TOPFIT Winter 2022/2023
Bescheid wissen - gesund bleiben Ihr Magazin für Gesundheit, Fitness und Wellness
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Thema aktuell 7<br />
kungen der Organe gesucht und gegebenenfalls<br />
eine ganz spezifische Therapie eingeleitet. Oft<br />
findet man aber keine befriedigende Erklärung<br />
für die Symptomatik, sodass dann nur die Möglichkeit<br />
besteht, die Symptome zu lindern, etwa<br />
durch Medikamente oder Physiotherapie. Mehr<br />
und mehr werden auch ambulante oder stationäre<br />
Rehabilitationsmaßnahmen angeboten. Eine<br />
besondere Herausforderung dabei ist, die Behandlung<br />
an die individuelle Leistungsfähigkeit<br />
des Patienten anzupassen. Diese kann von Patient<br />
zu Patient ganz unterschiedlich sein. Wird<br />
ein Long-/Post-Covid-Patient überfordert, kann<br />
es nämlich zu deutlichen und langanhaltenden<br />
Verschlechterungen der Symptomatik kommen.<br />
Im Alltag wird das Führen eines Aktivitätstagebuchs<br />
empfohlen, um zu lernen, welche Belastungen<br />
die individuelle Leistungsfähigkeit zulässt.<br />
Der Fachausdruck für das Vermeiden von<br />
Überlastungen ist das sogenannte »Pacing«. Dies<br />
stellt ein zentrales Element in der Behandlung<br />
aller Fatigue-Patienten dar. Natürlich ist es das<br />
Ziel, die Leistungsgrenze durch den Einsatz aller<br />
möglichen Behandlungsoptionen zwar langsam,<br />
aber Stück für Stück wieder nach oben zu<br />
verschieben. Man muss aber eher in Monaten<br />
als in Wochen rechnen, sein Leben so weit wie<br />
möglich an die individuelle Leistungsfähigkeit<br />
anpassen und vor allem Geduld haben.<br />
Wie komme ich als Patient an alle<br />
notwendigen Informationen?<br />
Robert Schmidt: Es kann hilfreich sein, sich einer<br />
Selbsthilfegruppe anzuschließen. Hier können<br />
wertvolle Erfahrungen und Tipps weitergegeben<br />
werden. Außerdem wird es als sehr befreiend<br />
empfunden, sich mit anderen Betroffenen<br />
auszutauschen. Heutzutage verfügen viele<br />
Selbsthilfegruppen über ein umfangreiches Online-Angebot,<br />
sodass man mühelos auf das gesammelte<br />
Wissen zugreifen kann. Derzeit wird<br />
weltweit daran geforscht, die Entstehung von<br />
Long-/Post Covid besser zu verstehen und mögliche<br />
Behandlungsansätze zu finden.<br />
Hat Long Covid auch Ihren<br />
Krankenhausalltag verändert?<br />
Robert Schmidt: Schon seit langer Zeit behandeln<br />
wir im Krankenhaus für Naturheilweisen<br />
Patienten mit postviralem chronischem Erschöpfungssyndrom.<br />
Dieses bewährte Behandlungskonzept<br />
haben wir in modifizierter Form<br />
auf Long-/Post Covid übertragen. Inzwischen<br />
kommen täglich neue Long-Covid-Patienten zu<br />
uns in die Klinik, sie stellen fast schon die größte<br />
Patientengruppe dar. Abgesehen davon hat<br />
Corona generell unseren Arbeitsalltag komplett<br />
verändert. Wir haben nun ein »Corona«-Team,<br />
ein »Abstrichzimmer«, wir tragen alle fast rund<br />
um die Uhr Masken und die regelmäßige Testung<br />
von Mitarbeitern und Patienten ist inzwischen<br />
Routine.<br />
Und wie sieht eine Therapie für Long-/<br />
Post Covid im Krankenhaus für<br />
Naturheilweisen aus?<br />
Robert Schmidt: Wir können Long-/Post-Covid-Patienten<br />
für zehn Tage stationär aufnehmen.<br />
Je nach Allgemeinzustand und nach Ausschöpfung<br />
ambulanter Therapiemöglichkeiten<br />
sind natürlich wiederholte stationäre Aufenthalte<br />
möglich, sodass wir auch eine längerfristige<br />
komplementärmedizinische Begleitung anbieten<br />
können. Für jeden Patienten wird im KfN<br />
ein individuelles Behandlungskonzept zusammengestellt,<br />
je nach individuellem Beschwerdebild.<br />
Das KfN ist im deutschsprachigen Raum<br />
eine der größten Einrichtungen für eine integrative<br />
Patientenversorgung mit 110 stationären<br />
Betten. Aus konventioneller Sicht ist das KfN<br />
eine Fachklinik für Innere Medizin, zusätzlich<br />
