32 DIE BESTEN IMMOBILIEN ••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••• WOHNRAUM <strong>Das</strong> antike Italien macht es vor Ein Haus zu bauen bedeutet, dass verschiedene Gewerke zusammenspielen. Wenig beachtet wirdoft der Maler,weiß Hannes Herbsthofer aus der Steiermark. Er arbeitet als einer der wenigen mit natürlichen Materialien, die Wände atmen und schön aussehen lassen. Achtzehn Jahrejung war Hannes Herbsthofer,als er den Malerbetrieb der Familie übernommen hatte. Als seine Heimatgemeinde Kaindorf bei Hartberg 2007 beschloss, klimaneutral zu werden, machte Herbsthofer mit, als Leitbetrieb. Seither orientierten er und seine Gattin Marlies sich Stück für Stück weiter in Richtung Nachhaltigkeit, und das in allen Bereichen: Der Kundenradius wurde drastisch verkleinert, um Fahrkilometer und unproduktive Fahrzeiten zu vermeiden, mit wissenschaftlicher Begleitung konnte innerhalb von zwei Jahren der betriebliche CO 2 -Ausstoß um 52 Prozent verringert werden. Aus einem Humusprojekt der Region, bei dem 5000 Hektar Ackerfläche nachhaltig bewirtschaftet werden und als CO 2 -Speicher dienen, werden nun Zertifikate gekauft, um den betrieblichen CO 2 - Ausstoß gänzlich zu kompensieren. Hannes und Marlies Herbsthofer schmunzeln beim Erzählen ihrer Geschichte, denn einen Punkt haben sie etwas vernachlässigt: den Gewinn. Den brachten die inhaltliche Neuausrichtung und der Umstieg auf nachhaltige Materialien mit 200 neuen Kunden proJahr zu den bestehenden 4000 Stammkunden. Arbeiten wie früher,sokönnte die Devise des Ehepaars lauten. <strong>Die</strong> Vorlagen dafür fand das italophile Ehepaar in den Renaissancebauten von Venedig und Ravenna, wo „die Fassaden leben und mit den verwendeten Materialien atmen können, im Gegensatz zur Bauweise hier“. Mit ihrer Geschäftsidee konnten sie bereits Franchisepartner in Luxemburg, Deutschland und Österreich gewinnen, in ihrem Onlineshop bieten sie ökologische Wandfarbe, in ihrem Farbentheater zeigen sie, wie modernmit traditionellen Materialien Wände gestaltet werden können. SN: Warum muss eine Wand atmen können? Hannes Herbsthofer: Eine Wand muss Wasserdampf aufnehmen und abgeben können. Ist das nicht möglich, droht Schimmelbildung. Atmen bedeutet aber nicht Luftdurchlässigkeit beziehungsweise Luftdichtheit. Luft darf durch die Wand keine ins Freie hinaus und umgekehrt. SN: Worin liegt der Unterschied zwischen Materialien, mit denen Sie arbeiten, und den herkömmlichen Dispersionsfarben? Durch Kochen, Duschen oder Wäschetrocknen verdampfen in einem Vierpersonenhaushalt rund zehn Liter Wasser proTag, die sich an den kältesten Flächen im Raum absetzen. Bei alten Fensternschwitzen die Fensterscheiben, bei neuen sind die kältesten Stellen bei den Fenster- •••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••• • laibungen, wo es gernschimmelt. Auf der Dispersion bleibt die Feuchtigkeit stehen, das bietet Nährboden für Schimmel. Ein Kalkputz oder Silikat saugt die Feuchtigkeit auf. Sehr gut zeigt sich das im Bad: Dort läuft nach dem Duschen der Spiegel an. In einem nur zur Hälfte verfliesten Bad, bei dem die andere Hälfte mit Kalkputz versehen ist, ist das nicht der Fall, weil der Kalk die Feuchtigkeit aufnimmt. Gelüftet werden muss aber dennoch. SN: <strong>Die</strong> Baunormen sind heute andere, Stichwort Fensterdichtheit. Wiereagiert die Farbenindustrie auf die geänderten Bedingungen? Wenn Schimmel das Problem ist, wird die Farbe mit Giftstoffen versetzt, sie soll Schimmelbildung vermeiden. <strong>Das</strong> ist auf Außenfassaden noch schlimmer.<strong>Die</strong> Farbenindustrie ist heute bestrebt, Produkte herzustellen, die einfach zu verarbeiten sind, nicht zuletzt, weil die Handwerker immer ungeübter werden. Heute kommen in vielen Firmen drei Hilfsarbeiter auf eine Fachkraft, da braucht es Produkte, die jeder verarbeiten kann. Dazu kommt, dass neueren Farben Weichmacher oder Topfkonservierungsmittel beigemischt werden, damit die Farbe im Kübel haltbar bleibt. Lesen Sie einmal das Sicherheitsdatenblatt von einer herkömmlichen Dispersionswandfarbe oder billigen Silikatfarben im Internet nach. Da sind Biozide enthalten, wenn auch in sehr kleinen Mengen, die in der Landwirtschaft schon längst verboten sind. SN: Innenräume zu streichen gilt ja mehr als ein DIY-Thema denn als fachkundige Wissenschaft. Warum ist das so? Nicht einmal im Architekturstudium ist die Wand ein großes Thema! Da geht es um Beton, Glas, glatte, weiße Flächen, vorrangig um Design. Bei einer Hausplanung sind alle Gewerke eingebunden, wir als Malerbetrieb leider noch immer viel zu selten. Und in der Meisterschule der Maler und Anstreicher sind Kalk und Silikat eine Nische, die nur am Rande angesprochen wird. Für die großen Lieferanten und Hersteller sind das meist Feigenblätter,mit denen sich nicht viel verdienen lässt. Viele Fragen sind hierzu unbeantwortet, zu mir kommen auch Wohnbaugesellschaften und fragen nach Rat, sowohl was die Innenfarbe als auch die Wärmedämmung betrifft. Meine Antwort: Dem Raumklima ist es dabei egal, ob außen Styropor, Mineralschaumplatten oder Hanf kleben, aber im Innenraum macht es schon einen Unterschied, ob Putz, Spachtelmassen und Farben natürlich und mineralisch sind oder nicht.
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