TOPFIT Winter 2022/2023
Bescheid wissen - gesund bleiben Ihr Magazin für Gesundheit, Fitness und Wellness
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Diagnose & Therapie<br />
15<br />
Bauchraum im Sinn, als er das Fast-Track-Konzept<br />
entwickelte.<br />
Aktuelle Studien zeigen, dass mit Fast Track z. B.<br />
die Komplikationsrate bei Darmoperationen<br />
von früher rund 30 Prozent auf unter fünf bis<br />
zehn Prozent gesenkt wird. Und auch der Krankenhausaufenthalt<br />
verkürzt sich von zehn bis<br />
14 Tagen auf zwei bis fünf Tage. Speziell für die<br />
Eingriffe am Darm sieht das Fast-Track-Konzept<br />
vor, dem Patienten bereits im Vorfeld der Operation<br />
alle unnötigen Belastungen zu ersparen, die<br />
einer raschen Rekonvaleszenz im Weg stehen,<br />
allen voran der Verzicht auf ein striktes Fasten<br />
und eine aufwändige Darmspülung. Dass der<br />
Patient zudem schon wenige Stunden nach der<br />
Operation wieder aufstehen kann, ist vor allem<br />
der modifizierten Schmerztherapie zu verdanken<br />
– eine wichtige Säule von Fast Track.<br />
Optimiertes Schmerzmanagement<br />
Von einem optimierten Schmerzmanagement<br />
profitieren auch Patienten, die ein künstliches<br />
Hüft- oder Kniegelenk implantiert bekommen.<br />
»Beispielsweise lassen sich durch den Einsatz<br />
von lokalen Betäubungsmitteln direkt in<br />
das Operationsgebiet postoperative Schmerzen<br />
deutlich mindern. Zudem vermeiden wir durch<br />
die örtlich begrenzte Anwendung eine Wirkung<br />
des Schmerzmittels auf den ganzen Körper, die<br />
ja oft mit unangenehmen Nebenwirkungen verbunden<br />
ist«, erklärt der Endoprothetik-Experte<br />
und Chefarzt der Klinik für Orthopädie und<br />
Unfallchirurgie am Krankenhaus Barmherzige<br />
Brüder München Prof. Dr. Johannes Beckmann.<br />
Bisher gibt es in Deutschland erst wenige Endoprothetik-Kliniken,<br />
die das patientenorientierte<br />
Konzept anwenden. Eine davon ist die Klinik<br />
für Orthopädie und Unfallchirurgie des Krankenhauses<br />
Barmherzige Brüder München, wo<br />
jährlich knapp 2 500 Patienten im zertifizierten<br />
Endoprothetikzentrum der Maximalversorgung<br />
behandelt werden – damit gehört das Krankenhaus<br />
Barmherzige Brüder zu den größten orthopädischen<br />
Kliniken Deutschlands. Hier werden<br />
die meisten Patienten inzwischen nach den<br />
Prinzipien von Fast Track / Rapid Recovery behandelt<br />
– »und wir haben damit sehr gute Erfahrungen<br />
gemacht«, so Prof. Beckmann.<br />
Programmbeginn ist bereits vor dem Eingriff:<br />
Der Patient erhält eine Schulung, zu der unter<br />
anderem auch ein Training mit Gehstützen gehört,<br />
damit er nach dem Eingriff gleich gut mit<br />
den Gehhilfen zurechtkommt. Gezielte physiotherapeutische<br />
Übungen und Muskelkräftigung<br />
noch vor der Operation sind, wie sich gezeigt<br />
hat, ebenfalls sehr bedeutsam für eine schnellere<br />
Rehabilitation.<br />
Digitale Begleitung für mehr<br />
Sicherheit<br />
Zum Fast-Track-Konzept gehört auch, dass der<br />
Patient schon vor der Operation über den ge-<br />
planten Behandlungsablauf genau Bescheid<br />
weiß und er durch gezielte Aufklärung und<br />
praktische Anregungen erfährt, was er selbst für<br />
die rasche Wiedererlangung seiner gewohnten<br />
Aktivitäten tun kann. »Hierfür sind wir gerade<br />
dabei, eine App zu entwickeln, die unsere Patienten<br />
vom ersten Sprechstunden-Termin an bis<br />
über die Nachbehandlung hinaus begleitet. Diese<br />
App informiert nicht nur über die OP-Vorbereitung<br />
und den Eingriff selbst, sondern auch<br />
über die verschiedenen Schritte der postoperativen<br />
Versorgung und Rehabilitation«, erklärt<br />
Prof. Beckmann. Weitere Funktionen wie die direkte<br />
Interaktion mit dem Operateur, die Dokumentation<br />
des Genesungsverlaufs, etwa anhand<br />
von Schmerz- und Zufriedenheitsbefragungen,<br />
oder auch ein Aktivitäts-Monitoring zur Unterstützung<br />
des Patienten in der Wiedererlangung<br />
seiner Mobilität nach seiner Entlassung tragen<br />
zusätzlich zu einer hohen Sicherheit bei.<br />
Moderne OP-Techniken<br />
Die Wahl der Operationsmethode spielt in dem<br />
Konzept für eine schnellere Genesung ebenfalls<br />
eine wichtige Rolle. Oberstes Ziel ist, so muskelbzw.<br />
gewebeschonend und so blutsparend wie<br />
möglich vorzugehen. Deshalb wird idealerweise<br />
sowohl bei der endoprothetischen Versorgung<br />
