

Tirol 24 2 8<br />

Vorarlberg 20 0 0<br />

gesamt 298,5 33,5 (38,5) 11 (13)<br />

Quelle: Unbesetzte §2-Kassenfacharztstellen für <strong>Kinder</strong>- und Jugendheilkunde in den einzelnen<br />

Bundesländern Österreichs (Eigenerhebung ÖGKJ). * 5 Stellen werden ev. demnächst besetzt.<br />

AT-LYN-00264 ERSTELLDATUM 03/2022


Eine Themenzeitung von Mediaplanet<br />

Lesen Sie mehr unter www.dergesundheitsratgeber.info/kindergesundheit/ 3<br />

Ein Mangel,<br />

der zur sozialen<br />

Schwelle wird<br />

Es ist ein Alarmsignal, das <strong>Kinder</strong>arzt<br />

Dr. Peter Voitl absetzt. Vor welchen<br />

großen Herausforderungen<br />

<strong>Kinder</strong>ärztinnen und -ärzte und<br />

das gesamte Gesundheitssystem<br />

stehen und welche Forderungen der<br />

Bundesfachgruppenobmann für<br />

<strong>Kinder</strong>- und Jugendheilkunde der<br />

Österreichischen Ärztekammer daher<br />

an die Politik hat, erklärt<br />

er im Interview.<br />

Prim. DDr.<br />

Peter Voitl<br />

Medizinalrat,<br />

Gründer des <strong>Kinder</strong>gesundheitszentrums<br />

Donaustadt,<br />

Bundesfachgruppenobmann<br />

für <strong>Kinder</strong>-<br />

& Jugendheilkunde<br />

FOTO: ZVG<br />

Wie bewerten Sie die aktuelle Situation der<br />

medizinischen Versorgung von <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen<br />

in Österreich?<br />

Schlecht – und dafür gibt es mehrere Gründe. Es gibt<br />

in Österreich einen Mangel an <strong>Kinder</strong>ärzt:innen, der<br />

in Wahrheit ein selektiver Mangel ist. Es gibt genügend<br />

Wahlärztinnen und -ärzte, aber zu wenige <strong>Kinder</strong>ärztinnen<br />

und -ärzte im solidarischen und niederschwelligen<br />

Kassensystem. Wir sehen auf allen Ebenen einen Rückgang<br />

der klassischen Kassenmedizin und parallel dazu<br />

eine Privatisierung in sämtlichen Bereichen.<br />

Warum ist das problematisch?<br />

Es wird dadurch eine soziale Schwelle eingebaut. Das<br />

kann ich auch aus eigener Erfahrung berichten. Ich<br />

war eine Zeit lang als Wahlarzt tätig. Es war für mich<br />

unerträglich, den aufgeblähten Säugling einer wohlhabenden<br />

Familie ausführlich zu untersuchen, während<br />

ich das herzkranke Kind, dem ich mit meiner Expertise<br />

hätte helfen können, nach seiner Herzoperation<br />

wegschicken musste, weil es keine Zusatzversicherung<br />

hatte. Das ist nicht die Medizin, die ich betreiben will.<br />

Das ist keine Kritik an Wahlärzt:innen, denn sie leisten<br />

hervorragende Arbeit; und ich bin auch nicht der<br />

Meinung, dass man dieses System einschränken sollte –<br />

doch die Kassenmedizin muss attraktiver werden.<br />

Wie kann die Kassenmedizin attraktiver werden?<br />

Es braucht Verbesserungen auf verschiedenen Ebenen.<br />

Da ist zunächst die Honorarsituation. Für den Mutter-<br />

Kind-Pass basieren die aktuellen Tarife auf jenen der<br />

frühen 1990er Jahre. Wir brauchen außerdem pädiatrische<br />

Primärversorgungseinheiten. Ich betreibe ein<br />

<strong>Kinder</strong>gesundheitszentrum, in dem wir als Team von<br />

Ärzt:innen pro Tag rund 300 Patient:innen auf Kassa<br />

betreuen können. Darüber hinaus ist es nach wie vor<br />

unverständlich, warum Oberärztinnen und -ärzte in<br />

Krankenhäusern nebenbei keine Kassenordinationen<br />

führen dürfen. Diese Absurdität stammt noch aus<br />

der Zeit des Überschusses an Ärzt:innen. Es würde<br />

unserem System heute aber sehr helfen, wenn fünf bis<br />

zehn Wochenstunden nicht etwa als Wahlärztin/-arzt,<br />

sondern als Kassenkinderärztin/-arzt geleistet werden<br />

dürften.<br />

Wohin wird sich die <strong>Kinder</strong>- und Jugendmedizin in<br />

Österreich in den nächsten zehn Jahren entwickeln?<br />

Wir erleben den größten Umbruch im medizinischen<br />

System seit dem Zweiten Weltkrieg. Durch den zunehmenden<br />

Mangel an Ärzt:innen, der auch durch den Pillenknick<br />

bedingt ist, erschöpft sich das aktuelle System.<br />

Die Privatmedizin springt ein und die Kassenmedizin<br />

wird zurückgefahren. Diesen Systemumbruch müssen<br />

wir ernst nehmen und Schritte dagegen unternehmen.<br />

Im Vorfeld dieses Gesprächs haben wir um Statements<br />

des Gesundheitsministeriums und der<br />

Österreichischen Gesundheitskassa angefragt.<br />

Leider sind beide Stellen unserer Anfrage nicht<br />

nachgekommen.<br />

Die Hauptproblematik des österreichischen Gesundheitswesens<br />

war und ist die Zersplitterung von Kompetenzen.<br />

Jeder ist für einen Teilbereich zuständig und<br />

versucht, in diesem Kosten zu sparen. Darüber gibt<br />

man natürlich nur ungern Auskunft. Es geht bei vielen<br />

Themen rein darum, wer welche Kosten übernimmt und<br />

was man dafür bekommt. Ich war etwa bei einigen Verhandlungsrunden<br />

zu den Primärversorgungseinheiten<br />

dabei. Wir haben oft stundenlang über absurde Details<br />

gesprochen, an denen es sich dann spießt.<br />

Wenn Ihnen Vertreter:innen von Gesundheitsministerium<br />

und Österreichischer Gesundheitskassa<br />

gegenübersitzen würden, welche Forderungen<br />

hätten Sie?<br />

Erstens: Forcierung der Primärversorgungseinheiten für<br />

<strong>Kinder</strong>heilkunde. Damit kann man kostengünstig eine<br />

gute Versorgungswirklichkeit erzielen – sowohl quantitativ<br />

als auch qualitativ. Zweitens: Die Situation um die<br />

Mutter-Kind-Pass-Honorare empfinden wir mittlerweile<br />

als mangelnde Wertschätzung. Die Untersuchungen<br />

sind für uns ein Defizit.<br />

Gibt es hier denn nicht Tendenzen zur<br />

Lösung seitens der Politik?<br />

Wir stoßen seit nun mehr zwanzig Jahren auf furchtbar<br />

viel Verständnis. Jede:r Gesundheitsmininister:in<br />

sagt, dass dringend etwas getan werden muss – bis zur<br />

nächsten Wahl, dann geht das Spiel wieder von vorne<br />

los. Es passiert schlicht nichts auf diesem Gebiet. Das<br />

liegt sicherlich auch an der Konstellation des Familienlastenausgleichsfonds.<br />

