#ticinomoments 2023

32 #ticinomoments
Eine Hängematte aufhängen
und die Natur geniessen:
Wie kam es zu dieser
Idee?
Als ich während der Pandemie
meine Masterarbeit
schrieb, habe ich mehrere
Monate in Bosco Gurin verbracht
und dabei das Dorf,
seine Menschen und die
unberührte Natur hautnah
erlebt. Um meine Batterien
aufzuladen, habe ich mich in
meiner Hängematte entspannt.
Da habe ich den
Wunsch verspürt, dieses Gefühl
mit anderen zu teilen.
Was ist die Verbindung
zwischen Hängematten und
den Walsern?
Die Hängematten sind wie
Fahnen, die meinen Wunsch
zum Ausdruck bringen,
meinen Mitmenschen die
Schönheit und Einzigartigkeit
von Bosco Gurin näher
zu bringen. Es ist ein herrlicher
Anblick, bei dem man
einfach innehalten muss. In
diesem Sinne habe ich mich
auch dafür entschieden, die
Hängemattenstationen in
Ggurijnartitsch, also dem
einheimischen Dialekt, zu
benennen.
Auch der Name des Projekts
– Ggurijnar Hermi
– greift den Walser Dialekt
auf. Was bedeutet das?
Die Guriner nannten die
Orte, an denen sie beim
Heumachen eine Pause einlegten,
Hermi. Im Grunde
sind dies die Rückzugsorte
der Einwohner von Bosco
Gurin.
Warum Bosco Gurin?
Ich komme ursprünglich aus
Bosco Gurin. Als Kind habe
ich hier meine Wochenenden
und den Sommer verbracht.
Obwohl ich nicht das ganze
Jahr über hier lebe, spüre ich
meine Walser Wurzeln doch
sehr stark. Es war mir wichtig,
dass das Projekt auch
kulturell ausgerichtet ist
und die Möglichkeit gibt, das
Dorf und seine Traditionen
zu entdecken, die Gegend zu
erkunden und
vor allem mit der einheimischen
Gemeinschaft in
Kontakt zu treten.
01
Werden die Hängematten
deshalb in der Bäckerei
ausgeliehen?
Das ist richtig. Und nicht
nur! Es gibt drei Stellen,
wo man die Hängematten
abholen und wieder abgeben
kann: die Bäckerei
im Dorfkern, das Museum
Walserhaus und das Bed &
Breakfast Casa Moni. Auf
diese Weise trifft man die
Einheimischen. Dann macht
man sich mithilfe einer Karte
(im Digital- oder Papierformat)
auf die Suche nach
dem eigenen Lieblingsort.
Es ist ganz einfach –
und kindgerecht!
Wie meinen Sie das?
Bei der Auswahl einiger Stellen,
an denen die Haken für
die Hängematten angebracht
werden sollten, habe ich die
Kinder miteinbezogen, die
das ganze Jahr über hier
leben. Ich bat sie, mich zu
den Orten zu bringen, die sie
für interessant hielten. Um
herauszufinden, auf welcher
Höhe die Hängematten aufgehängt
werden sollten, habe
ich ausserdem überprüft, ob
die Kinder sie selbständig
aufhängen können.
Bis jetzt gibt es zwölf
Standorte, richtig?
Ja. Ich habe lange nachgedacht,
um unterschiedliche
Stellen zu finden, die für
alle geeignet sind. So gibt
es welche in der Nähe des
Dorfkerns, die für die ganze
Familie leicht erreichbar
sind. Andere sind weiter entfernt,
und manchmal muss
man vorsichtig sein, um in
die Hängematte zu gelangen.
Normalerweise platziere
ich die Haken entlang
markierter Wege, damit die
Wanderer anhalten und dort
ihre Hängematte aufhängen
können.
Innehalten, entspannen,
die Natur bewundern...
Das klingt selbstverständlich,
ist es aber nicht. Ich selbst
fange nach einer Weile in der
Hängematte an, darüber zu
grübeln, was ich noch alles
erledigen muss. Stattdessen
ist es heute wichtig, innehalten
zu können und einen
Moment lang nichts zu tun.
Nur wenn man in die Natur
eintaucht, kann man sich
wieder mit ihr verbinden
und von der Hektik des
Alltags abschalten.
Langsamer Tourismus.
Für wen ist er geeignet?
Diese Erfahrung steht allen
offen: den Besuchern, die
nach Bosco Gurin kommen,
aber auch einheimischen
Familien, Kindern und allen,
die ihren Urlaub im Dorf
verbringen und zwischendurch
auch mal anderes
machen wollen.
Heute Bosco Gurin,
und morgen?
Dieses Projekt ist stark mit
dem Gebiet verwurzelt und
ich kann mir kaum vorstellen,
es woanders hinzubringen.
Was nicht ausschliesst, dass
andere diese Idee – oder zumindest
die Philosophie des
bewussten und langsamen
Tourismus – aufgreifen und
an anderen Orten anwenden
können.