78 DIE BESTEN IMMOBILIEN ••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••• REGIONALES BAUEN Watzmannblick für alle Bartl Wimmer ist Arzt, Unternehmer und Politiker.InBischofswiesen hat er mit seinem Kulturhof Stanggass einen etwas anderen touristischen Betrieb errichtet. Bartl Wimmer Wenn ein Politiker einen Beherbergungsbetrieb plant, stehen plakativ gesprochen mehr Themen zur Diskussion als nur die Frage der inhaltlichen Ausrichtung, Architektur und Bettenanzahl. Bartl Wimmer ist seit den Achtzigerninder Gemeindepolitik tätig, er ist Laborarzt, Teilhaber eines Unternehmens und führt seit einem Jahr den Kulturhof Stanggass in Bischofswiesen. Zu Letzteremkam er recht unverhofft, und das eigentlich nur,weil er ein anderes Bauvorhaben verhindernwollte. In Bischofswiesen, am Ortseingang von Berchtesgaden, stand über hundert Jahredas legendäreHotel Geiger,indem wohlhabende Gäste aus Adel und Wirtschaft ein und aus gingen. Nach Kriegsende wurde es als Offizierswohnheim genutzt, das einen jungen Offizier mit Namen John F. Kennedy beherbergte. Ab 1987, als die Hotelbetreiber in die Insolvenz schlitterten, stand das Hotel leer und verfiel zusehends. Vor wenigen Jahren wurde über Pläne gemunkelt, dass an dieser Stelle mit direktem Blick auf den Watzmann Chalets, also Zweitwohnungen, entstehen sollten, und das mit einer recht dichten Bebauung. Dem Grünenpolitiker Wimmer gefiel das gar nicht. Als er erfuhr, dass das Gelände versteigert werden sollte, verließ er kurzerhand das Büro seines Unternehmens Synlab in München, um nach Berchtesgaden zu fahren. Er bekam den Zuschlag, überraschend, ohne recht einen Plan zur weiteren Nutzung gehabt zu haben. Eine Idee hingegen gab es schon: Es soll ein Hotel entstehen, Gastronomie und genügend Raum für die heimische Bevölkerung. Zwei Jahre vergingen zwischen Grundstücksersteigerung und Baubeginn. Wieein Sachverständigengutachten ergab, konnte von der alten Gebäudesubstanz nichts erhalten werden, ein Komplettabriss war nötig. Weil unterhalb die Bundesstraße vorbeiführt, sei ohnehin ein Neudenken der Architektur vonnöten gewesen, erklärt Bartl Wimmer,imalten Hotel waren die Zimmer noch straßenseitig ausgerichtet. Der Unternehmer beauftragte das Büro Arc Architekten unter der Leitung von Manfred Brennecke und Stefan Kohlmeier aus dem niederbayerischen Bad Birnbach. <strong>Das</strong>s der Architekt Brennecke ein gutes Gespür hat, Gebäude sensibel in die Natur zu integrieren, hat er beim Hotel Edelweiß bewiesen. Als das Gericht die Genehmigung für den geplanten Neubau kippte, half der Architekt dem Hotelier Peter Hettegger,eine passende architektonische Lösung zu finden. Für den Kulturhof Stanggass nahmen ArcArchitekten die traditionelle Idee des Berchtesgadner Zwiehofs auf und gemeinsam mit dem Bauherrninterpretierte man den Baustil neu: <strong>Die</strong>se zweigeteilte Architektur mit dem ins Talblickenden Hof beherbergte früher Wohnen, Schlafen und Kochen in einem Gebäude und in einem weiteren das Vieh. In diesem Fall würde der nördliche Flügel des Hauptgebäudes den Veranstaltungssaal beinhalten, der andere, von der Straße abgewandte Teil Hotel und Gasthof. •••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••• • Mit Hetteggers Beherbergungsdimensionen wollte Bartl Wimmer nie mithalten, sein Hotel hat nur 34 Zimmer, zudem können auf einer Anhöhe knapp 70 Quadratmeter große Stadlhäuser angemietet werden. Der Politiker und Unternehmer verfolgt ohnehin eine andereunternehmerische Strategie. Sein Kulturhof soll nicht nur Touristen und Gästen Platz bieten, er will auch die Einheimischen einbinden. „Enkeltauglich“ nennt er seinen Kulturhof Stanggass, und das umfasst mehrere Dimensionen: einen Touristikbetrieb, der betriebswirtschaftlich gesehen auch noch den Enkeln ein Einkommen sichert, einen Veranstaltungsort, an dem sich die Einheimischen wiederfinden, und Nachhaltigkeit in Bezug auf Baustoffe wie Bauweise. <strong>Die</strong> Energie wirdnachhaltig mit Hackschnitzeln und Photovoltaik erzeugt. BILD: SN/MÜLLER Holzbauweise bevorzugt Als Baustoffe wurden Holz und Lehm eingesetzt, für den Holzbau zeichnet das Unternehmen Meiberger aus Lofer verantwortlich. Ein Teil des Baumaterials stammte aus Wimmers eigenem Wald. Mit dem Eschentriebsterben hatte er viel brauchbares und bereits trockenes Holz, das für seinen Bauzweck gut passte und problemlos verwendet werden konnte. Mit dem Bau der Fundamente wurde im September 2020 begonnen, die Gebäude waren Mitte Dezember fertig aufgestellt, somit konnte zeitgerecht mit dem Innenausbau begonnen werden. Knapp ein Jahr später war der Kulturhof Stanggass fertig. Während der Coronazeit halfen dem Bauherrnsein berufliches Know-how und die Laborerfahrung: Mit einer engmaschigen Testung konnte der fortwährende Betrieb gewährleistet und ein größerer Personalausfall auf der Baustelle vermieden werden. <strong>Die</strong> Zulieferer aus Österreich –neben dem Holzbauer Meiberger der burgenländische Fenster-und Türenhersteller Katzbeck –hatten gelegentlich Einreiseprobleme. Insgesamt konnte man von einer vorbildlichen Zusammenarbeit der Gewerke reden, sagt Bartl Wimmer. Ein Gebäudetrakt wurde von einer Yogalehrerin aus der Region angemietet. „Wir wollen mit dem Kulturhof Stanggass auch unseren Lebensraum mitgestalten“, sagt Bartl Wimmer.Der Talkessel, bestehend aus fünf Gemeinden, in denen 25.000 Menschen leben, hat immerhin 2000 Betriebe, die touristisch tätig sind, vielfach auch nur nebenerwerblich. „<strong>Das</strong> zeigt die breite Verankerung im Tourismus, das ist ein Schatz, den wir bewahren sollen“, sagt der Unternehmer,dessen Mutter ebenfalls in der Vermietung tätig war und der weiß, wie das Miteinander zwischen Einheimischen und Touristen gestaltet sein kann. Mit seinem Kulturhof Stanggass ist Bartl Wimmer zufrieden. <strong>Die</strong> Auslastung des Hotels liegt bei 90 Prozent, die Kulturveranstaltungen sind gut besucht, wenn auch wirtschaftlich kaum rentabel, viele Hochzeiten finden im Kulturhof statt. Im nächsten Jahr soll der Biergarten Aufschwung erhalten und mehr Einheimische anlocken. Daniela Müller
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