Daher werden wir Kassenärztinnen<br />

und -ärzte mit Ende März nächsten Jahres diese<br />

Leistungen kündigen, wenn bis dahin keine Lösung in<br />

den Gesprächen absehbar ist.<br />

Soziale Leistungen wie das <strong>Kinder</strong>betreuungsgeld<br />

sind an den Mutter-Kind-Pass geknüpft. Fördert<br />

eine Privatisierung hier nicht zusätzlich noch das<br />

soziale Ungleichgewicht?<br />

Genau! Wenn der Mutter-Kind-Pass privatisiert wird,<br />

wird das eine massive Verschlechterung mit sich<br />

bringen. Die, die es sich nicht leisten können, fallen<br />

damit auch um das <strong>Kinder</strong>betreuungsgeld. Wir haben<br />

hier lange genug zugesehen und können die aktuelle<br />

Situation nicht mehr tragen, sollte es zu keiner Lösung<br />

kommen. Eine weitere Forderung an die verantwortlichen<br />

Stellen ist außerdem die Übernahme der Lehrpraxis.<br />

Junge Kolleg:innen sollen so die zentralen Elemente<br />

der <strong>Kinder</strong>heilkunde, nämlich die Untersuchungen des<br />

Mutter-Kind-Passes und das Impfwesen, in der Praxis<br />

kennenlernen. Das ist derzeit aufgrund der missglückten<br />

Ausbildungsordnung sowie der fehlenden Finanzierung<br />

nicht möglich.<br />

Viele Eltern fühlen sich nun vielleicht verunsichert.<br />

Gibt es etwas Positives, das sie zum Abschluss<br />

mitgeben können?<br />

Ich möchte das enorme Engagement meiner Kolleg:innen<br />

hervorheben, die selbst unter den schwierigen<br />

Bedingungen der letzten Jahre zwischen Coronapandemie<br />

und Patient:innenansturm eine medizinische<br />

Versorgung auf sehr gutem Niveau angeboten haben.<br />

Das muss für meine Kolleg:innen sprechen, die trotz<br />

widriger Umstände täglich Großartiges leisten.<br />

Hauptgründe,<br />

warum pädiatrische<br />

§2-Kassenfachärztinnen<br />

und - ärzte teilweise<br />

keine Nachfolger:innen<br />

finden:<br />

• Work-Life Balance<br />

• „Einzelkämpfer:innentum“<br />

• Unternehmerisches Risiko<br />

• Hoher administrativer<br />

Aufwand<br />

• Ärztliche Tätigkeit<br />

„kommt zu kurz“<br />

• Nichtberücksichtigung<br />

von zeitlichem Aufwand<br />

• Komplizierte und<br />

unbefriedigende<br />

Honorargestaltung<br />

FOTO: SHUTTERSTOCK


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Themenzeitung von Mediaplanet<br />

INSIGHT<br />

Ohne Hürden zur solidarischen Grundversorgung<br />

Für Dr.in Susanne Rabady, Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Allgemeinund<br />

Familienmedizin, und ihre Kolleg:innen wird es im Bedarfsfall immer schwieriger,<br />

<strong>Kinder</strong> an Kassenkinderärztinnen und -ärzte zu überweisen.<br />

MR Dr.in Susanne<br />

Rabady<br />

Präsidentin der<br />

österreichischen<br />

Gesellschaft für Allgemein-<br />

& Familienmedizin<br />

FOTO: ZVG<br />

Welche Erfahrungen haben Sie in den<br />

letzten Jahren in der medizinischen<br />

Versorgung von <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen<br />

in Österreich gemacht?<br />

Wir versorgen in der Allgemein- und<br />

Familienmedizin viele <strong>Kinder</strong>. Denn in<br />

Österreich besteht ein duales System, in<br />

dem <strong>Kinder</strong> und Jugendliche sowohl von<br />

der <strong>Kinder</strong>heilkunde als auch von der Allgemeinmedizin<br />

betreut werden. In ländlichen<br />

Regionen versorgen wir wirklich viele<br />

<strong>Kinder</strong> – gerade zu Tagesrandzeiten, in<br />

den Nächten und am Wochenende. Daher<br />

ist es gut, dass wir auch unter der Woche<br />

<strong>Kinder</strong> sehen, damit wir unsere Kompetenz<br />

und unsere Routine nicht verlieren.<br />

Wir sind Teil der Versorgung von <strong>Kinder</strong>n<br />

und Jugendlichen unter dem Aspekt der<br />

Familienmedizin. Mit Sorge erfüllt uns<br />

allerdings die zunehmende Privatisierung<br />

der <strong>Kinder</strong>heilkunde mit immer weniger<br />

Ärzt:innen im Kassensystem.<br />

Inwiefern wirkt sich das auf die Allgemeinmedizin<br />

aus?<br />

Die Arbeitslast in den Praxen ist insgesamt<br />

sehr hoch und wird dadurch nicht weniger.<br />

Doch für Eltern ist diese Entwicklung ein<br />

viel größeres Problem als für uns Allgemeinmediziner:innen.<br />

Wir sind es gewohnt, auch<br />

<strong>Kinder</strong> zur versorgen, aber wenn wir eine<br />

kinderfachärztliche Meinung brauchen,<br />

wird uns die Zuweisung innerhalb des<br />

öffentlichen Systems erschwert. Nicht alle<br />

Menschen können sich Wahlärztinnen und<br />

-ärzte leisten.<br />

Sehen Sie einen Unterschied zwischen<br />

städtischen und ländlichen Regionen?<br />

In den Städten gehen vergleichsweise<br />

wenige Eltern mit ihren <strong>Kinder</strong>n zu Hausärzt:innen<br />

– aus familienmedizinischer Sicht<br />

muss ich ein „Leider“ hinzufügen. Denn die<br />

Langzeitbeziehungen zu <strong>Kinder</strong>n und später<br />

Erwachsenen möchte ich nicht missen. Die<br />

Reaktivierung des dualen Versorgungsprinzips<br />

in den Städten finde ich daher keine<br />

schlechte Konsequenz aus der Not heraus.<br />

Es ist dennoch sehr wichtig, dass die<br />

spezialistische Betreuung für <strong>Kinder</strong> auch<br />

mithilfe von Kassenkinderärzt:innen<br />

möglich ist. Es darf keine Schwellen in der<br />

Grundversorgung von <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen<br />

geben. Das Problem wird auch durch<br />

das Thema Teuerungen jeden Tag größer.<br />

Wir schlittern gerade in eine Situation, die<br />

wir so nicht haben wollen. Unsere Bitte an<br />

die <strong>Kinder</strong>ärztinnen und -ärzte ist daher:<br />

Bitte haltet die solidarische Versorgung<br />

aufrecht!<br />

Mehr Wertschätzung für kinderärztliche Versorgung<br />

Unbesetzte kinderärztliche Kassenstellen werden in Österreich zu einem zunehmenden<br />