werden vor allem klassische Naturheilverfahren<br />
nach Kneipp und weitere komplementärmedizinische<br />
Behandlungsansätze wie die Ausleitenden<br />
Verfahren (z. B. Schröpfen, Blutegel,<br />
Aderlass), Neuraltherapie und Homöopathie<br />
angeboten.<br />
Die fünf Säulen der klassischen Naturheilverfahren<br />
sind Ordnungstherapie, Phytotherapie,<br />
Bewegungstherapie, Ernährungstherapie und<br />
Hydro-/Thermotherapie. Zudem kommen im<br />
KfN die Orthomolekularmedizin (z. B. Vitamine,<br />
Spurenelemente) und die mikrobiologische<br />
Therapie (wie Prä- und Probiotika) zum Einsatz.<br />
Unsere Physikalische Abteilung kann auf<br />
ein besonders breites Angebot verweisen, hierzu<br />
zählen z. B. reflektorische Verfahren wie Fußreflex-<br />
oder Bindegewebsmassage (FRZM/BGM),<br />
manuelle Therapie, reflektorische Atemtherapie<br />
und dynamischer Wirbelsäulenausgleich bis hin<br />
zu osteopathischen Techniken - um nur einige<br />
Verfahren zu nennen. Außerdem führen wir in<br />
unserer Klinik sogenannte moderate Ganzkörperhyperthermien<br />
(mGKHT) durch.<br />
Was versteht man unter »moderater<br />
Ganzkörperhyperthermie«?<br />
Robert Schmidt: Bei der moderaten Ganzkörperhyperthermie<br />
wird die Körperkerntemperatur<br />
in den fieberähnlichen Bereich angehoben.<br />
Zur Person<br />
Dies gelingt in einer Art Kabine durch Bestrahlung<br />
des, in seinem Bett liegenden, Patienten mit<br />
wassergefiltertem Infrarot-A-Licht. Alternativ<br />
können auch Behandlungen mit sogenannten<br />
Überwärmungsbädern nach Schlenz durchgeführt<br />
werden.<br />
Wir können auf weit über 40 000 ambulante<br />
und stationäre mGKHTs seit Beginn dieses<br />
Jahrtausends zurückblicken. Pro Aufenthalt eines<br />
Patienten führen wir in der Regel zwei bis<br />
drei mGKHTs durch. Eine mGKHT dauert etwa<br />
150 Minuten und ist so intensiv, dass zahlreiche<br />
Regulationsprozesse in Gang gesetzt werden,<br />
die vor allem das autonome Nervensystem und<br />
das Immunsystem betreffen. Außerdem kommt<br />
es zu einer ausgeprägten Stoffwechselsteigerung<br />
und zu einer tiefgreifenden Entspannung<br />
der gesamten Muskulatur. Gerade bei chronischen<br />
Schmerzsyndromen, wie beispielsweise<br />
Fibromyalgie, und chronischen Erschöpfungssyndromen<br />
wie dem Chronischen Fatigue Syndrom<br />
oder Long-/Post Covid können wir mit<br />
der mGKHT einen positiven Behandlungseffekt<br />
erzielen. Nachweislich wirkt die mGKHT auch<br />
antidepressiv.<br />
Wie sind Ihre Behandlungserfolge bei<br />
Long Covid?<br />
Robert Schmidt: Um die Effektivität unserer naturheilkundlichen<br />
Komplexbehandlung beim<br />
Long-/Post-Covid-Syndrom zu evaluieren, lassen<br />
wir die teilnehmenden Patienten zu Beginn<br />
ihres Aufenthalts im KfN einen eigens kreierten<br />
Fragebogen zu ihrem aktuellen Gesundheitszustand<br />
ausfüllen. Dies wird dann nach einem Monat<br />
und dann noch einmal nach drei und sechs<br />
Monaten nach Entlassung online datenschutzgerecht<br />
wiederholt. Insgesamt konnten bisher<br />
rund 150 Patienten in die Studie eingeschlossen<br />
werden - Ziel ist der Einschluss von 300 Patienten<br />
bis Ende <strong>2023</strong>. Bisher zeigen die Auswertungen<br />
einen signifikanten Anstieg der Lebensqualität<br />
und des subjektiven Gesundheitszustands<br />
durch die naturheilkundliche Komplexbehandlung<br />
im KfN. Dieser hält auch drei bzw. sechs<br />
Monate nach dem Aufenthalt an, sodass man<br />
berechtigterweise von einem nachhaltigen positiven<br />
Behandlungseffekt sprechen kann.<br />
Robert Schmidt<br />
Facharzt für Innere Medizin, Naturheilverfahren und Homöopathie<br />
Ärztlicher Direktor und Chefarzt<br />
Krankenhaus für Naturheilweisen<br />
Seybothstraße 65 | 81545 München<br />
Tel. 089 / 62505-0<br />
E-Mail: sekretariat@kfn-muc.de<br />
Nähere Infos:<br />
www.krankenhaus-naturheilweisen.de<br />
<strong>TOPFIT</strong> 4 / <strong>2022</strong>