des Knie- als auch des Hüftgelenks minimal-invasiven<br />
Operationstechniken der Vorzug gegeben.<br />
»Gerade beim künstlichen Kniegelenkersatz<br />
hat sich zudem gezeigt: Längst nicht immer<br />
ist es notwendig, das gesamte Kniegelenk gegen<br />
eine Endoprothese auszutauschen. Oft genügt<br />
es, nur den Anteil des Kniegelenks zu ersetzen,<br />
der auch wirklich geschädigt ist«, betont Prof.<br />
Beckmann. Der mit Abstand häufigste Teil-Gelenkersatz<br />
am Knie betrifft den inneren Gelenkanteil,<br />
er wird auch ›mediale Schlittenprothese‹<br />
genannt. Wird nur die kranke Gelenkfläche<br />
durch eine Teil-Endoprothese ersetzt, wird der<br />
natürliche Bewegungsablauf im Gelenk deutlich<br />
weniger gestört. Denn die übrigen intakten<br />
Gelenkanteile einschließlich des für die Stabilität<br />
und Funktionserhalts so wichtigen Kapsel-<br />
Bandapparats bleiben vollständig erhalten.<br />
Die Patientenzufriedenheit ist hoch: Einbuße<br />
bei der Beweglichkeit oder der Koordinationsfähigkeit<br />
gibt es kaum und auch das natürliche<br />
Bewegungsgefühl bleibt deutlich eher erhalten.<br />
Entsprechend schneller kommen die Patienten<br />
nach der Operation wieder auf die Beine – ganz<br />
im Sinne des Fast-Track-Konzepts.<br />
Erste Schritte oft noch am OP-Tag<br />
Unabhängig davon, welche Art von Endoprothese<br />
zum Einsatz kommt: Das bereits während<br />
der Operation begonnene Schmerzmanagement<br />
wird nach jedem Eingriff konsequent weitergeführt:<br />
»Je weniger ein Patient Schmerzen verspürt,<br />
desto leichter fällt ihm die Frühmobilisation«,<br />
sagt Prof. Beckmann. »Früh« bedeutet:<br />
Noch am Tag des Eingriffs steht der Patient wieder<br />
auf und geht mit Hilfsmitteln seine ersten<br />
Schritte, wenn es der Allgemeinzustand erlaubt;<br />
am Tag der Operation finden dann meist auch<br />
schon die ersten physiotherapeutischen Übungen<br />
und weiteres Gehen statt. Durch diese gezielten<br />
Mobilisierungsmaßnahmen sind die meisten<br />
Patienten bereits kurz nach dem Eingriff in der<br />
Lage, das Treppensteigen mithilfe ihrer Gehstützen<br />
zu bewältigen. Im Übrigen sinkt durch<br />
eine schnellere Mobilisation auch das Thromboserisiko,<br />
und es wird weniger Muskelmasse<br />
abgebaut. »In Kombination mit einer gewebeschonenden<br />
Operation ist Fast Track / Rapid Recovery<br />
derzeit das beste Konzept, die Rehabilitationszeit<br />
für den Patienten so kurz wie möglich<br />
zu halten und den Patienten schnell wieder<br />
fit zu machen«, weiß der Experte. Ein positiver<br />
Nebeneffekt: Für die meisten Patienten, die nach<br />
dem Fast-Track-Prinzip behandelt wurden, verkürzt<br />
sich nach einer Gelenkersatzoperation der<br />
Krankenhausaufenthalt. »Unser primäres Ziel<br />
ist es jedoch nicht, unsere Patienten früher nach<br />
Hause oder in die Rehaklinik zu schicken«, betont<br />
Professor Beckmann. Aber natürlich wissen<br />
die Patienten auch diesen Vorteil zu schätzen.<br />
Zur Person<br />
Prof. Dr. Johannes Beckmann<br />
ist seit 1. Mai <strong>2022</strong> Chefarzt<br />
der Klinik für Orthopädie<br />
und Unfallchirurgie des<br />
Krankenhauses Barmherzige<br />
Brüder München. In der<br />
Klinik, die zu den größten<br />
orthopädischen Kliniken<br />
Deutschlands gehört, werden<br />
jährlich mehr als die Hälfte der 4 700 stationären<br />
Patienten im zertifizierten Endoprothetikzentrum<br />
der Maximalversorgung (EPZmax)<br />
behandelt. Damit ist das Krankenhaus Barmherzige<br />
Brüder führend in München.<br />
Prof. Beckmann verfügt über eine ausgewiesene<br />
Expertise für Endoprothetik und ist in Fachkreisen<br />
international anerkannt. Unter anderem<br />
ist er aktives Mitglied in den Präsidien der großen<br />
renommierten Fachgesellschaften wie der<br />
Deutschen Gesellschaft für Endoprothetik (AE),<br />
der Deutschen Kniegesellschaft (DKG) und der<br />
European Knee Gesellschaft (EKS) und wirkt an<br />
der Überarbeitung der Leitlinien, etwa zur Gonarthrose,<br />
mit. Außerdem hält Prof. Beckmann an<br />
der Universität Regensburg regelmäßig Vorlesungen<br />
und Seminare. Bislang hat er über 100<br />
Studien und Journalbeiträge in nationalen und<br />
internationalen medizinischen Fachzeitschriften<br />
veröffentlicht.<br />
Nähere Infos:<br />
www.barmherzige-muenchen.de<br />
Foto: Krankenhaus Barmherzige Brüder München<br />
<strong>TOPFIT</strong> 4 / <strong>2022</strong>