Problem, wie Univ.-Prof. Dr.in Daniela Karall ausführt. Welche Folgen dies mit sich bringt<br />

und was die Gesundheitspolitik dagegen tun kann, lesen Sie im Interview.<br />

Wie sehen Sie als Präsidentin der Österreichischen<br />

Gesellschaft für <strong>Kinder</strong>- und<br />

Jugendheilkunde das Thema Mangel an<br />

<strong>Kinder</strong>ärzt:innen?<br />

Diese Herausforderung beschäftigt uns<br />

schon seit mehreren Jahren. Wir sehen<br />

einerseits die demographische Entwicklung<br />

und andererseits beobachten wir,<br />

dass junge Ärztinnen und Ärzte nach ihrer<br />

pädiatrischen Ausbildung gerne in den<br />

jeweiligen Spezialbereichen, beispielsweise<br />

in <strong>Kinder</strong>kardiologie oder <strong>Kinder</strong>nephrologie,<br />

im Krankenhaus arbeiten möchten.<br />

Viele können sich zwar vorstellen, auch in<br />

einer Ordination zu arbeiten – jedoch nicht<br />

im Einzelkämpfer:innentum und nur ohne<br />

eigenes unternehmerisches Risiko. Wir<br />

haben dazu auch Umfragen gemacht und<br />

herausgefunden, dass viele junge <strong>Kinder</strong>ärztinnen<br />

und -ärzte gerne im Team und im<br />

Zusammenhang mit stationären Einrichtungen<br />

tätig sein wollen.<br />

Welche Probleme sind Ihrer Meinung<br />

nach durch unbesetzte Kassenstellen<br />

entstanden?<br />

Im Moment sind etwa 15 % der kinderärztlichen<br />

Kassenstellen unbesetzt – manche<br />

bereits seit vielen Jahren. Besetzte <strong>Kinder</strong>ordinationen<br />

in der Nähe sind dementsprechend<br />

ausgelastet. Die Möglichkeit von<br />

<strong>Kinder</strong>-Wahlärzt:innen ist allerdings mit<br />

einem gewissen Einkommen verbunden. Für<br />

Eltern kann es daher in manchen Regionen<br />

zunehmend schwieriger werden, ihren<br />

<strong>Kinder</strong>n eine gute kinderärztliche Versorgung<br />

zu ermöglichen. Das ist natürlich sehr<br />

bedenklich, weil gerade im Kindesalter viel<br />

Prävention betrieben wird. Alles, was man<br />

im Kindesalter gut etabliert, von Ernährungsberatung<br />

über Unfallprävention bis hin<br />

zum Impfwesen, hält ein ganzes Leben lang.<br />

Wenn Sie auf Ihren eigenen Berufsweg<br />

zurückblicken: Was hätten Sie sich<br />

gewünscht bzw. was wünschen Sie sich<br />

jetzt von gesundheitspolitischer Seite?<br />

Es braucht mehr Wertschätzung für die<br />

verschiedenen Aufgaben, die wir in der<br />

<strong>Kinder</strong>- und Jugendheilkunde im präventivmedizinischen<br />

Bereich leisten. Wir haben im<br />

Vergleich zu anderen Ländern ein sehr gutes<br />

Gesundheitssystem, in dem aber sehr viel<br />

Wert auf die Behandlung von Erkrankungen<br />

– und weniger Wert auf die Prävention<br />

- gelegt wird. Ich hätte mir in meiner<br />

beruflichen Praxis auch eine Aufwertung<br />

von Gesprächen und Beratungen gewünscht.<br />

Das wünschen sich im Übrigen auch viele<br />

junge Ärztinnen und Ärzte.<br />

FOTO: HOFER<br />

A.Univ.-Prof. Dr.in<br />

Daniela Karall,<br />

IBCLC<br />

Präsidentin der<br />

ÖGKJ, Stellv. Direktorin<br />

Department für<br />

<strong>Kinder</strong>- und Jugendheilkunde<br />

Universitätsklinik<br />

Innsbruck<br />

für Pädiatrie<br />

(K)ein Spagat zwischen Kassen- und Privatärzt:innen<br />

Welche Erfahrungen Eltern bei der Suche nach <strong>Kinder</strong>ärzt:innen unter anderem machen, erzählt Claudia Auer,<br />

Mutter einer zweijährigen Tochter, im Interview – zwischen kurzem Glück und langen Wartezeiten.<br />

FOTO: ZVG<br />

Claudia Auer<br />

Mutter einer Tochter<br />

www.windelwecker.com<br />

Das Thema Mangel an <strong>Kinder</strong>ärzt:innen<br />

ist in Österreich seit einiger Zeit präsent.<br />

Wie nehmen Sie dies wahr?<br />

Als meine kleine Tochter auf die Welt<br />

gekommen ist, habe ich mir einen <strong>Kinder</strong>arzt<br />

ausgesucht, dessen Ordination in der<br />

Nähe meines Wohnortes gelegen ist. Ich war<br />

von meinem <strong>Kinder</strong>arzt begeistert. Gerade<br />

als Neu-Mami hat er mich hinsichtlich<br />

aller Fragen beruhigt. Ich hatte also großes<br />

Glück und bin mir dessen erst im Nachhinein<br />

bewusst geworden. Denn nach einem<br />

Jahr ging er in Pension und ich musste<br />

mir jemand Neues suchen. Allerdings hat<br />

sich das als sehr schwierig herausgestellt,<br />

weil es in meiner Umgebung nur private<br />

Ordinationen gibt. Ich musste dann also<br />

notgedrungen zu einem weiter entfernten<br />

Kassenkinderarzt wechseln, dessen Ordination<br />

aufgrund von langen Wartezeiten<br />

überfüllt war. Für Routineuntersuchungen<br />

und Impfungen gehe ich also mit meiner<br />

Tochter zum <strong>Kinder</strong>arzt, aber für akute<br />

Erkrankungen nimmt meine Hausärztin uns<br />

glücklicherweise beide auf.<br />

Viele Eltern wechseln aufgrund dieser<br />

Versorgungslage schlussendlich zu privaten<br />

<strong>Kinder</strong>ärzt:innen.<br />

Wäre das für Sie eine Option?<br />

Ich möchte nicht umsteigen, auch wenn ich<br />

es mir leisten könnte. Österreich hat ein gut<br />

funktionierendes Gesundheitssystem. Wenn<br />

wir alle nur noch zu privaten Ärzt:innen<br />

gehen, werden wir bald ein System haben,<br />

das nicht mehr für alle zugänglich ist. Jede:r<br />

gleiche Möglichkeit auf gute Versorgung<br />

haben – egal, aus welcher Familie man<br />

kommt. Für mich gilt dieses Prinzip sowohl<br />

im <strong>Kinder</strong>garten als auch im medizinischen<br />

Bereich. Aber es braucht sicherlich ein<br />

Schaffen von Anreizen der Kassenstellen für<br />

<strong>Kinder</strong>ärztinnen und -ärzte.<br />

Haben Sie mit <strong>Kinder</strong>ärzt:innen über die<br />

aktuelle Situation gesprochen?<br />

Mein erster <strong>Kinder</strong>arzt hat mir zu seinem<br />

Abschied eine Liste mit <strong>Kinder</strong>ärzt:innen<br />

gegeben. Ich habe alle durchtelefoniert,<br />

doch niemand hat uns aufgenommen – bis<br />

auf meinen jetzigen <strong>Kinder</strong>arzt, der aber<br />

aufgrund der extrem hohen Auslastung auch<br />

besser „Nein“ gesagt hätte. Er hat es jedoch<br />

nicht getan, weil er sich der ohnehin<br />

problematischen Situation bewusst ist. Er ist<br />

ein sehr guter Arzt, doch das System<br />

dahinter ist schlecht. Ein System, das dich<br />

quasi dazu zwingt, in ein Privatsystem zu<br />

wechseln, finde ich, ehrlich gesagt, einfach<br />

frech. Ich erhoffe mir daher von gesundheitspolitischer<br />

Seite folgendes: dass das<br />

Berufsbild <strong>Kinder</strong>ärztin/<strong>Kinder</strong>arzt wieder<br />

attraktiver wird; dass die Situation ernst<br />

genommen wird und dass Eltern nicht mehr<br />

belächelt werden. Schließlich sind unsere<br />

<strong>Kinder</strong> unser aller Zukunft.


Eine Themenzeitung von Mediaplanet<br />

Lesen Sie mehr unter www.dergesundheitsratgeber.info/kindergesundheit/ 5<br />

FOTO: SHUTTERSTOCK<br />

Attraktivität für<br />

Kassenstellen erhöhen<br />

Univ.-Prof. Dr. Reinhold Kerbl, Generalsekretär der<br />

Österreichischen Gesellschaft für <strong>Kinder</strong>- und Jugendheilkunde,<br />

stellt im Interview Lösungsvorschläge zur Verbesserung der<br />

pädiatrischen Mangelversorgung vor.<br />

Seitens der ÖGKJ wurden<br />

10 Vorschläge erarbeitet,<br />

die zu einer Verbesserung<br />

der Versorgungssituation<br />

beitragen sollen.<br />

Prim. Univ.-Prof. Dr.<br />

Reinhold Kerbl<br />

Facharzt für <strong>Kinder</strong>-<br />

& Jugendheilkunde<br />

am LKH Hochsteiermark<br />

Leoben<br />

Abteilung für <strong>Kinder</strong><br />

& Jugendliche, Leiter<br />

des Referates für<br />

Aus- & Weiterbildung<br />

ÖGKJ<br />

FOTO: CUGOWSKI<br />

Worin sehen Sie aktuell die größten Herausforderungen<br />

im Bereich der kinderärztlichen<br />

Versorgung?<br />

Wir erleben in Österreich seit mehreren<br />

Jahren einen Mangel an kinderärztlichen<br />

Kassenstellen. Viele Positionen sind derzeit<br />

nicht besetzt. Das ist auf Dauer nicht gut<br />

für die Versorgung und wir müssen dem<br />

entgegenwirken. Viele Kassenärztinnen<br />

und -ärzte haben praktisch einen Aufnahmestopp.<br />

Aber jede Familie soll auch<br />

einen Platz bei Kassenärzt:innen finden<br />

können und nicht auf Wahlärztinnen und<br />

-ärzte ausweichen müssen. Denn wenn man<br />

keine Kassenstelle findet und nicht über<br />

die finanziellen Mittel für Wahlärztinnen<br />

und -ärzte verfügt, dann ist das soziale<br />

Diskriminierung.<br />

Wie kann man dieser Entwicklung entgegenwirken?<br />

Als Österreichische Gesellschaft für<br />

<strong>Kinder</strong>- und Jugendheilkunde haben<br />

wir ein 10-Punkte-Programm entwickelt,<br />

das zur Verbesserung der Versorgungslage<br />

beitragen soll. Honorarerhöhungen<br />

allein können das Problem nicht lösen. Es<br />

braucht unter anderem eine Attraktivitätssteigerung<br />

durch die Erhöhung der Arbeitszufriedenheit<br />

von <strong>Kinder</strong>ärzt:innen mit<br />

Kassenstellen.<br />

Welche gezielten Maßnahmen schlagen<br />

Sie daher vor?<br />

Zum Beispiel die öffentlich geförderte Lehrpraxis<br />

für pädiatrische Ordinationen. Junge<br />

Kolleg:innen können so bereits während<br />

ihrer Ausbildung in einer Praxis mitarbeiten,<br />

um dort für sechs bis zwölf Monate<br />

die Tätigkeit kennenzulernen und sich so<br />

in weiterer Folge auch für diese Stellen zu<br />

interessieren. In der Allgemeinmedizin gibt<br />

es dieses Modell bereits. Einen weiteren<br />

Punkt stellen die Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen<br />

dar, die einen sehr wesentlichen<br />

Bestandteil des pädiatrischen Alltags<br />

ausmachen. Hier bestehen zwei Probleme:<br />

Seit 2011 gibt es keine Kommission mehr,<br />

wobei auch die Inhalte nicht mehr adaptiert<br />

wurden. Außerdem wurden die Tarife für<br />

die Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen seit<br />

1994 nicht mehr angepasst. Hier braucht es<br />

dringend Nachbesserungen.<br />

Wie sieht es mit Lösungsansätzen zu<br />

neuen Arbeitsmodellen aus?<br />

Das ist ein Punkt, an dem die Verantwortlichen<br />

und die Österreichische Gesundheitskasse<br />

bereits zum Teil arbeiten. So gibt es<br />

bereits neue Modelle, wie Gruppenpraxen<br />

und Timesharing. Hier hat sich bereits<br />

einiges getan. Was es allerdings noch immer<br />

nicht gibt, sind pädiatrische Primärversorgungseinheiten,<br />

also Zentren, in denen<br />

mehrere Ärztinnen und Ärzte und Therapeut:innen<br />

zusammenarbeiten. Bislang<br />

sind für die Primärversorgungseinheiten<br />

nur Allgemeinmediziner:innen als Leitende<br />

vorgesehen. Gerade in Ballungszentren wie<br />

Wien braucht es jedoch auch pädiatrische<br />

Primärversorgungseinheiten, damit auch<br />

hier eine multiprofessionelle Versorgung<br />

für <strong>Kinder</strong> ermöglicht wird.<br />

Können Allgemeinmediziner:innen die<br />

pädiatrische Versorgung übernehmen?<br />

Die pädiatrische Ausbildung in der Allgemeinmedizin<br />

liegt bei drei Monaten, jene<br />

von pädiatrischen Fachärzt:innen bei 63<br />

Monaten. Gerade am Land übernehmen<br />

Allgemeinmediziner:innen zwar wichtige<br />

Aufgaben in der pädiatrischen Versorgung<br />

– aber aufgrund der kürzeren Ausbildungszeiten<br />

liegt die fachliche Kompetenz natürlich<br />

bei den <strong>Kinder</strong>ärzt:innen.<br />

Welche Änderungen schlagen Sie zusätzlich<br />

noch vor?<br />

Junge Ärztinnen und Ärzte wollen heute<br />

nicht mehr in der Peripherie alleinverantwortliche<br />

Unternehmer:innen für ihre<br />

Ordinationen sein. Statt des Einzelkämpfer:innentums<br />

sind etwa Modelle als<br />

Angestellte:r über Spitäler attraktiver.<br />

Kassenärztinnen und -ärzte verbringen viel<br />

Zeit mit der Abrechnung der einzelnen<br />

Leistungen. Diese Administration nimmt<br />

sehr viel Zeit in Anspruch. Über ein eben<br />

genanntes Anstellungsverhältnis können<br />

Ärztinnen und Ärzte von der Administration<br />

entlastet werden und sich auf ihre<br />

ärztliche Tätigkeit konzentrieren.<br />

1. Enge Kooperation (Durchlässigkeit, Rotationsmöglichkeit)<br />

zwischen niedergelassener und<br />

Spitalspädiatrie<br />

2. Öffentlich (ko)finanzierte Lehrpraxis im<br />

Ausmaß von 6-12 Monaten<br />

3. Strukturförderung („Starter:innenbonus“)<br />

für Praxis(neu)eröffnungen bzw.<br />

Versorgungsbonus für mangelversorgte<br />

Gebiete<br />

4. Möglichkeit auf Pädiatrische<br />

Primärversorgungseinheiten<br />

(PVE) – auch<br />

in dislozierten/virtuellen<br />

Verbünden<br />

5. Förderung bereits<br />

möglicher Kooperationsmodelle<br />

durch Aufhebung von<br />

Honorarlimitierungen<br />

6. Unterstützung bei der Realisierung<br />

von familienfreundlichen Teilzeitmodellen<br />

insbesondere für Ärztinnen im<br />

kassenärztlichen Bereich („Servicestelle“)<br />

7. Aufwertung des Faktors „Zeit“ für ausgewählte<br />

bzw. komplexe Erkrankungsfälle<br />

8. Übertragungsmöglichkeit bestimmter Tätigkeiten<br />

in der kinder- und jugendfachärztlichen Praxis an<br />

qualifiziertes nichtärztliches medizinisches Personal<br />

9. Valorisierung der seit 1994 nicht angepassten<br />

Mutter-Kind-Pass-Honorare<br />

10. Möglichkeit der präventivmedizinischen Tätigkeit<br />

einschl. Erweiterung der Gesundheitsvorsorge bis<br />

zum 18. Lebensjahr (siehe Regierungsprogramm) in<br />

der kinder- und jugendfachärztlichen Praxis


6 Lesen Sie mehr unter www.dergesundheitsratgeber.info/kindergesundheit/<br />

Themenzeitung von Mediaplanet<br />

INSIGHT<br />

Kein <strong>Kinder</strong>spiel<br />

für das Gesundheitssystem<br />

Die Gesundheitsversorgung von <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen steht in<br />

Österreich vor großen Herausforderungen. Zwischen Schlüsselbegriffen wie<br />

Zweiklassenmedizin, Mangel an <strong>Kinder</strong>ärzt:innen und Impflücken sind die<br />

Verantwortlichen gefordert, gesundheitspolitische Lösungen zu finden.<br />

Es sind dramatische Zahlen, die die<br />

aktuelle Situation der medizinischen<br />

Versorgung von <strong>Kinder</strong>n und<br />

Jugendlichen in Österreich erkennen<br />

lassen. Außer in Vorarlberg kommen in allen<br />

anderen Bundesländern auf 1.000 <strong>Kinder</strong><br />

0,09 Kassenärztinnen und -ärzte in der<br />

<strong>Kinder</strong>- und Jugendheilkunde. Das bedeutet,<br />

dass eine Kassenordination zwischen Wien<br />

und Tirol rund 10.000 <strong>Kinder</strong> betreuen muss.<br />

Anstatt in übervollen Wartezimmern bei<br />

Kassenkinderärzt:innen zu warten, wechseln<br />

daher immer mehr Eltern zu Wahlärzt:innen<br />

– wenn es denn die eigene finanzielle Situation<br />

zulässt. Denn nicht für alle Familien ist<br />

der Wechsel in die Privatmedizin finanzierbar.<br />

Gerade für Familien mit mehreren <strong>Kinder</strong>n,<br />

Alleinerzieher:innen und Familien, die<br />

am Existenzminium leben, bedeutet das eine<br />

zusätzliche Hürde. In Wien haben nur noch<br />

etwa 42 % der <strong>Kinder</strong>ärztinnen und -ärzte<br />

einen Kassenvertrag. Diese Entwicklung wird<br />

sich in den nächsten Jahren zusätzlich noch<br />

verschärfen, da von diesem Prozentsatz über<br />

70 % bereits über 50 Jahre alt sind. Es besteht<br />

hier also eine problematische Situation, die<br />

nicht nur eine Reihe von gesundheitspolitischen,<br />

sondern auch gesellschaftspolitische<br />

Fragen aufwirft.<br />

Kostenfaktor Impfungen<br />

Wer es sich also leisten kann – und will –<br />

wechselt in die Privatmedizin. Doch nicht nur<br />

bei der pädiatrischen Basisversorgung geht<br />

es um Fragen der Finanzierbarkeit, sondern<br />

auch beim Thema Impfungen. Während die<br />

meisten Impfungen des „Impfplan Österreich“<br />

für <strong>Kinder</strong> und Jugendliche kostenfrei sind,<br />

enthält er auch kostenpflichtige. Das sind<br />

zusätzliche finanzielle Belastungen, die sich<br />

nicht alle Eltern leisten können. Obwohl die<br />

Empfehlung vom Nationalen Impfgremium<br />

in Abstimmung mit <strong>Kinder</strong>ärzt:innen für alle<br />

im Impfplan enthaltenen <strong>Kinder</strong>impfungen<br />

dieselbe ist, müssen Eltern also mitunter<br />

tief in die Tasche greifen, um ihren <strong>Kinder</strong>n<br />

den bestmöglichen, empfohlenen Schutz vor<br />

Infektionskrankheiten zukommen zu lassen.<br />

Eine Situation, die nicht nur individuelle,<br />

sondern auch gesamtgesellschaftliche Auswirkungen<br />

hat. Nur wenn ein Gemeinschaftsschutz<br />

erreicht wird, schützt dieser auch<br />

Menschen, die etwa aufgrund ihres Gesundheitszustandes<br />

oder Alters keinen Schutz über<br />

Impfungen erhalten können.<br />

Angespannte Versorgungslage<br />

Neben dem Mangel an besetzten kinderärztlichen<br />

Kassenstellen und den kostenpflichtigen<br />

Impfungen<br />

beschäftigen<br />

die <strong>Kinder</strong>- und<br />

Jugendheilkunde<br />

aber noch<br />

weitere Themen.<br />

So wurden etwa die Honorare<br />

für Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen<br />

seit den 1990er Jahren<br />

nicht mehr angepasst. Eine Situation, die für<br />

viele <strong>Kinder</strong>ärztinnen und -ärzte mit Kassenstellen<br />

mittlerweile untragbar geworden ist.<br />

Die Drohung, die Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen<br />

daher ab nächstem Jahr nicht mehr<br />

als Kassenleistung anzubieten – sollte es mit<br />

den Sozialversicherungsträgern und dem<br />

Gesundheitsministerium zu keiner Einigung<br />

kommen – verschärft die bereits schwierige<br />

Versorgungslage zusätzlich. Schließlich ist der<br />

bislang kostenlose Mutter-Kind-Pass zwar<br />

nicht verpflichtend, jedoch eine notwendige<br />

Voraussetzung für den Bezug von Sozialleistungen.<br />

Von vielen Seiten werden daher<br />

dringende gesundheitspolitische Maßnahmen<br />

gefordert, um die kostenfreie und flächendeckende<br />

Versorgung von <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen<br />

in Österreich für die kommenden<br />

Monate und Jahre sicherzustellen.<br />

Kostenfreie Impfungen<br />

für Österreich<br />

Der Leiter des Impfreferates der Österreichischen Gesellschaft<br />

für <strong>Kinder</strong>- und Jugendheilkunde, Priv.-Doz. Dr. Hans-Jürgen<br />

Dornbusch, hat mit Mediaplanet über den Österreichischen<br />

Impfplan, Diskussionen um kostenfreie Impfungen und den<br />

ungleichen Kampf gegen Fake News gesprochen.<br />

Priv.-Doz. Dr. Hans<br />

Jürgen Dornbusch<br />

Facharzt für <strong>Kinder</strong>-<br />

& Jugendheilkunde<br />

in Graz-Andritz,<br />

Leiter des Referates<br />

Impfkommission der<br />

ÖGKJ<br />

FOTO: ZVG<br />

Warum gibt es einen<br />

Österreichischen Impfplan?<br />

Impfpläne gibt es in fast jedem Land der<br />

Welt. Die einzelnen nationalen Impfpläne<br />

sind Abwandlungen des von der Weltgesundheitsorganisation<br />

empfohlenen Impfschemas<br />

und deshalb nicht in jedem Land gleich. So<br />

wird die Schutzimpfung gegen FSME etwa<br />

in Österreich empfohlen, die Gelbfieberimpfung<br />

ist wiederum Einreisebedingung<br />

für viele afrikanische und südamerikanische<br />

Länder. Der Österreichische Impfplan wurde<br />

also entwickelt, um bei uns möglichst viele<br />

impfpräventable Erkrankungen zu verhindern<br />

– mit dem Wissen, dass Impfen die<br />

wahrscheinlich effizienteste Methode zur<br />

Prävention von Erkrankungen ist, die uns die<br />

Medizin zur Verfügung stellen kann.<br />

Im Österreichischen Impfplan finden sich<br />

neben kostenfreien Impfungen auch<br />

kostenpflichtige. Warum ist das so?<br />

Das hat historische Gründe. Im Jahr 1998<br />

wurde durch die damalige Gesundheitsministerin,<br />

Eleonore Hostasch, der Beschluss<br />

gefasst, dass alle empfohlenen Impfungen<br />

kostenfrei sein sollen. Danach hat sich die<br />

politische Landschaft verändert und der Sparstift<br />

wurde angesetzt. Daher entfacht<br />

nach jeder Impfempfehlung des Nationalen<br />

Impfgremiums eine Diskussion um die<br />

Kostenübernahme. Wir müssen also die Politik<br />

davon überzeugen, dass sie unser Geld dafür<br />

ausgibt, damit Impfungen für die zu Impfenden<br />

kostenfrei werden. In einem Wohlfahrtsstaat<br />

wie Österreich sollten die Kosten für<br />

Impfungen von der öffentlichen Hand getragen<br />

werden. Das betrifft unter anderem die im<br />

Impfplan empfohlenen, aber kostenpflichtigen<br />

Impfungen gegen FSME, Meningokokken,<br />

Windpocken und Gürtelrose.<br />

Entsteht durch diese Unterteilung in<br />

kostenfreie und kostenpflichtige<br />

Impfungen ein Ungleichgewicht<br />

innerhalb des Impfplans?<br />

Ja, das ist ein großes und wichtiges Thema!<br />

Das Empfinden vieler Menschen ist, dass<br />

kostenfreie Impfungen, die durch die öffentliche<br />

Hand bezahlt werden, auch wichtiger sind.<br />

Durch die Coronapandemie ist das Thema<br />

Impfen ein sehr polarisierendes geworden.<br />

Gibt es immer mehr impfskeptische Eltern<br />

– oder wirkt dies nur so?<br />

Leider wurde diese Entwicklung durch<br />

die Pandemie befeuert. Durch die Verbreitung<br />

von Fake News über die sogenannten<br />

„sozialen Medien“ ist es ein ungleicher Kampf<br />

geworden. Auch bei medialen Diskussionen<br />

sitzt häufig ein Impfgegner der Repräsentanz<br />

des faktenbasierten Wissens in einem 1:1-Setting<br />

gegenüber. Das erschwert die seriöse<br />

Information im Ordinationsalltag sehr, denn<br />

gegen Fake News und Impfskepsis können<br />

wir nur im Einzelgespräch argumentieren.<br />

In Österreich gibt es einen „harten Kern“ an<br />

Impfgegnern, der bei 3–4 % liegt und keiner<br />

Argumentation zugänglich ist. Allerdings<br />

verunsichert dieser Kern einen großen Teil<br />

der Bevölkerung.<br />

Mit welchen Argumenten kann man<br />

diesem Phänomen begegnen?<br />

Impfen ist eine ungefährliche Art, eine<br />

Erkrankung durchzumachen und den Körper<br />

darauf zu trainieren, wie er im Ernstfall auf<br />

sie zu antworten hat. Eine Impfung ist ein<br />

Trockentraining ohne Gefahr für immungesunde<br />

Menschen. Für immungeschwächte<br />

Menschen ist lediglich bei Lebendimpfstoffen<br />

Vorsicht geboten. Bei Totimpfstoffen<br />

kann aber nichts passieren. Das Schlimmste<br />

wäre, dass die Impfung nicht wirkt. Die<br />

Impfreaktionen halten sich in Grenzen und<br />

klingen nach wenigen Tagen wieder ab.<br />

Leider ist das Bewusstsein für die Gefahr von<br />

impfpräventablen Erkrankungen in den<br />

letzten Jahren zurückgegangen. Die Impfungen<br />

werden sich quasi selbst zum Feind, weil<br />

durch ihre Wirkung Erkrankungen glücklicherweise<br />

nicht mehr präsent sind. Wir<br />

sollten keine Angst vor der Impfung, sondern<br />

nur Angst vor der Erkrankung haben.


Eine Themenzeitung von Mediaplanet<br />

Lesen Sie mehr unter www.dergesundheitsratgeber.info/kindergesundheit/ 7<br />

GUT INFORMIERT ÜBER IMPFUNGEN<br />

Ramona Sailer ist Mutter eines sieben Monate alten Sohnes, der – bis auf eine Impfung<br />

– bislang alle kostenfreien Impfungen des Impfplans erhalten hat. Rund um das Thema<br />

Impfungen wünscht sie sich mehr Information und Aufklärung.<br />

Stefan<br />

Fussenegger<br />

Bald Vater zweier<br />

Söhne & Rechtsanwaltsanwärter<br />

FOTO: ZVG<br />

Wann haben Sie sich mit dem Thema<br />

<strong>Kinder</strong>impfungen zum ersten Mal beschäftigt?<br />

Ich habe mich mit dem Thema Impfungen<br />

bei <strong>Kinder</strong>n im Mutterschutz beschäftigt,<br />

also ungefähr zwei Monate bevor mein Sohn<br />

geboren wurde. Den empfohlenen Impfplan<br />

habe ich bereits zusammen mit dem Mutter-<br />

Kind-Pass erhalten. Ich habe mich dann<br />

genauer damit beschäftigt, welche Impfungen<br />

für meinen Sohn wann und warum nötig<br />

sind. Allerdings war es nicht gerade leicht,<br />

dazu Genaueres herauszufinden.<br />

Wer hat Ihnen bei der<br />

Entscheidungsfindung geholfen?<br />

Ich habe Freundinnen gefragt, wie sie<br />

das Thema Impfungen mit ihren <strong>Kinder</strong>n<br />

gehandhabt haben und dazu auch Bücher<br />

gelesen. Ich wollte mich über die Wirkung<br />

von Impfstoffen sowie über die jeweiligen<br />

Erkrankungen informieren, um einfach<br />

einen guten Überblick zu erhalten. Mit meiner<br />

<strong>Kinder</strong>ärztin habe ich über das Thema<br />

ebenso sehr offen sprechen können.<br />

Hatten Sie Ängste als Mutter?<br />

Ja, ich hatte natürlich auch Ängste, weil<br />

ich im Vorhinein nicht wusste, wie mein<br />

Baby auf die Impfungen reagieren wird.<br />

Mein Sohn hat jedoch bereits zweimal die<br />

kostenfreie 6-fach-Impfung gegen Diphterie,<br />

Wundstarrkrampf, Keuchhusten, <strong>Kinder</strong>lähmung,<br />

Haemophilus B und Hepatitis B<br />

erhalten und diese sehr gut vertragen. Für<br />

mich ist die Impfentscheidung ein Abwägen<br />

zwischen kurzzeitigen Nebenwirkungen<br />

und dem, was passieren würde, wenn mein<br />

Sohn eine dieser Erkrankungen bekommen<br />

würde. Einen Tag zu fiebern ist besser als an<br />

einer schlimmen Krankheit zu leiden.<br />

Können Sie hier auch andere<br />

Meinungen verstehen?<br />

Ja, natürlich. Jeder muss für sich selbst die<br />

richtige Entscheidung treffen. Ich finde<br />

es nicht okay, wenn andere Menschen<br />

aufgrund von anderen Entscheidungen verurteilt<br />

werden.<br />

Was wünschen Sie sich rund um das<br />

Thema Impfen in Österreich?<br />

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass, wenn<br />

man nicht nachfragt, man so gut wie gar<br />

nicht über das Thema Impfungen informiert<br />

wird. Ich würde mir daher mehr Informationen<br />

und Offenheit wünschen. Ich möchte<br />

nicht, dass ich alle für mich wichtigen<br />

Informationen selbst zusammentragen<br />

muss. Nach der Geburt im Krankenhaus<br />

erhält man so viele verschiedene Broschüren<br />

– zum Thema Impfen habe ich damals leider<br />

keinen bekommen. Daher wünsche ich mir<br />

mehr Aufklärung diesbezüglich.<br />

SOLIDARITÄT UND BESTMÖGLICHER SCHUTZ<br />

Für Stefan Fussenegger ist klar, dass er seinem Sohn alle empfohlenen<br />

Impfungen des Österreichischen Impfplans verabreichen lassen möchte,<br />

um ihm so den besten Impfschutz zu ermöglichen.<br />

Wie sind Sie als Vater an das Thema Impfen<br />

herangegangen?<br />

Für mich als Vater und für uns als Eltern war<br />

klar, dass wir der Empfehlung des Österreichischen<br />

Impfplans und unseres <strong>Kinder</strong>arztes<br />

folgen werden. Schließlich liegt die<br />

Expertise bei den Ärztinnen und Ärzten.<br />

Im Österreichischen Impfplan gibt es<br />

kostenfreie und kostenpflichtige Impfungen.<br />

Für welche Impfungen haben Sie<br />

sich entschieden?<br />

Wir haben sowohl alle empfohlenen kostenfreien<br />

als auch kostenpflichtige Impfungen<br />

durchführen lassen. Wir wollen für unseren<br />

Sohn den besten Impfschutz. Das Thema<br />

Impfen wird häufig kontrovers diskutiert –<br />

ob fachlich basiert oder nicht. Impfen sollte<br />

eine medizinische Entscheidung sein. Für<br />

mich war klar, dass ich nur fachlich fundierte<br />

Meinungen in die Entscheidungsfindung<br />

miteinfließen lassen möchte.<br />

Sie teilen auf Social Media Ihren Mama-<br />

Alltag mit der Welt. Gehen Sie mit dem<br />

Thema Impfen offen um?<br />

Das kommt auf die Impfung an. Aber ja,<br />

klar, <strong>Kinder</strong>impfungen sind Teil meines<br />

Lebens und das thematisiere ich auch<br />

gerne! Ich finde es sehr wichtig, sich über<br />

das Impfen Gedanken zu machen und<br />

sich bei den richtigen Stellen darüber zu<br />

informieren.<br />

Wo und wie haben Sie sich über Impfungen<br />

informiert?<br />

Über unseren <strong>Kinder</strong>arzt. Außerdem war<br />

ich auf einer Veranstaltung, die die Meningokokken-Impfung<br />

thematisierte. Davor<br />

hatte ich keine Ahnung, was die Erkrankung<br />

bedeutet. Ich bin sehr froh, dass ich<br />

rund um das Thema Impfen fachliche<br />

Informationen erhalten bzw. eingeholt habe<br />

– und nicht irgendwelche Meinungen über<br />

Facebook und Co.<br />

Gerade die Coronapandemie hat das<br />

Thema Impfung stark emotional aufgeladen.<br />

Hat es auch für Sie eine emotionale<br />

Konnotation?<br />

Nein, grundsätzlich nicht. Ich selbst habe<br />

keine medizinische Expertise und verlasse<br />

mich daher gerne auf die Empfehlungen<br />

von medizinischen Expertinnen und<br />

Experten. Wie bei jedem Medikament kann<br />

es natürlich auch bei der Impfung Nebenwirkungen<br />

geben. Aber der Nutzen steht für<br />

mich klar über der Gefahr der Nebenwirkungen.<br />

Ich möchte mein Kind impfen und<br />

damit schützen lassen.<br />

Hat Impfen für Sie einen gesellschaftlichen<br />

Stellenwert?<br />

Ja, gerade durch die Debatte rund um die<br />

Coronaimpfung hat das Thema für mich<br />

einen großen gesellschaftlichen Stellenwert<br />

eingenommen. Für mich geht es beim Impfen<br />

um gesellschaftliche Solidarität – und<br />

Wenn man über das Thema Impfung<br />

öffentlich postet: Welche Reaktionen<br />

haben Sie erhalten?<br />

Ich habe zu 99 % sehr positive Rückmeldungen<br />

erhalten. Allerdings habe ich nie gesagt:<br />

„Lasst eure <strong>Kinder</strong> unbedingt impfen!“,<br />

sondern eher: „Informiert euch darüber!“<br />

Vielleicht habe ich auch durch diesen vorsichtigen<br />

Zugang keine bösen Nachrichten<br />

erhalten.<br />

Sie haben bereits zwei <strong>Kinder</strong> und sind<br />

derzeit wieder schwanger. Hat sich Ihr<br />

Zugang zum Thema Impfen im Verlauf<br />

der letzten Jahre verändert?<br />

Von kinderlos zu einem Kind, ja! Vor<br />

meinem ersten Kind war ich eher zurückhaltend<br />

bei dem Thema. Spätestens dann,<br />

wenn man <strong>Kinder</strong> bekommt, steht man aber<br />

in der Verantwortung, sich über wichtige<br />

Impfungen zu informieren. Ich habe bei<br />

allen Impfungen das Kosten-Nutzen-Risiko<br />

abgewogen und mich dann bewusst dafür<br />

natürlich auch darum, ob ich meinen Sohn<br />

dem Risiko einer Erkrankung aussetzen<br />

möchte.<br />

Was sollte sich in Österreich rund um<br />

das Thema Impfen ändern?<br />

Das Thema Impfungen sollte sachlich und<br />

fachlich fundiert diskutiert werden.<br />

Außerdem wäre es gut, wenn der Sinn und<br />

die Notwendigkeit für Impfungen klar<br />

kommuniziert würden. Jede und jeder<br />

sollte aufgrund von medizinischen und<br />

evidenzbasierten Fakten eine eigene<br />

Meinung bilden können. Menschen sollten<br />

jedoch nicht auf Basis von Fehlinformationen<br />

Entscheidungen treffen. Das Wichtigste<br />

in diesem Zusammenhang ist, dass wir<br />

diese Entscheidungen zum Wohle unserer<br />

<strong>Kinder</strong> treffen.<br />

VERANTWORTUNG FÜR KINDER ÜBERNEHMEN<br />

Verena Maria Greillinger ist Mama-Bloggerin und gibt ihren Followerinnen und Followern<br />

einen Einblick in ihren Familienalltag. Wie sie mit dem Thema Impfen umgeht, erzählt sie im Interview.<br />

entschieden, alle Impfungen laut Impfplan<br />

durchführen zu lassen – auch die kostenpflichtige<br />

Meningokokken-Impfung.<br />

Kostenpflichtige Impfungen sind für<br />

viele Eltern aufgrund der finanziellen Belastung<br />

ein Thema. Wie ist Ihre Einschätzung<br />

dazu?<br />

Ich musste mir für meine <strong>Kinder</strong> keine<br />

Gedanken darüber machen. Das ist ein<br />

Luxus und nicht selbstverständlich<br />

– dessen bin ich mir bewusst. Ich finde es<br />

traurig, dass nicht alle Kosten für <strong>Kinder</strong>impfungen<br />

übernommen werden. In<br />

Österreich sollte man nicht des Geldes<br />

wegen auf eine Impfung verzichten<br />

müssen. Abgesehen davon finde ich es<br />

wichtig, dass Aufklärung rund um das<br />

Thema Impfungen nicht nur auf aktive<br />

Nachfrage bei Ärzt:innen passiert, sondern<br />

wissenschaftlich fundierte Informationen<br />

auch über alltägliche Medien allen zugänglich<br />

gemacht werden.<br />

FOTO: ZVG FOTO: ZVG<br />

Ramona Sailer<br />

Mutter eines Sohnes<br />

& Geschäftsführerin<br />

der Ölmühle Sailer<br />

Verena Maria<br />

Greilinger<br />

Bald Mama von drei<br />

<strong>Kinder</strong>n & Bloggerin<br />

www.enamariab.com


IMPFPLAN ÖSTERREICH 2022<br />

Alter<br />

Impfung<br />

Rotavirusa<br />

1. Lebensjahr 2. Lebensjahr<br />

in 7.<br />

Lebens woche<br />

im 3. im 4.– 5. im 6. im 7. –9. im 10.– 11. im 12. im 13 . im 14. im 15. im 16.– 19. im 20. –24.<br />

2<br />

4 Wochen<br />

Lebensmonat<br />

Diphtherie<br />

Tetanus<br />

Säuglinge und Kleinkinder<br />

1 4 Wochen<br />

Pertussis<br />

1<br />

Poliomyelitis<br />

Haemophilus<br />

influenzae B<br />

Hepatitis B<br />

Pneumokokken<br />

1<br />

Masern,<br />

Mumps, Röteln<br />

Meningokokken B g<br />

1<br />

Meningokokken C g<br />

FSME g<br />

Varizellen<br />

Hepatitis A<br />

Influenza i<br />

2 Monate<br />

2 Monate<br />

2 Monate<br />

2<br />

2<br />

2<br />

6 Monate<br />

6 Monate<br />

6 Monate<br />

1<br />

3 Monate<br />

jährlich<br />

1<br />

1<br />

1<br />

1<br />

2 f 2<br />

6 Wochen<br />

6 Monate<br />

vor Eintritt in Gemeinschaftseinrichtungen<br />

1–3 Monate 5/9-12 Monate<br />

2<br />

vor Eintritt in Gemeinschaftseinrichtungen<br />

2<br />

vor Eintritt in Gemeinschaftseinrichtungen<br />

Alter<br />

Impfung<br />

im 3.–5. im 6. im 7.–9. im 10. im 11.–12. im 13. im 14–15. im 16–18. im 19–30. im 31–50. im 51.–60. im 61.–65. ab den 66.<br />

Lebensjahr<br />

Diphtherie<br />

Tetanus<br />

B<br />

alle 10 Jahre<br />

B<br />

alle 10 Jahre<br />

B<br />

Pertussis<br />

b<br />

Poliomyelitis<br />

<strong>Kinder</strong>, Jugendliche und Erwachsene<br />

3<br />

Haemophilus<br />

influenzae B<br />

Hepatitis B<br />

Pneumokokken<br />

Masern,<br />

Mumps, Röteln<br />

e<br />

vor Eintritt in Gemeinschaftseinrichtungen<br />

B<br />

oder Grundimmunisierung d<br />

1<br />

Meningokokken<br />

ACWY<br />

COVID-19 k<br />

Meningokokken B g<br />

j<br />

Meningokokken C g<br />

Humane<br />

Papillomaviren<br />

6 Monate 2<br />

h<br />

FSME g<br />

3 Jahre B alle 10 Jahre<br />

B alle 3 Jahre<br />

Varizellen<br />

Hepatitis A<br />

Influenza i<br />

vor Eintritt in Gemeinschaftseinrichtungen<br />

vor Eintritt in Gemeinschaftseinrichtungen<br />

jährlich<br />

Herpes Zoster<br />

1 2 Monate 2<br />

13<br />

1 Jahr<br />

23<br />

B<br />

Impfung empfohlen, kostenfrei<br />

Nachhol-Impfung empfohlen, kostenfrei<br />

Impfung empfohlen, nicht kostenfrei<br />

Nachhol-Impfung empfohlen, nicht kostenfrei<br />

Nachhol-Impfung empfohlen zum vergünstigten Selbstkostenpreis<br />

1 1. Dosis<br />

2 2. Dosis<br />

3 3. Dosis<br />

B Boosterimpfung<br />

13 13-valente Pneumokokkenimpfung<br />

23 23-valente Pneumokokkenimpfung<br />

HINWEIS: Individuelle Indikationen können zu abweichenden<br />

Empfehlungen oder Impfschemata führen. Zeitangaben<br />

innerhalb der Pfeile entsprechen empfohlenen Intervallen.<br />

Empfehlungen zu Darstellungszwecken teils vereinfacht.<br />

Details siehe Impfplan Österreich 2022 (verfügbar unter<br />

www.sozialministerium.at/impfen bzw. entsprechende Fachinformation).<br />

Prinzipiell sollte jede der empfohlenen Impfungen<br />

bei Versäumnis ehestmöglich nachgeholt werden.<br />

a Bis zur vollendeten 24. (Rotarix, 2 Dosen) bzw. vollendeten 32. Lebenswoche (Rotateq, 3 Dosen). b Wenn nicht zuvor erfolgt, Impfung gegen Pertussis spätestens bei Schulaustritt. c Nach Grundimmunisierung und mindestens zwei Auffrischungsimpfungen<br />

im Erwachsenenalter weitere Impfungen nur bei Indikation. d Auffrischung ab dem vollendeten 7. Lebensjahr; erfolgt die Grundimmunisierung nach dem vollendeten 1. Lebensjahr, kann diese Auffrischungsimpfung auch entfallen. e <strong>Kinder</strong><br />

mit Risiken bis zum vollendeten 5. Lebensjahr kostenfrei. f Bei Erstimpfung ab dem 1. Geburtstag 2. Impfung frühestmöglich, mit Mindestabstand 4 Wochen. g Impfschema abhängig von Alter und Impfstoff. h HPV-Nachimpfungen zum Selbstkostenpreis<br />

an öffentliche Impfstellen bis zum vollendeten 18. Lebensjahr. Ab dem vollendeten 15. Lebensjahr 3 Dosen. i Bei Erstimpfung von <strong>Kinder</strong>n bis zum vollendeten 8. Lebensjahr (tetravalente Lebendvakzine) bzw. bis zum vollendeten 9. Lebensjahr<br />

(tetravalenter Totimpfstoff) 2 Impfungen im Abstand von mindestens 4 Wochen. Bei eingeschränkter Impfstoffverfügbarkeit bei Erstimpfung nur eine Dosis verabreichen (und auf die 2. Dosis nach 4 Wochen verzichten, off label). Danach 1 jährliche<br />

Impfung ausreichend; kostenfreie Impfungen für Menschen ab 60 Jahren in Alten- und Pflegeheimen. j Nachholimpfungen bis zum vollendeten 25. Lebensjahr. k Mit Zulassungserweiterungen der COVID-19-Impfstoffe ist in absehbarer Zeit zu rechnen.<br />

Aktuelle Empfehlungen des Nationalen Impfgremiums unter https://www.sozialministerium.at/Corona-Schutzimpfung/Corona-Schutzimpfung---Fachinformationen.html

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